Silbermond - Bis Zum Schluss
Das Duschwasser prasselt meinen verspannten Nacken hinab. Es war unfassbar, was eine einzige Nacht auf dem Sofa mit einem anstellen konnte. Mein Körper drohte bereits in einem Alter von 29 Jahren in seine Einzelheiten zu zerfallen. „29 Lebensjahre“, schnaufe ich verächtlich. Ich hatte immer geglaubt mit 30 bereits eine Frau und Kinder zu haben.
Ich drehe das Wasser ab, binde mir ein Handtusch um und stehe eine gefühlte Ewigkeit vor dem Waschbecken. Sobald ich kann muss ich die Arbeit wieder aufnehmen. Ich muss die Rechnungen begleichen die sich von Monat zu Monat verdoppeln und verdreifachen. Möglicherweise sollte ich Katja dafür sensibilisieren, dass sie weniger kauft und schüttel den Kopf, als könnte ich den Gedanken somit vertreiben. Ich bin der Mann im Haus. Die Rechnungen und für unser Leben zu sorgen ist meine Aufgabe!
Wie üblich öffne ich die integrierte Schublade unter dem Waschbecken und greife nach meinem Rasierschaum. Doch der Griff geht ins Leere. Erst da werfe ich einen verwunderten Blick hinein.
„Katja, hast du umgeräumt?“
„Nein, ich kann dir nicht alles hinterher tragen?“ , höre ich sie gereizt aus der Ferne entgegen.
Kann mich nicht entsinnen genau das von ihr verlangt zu haben und lege automatisch die Stirn in Falten. Im Gegenzug zu ihr habe ich bedeuten wenige Pflegeprodukte zu verwaren. Und der Kampf um das Territorium ist nach wie vor streng umstritten. Demnach bemühe ich mich die mir zugestandenen Plätze stehts zu belegen, damit keines ihrer neuen Beutiprodukte ihn vereinnahmen konnte. Doch nun war dieser eine Platz im Schrank gähnend leer. Immerhin fand ich meinen Rasierer zwischen Mascara und einer Palette aus Liedschatten sorgsam hinterlegt. Es war wie verhext. Ich lege ihn zurück neben das Afterschave das noch an seinen gwohnten Platz verweilte und beginne mich zu fragen ob das während einer meiner Panikattacken passiert sein könnte.
„Vergiss nicht, das Eliot in einer Stunde vorbei gebracht wird!“ , gibt sie eindringlich zu verstehen. Auch durch die angelehnte Badezimmertüre kann ich den angespannten Unterton in ihrer Stimme wahrnehmen.
Die Übereinkunft hatte ich glattwegs vergessen, weswegen sie mir seid unserem gemeinsamen Frühstück, das ich ihr ans Bett brachte, aus dem Weg geht.
„Eliot, das ist zu gefährlich. Komm bitte wieder vom Dach herunter“, weise ich den kleinen Blondshopf zurecht. Doch er stellt die Ohren wie gewohnt auf Durchzug, bis er die Spitze des Spielhausdaches erreicht hatte und mich provokant von oben herab anlächelt.
„Hörst du schlecht? Du sollst da runter kommen!“, keift Katja von ihrem Platz aus, sodass sowohl Eliot als auch ich zusammen zucken.
Flüchtig gleitet mein Blick über die Schulter zurück an den prall gedeckten Tisch. Marinaden und Salate waren in Glasschüsseln angerichtet und warteten nur darauf verzerrt zu werden. Derweil knistert und knackte das Feuer, das an der Grillkohle leckte. Sobald die Flammen gedimmt waren würde Papa das saftige Flsich darauf verteilen.
„Eliot, ich bitte dich!“, versuche ich erneut das Gewissen des kleinen Jungen zurecht zurücken. „ Das Dach ist nicht zum ausruhen gedacht. Wenn du gerne sitzen möchtest dann setzt dich doch gemeinsam mit uns an den Tisch.“
„Komm schnell runter, oder ich komm dich mit der Grillzange holen“, flunkerte Papa, während er die Grillzange zwischen seinen Händen mehrmals zuschnalzen ließ. Augenblicklich zog Eliot die Füße nach oben, als Papa die Hand ausstreckte und nach einem seiner Füße schnappte.
