1.10
~●~ Chapter TEN ~○~
》..., weil er dich verraten hat - für Süßigkeiten《
Er spürte ihn. Er spürte ihn überall. In den
Oberarmen, in den Fäusten, im Kopf, im Mund, auf der Zunge. Er zog sich die Speiseröhre entlang, hinunter in den Magen. Seine Muskeln verkrampften, seine Augen glühten, die Tränen waren heiß. Es war ein unerträgliches Gefühl. Es brannte, wie Feuer, dessen Flammen alles um sich Liegende zerstörte. Am Schlimmsten traf es ihn im Herzen. Das qualvolle Ziehen und Stechen. Das unbarmherzige Gefühl des Hasses.
Des Selbsthasses.
Erst nachdem Edmund vom Zwerg Ginarrbrik in den Kerker geleitet und an seinen Füßen in Ketten gelegt wurde, dämmerte ihm, was er getan hatte. Er hatte seine Familie hintergangen!
Auf das wüste Schimpfen der Königin, warum er alleine gekommen sei, hatte der Schwarzhaarige den Aufenthaltsort seiner Geschwister preisgegeben, woraufhin die Frau in Weiß ein Rudel Wölfe schickte, um die Menschenkinder ausfindig zu machen. Edmund wurde noch immer ganz schlecht, als er an das bedrohliche Geheul der Wölfe dachte. Dennoch hatte er es sich nicht verkneifen können, nach einer Portion Türkischem Honig zu fragen. Die Folge - Wasser und Brot in einem Gefängnis aus Eis.
Doch die Kälte war für Edmund nur halb so schlimm, wie das nagende Schuldgefühl, das tief in seinem Innersten schlummerte. Er hatte die Beine angezogen und das Gesicht in seinem Schoß verborgen. Er schämte sich zutiefst und am liebsten hätte der Junge, aus der puren Verzweiflung heraus, seinen Kopf gegen die Eiswand gerammt. Wenn seinen Geschwistern irgendetwas passieren würde... könnte er sich das niemals verzeihen.
Seufzend griff Ed nach dem Stück Brot, das nicht nur so aussah, sondern auch, wie Knüppel auf den Kopf schmeckte. Das Brot war trocken und steinhart, sodass die wenigen Krümel, die Edmund zu beißen bekam, ihm im Hals stecken blieben. Sogleich wurde er von einem fürchterlichen Hustenreiz gepackt, woraufhin der Junge den Eisenbecher nahm und an seine Lippen setzte. Doch zu fühlen, war nur die dicke kalte Eisschicht, die das Wasser bei den herrschenden Temperaturen erreicht hatte. Klirrend ließ Edmund den Becher fallen, während er erneut sein Gesicht in den Armbeugen vergrub.
Peter hatte recht gehabt, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, er war nichts weiter, als ein naives Kind. Wäre er erwachsen genug, wie er immer vorgab, hätte er die Bedrohung, die von der Königin ausging, bemerkt.
Ed schniefte und versuchte angestrengt die Tränen zurückzuhalten. Doch der Gedanke quälte ihn zu sehr - Es war alles seine Schuld, die er nie wieder gut machen konnte.
„Hier,", eine sanfte Stimme durchbrach die gänzliche Stille und ließ Edmund aufsehen, „Trink!"
Jemand hatte sich geräuschlos neben ihm niedergelassen und hielt ihm den Eisenbecher entgegen, aus dem es stark dampfte. Als der Junge ihn ergriff, bemerkte er, dass die Eisschicht verschwunden war. Stattdessen fühlte er die angenehme Wärme, die von dem Trinkgefäß ausging, während ihm ein betörender Duft frischer Kräuter in die Nase stieg.
„Vertreibt nicht Kummer und Sorgen, aber es wärmt ein wenig."
Als Edmund den Blick seines Gegenübers erwiderte, glaubte er zu träumen. Das leuchtende Braun ihrer Augen war unverkennbar. Dazu die blonden Haare und das weiße Seidenkleid.
„Ehm...", Edmund räusperte sich verlegen und hoffte inständig, dass das Mädchen seine aufsteigende Nervosität nicht bemerkte, „kann es sein ... dass wir uns kennen?"
