Das Buch Halrons - Veränderte Machtverhältnisse
„Ist Eure Gemahlin wieder bei Bewusstsein?", war das Erste, das Caldis zu wissen begehrte, da sich die Tür hinter Halron geschlossen hatte.
Die atemberaubende Schönheit der Elfe erstrahlte nun wieder in vollem Glanze. Nichts erinnerte mehr an den besorgniserregenden Anblick, welchen sie nach ihrer selbstlosen Tat für Jeora geboten hatte. Dies erfüllte Halron mit Erleichterung und Zuversicht für sein dringendes Anliegen.
„Ja, das ist sie, dank Eurer Hilfe", antwortete er, sich, ihr Ehrerbietung erweisend, tief verbeugend.
Das ehrliche, bescheidene Lächeln ihrer Augen, da sie auf den König zukam und diesem sanft die Hände auf dessen Schultern legte, um ihn wieder aufzurichten, traf ihn, genau wie ihre Worte, mitten ins Herz.
„Euren Dank nehme ich gerne an, doch nicht in solch Demut dargeboten. Ich tat, was jeder getan hätte, der fähig gewesen wäre, der Ärmsten zu helfen. Verbeugt Euch dafür nicht vor mir!"
Auch Elhael nickte, seine edlen Züge durch einen Ausdruck tiefster Güte leuchten lassend. Er sprach aus, was bereits ungesagt in der Luft schwebte:
„Doch Ihr kamt nicht allein dieser Information wegen. Ihr erbittet die Hilfe der Meinen gegen den Peiniger Jeoras. Habe ich Recht?"
Halron neigte sein Haupt kaum merklich als Geste der tiefsten Verbundenheit gegenüber den Caledhel und erwiderte sodann mit hoffnungsvollem Blick und doch banger Stimme:
„So ist es. Darf ich Eurer Unterstützung sicher sein?"
Elhael kniff die Augen leicht zusammen und trat noch ein wenig näher an Halron heran. Der König bemühte sich um Stärke, hielt sich aufrecht und dem Blick des Oberen der Caledhel stand, doch wie schon am Tag der Zusammenkunft aller zur Abstimmung über seine Einsetzung als Herrscher über Melith, spürte er, wie die Blicke tiefer in ihn zu schauen schienen.
Sollte er die Dämonen in sich offenbaren und um Hilfe bitten?
Noch bevor Halron einen Entschluss fassen konnte, vernahm er jedoch die wohlklingende Stimme des Elfen:
„Auch wenn es etwas in Euch gibt, das mir Anlass zur Sorge bereitet, so könnt Ihr Euch dennoch auf die Hilfe meines Volkes verlassen, was das Vorgehen gegen Celairon betrifft. Caldis schilderte mir bereits, dass Ihr ihn nicht aus freien Stücken in das Amt des Truchsess beordert habt. Auch wenn ich mir wünschte, Ihr würdet frei heraus sprechen und uns verstehen lassen, wie es zu dieser Entscheidung kommen konnte, will ich doch nicht um Bedingungen für unsere Unterstützung feilschen, denn niemand wird sicher sein, solange Celairon im Geheimen das Zepter schwingt."
Die Last, welche nun von Halron abfiel, war gleichwohl größer als die Angst, die Lichtelfen könnten hinter sein Geheimnis kommen. Und die Erleichterung schien ihm deutlich ins Gesicht geschrieben zu stehen, denn Elhael berührte sanft seine Schulter und fragte:
„Dachtet Ihr, wir würden Euch abweisen? Habt keine Sorge, jeder wird sich mit Euch gegen diesen Intriganten verbünden. Doch wie gedenkt Ihr, ihn seines Amtes wieder zu entheben? Wollt ihr ihn des Gebrauchs der schwarzen Magie bezichtigen und dies zur Anklage bringen?"
