Wage es zu glauben - Xavas
Ich blicke in den leeren Kühlschrank und beginne auf meinem Smartphone eine Liste anzufertigen. In Kategorien versuche ich die Lebensmittel einzuordnen. Obst, Gemüse, Fleisch ... Mehrfach springe ich zwischen den unterschiedlichen Kategorien hin und her.
Seid wir in unser gemeinsames Haus gezogen sind, kommen vollkommen neue Aufgaben auf mich zu. Ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen, aber die Führung eines eigenen Haushaltes hatte ich mir einfacher vorgestellt. In meinem Elternhaus hatte sich stetig eine Haushälterin um die Sauberkeit und meine Eltern um die Verpflegung gekümmert. Nun kam ich mir dumm und unfähig vor wenn es allein darum ging eine Waschmaschine zu starten. Wäre mein Dispolimmit nicht komplett ausgereizt hätte ich darüber nachgedacht eine Haushaltagentur zu beauftragen sich um derlei Dinge zu kümmern. Doch nun musste ich abwarten bis mein Kontostand sich akklimatisiert hatte.
Um letzte Zweifel auszuräumen bitte ich Katja einen Blick auf meine Liste zu werfen. Ich musste besser haushalten. Es war besser auf die ein oder anderen Markenprodukte zu verzichten und zu hauseigenen Marken zu greifen. Nur hatte ich es noch immer nicht geschafft meinen Blick für die vielen Angebote und Preiskracher zu schärfen.
„Wirst du mein Survival Guide im Supermarkt sein?" , frage ich sie während sie meine Liste überfliegt. Zärtlich drücke ich ihr einen Kuss an die Schläfe.
Katja zieht die Decke näher an sich heran und wirkt unschlüssig. Im Hintergrund läuft der Fernseher. Für einen kurzen Moment glaube ich, dass sie mich bei der Bewältigung der neuen Aufgabe unterstützt und anbietet, nach der Serie mitzufahren. Aber ich irre mich da ihre Worte lauten; „Muss ich wirklich?"
Noch ehe ich es merke beginne ich meine Lieder zu senken. Ich will nicht das sie die Enttäuschung in meinem Gesicht abließt und presse meine Lippen fest und bestimmend auf ihre. Wärme durchflutet meinen Körper und unterdrückt die Angst vor dem Alleinsein, mit jeder weiteren Sekunden die verstreicht. Ihre Lippen öffnen sich und intensiveren den Kuss. Im nächsten Moment gleitet mein Körper über sie. Meine Hände wandern dürstend nach Nähe und Zuwendung über ihre pfirsichzarte Haut. Der Wunsch manifestiert sich, von ihr ebenso begehrt zu werden. Das die Gefühle nicht in einer Sackgasse enden, wie sie es normalerweise taten.
Mit hitzigem Blick setzte ich mich hinter das Steuer und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Unsicher, welchen Markt ich überhaupt ansteuern soll, wähle ich anstelle eines Discounters einen Supermarkt aus. In der Tiefgarage angelangt, suche ich bewusst einen abgelegenen Parkplatz aus und hoffe, dass ich bei meiner Rückkehr keinen Kratzer im Lack zu beklagen habe.
Eine verfluchte Ewigkeit dauert es, an einen Einkaufwagen zu gelangen. Zuerst fehlt das nötige Kleingeld, da ich sowieso alles mit Karte zahle. Dann finde ich keine freundliche Person, die die erforderliche Zeit aufbringen kann, einen 50-Euro-Schein zu wechseln. Ich diskutiere gerade mit einem Penner und spiele mit dem Gedanken, ihn den Fuffie für einen verdammten Euro zu überlassen, da überlässt mir eine Passantin bereitwillig ihren leeren Einkaufswagen.
Gedankenverloren führe ich den Wagen mit dem Blick auf die Liste geheftet die Rolltreppe hinauf. Die Achsen sind verrostet , wodurch er automatisch immer wieder nach rechts ausschlägt. Ich bin dazu angehalten den Wagen kontinuierlich nach links gegen zu halten und sichtlich genervt.
