I
Du stehst da und atmest tief ein, nimmst den Duft der Bücher in dich auf. Das hier ist die wundervollste Buchhandlung, die du jemals gesehen hast. In dem alten Theatersaal sind überall Bücher verteilt, überall. Im Zuschauerraum, im Orchstergraben. Nur auf den kleinen rotbesamteten Balkonen stehen kleine Tische mit gemütlichen Sesseln zum schmökern, doch direkt dahinter drängen sich wieder die Bücherregale.
Du schließt die Augen und saugst noch ein letztes Mal die nach Tinte und Papier duftenden Luft ein, dann verlässt du diesen Dom der Bücher wieder.
Du trittst hinaus auf die breite, lärmende Avenida Santa Fe und folgst ihr bis du wieder auf die 9 de Julio triffst.
Irgendjemand hat dir mal erzählt, das hier sei die breiteste Straße der Welt und das kannst du dir gut vorstellen. Du hast vorhin geschlagene zehn Minuten gebraucht, um sie zu überqueren. Jetzt musst du das zum Glück nicht. Ein paar Blöcke weiter eilst du die Rolltreppe zur Subte, wie die U-Bahn hier genannt wird, herunter, denn dort steht bereits eine Bahn. "Che, linda!", brüllt ein Junge hinter dir und du drehst dich um, weil du denkst, er hätte dich gemeint. Hat er nicht. In dem Moment, in dem du wieder nach vorne schaust, fährt die Bahn davon. Na super, jetzt musst du wegen diesem Idioten zehn Minuten warten. Als Touristin hat du es zwar nicht eilig, aber in der düsteren Haltestelle warten zu müssen gefällt dir trotzdem nicht. Immerhin ist es noch nachmittags und gegenüber stehen ein paar gelangweilte Teenager, die auf ihren Handys herumtippen oder einfach nur in die Luft starren.
Eine dreiviertel Stunde später und um 10 Pesos ärmer stehst du endlich nur wenige Schritte von einem der berühmtesten und dem definitiv ältesten Viertel der Stadt entfernt, direkt am Fluss. Als du vor ein paar Tagen den Flughafen verlassen hast und direkt am Fluss standest, warst du dir hundertprozentig sicher, dass Googlemaps und überhaupt alle Karten der Welt lügen und du am Meer warst. Du konntest nur Wasser sehen, kein gegenüberliegendes Ufer und erst recht keine Großstadt dort drüben. Und auch jetzt kommt es dir immer noch so vor, obwohl deiner Sicht die Glasgebäude des schicken neuen Viertels auf dem Gebiet des ehemaligen Holzhafens im Weg sind.
Du reißt dich aus deinen Gedanken und gehst die letzten Meter und betrittst "den Mund". Die Häuser sind bunt gestrichen, beherbergen kleine Cafés und Andenkenläden, ein Straßenkünstler steht in der kleinen Straße und führt Zaubertricks vor. Von dem Balkon des Hauses direkt an der Ecke grüßt eine weiß gekleidete Figur. Du schaust genauer hin und musst lachen, es ist tatsächlich der Papst, der da so freundlich seine Hand erhoben hat. Ein paar Meter weiter tanzt ein Paar Tango auf der Straße und du beibst stehen, um zuzuschauen. Dir gefällt dieses Viertel, wirklich, aber du findest, man merkt, wie sie es für die Touristen wieder aufgemotzt haben. Schon allein die Häuser sind viel zu knallig bunt...
Deswegen gehst du weiter, irgendwann biegst du um eine Ecke und merkst, dass du im echten Teil des Viertels angekommen bist. Die Häuser sind immer noch bunt gestrichen, doch die Farbe blättert schon ab an vielen Stellen. Es sind längst nicht so viele Menschen unterwegs und die wenigen davon, die wie Touristen wirken, sind die robustere Art, wie du.
In dieser Straße spürst du wieder das, was du so sehr an dieser Stadt liebst: Ihre Natürlichkeit, ihre Unperfektheit und, natürlich, die Offenheit der Menschen.
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