Die Priesterin
Heimlich stahl ich mich aus der Villa.
Ich hatte ein klares Ziel vor Augen und konnte nicht warten oder diskutieren, also zog ich die Kapuze meines Mantels tief in mein Gesicht und suchte die Priesterin auf.
Sie lebte am Rand des Dorfes.
Ihr Zuhause glich mehr einem riesigen Zelt und drum herum ranken sich Blumen und Sträucher die fest verwoben mit den Befestigungen des Zeltes schienen... So als würden sie dem ganzen Stabilität verleihen.
Mir war nicht klar was genau ich hier suchte, doch ich hoffte auf Antworten und vielleicht auf so etwas wie Hoffnung.
Noch bevor ich die Kapuze entfernen konnte schnaubte sie.
" Beta. Du solltest nicht hier sein. "
Sie stand mir abgewandt an einer Truhe und fokussierte sich weiter darauf, selbst dann, als ich näher an sie heran trat. Schließlich bewegte sich ihr Kopf doch in meine Richtung.
" Ich kann dir nicht helfen. Geh. "
Ich hatte noch gar nicht gesagt wieso ich hier war, doch es war offensichtlich das sie mich loswerden wollte. Das konnte ich nicht zulassen. In diesem Moment war sie womöglich die einzige die mir helfen konnte.
" Priesterin. Ich bitte dich. Ich brauche Hilfe. Eine Gefahr umgibt das Dorf, den Circle. Und unser Alpha ist nicht stark genug sich der Gefahr zu stellen. "
Die Priesterin blies eine Kerze aus und widmete sich dann vollends mir. Ihr Blick glitt über mein Gesicht, hinab zu meinem Körper, und wieder zurück. Sie musterte mich, als sei sie auf der Suche nach etwas. " Du weißt was dafür nötig ist. Wenn du dem Alpha und somit dem Circle helfen willst, musst du ein Opfer bringen. "
Ihre kaltschnäuzige Art mir gegenüber gefiel mir nicht. Es schien als würde sie mich für etwas verurteilen und ich wusste nicht wofür. Bevor sie sich mir wieder abwenden konnte versperrte ich ihr den Weg, zwang sie mich anzusehen.
" Wenn er nicht stärker wird, dann... " untermalte ich die Dringlichkeit, wohlwissend das sie die Schuld wieder auf meine Schultern schob, aber diesmal sagte sie nichts. Ihr Mund war eine gerade Linie und ihre Augen waren auf meine gerichtet. Einen Moment später begann sie zu nicken und summte etwas. Sie kramte durch Schubladen und durch wühlte ihre Kostbarkeiten auf dem Tisch vor ihr, bis sie fand wonach sie suchte.
" Ein Alpha kann ohne seine Beta nicht regieren. Ein Alpha kann auch ohne seine Beta nicht zu gänzlicher Stärke kommen. Du versuchst verzweifelt einen Ausweg zu finden,... Einen Ausweg um das Ritual das bereits seit mehreren Jahrhunderten notwendig ist um eine Zeitenwende ein zu läuten. Du bist egoistisch wenn du denkst das du etwas nur opfern kannst wenn du liebst. So funktioniert das nicht. " murmelte sie und mischte mehrere Kräuter zusammen. Dadurch entstand ein übelriechender Sud, der mich fast zum würgen brachte. Sie summte weiter während sie alles vermengte und gab als letzte Zutat etwas hinzu das aussah wie Sand.
" Die Gefahr wird sich nicht aufhalten lassen. Das ganze Dorf wird in einer Feuerwalze untergehen. Eine Schreckensherrschaft steht all jenen bevor, die das Feuer überleben. Du kannst das verhindern. Ihr könnt es. "
Jetzt richtete sie sich komplett in meine Richtung. Mit einer kleinen Schale in ihren Händen beobachtete sie mich genau. Ich war nicht fähig etwas zu sagen und sie schien keinen Wert mehr auf eine Unterhaltung zu legen. Vorsichtig hob sie die Schale an, hielt sie mir entgegen.
Und was immer darin war, ich trank es.
——
Einige Zeit später hustete ich. Es fühlte sich an als würde mein innerstes brennen, meine Sicht war verschwommen. Jegliches Gleichgewicht war mir abhanden gekommen und so hielt ich mich in dem riesigen Zelt an allem fest das ich greifen konnte. Der Schmerz war betäubend.