Zwischen dem Meer aus Lebensmitteln angelangt versuche ich in den unterschiedlichen Abteilungen meine Liste abzuarbeiten. Plötzlich fahre ich einer weiteren Kundin in die Hacken. Schuldbewusst schaue ich von meinem Smartphone auf. Ich will mich entschuldigen, doch da bemerke ich erst, wen ich vor mir stehen habe. Die Arme voll bepackt mit Produkten, die sie gedenkt zu kaufen, wendet sie sich mir zu.
„Verzeihung. Ich glaube, die Achsen des Wagens sind nicht richtig eingestellt."
Mit rehbraunen Augen sieht sie mich neutral an. Sie nickt als Zeichen, das sie mich verstanden hat, murmelt ein; „Ist schon okay" und wendet sich dann wieder den Produkten in dem Regal zu.
Wir gehen wortkarg aneinander vorbei und in meinem Kopf beginnen die Zahnräder auf Hochtouren zu rattern. Ich sollte etwas sagen. Mich vorstellen! Und suche verzweifelt nach einem geeigneten Einstieg. Für sie war der Freund ihrer Schwester ein vollkommen Fremder. Ich wollte mir selbst einen Ruck geben und diesen Umstand ändern. „Verzeihung, du bist doch Anna?"
Neugierig musterte sie mich von oben bis unten. „Jaaa." Sie zog das Wort ratlos in die Länge. In kürzester Zeit versucht sie mich zuzuordnen, ohne Erfolg. „Entschuldigung. Kennen wir uns irgendwoher?"
„Noch nicht. Deswegen möchte ich mich gerne Vorstellen."
Nun wirkt sie skeptisch und schaut unschlüssig zu mir auf. Anne ist, auch wenn sie die jüngere Schwester darstellte, ein ganzes Stück größer als Katja. Sie wirkte auch unter der weit geschnittenen Jeans die locker um ihre Hüfte geschlungen war, äußerst zierlich. Sofort schlugen in mir die Alarmglocken.
„Ehrlich gesagt. Bin ich nicht gerade interessiert an neuen Beziehungen" , gesteht sie ein und ihren Wangen färben sich vor Verlegenheit rot.
„Das war nicht meine Absicht" , platzte es aus mir heraus. Wie kam ich bloß auf die dumme Idee sie so plump von der Seite anzuquatschen. Natürlich ging sie davon aus , dass ich sie anmachen wollte. „Mein Name ist Fabian, ich bin der neue Freund deiner Schwester."
„Katja?" Überraschung spiegelt sich in ihren Augen wider. „Wir stehen nicht gerade in engen Kontakt. Aber das weist du sicherlich schon." Gemeinsam beginnen wir unserer beider Einkauf fortzusetzen. Ich bot ihr an, ihren Einkauf in unseren Wagen ab zustellen. Die Brünette bestand jedoch darauf, ihren Einkauf alleine zu händeln. Als sie bemerkt das sie der Vielfalt an Produkten nicht nachkommen konnte, griff sie nach einem leeren Karton im Regal und ordnete die Verpackungen wie bei Tetris neu an.
„Ja, das sagte sie bereist. Ich hatte nur gehofft, dass man das vielleicht ändern könnte. Wir haben uns sehr intensiv mit unserer beider Zukunft beschäftigt, wie wir leben wollen und mit wem. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass es dass beste wäre, wenn er zu uns zieht. Immerhin braucht Eliot seine Mutter..."
Sobald ich den Namen ihres Neffen aussprach, verfinsterten sich etwas in ihren Gesichtszügen. Ihr schmales Gesicht wirkte nun durch die Anspannung sehr markant. Lag es an den hohen Wangenknochen oder dem herabschätzenden Blick, den sie mir von der Seite zuwarf, das es auf einmal im Laden 10 grad kühler wurde? „Und was habt ihr dann vor?" , zischte sie. „Macht gemeinsam einen auf happy Familie? Sie lebten glücklich bis ans Lebensende?"
Ich bin geschockt. Ja Körperlich an Ort und Stelle zugefroren. Keinen Funken Freundlichkeit fand ich wieder in diesen vor Ärger gezeichneten Augen. Wie schnell Annes Gemütszustand sich verändert... Kein wunder, das Katja sie als kaltherzig und unnahbar beschreib.