Halron neigte seinen Kopf zur Seite, richtete den Blick für einen Moment nach innen, wo die Stimmen ihm schmeichelnd zuflüsterten, er solle ihn einfach rücklings ermorden und keinen Gedanken an einen Prozess verschwenden. In der Tat wäre ihm dies eine Genugtuung gewesen, aber wenn dies bekannt würde, hätte er einen Aufstand in Alachit, dessen Bewohner noch immer hinter ihrem einstigen Stadthalter standen und seinen Aufstieg zweifellos feierten. Kam dies doch seinen früheren Plänen so nahe, wie es nur ging.
Nein, er musste dafür sorgen, dass Alachiter, die nicht zum Kreise seiner Vertrauten gehörten, zugegen waren, wenn er sich dunkler Magie bediente und sie gegen den König und seine Gemahlin wandte. Nur so ließe sich eine Entmachtung Celairons auch in den Augen der Elfen Alachits erklären.
„Ja, das ist in etwa der Plan. Doch wird die bloße Beschuldigung nicht ausreichen, selbst wenn sie der Wahrheit entspricht. Ich kann nichts beweisen", antwortete Halron.
„Aber ich kann es bestätigen. Ich habe seinen Zauber in Jeora deutlich gespürt und ihn selbst entkräftet", warf Caldis ein.
Mit einem matten Lächeln auf den Lippen, wandte sich Halron ihr zu:
„Es würde lediglich so aussehen, als stündet Ihr mir bei, um Celairon loszuwerden. Gondreth erzählte mir, dass die Alachiter dem Adel des Landes nicht vertrauen und regelrecht gegen ihn aufgewiegelt wurden. Wollen wir nicht riskieren, sie ernsthaft gegen uns aufzulehnen und die Chance nutzen, ihnen zu beweisen, dass ihr aufrichtig und gütig seid, so müssen wir Celairon vor ihren Augen zu unlauteren Mitteln greifen und seine dunkle Macht demonstrieren lassen."
Halron schilderte ihnen, was Jeora und er ersonnen hatten. Wohl war ihm nicht dabei, aber es schien Aussicht auf Erfolg zu haben. Nachdem die Caledhel ihm versichert hatten, dass an den richtigen Stellen postiert, mehrere über starke Magie Verfügende ihres Volkes, den Fluss seiner Macht zum Erliegen bringen könnten, wenn dieser sich eindrucksvoll genug zur Schau gestellt hätte, wagte Halron einen Vorstoß.
„Könntet ihr auch Schatten aus dem Geist eines von ihnen Befallenen herausziehen und diesen dauerhaft davon befreien?"
Caldis Augen blitzten auf und ihr Mund verzog sich schmerzhaft. Halron ahnte nichts Gutes ob dieser Reaktion.
„Ich wünschte es wäre so, denn dann würden viele noch leben, die ihre Seele an diese Dämonen verloren. Ihr müsst wissen, es gibt mehrere Arten, auf die sie ihre Opfer umkommen lassen. Entweder fahren sie in ihre Körper und zerren das Licht einfach aus ihnen heraus, bis sie leblos zu Boden fallen, oder die Schatten flüstern ihnen ein, sich selbst oder anderen etwas anzutun. Oder aber, sie nisten sich in einem ein und treiben ihn langsam in den Wahnsinn, wobei sie ihn schreckliche Dinge tun lassen, wie seine Liebsten zu verstümmeln, sie so zu verängstigen, dass sie sich abwenden und den Besessenen in seinem Schmerz allein lassen.
Ich habe es gesehen, habe die Seelen schreien gehört, da ihnen bewusstwurde, was sie getan hatten. Sie waren nicht sie selbst bei ihren Taten, aber das änderte nichts an ihren brennenden Schuldgefühlen und auch nicht an der Angst derer, die sie am meisten liebten. Wenn sich die Schatten ein Opfer erwählt haben, welches sie zermürbend infiltrieren, dann kann man sie nicht vertreiben. Sie werden zu einem Teil der Seele, unzertrennbar mit ihr verbunden. Ich denke, Ihr wisst was es bedeuten würde, diese unschädlich zu machen", schloss die Elfe ihre Erzählung mit wehmütiger Stimme.
Halron schluckte schwer. Er wollte nicht aussprechen, was sein Verstand ihm gebot. Natürlich wusste er, dass der Verlust der Seele zum Tode führte. Es war also ganz gleich, ob es schnell passierte oder sich quälend in die Länge zog. Er würde daran zugrunde gehen. Die Frage war nur, wie gut er die Stimmen in Schach halten konnte, um nichts zu tun, was Jeora oder ihr Kind gefährden würde.
Oder würde es ihm gelingen, sich so lange unter Kontrolle zu halten und den Einflüsterungen zu widerstehen, bis sein Kind in der Lage wäre, ihm zu helfen? Halron setzte in diesem Moment all seine Hoffnungen in die Worte der Seherin. Wie er sie doch verflucht hatte. Das schien ihm jetzt so töricht. Wie hatte er nur jemals glauben können, das Schicksal würde sich durch ihren Tod verändern?
Um nicht noch tiefer in trüben Gedanken zu versinken und mit Dingen zu hadern, die er nicht ungeschehen machen konnte, fragte Halron:
„Was würdet Ihr also mit jemandem tun, der augenscheinlich von Schatten besessen ist?"
Die Antwort, welche beide ihm wie aus einem Munde gaben, überraschte den König nicht im Geringsten, aber ließ ihn dennoch erschaudern.
„Ihn erlösen!"
So gütig dies auch klang, wusste Halron doch, dass es lediglich eine wohlklingende Umschreibung für das Unausweichliche war, das Jeora und ihn erwarten würde, sollte je bekannt werden, was in ihnen schlummerte. Man würde sie töten.
„Zum Schutze anderer und zum Wohle seiner selbst. Es wäre das Gnädigste", fügte Elhael hinzu.
Als Halron die Tür seiner Gemächer öffnete, sah er sich dem entschlossenen Blick und der blanken Klinge Bainons gegenüber, die dieser jedoch sofort wieder sinken ließ, da er seinen Herrn erkannte. Beschämt senkte er die Augen und zog sich Worte der Entschuldigung murmelnd in eine Ecke zurück.
Der König unterbrach ihn sanft.
„Ich bin erfreut, meine Frau in so beflissener, geistesgegenwärtiger Gesellschaft zu wissen, wenn ich nicht bei ihr sein kann. Es gibt nichts, für das du dich rechtfertigen müsstest. Vielleicht sollte auch ich mir angewöhnen, erst anzuklopfen, bevor ich eintrete. Das wird uns beiden einiges an Nerven ersparen. Hat Jeora dich vollends ins Vertrauen gezogen?"
Bainon nickte und ein kurzer Augenkontakt mit seiner Liebsten bestätigte Halron, dass sie auch wirklich nichts ausgelassen hatte.
„Es tut mir leid, dass ich dich in diese Angelegenheit mit hineingezogen habe", sagte er mit aufrichtigem Bedauern. „Aber es gibt nun kein Zurück mehr. Ich werde ausziehen, um mich den Scharen der Schatten in ihrem Refugium zu stellen, sobald unser Spross das Licht der Welt erblickt hat und ich mich davon überzeugen konnte, dass Mutter und Kind wohlauf sind. Wenn es soweit ist, möchte ich dich an meiner Seite wissen."
Der junge Elf warf sich in die Brust und beteuerte:
„Ich werde da sein und Euch folgen. Der Tod der Seherin soll nicht vergebens gewesen sein. Doch wer wird sich dann um die Sicherheit der Königin kümmern?"
Halron und Jeora warfen sich einen wissenden Blick zu. Die Antwort der zarten Elfe war kaum mehr als ein Flüstern, da sie Bainon mit ihren tiefblauen Augen fixierte.
„So unser Plan aufgeht, wird die Bedrohung zu diesem Zeitpunkt gebannt sein und ich werde keines Schutzes mehr bedürfen."