„Hör auf!“, schrie der Junge brüskiert.
„Dann komm runter!“, forderte Papa ihn erneut auf. Als Antwort spuckte der kleine auf uns hinunter. Augenblicklich sprangen wir zur Seite, bevor das Geschoss uns erreichen konnte.
„Das ist ja abartig“, entfuhr es mi Amadre, bevor sie auf Spanisch hinzufügt, das sie so einen frechen Rotzlöffel noch nie erlebt habe.
Geschlagen begeben wir uns zurück an den Tisch, wo eine heftige Debatte wohl nicht erst vor kurzem begonnen haben musste. „Willst du ihm das weiterhin durchgehen lassen.“, fragt Amadre pikiert.
„Was soll ich den machen?“, harkt Katja nach und schaut in unsere ebenso ratlosen Gesichter. „Spätestens wenn es essen gibt wird er schon da runter krackseln. Derweil kann er da oben ruhig versauern.“
In dieser Hoffnung begann Papa das Fleisch anzubrutzeln. Als die erste Grillfakel auf dem Teller landete startete ich einen weiteren Versuch und ging auf den kleinen Jungen zu. „Das Essen ist fertig. Möchtest du nicht zu uns herunter kommen?“
Unschlüssig schaute er zum Tisch hinüber. Dann erneut auf mich. „Ich will ein Knabberstück!“
„Ein Knabberstück?“
„Ein Knabberstück, mit Kartoffelsalat und einem Maiskolben“
„Dann komm, das Kanbberstück musst du mir schon zeigen. Ich weis nämlich nicht genau was du damit meinst. Womöglich ein Knochenfleisch? Das kann man abknabbern.“
„Bring es mir! “
„Das kann ich nicht machen. Wir essen gemeinsam am Tisch. “
„Nein!“, trotzt Eliot und stampft mit den Füßen auf dem Dach, sodass seine Mutter gleich darauf wieder zu schimpfen beginnt.
Seitdem begleitet unseren ruhigen Abend ein provokatives Trommeln und stampfen. Als könnte einer von uns nur vergessen, dass Eliot noch immer verbotenerweise auf dem Dach saß und nicht mit uns am Tisch.
Mittlerweile war jeder so angespannt, dass ich befürchtete, das Amadres Gedultsfaden bald zerreißen würde. Ihr war anzusehen, dass sie sich auf einen weiteren Abend gewiss nicht einlassen würde. Das schlechte Gewissen ließ mich immer tiefer in die gepolsterte Sitzgarnitur versinken. Warum benahm sich Eliot so wie er sich nun eben benahm. Warum fiel es ihm so schwer sich zu uns an den Tisch zu setzten? Alleine langweilt er sich sicher oben auf dem Dach. Also was veranlasste ihn sich derart quer zu stellen? Hatte ich etwas falsches gesagt oder getan?
Eigene Kinder zu haben stellte ich mir immer so leicht vor. Voller Lieben und lachen, wie es die Kalenderspüche vorherprofezeiten. Ein Leben lang an ihrer Seite wachen und sie vor der Ungerechtigkeit des Leben bewahren. Soweit dies eben möglich war.
Aber das... , war das komplette Gegenteil dazu. Es war ein Kampf, bei dem derjendige der als erster nachgab als Verlierer hinaus ging. Genauso fühlte es sich in meinem Inneren an. Als habe ich den Kampf um die Vorherrschaft verloren und musste mich jetzt zur Strafe von einem sechsjähigen herumkommandieren lassen.
Was mochte Katja nach diesem Abend von mir halten, wenn ich es nicht einmal schaffte, Eliot unter Kontrolle zu behalten?
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