" Sobald der Schmerz vorüber ist kannst du sehen. Du siehst deinen Alpha unter all den Schichten der Arroganz sehen die er vorweist um sein wahres ich zu verbergen. " erklärte sie und setzte sich bequem auf einen abgenutzten, alten Stamm. " So wie er sich dir präsentiert hat, wie er sich allen präsentiert, wirst du ihn nicht mehr sehen. Du siehst was wirklich ist. Das wird dir helfen das Ritual zu beenden. "
" Aber... Aber... Ich... Wir... Wir mögen einander nicht mal. Ich kann das nicht. " gab ich verzweifelt zurück und unterdrückte jeglichen Schmerzensschrei.
Die Priesterin tadelte mich mit ihren Blicken.
" Es ist nicht Liebe was euch zueinander geführt hat. Und es ist auch nicht Liebe, die erforderlich ist. Ihr seid einander verpflichtet und ihr entscheidet wie ihr künftig einander gegenüber tretet. Aber das Ritual ist wichtig. Nicht nur für ihn. Auch du als Beta wirst stärker und kannst dich Gefahren gegenüber behaupten. Doch im Moment... Bist du genauso leichte Beute wie er. "
Bevor ich noch etwas erwidern konnte spürte ich Ciro. Er kam näher. Seine Präsenz schien nun durch den Trank der Priesterin verstärkt, so als hätte ich neue Antennen um ihn noch deutlicher zu empfangen. Ich spürte seine Wut, aber auch die Verzweiflung.
Dann betrat er das Zelt. Die Wachen zu seiner linken trugen Speere mit sich, blickten aber in Anwesenheit der Priesterin zu Boden. Ganz anders als Ciro :
Er wirkte jetzt sogar mehr als wütend.
" Priesterin. " begrüßte er sie und nickte ihr zu. Dann richtete er den Blick auf mich. Er wollte los poltern, mich anschreien, aber das tat er nicht. " Beta. Wir gehen nach Hause. " war das einzigste, das er sagte.
" Sie hat Rat bei mir gesucht und ich habe ihr geholfen. Aber nun solltet ihr gehen. Ein Sturm zieht auf... Nicht nur am Horizont. "
Es war eine eindeutige Warnung die sich bei weitem nicht nur auf das Wetter bezog. Jeder von uns wusste um die Gefahr die irgendwo da draußen lauerte.
Noch wackelig auf den Beinen und vom Schmerz deutlich gezeichnet versuchte ich mit Ciro und den Wachen Schritt zu halten. Wir verließen das Zelt und kurz bevor wir das Dorf erreichten wurde es schwarz um mich herum. Ich hatte das Bewusstsein verloren.
——
Immer wieder kam ich für einen kurzen Moment zu Bewusstsein. Ciro trug mich auf seinen Armen als würde ich nichts wiegen. Er sagte etwas, doch ich driftete schon wieder ab. Ich fiel in die Dunkelheit zurück, umgeben von nichts als Leere und Stille. Erst als ich wieder zu mir kam und es diesmal schaffte mich der Dunkelheit zu entziehen, erkannte ich, daß ich mich in einem Zimmer in der Villa befand. Es war nicht meines und als meine Verwirrtheit langsam der Klarheit wich wusste ich es.
Ciro hatte mich in sein Zimmer gebracht. Es waren seine Laken die mich einhüllten. Alles war ruhig, doch ich war nicht alleine. Ich spürte ein leises summen tief in mir drin, spürte Ciro der in der Nähe war. Langsam richtete ich mich etwas auf und sah mich um. Draußen war es bereits finstere Nacht und trotzdem stand er an einem Fenster und blickte hinaus als würde er alles deutlich erkennen.
" Es war gefährlich raus zu gehen. " knurrte er. Seine Stimme war tief und hinterließ eine Gänsehaut auf meinem Körper. Doch diesmal hatte ich keine Angst, nein.
Die Priesterin hatte Recht behalten. Ich sah durch all die Facetten hindurch, sah sein wirkliches ich. Er schob Wut und Aggression vor, um sich zu schützen - selbst vor mir. Dann sah er mich an. Seine Augen schimmerten im schwachen Schein der Kerzen und zum ersten Mal sah ich etwas anderes als ein Monster. Ich sah die Schönheit, die Güte. Ich sah Vernunft und Verantwortung, aber auch Angst.
Er hatte Angst mir stieße etwas zu und verbarg all die Empfindungen mir gegenüber unter einem riesigen Berg voll Hass und Abneigung. Doch dank der Priesterin waren seine Bemühungen zwecklos. Ich sah ihn.
" Du weißt wieso ich das Risiko eingegangen bin, Ciro. Und du weißt das ich es jederzeit wieder tun würde - sofern es uns hilft. " flüsterte ich. Er blickte nach meinen Worten zu mir.
Wieder richtete er den Blick aus dem Fenster. Es waren keine weiteren Worte notwendig... Also schwiegen wir.
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