Die nächsten zehn Tage verließen der König und seine Gemahlin ihre Gemächer nicht. Halron hatte angewiesen, dass ihnen Essen gebracht wurde und dass diskretes Getuschel über seinen verzweifelten Zustand an das Ohr Celairons getragen werden sollte. Des Weiteren wünschte er von allem benachrichtigt zu werden, was dieser in seiner Abwesenheit tat.
Noch sollte er keinen Verdacht schöpfen und sich in Sicherheit wähnen. Halron musste sich etwas Zeit verschaffen, in welcher der Bote, der noch am Abend der Unterredung mit Elhael und Caldis im Schutze der Nacht die Stadt in Richtung Küste verlassen hatte, sein Ziel erreichen und die von ihm erwählten Alachiter ausfindig machen konnte. Selbst unter günstigsten Bedingungen erforderte die Reise dorthin und die Rückkehr nach Shanduril gut vierzig Tage.
Was Halron über das Gebaren Celairons zugetragen wurde, entsprach seinen Vermutungen leider vollends. Nicht genug damit, dass er einem jeden mit Hochmut und Geringschätzung begegnete, nein, er erließ sogar Gesetze, angeblich auf Geheiß des Königs. Darunter befanden sich Steuerforderungen in horrendem Maße, sowie Verbannungs- oder gar Todesstrafen auf Verleumdung und böser Widerrede des Herrschers und seines Stellvertreters, welche direkt ohne Anhörung vollstreckt werden sollten.
Celairon sicherte sich in alle Richtungen ab und verbot in gewisser Weise per Gesetz die freie Rede, da man sich nicht sicher sein konnte, wie sie einem im Munde gedreht werden würde. All das bestätigte Halron nur umso mehr in seinem Bestreben, ihn schnellstmöglich loswerden zu müssen.
Auch wenn er gerne noch mehr Zeit gewonnen hätte, musste er ihm nun doch erst einmal Einhalt gebieten, bevor sich Celairon tatsächlich ans blutige Werk machen und damit beginnen würde, den Adel einen nach dem anderen aufwieglerischer Gedanken gegenüber dem König zu bezichtigen, um sich ihrer ‚gesetzestreu' zu entledigen.
Und so ließ er nach seinem Stellvertreter schicken und diesen in den Thronsaal beordern.
Celairon rieb sich die Hände, kaum darum bemüht, seine hämische Vorfreude zu verbergen. Die Bediensteten, die ihm die Flügel der großen Tür zum Saal öffneten, würdigte er keines Blickes. Hocherhobenen Hauptes trat er ein und schritt unbeirrt auf den Thron zu, von dem aus Halron ihm kühl entgegenstarrte.
„Mein König, Ihr ließet nach mir rufen. Kann ich Euch irgendwie zu Diensten sein?", fragte er spöttisch.
„Wie mir zu Ohren kam, wart Ihr nicht untätig, während ich an der Seite meiner Frau weilte. Ist das die Art, mit der Ihr dieses Land zu regieren denkt...Ausbeutung und gesäte Furcht? Kein Wunder, dass man Euch die Krone nicht anvertrauen wollte", erwiderte Halron eisig.
Celairons widerwärtiges Lächeln brachte das Innere des Königs zum Brodeln und beschwor Bilder herauf, die vor Gewalt nur so strotzten und sein Blut in Wallung brachten. Halron kämpfte stumm damit und verbarg seine Gefühle unter einer Maske aus kalter Verachtung, die Celairon bereits vertraut war, ihn aber keinesfalls zu stören schien. Im Gegenteil, der augenscheinliche Hass, den der Herrscher ihm gegenüber empfand, ohne ihm gebührend Ausdruck verleihen zu können, belustigte ihn sogar.
„Oh, das war doch erst der Anfang. Viel amüsanter wird das Ganze noch werden, wenn Ihr all die Gesetze verkündet, die ich Euch zukommen lassen werde. Glaubt mir, ein unterdrücktes Volk ist ein beherrschbares. Keiner wird sich mehr auflehnen, oder alte Fehden wieder aufleben lassen. Die Stämme wären geeint, so wie Ihr es wolltet. Ihr müsst mir nicht danken. Das habe ich mit dem aller größten Vergnügen ins Rollen gebracht und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis jeder das verstanden hat und sich Euch...oh, wartet, genauer gesagt mir beugen wird", tönte Celairon großspurig und schob wie beiläufig die Frage ein, auf deren Reaktion er sich schon seit Tagen freute.
„Wie geht es eigentlich Eurer Gemahlin? Ich hoffe doch sehr, dass sie sich zusehends erholt. Wenn ihr meine Hilfe in dieser Angelegenheit benötigt, so lasst es mich wissen."
Halrons Miene verzog sich kein bisschen. Sein Blick durchbohrte den silberblonden Elf, dessen süffisantes Grinsen nun doch allmählich aus seinem Gesicht wich. Seine Worte waren wie Dolche, die nach Celairon stachen.
„Gibt es denn etwas, das nur Ihr für sie tun könntet? Was wäre das wohl und woher wisst Ihr, was genau meine Gemahlin bedroht?"
Der König erhob sich und stieg langsam die Stufen des Thronpodestes hinab. Er hielt auf Celairon zu und umkreiste ihn, wie ein hungriges Raubtier, genauso, wie dieser es noch vor Kurzem mit ihm getan hatte.
„Wir beide wissen doch, dass ich über Mittel und Wege verfüge, zu bekommen was ich will. Sagen wir einfach, ich habe sie in einen langen Schlaf versetzt und vermag dies auch wieder zu beenden, solltet Ihr weiterhin all meine Forderungen erfüllen. Wenn nicht, so wird Jeora wohl niemals wieder erwachen. Das wäre doch jammerschade, nicht wahr?", presste Celairon knurrend zwischen den Zähnen hervor.
Warum war Halron nicht verzweifelt, am Boden zerstört? Warum schickte er sich nicht an, um Gnade zu betteln und seine Liebste zu retten?
Anstatt vor ihm zu kriechen, sprach er mit einer geradezu gespenstischen Ruhe:
„Nun, wie es scheint verfügt nicht nur ihr über gewisse Fähigkeiten, Mittel und Wege, oder wie auch immer Ihr Eure Niedertracht zu betiteln beliebt. Auch ich bin nicht hilflos und war keineswegs tatenlos, wie Ihr sicher annahmt. Vielen Dank für Eure so großzügig dargebotene Hilfe, doch dieser bedarf ich nicht."
Bei diesen Worten löste sich die schmale Gestalt Jeoras aus den Schatten der Säulenbögen hinter dem Thron und die eben noch verwirrte Miene Celairons gefror zu einer Mischung aus Erstaunen und Panik.
Wie war das nur möglich? Bei wem hatte Halron Rat gesucht und Fähigkeiten gefunden, die seinen Zauber unschädlich machen konnten? Alleine hätte er dies nie und nimmer bewerkstelligen können.
„Möchtet Ihr Euch vielleicht erklären? Wie steht es nun um unsere von Euch so vielgepriesene Offenheit?", wollte Halron wissen. „Gebt Ihr zu, schwarze Magie an ihr praktiziert zu haben?"
Die letzte Frage hatte Halron ihm förmlich ins Gesicht geschrien. Er konnte sich kaum noch beherrschen und wollte Celairon am liebsten sofort eigenhändig den Hals umdrehen. Seine Finger griffen schon nach dessen Kehle, als Jeoras Stimme durch den Raum hallte.
„Nicht, denk an die Folgen!"
Celairon erwachte aus seiner Starre, gewann seine Fassung zurück und mit ihr flammte auch das hämische Grinsen wieder auf. Doch lange währte dies nicht, denn Jeora schritt auf die beiden zu und sagte:
„Glaubt nicht, dass dies Eure Position in irgendeiner Weise wieder stärken würde. Ihr geißelt meinen Gemahl nicht länger. Viel mehr werden wir es sein, die von nun an die Forderungen stellen. Ich weiß, dass Ihr unser Kind noch vor meiner Niederkunft töten wolltet und Ihr Euch dafür eines dunklen Zaubers bedient habt. Ihr seid nicht besser als die Schattenwesen, derer Ausrottung wegen mein Mann zum Herrscher über Melith erwählt wurde.