„Gut möglich.", zwinkerte die Blonde und ihr gütiges Lächeln brachte den Pevensie-Jungen beinahe um den Verstand. „Wir haben uns vor Kurzem im Wald getroffen, Adamssohn.", erinnerte sie Edmund, der das Treffen bei seinem ersten Besuch in Narnia nicht vergessen hatte. Wie konnte er auch? Kurz darauf, war er der Königin... der Weißen Hexe auf den Leim gegangen und hatte sich von ihr verführen lassen.
„Ich heiße Lia.", riss das Mädchen ihn aus seinen Gedanken und erneut stahl sich das warme Lächeln auf ihre Lippen, das jeden Eisberg zum Schmelzen gebracht hätte. Edmund wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ihm jemand zuvorkam: „Du bist Lucy Pevensies Bruder."
Erschrocken drehte sich der Schwarzhaarige nach rechts. Im Verließ nebenan fiel sein Blick auf einen Mann mit merkwürdig aussehenden Ohren und Füßen, die an die Beine eines Ziegenbocks erinnerten. Wie aus heiterem Himmel dachte Ed an Lucy und ihre Erzählungen über den Faun.
„Herr... Herr Tumnus?", fragte er vorsichtig, woraufhin das Wesen mutlos bestätigte: „Was von ihm übrig ist."
Das Herz wurde dem Jungen schwer, als er den Faun da so sitzen sah - die Beine, wie die seinen, in Ketten gelegt und das sympathisch wirkende Gesicht vor Kälte blau angelaufen. Nicht einmal die Stoffdecke, die sich der Faun um die Schultern gelegt hatte und Edmund darauf schwörte, dass er diese nicht der Hexe zu verdanken hatte, konnte etwas gegen diese klirrende Kälte ausrichten.
Bekümmert wandte sich der Junge von seinem Mitgefangenen ab. Das imaginäre Teufelchen auf seiner Schulter, das ihm hinterlistige Worte ins Ohr setzte, konnte er beim besten Willen nicht ignorieren.
„Sieh dir an, was du getan hast, Edmund. Das ist deine Schuld! Du hast den Faun verraten... genau, wie deine eigene Familie!"
„Was machst du hier? Wo sind deine Geschwister?"
Erschrocken fuhr Ed zusammen, als Lias wohlklingende Stimme den Pevensie-Jungen ins Hier und Jetzt zurückbrachte. Ihre Augen waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet und es war das erste Mal, seit ihrer Begegnung im Wald, dass er Lia nicht Lächeln sah. Auf einmal fürchtete Edmund, das Mädchen könnte seine Gedanken gelesen haben und verlangte nun, dass er sich seine Taten laut eingestand.
„Geht es Lucy gut? Ist sie in Sicherheit?", wollte nun auch der Faun wissen, woraufhin Ed betroffen auf den Becher in seinen Händen starrte.
Das wundersame Gebräu, das er Lia zu verdanken, jedoch kaum angerührt hatte, erinnerte den Jungen an den Duft des Frühlings. Und mit einem knappen Seitenblick auf das hübsche Mädchen wurde dem Schwarzhaarigen, trotz des Schuldgefühls, das ihn förmlich von Innen auffraß, ganz warm ums Herz.
Das angenehme Gefühl weilte jedoch nicht ewig. In einiger Entfernung erklang das Heulen der Wölfe und auf einmal wurde Edmund ganz flau im Magen, als er an das Rudel dachte, das jagt auf seine Geschwister machte.
„Ich... ich weiß es nicht...", war alles, was er schließlich an einer Antwort zustande brachte.
Plötzlich flog, ohne jegliche Vorwarnung, die Tür zum Verließ auf und Jadis betrat, gefolgt von Ginarrbrik und einem abscheulich aussehenden, trollartigen Wesen, den Kerker.
„Wie schön, ihr habt euch bereits kennengelernt.", spottete sie, als ihr Blick an Lia, die neben dem Adamssohn hockte, haften blieb, bevor sie sich wieder an den Schwarzhaarigen wandte: „Tja, meine Polizei hatte leider kein Glück, Edmund. Deine Familie ist nirgendswo zu finden!"
Lia rutschte eingeschüchtert beiseite, als die Königin einen gefährlichen Schritt auf Edmund zu machte und ihn schließlich am Kragen packte.