„Ihr kennt euch wie lange? Eine Woche? Das ist ein Kind, keine Puppe, die man hin und her schieben kann wie es einem belangt!"
„Das ist mir bewusst!" , entgegne ich ihr ebenso gereizt. „Aber du kannst mir nicht erzählen das diese Situation, die Funkstille und das Kontaktverbot gerechtfertigt und obendrein noch zum Wohle des Kindes ist. Das ist realitätsfern!"
„Realitätsfern." Sie lachte, als wolle sie mich verhöhnen. „So würde ich dein aufdringliches Verhalten beschreiben. Einen schönen Tag noch." Mit diesen Worten lässt sie mich stehen.
An der Kasse laufen wir einander unweigerlich wieder über den Weg. Sie steht vor mir in der Warteschlange und hat den Einkauf bereits aus dem Karton auf das Kassenband verlagert. Ungeduldig tippt sie mit der Fußspitze auf und lässt mich körperlich spüren, dass ihr meine Anwesenheit gegen den Strich geht. Dummerwiese hat an diesem Nachmittag auch nur eine Kasse auf. Und die Kundin vor uns schafft es erst nachdem sie in Seelenruhe ihre Einkaufe in die Taschen gepackt hat, ihre Geldbörse aus ihrer Tasche zu kramen und dann kontaktlos zu bezahlen.
Als zwei vollkommen fremde Menschen mit unterschiedlichen Ansichten verlassen wir das Geschäft. Ich hieve die Einkäufe aus den Wagen in den Kofferraum und fahre los. Auf den Weg in die Stadt fahre ich erneut an Anne vorbei, rede mir ein, dass mich der Umstand, dass sie ihre Einkäufe zu Fuß verrichten muss, nicht interessiert und trete noch im selben Moment auf die Bremse. "Soll ich dich mitnehmen?"
„Nein danke" , kommt es von ihr wie aus der Pistole geschossen.
„Steig ein, es liegt doch sowieso auf dem Weg" , versuchte ich einen weiteren Versuch. Doch sie blickt nur stur geradeaus. Ich beginne das Tempo auf Schrittgeschwindigkeit zu reduzieren. Der Fahrer hinter mir beginnt zu hupen. Und als der Gegenverkehr frei wird, beschleunigt er so schnell, dass ihm die Reifen durchdrehen. Anna scheint es auch zu bemerkten, dass ich den Verkehrt behindere und funkelt mich ein letztes Mal wütend an. Dann öffnet sie schließlich die Beifahrertür, lädt den Karton im Fußraum ab und verschränkt demonstrativ die Arme vor der Brust. Wir reden nicht miteinander, außer ein paar Wegbeschreibungen verliert sie kein weiteres Wort über unsere Meinungsverschiedenheit.
Der Rückweg bis zu den Grenzbaracken zieht sich, da keiner von uns Bedarf nach eine mittellosen Konversation verspürt.
Als sie aussteigt, beuge ich mich in meiner Neugierde zur Beifahrerseite hinüber und schaue mir das Mehrfamilienhaus genau an. Die Häuserfassade war mit hässlichen Graffiti besudelt. Direkt vor der Haustüre befand sich eine Bushaltestelle. Der Mülleimer übergab sich aufgrund der Masse die hinein gestopft worden war. Ich konnte mir nicht einmal im Entferntesten ausmalen, wie diese Wohnungen von innen aussahen. Das Treppenhaus wirkte durch die Glastüre hindurch dunkel und kalt. Womöglich war das aber auch nur meine Interpretation. Ich ernte eine weitere Abfuhr, als ich ihr anbiete, die Einkäufe nach oben zu tragen.
Als ich glaube, dass sich unsere Wege für immer trennen würden, schlägt sie nicht einfach nur die Beifahrerseite zu, sondern beugt sich ein letztes mal hinunter.
„Danke fürs Heimfahren" , gibt sie zerknirscht kleinbei.
„Keine Ursache" , erwidere ich aufrichtig.
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