Aber wir sind nicht wie Ihr. Uns dürstet nicht nach Rache und Macht. Alles wonach wir streben, ist ein Leben in Frieden und Freiheit, und zwar für jeden. Auch Euch soll dies nicht verwehrt bleiben, obwohl Ihr selbst im Namen des Königs ein Gesetz erlassen habt, welches Euch ohne Verhandlung den Tod bringen könnte."
Celairons Augen verengten sich zu winzigen Schlitzen, da er zischend fragte:
„Und warum zögert Ihr dann, dies zur Anwendung zu bringen?"
„Habt Ihr meiner Frau nicht zugehört?", übernahm Halron nun das Wort. „Wir wollen nicht unter dem Banner des Terrors herrschen, sondern mit Verstand und Güte. Ob die anderen Ratsmitglieder dies jedoch genauso sehen, oder es ihnen eine größere Wohltat wäre, Euch tot zu wissen, dies bleibt Eurer Fantasie überlassen. Haltet Euch ab sofort aus allen Staatsgeschäften heraus, verhaltet Euch ruhig und sittsam und wagt es nie wieder, mich erpressen zu wollen! Dann und nur dann, werde ich Euch zum Schein auf dem Posten des Truchsess belassen, sodass Ihr Titel und Ansehen für Euch beanspruchen könnt. Und ich werde Euch vor dem Zorn der Oberen, den Ihr zweifellos auf Euch gezogen habt, beschützen. Doch herrschen werdet Ihr niemals! Habt Ihr das verstanden?"
Die beiden Kontrahenten standen sich gestrafft und bis aufs Äußerste angespannt gegenüber, jeder den anderen abschätzend mit glühendem Blick fixierend.
„Wie kommt Ihr darauf, dass man Euch Glauben schenken würde, Euch, der erst seit Kurzem in diesem Land weilt? Bevor auch nur ein Wort über Eure Lippen käme, würde ich bereits über all Eure Taten und Lügen berichten. Nichts hat sich geändert. Egal wie sehr der Rat mich auch verachten mag, wäre es doch nichts im Vergleich zu dem, was er Euch an Hass entgegenbringen würde, sollten all die schmutzigen Details ihren Weg ans Licht finden", drohte Celairon knurrend.
Hatte er gehofft, den König dadurch erneut einschüchtern zu können, so war dies vergebens. Dieser wich keinen Schritt zurück und sagte mit fester Stimme, in der mehr Autorität denn je lag:
„Ihr scheint vergessen zu haben, mit welchen Zukunftsplänen Ihr damals im Rat aufgewartet hattet. Niemandem blieb verborgen, dass die dunkle Seite der Magie einen erheblichen Anteil an Eurer Vision eines geeinten Reiches einnehmen würde und dass Ihr nicht zögern würdet, diese gegen jeden zu praktizieren, der sich Euch in den Weg zu stellen gedächte. Einzig der Umstand, dass Ihr bisher nicht aktiv Gebrauch von schwarzer Magie gemacht habt und die Alachiter Euch, mir unverständlicher Weise, verehren, hat die Oberen davon absehen lassen, sich Eurer zu erwehren.
Jeder wird mir glauben, wenn ich versichere, dass Ihr Jeora und unserem Kind Schaden zufügen wolltet und Euch dafür dunklen Energien bedient habt. Zumal es glaubhafte Zeugen dafür gibt, welche über jeden Zweifel erhaben sind und mit Sicherheit Gehör vor dem hohen Rat erhalten werden. Wollt Ihr es darauf ankommen lassen?