„WO SIND SIE HIN???", giftete sie.
„Ich weiß es nicht!", keuchte Edmund entsetzt auf, woraufhin die Frau in Weiß ihn rasch losließ und den Griff um ihren Zauberstab verstärkte.
„Dann habe ich keine Verwendung mehr für dich!"
Jadis holte aus und...
„ASLAN!"
Die Weiße Hexe hielt in ihrer Bewegung inne.
,,Aslan?!"
Lia, die sich vor Angst ihre Hände vor das Gesicht gehalten hatte, staunte nicht schlecht, als sie Edmunds Worte, wie ein heiliges Gebet wiederholte. Sie tauschte einen kurzen Blick mit dem Faun, der ebenso überrascht zu sein schien, bevor sie in Richtung Jadis sah.
„Aslan?", fragte die Königin perplex an den Adamssohn gewandt und verlor für eine Sekunde völlig ihre Fassung.
„Die Biber haben etwas von Aslan erzählt... und, dass sie ihn treffen wollen.", erklärte Edmund hastig.
„Wo?", wollte Jadis wissen, woraufhin Lia unauffällig den Kopf schüttelte.
„Ich...", setzte der Junge an, doch da mischte sich Herr Tumnus ein: „Er ist fremd hier, Eure Majestät, ich glaube nicht, dass er etwas weiß..."
Das trollähnliche Wesen, welches sich als Oger entpuppte, verpasste dem Faun einen derartig groben Schlag mit dem hölzernen Schaft seiner Axt, dass er ihn prompt zum Schweigen brachte.
Der flehende Blick des Fauns in Edmunds Richtung sprach Bände, doch die Hexe zögerte nicht, noch einmal zu fragen.
„Ich weiß es nicht! Ich habe nicht alles gehört. Ich wollte doch so schnell es geht zu Euch!", verteidigte sich Edmund, woraufhin die Frau in Weiß nur verächtlich mit der Zunge schnalzte.
Ihr kalter, starrer Blick wanderte von dem erschöpften Adamssohn hinüber zu der, irgendwie erleichtert dreinschauenden Lia. Nachdenklich tippte sie mit dem Zeigefinger gegen den Kristall ihres Zauberstabs. Als ihr Augenpaar schließlich an dem Geschöpf mit den geröteten Wangen und dem dünnen Schal um den Hals haften blieb, kam der Frau in Weiß eine Idee.
„Weißt du, wieso du hier bist, Faun?"
Herr Tumnus reckte den Hals und sprach mit fester Stimme: „Weil ich den Glauben nicht aufgebe, an ein freies und gerechtes Narnia."
Doch die Hexe widersprach: „Du bist hier, weil er,", sie richtete ihren Zauberstab auf Edmund, ,,dich verraten hat - für Süßigkeiten!"
Ed atmete schwer aus, als der verletzte Blick des Fauns ihn traf. Doch das war nichts im Vergleich zu Lias leidvollem Ausdruck, während sie mit bitterem Ton sprach: „Ist das wahr?"
Edmund senkte den Kopf. Er konnte dem Mädchen nicht in die Augen sehen. Ihre sonst so herzliche und offene Art war auf und davon. Stattdessen spiegelten sich Trostlosigkeit und Schmerz in ihrem wunderschönen Gesicht.
„Schafft ihn weg!", erklang die herrische Stimme der Königin und quallvolles Jammern setzte ein, als der Oger den Faun aus dem Kerker schleifte.
Der Adamssohn schluckte schwer.
,,Und macht meinen Schlitten fertig! Edmund vermisst seine Geschwister."
Mit diesen Worten wandte sich die Frau in Weiß an Lia. Sie nahm das Mädchen bei der Hand und zog es auf die Beine.
„Siehst du, es gibt keine Märchen, die wahr werden können.", äußerte sich die Hexe und fuhr der gebrochenen Lia grob über die Wangen.
„Und die Prinzen sind auch nur erfunden."
Mit einem letzten Blick auf Edmund, schubste Jadis die Blonde schließlich aus dem Kerker, während Ed zwischen Eis, Kälte und Schuldgefühlen alleine zurückblieb.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro