Verteidigung
Ich spürte Ciro nicht.
Auch nicht, als der nächste Tag anbrach und ich nur mühsam aus dem Bett kam. Ich hatte die halbe Nacht wach gelegen, gehofft ihn in der Nähe zu spüren. Wenn ich doch mal schlief hielt es nicht lange an, denn meine Träume quälten mich.
Wie Schlangen in einer Grube zu einem Knäuel vermischt lagen nackte Frauen auf und neben ihm, begehrten und berührten ihn und lachten über mich und meine Ideale, die mich davon abgehalten hatten nachzugeben. Es war grauenhaft, auch wenn es nur Träume waren.
Ich stand auf und mein Blick fiel auf die Shirts die er mir am Abend zuvor gebracht hatte. Alle rochen nach ihm, was die Situation nicht besser machte... Da ich aber keine Alternative hatte, zog ich ein frisches über, begab mich dann ins Bad und schließlich in die Küche.
——
Die Wachen grüßten mich nickend, blieben aber ansonsten auf Abstand. Ich fühlte mich allein in diesem großen Haus, obwohl geschäftiges treiben herrschte.
Den Tag verbrachte ich ohne ein Wort zu sagen. Ich aß lustlos. Alles schmeckte fad und unnatürlich. Je länger dieser Zustand anhielt desto besorgter war ich, weil ich es nicht verstehen konnte. Was war es, das mich so fühlen ließ? Konnte es mir nicht einfach egal sein, weil genau dass das richtige gewesen wäre?
——
Nachmittags, in meinem Zimmer, hatte ich dann endgültig die Nase voll. Schon fast sehnsüchtig wartete ich auf die Rückkehr von Ciro... Nahm mir fest vor, mit ihm zu sprechen. Es war nicht richtig was ich gesagt hatte, doch er musste verstehen das mein Herz im Einklang mit allem anderen stehen musste.
Je später es wurde desto klarer wurde mir, daß er nicht mehr zurück kommen würde. Nervös und mit den Nerven am Ende lief ich nun schon mehrere Minuten in meinem Zimmer auf und ab. Ich wurde nicht im inneren des Hauses überwacht, aber ich wusste das der Ein - und Ausgang der Villa stetig kontrolliert wurde... Die Wachen hielten sich an ihre Aufgabe und waren gewillt mich nicht gehen zu lassen.
Auf leisen Sohlen schlich ich zur Küche, legte ein Handtuch auf eine der Platten des Herdes und schaltete sie ein. Es war ein verzweifelter Versuch so viele Wachen wie möglich abzulenken. Eilig verschwand ich wieder in meinem Zimmer und wartete. Plötzlich löste sich der Feuermelder zu Wort und das Geräusch schwerer Stiefel donnerte auf dem Boden. Wieviele sich nun schnell bewegten war mir nicht klar, doch es musste genügen. Ich schnappte mir eine Jacke, zog die Kapuze tief in mein Gesicht und eilte zum Ausgang. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich hinter einer riesigen Vase verstecken und so den Blicken einer Wache entgehen. Dann rannte ich los.
——
Das Dorf lag still und friedlich da, als ich näher kam. Keine Kinder, die spielten oder tobten, kein geschäftiges treiben der Leute, die sonst immer von früh bis spät unterwegs waren. Ich vermisste meine Eltern, mein altes Leben und doch zog ich es vor meinen Plan zu verfolgen anstatt Rat und Hilfe im Schoß meiner Familie zu suchen.
Das Freudenhaus war wieder einmal mehr als nur gut besucht. Männer wie Frauen drängten sich an mir vorbei und kaum hatte ich die Schwelle des Eingangs übertreten spürte ich Ciro. Auch er musste nun wissen das ich hier war. Bevor ich jedoch weiter voran gehen konnte legte sich eine Hand auf meine Schulter. Der ältere Mann den ich beim umdrehen erkannte war aus der Nachbarschaft. Er roch nach Alkohol und schwankte leicht. Ich erinnerte mich an die Geschichten, die sie sich über ihn im Dorf erzählten. Angeblich soll er früher als junger Mann am Unfalltod seiner Frau Schuld gewesen sein. Seither war er alleine, wurde zwar freundlich behandelt, doch meistens gemieden.
Noch immer hatte ich die Kapuze tief in mein Gesicht gezogen, doch der ältere Mann ließ sich davon nicht abhalten. Er säuselte etwas unverständliches und begann mich zu bedrängen. Keiner der hier anwesenden störte sich daran, hielten sie es alle doch wohl für normal. Als er mich langsam aber sicher vorwärts in einen leeren Raum schieben wollte wehrte ich mich vehement. Ich knurrte, schlug seine Hände von meinem Körper, doch auch wenn er betrunken war, war er wesentlich stärker als mir lieb war.
In diesem Moment ertönte ein unverkennbares knurren und das treiben hielt für einen Moment an. Keiner bewegte sich, denn alle wussten von wem es kam.
Ciro trat aus dem Schatten heraus und sah noch genauso aus wie gestern Abend. Sein Haar war leicht wirr, doch seine Haltung war deutlich. Gefährlich.
Der betrunkene Mann hatte nicht verstanden was vor sich ging und drängte mich weiter, bis seine Hände plötzlich von meinem Körper verschwanden.
Mit einer enormen Wucht wurde es aus dem Haus geschleudert und landete unsanft auf dem Kiesweg. Sofort sprang er wieder auf - von seinem alkoholisiertem taumeln war nichts mehr zu sehen. Ciro folgte ihm. Ich wusste, was gleich geschehen würde und jagte den beiden hinterher, willens das ganze aufzuhalten bevor etwas schlimmes geschah.
" Ciro, hör auf. " rief ich aber es war zu spät. Beide hatten sich bereits aufeinander eingeschossen und verwandelt und während der schöne schwarze Wolf wütend knurrte und schnaufte, fiel es dem leicht braunen Wolf nicht schwer die Geste zu erwidern. Sie attackierten einander und in diesem Moment wünschte ich mir, mein innerer Wolf wäre bereit. Ich konnte unmöglich mit meiner menschlichen Hülle dazwischen gehen, wenn zwei Wölfe einander angriffen... Aber da ich das ganze mehr oder weniger zu verschulden hatte, tat ich es. Ich riss die Kapuze von meinem Kopf und ein raunen ging durch die schaulustige Menge die sich mittlerweile versammelt hatte.
Ein letztes Mal atmete ich tief ein und warf mich dann mitten in das Gerangel. Ich entging nur knapp einer Pfote deren rasiermesserscharfe Krallen an meinem Kopf vorbei flogen. Wieder startete ich den Versuch den schwarzen Wolf - Ciro - zu rufen, ihn aufzuhalten. Ich rief und rief bis ein Schrei die Luft erfüllte.
Dieser Schrei drang direkt aus meiner Kehle an die Oberfläche.
——
Ciro blieb reglos stehen.
Die Schaulustigen taten dasselbe, nur der braune Wolf lief auf und ab. Er hatte nicht verstanden was geschehen war und setzte zu einem erneuten Angriff an. In letzter Sekunde sprang auch Ciro, landete direkt vor mir um mich abzuschirmen und jaulte schließlich auf. Das Maul des braunen Wolfs schloss sich um Ciro's Bein und das Blut lief ungehindert und verwandelte den Kiesweg tiefrot. Ich inspizierte meine Wunde am Bauch, die ebenfalls stark blutete, doch fand ich noch die Kraft aufzustehen. Der Schmerz schoss durch meinen Körper, doch das Adrenalin und die Wut die in mir kochten hielten mich weiter aufrecht. Ich hatte als Mensch keine Chance, aber das war mir egal. Mit einer geballten Faust trat ich an den braunen Wolf heran und schlug ihm auf die Schnauze. Immer und immer wieder. Zuerst wirkte es, als würde er es nicht mal spüren doch je härter ich zuschlug desto sicherer war ich das sein geknurre ein Zeichen von Schmerz war. Schließlich ließ er Ciro's Bein los und ehe er erneut mich angreifen konnte durchbohrte ihn ein Speer.
Die Wachen rannten bewaffnet auf uns zu, stellten sich schützend in einem Kreis um uns herum. Der letzte, der dazu kam war unbewaffnet, zog dann aber seinen Speer aus dem Bauch des Wolfs. Er hatte schlimmeres verhindert.
" In den Kerker mit ihm! Und bringt unseren Alpha nach Hause. " befahl er und löste damit die Ansammlung der Schaulustigen auf. Ein paar der Wachen hievten Ciro hoch und trugen seine langsam wiederkehrende menschliche Hülle fort. Andere kümmerten sich um den braunen Wolf, der sich noch immer nicht zurück verwandelt hatte.
Als nur noch ich und der Speerwerfer übrig waren sah mich die Wache an. Er lächelte kurz und nickte, dann nahm auch er mich auf den Arm um mich nach Hause zu tragen.
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