Selbst wenn sie von meinen Fehltritten erfahren, wird es sie nicht daran hindern, auch Euch zur Rechenschaft zu ziehen. Könnt Ihr es alleine mit allen Ratsmitgliedern aufnehmen? Wohl kaum, denn sonst säßet Ihr bereits auf dem Thron und bräuchtet mich nicht als Marionette, die ich nicht länger sein werde.
Ich sage es noch einmal, dann trefft Eure Wahl. Bleibt des Titels nach im Amt oder macht mich zu Eurem schlimmsten Alptraum. Regieren werdet Ihr niemals, dafür werde ich sorgen. Ich halte Euch am gleichen seidenen Faden wie Ihr mich und schwöre, dass ich keine Sekunde zögern werde, diesen zu durchtrennen, selbst wenn wir dann gemeinsam stürzen."
Halron sah förmlich wie Celairon abwägte, ob er sich beugen oder unnachgiebig weiter seinem Pfad folgen sollte. Hatte er überzeugend genug gewirkt?
Anscheinend ja, denn Celairon setzte einen trotzigen Blick auf, kniff seine Lippen zusammen und nickte kaum merklich.
„So sei es, Majestät. Im Moment habt Ihr die Oberhand", war alles was er zähneknirschend hervorbrachte, bevor er sich umdrehte und den Saal fliehenden Schrittes verließ.
Halron und Jeora sanken in sich zusammen, hielten einander ganz fest und atmeten tief aus. Im Grunde war alles nach Plan verlaufen. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass Celairon sich kampflos ergeben würde und sein Zugeständnis, welches von seiner kaum verhohlenen Drohung, der Friede würde nicht ewig währen, überschattet wurde, war keine Überraschung für die beiden. Sie hatten scheinbar einen kleinen Sieg errungen und ihm erfolgreich die Stirn geboten.
Dennoch, Jeora blieb skeptisch und sprach aus, was sie sich so bange fragte:
„Meinst du, er wird sich tatsächlich fügen?"
Sie hatte die skrupellose Gier in seinen Augen gesehen und auch wenn sie nicht mehr wusste, was genau an diesem Abend in der Stadt geschehen war, so war sie sich doch sicher, dass er zu allem entschlossen war, um zu bekommen was er begehrte...grenzenlose Macht.
„Sicher nur zum Schein und nur für eine Weile, aber dies sollte genügen, um alles in die Wege zu leiten. Er wird Nachforschungen anstellen, versuchen diejenigen ausfindig zu machen, die dir geholfen haben. Wir müssen uns bedeckt halten und hoffen, dass er nichts unternimmt bis alle in Stellung sind und die Falle zuschnappen kann. Ich wünschte, wir könnten die Caledhel ziehen lassen, doch es würde Celairon nur misstrauisch machen, wenn diese als Einzige abreisen würden und erlaubten wir allen die Heimreise, so hätten wir kein unmittelbares Druckmittel mehr gegen ihn."
Jeora wusste, dass ihr Liebster Recht hatte und doch wünschte sie sich, es gäbe einen anderen Weg. Sie hatte sich ausgemalt, vor das Volk zu treten und ein Geständnis abzulegen, dessen Vergebung zu erbitten und zu erklären, welche Rolle Celairon in dieser Tragödie gespielt hatte. Halrons Bericht des Gesprächs mit Elhael und Caldis hatte all dies mit einem Schlag zunichte gemacht.
„Wenn sie jemals von den Schatten in uns erfahren, werden sie uns töten, um unseren Seelen gnädig zu sein", hallten seine Worte nun in ihrem Kopf wider.
Auch Celairon wusste dies mit Sicherheit und er würde nicht schweigen. Sie konnten nur darauf hoffen, dass er verunsichert genug war, um vorerst an sich zu halten. Auf jeden Fall würden Halron, Bainon und sie in den folgenden Tagen dafür sorgen, dass der Alachiter anderes im Kopf hatte, als weitere Ränke zu schmieden. Und mit ein wenig Glück würde er ihnen behilflich sein, Licht ins Dunkel um die Geschehnisse der Nacht zu bringen, welche sich Jeoras Erinnerung so widerspenstig entzog.
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