verschwommene Erinnerungen
Kapitel 8
Ich starrte in Ducans Gesicht und spürte, dass er nicht einmal in Erwägung zog, dass ich die Wahrheit sagen könnte. Ich sah seinen blanken Zorn, über den Verlust des Diamanten und konnte einfach nicht verstehen, warum es ihn so wütend machte. Es spielte ihm doch in die Hände, das der Diamant verschwunden war. Er konnte nun meinen Onkel dafür die Schuld geben und hätte einen gerechtfertigten Kriegsgrund, den die Wahrer des Friedens, die Magieanwender des Zirkels in der Zitadelle nicht widersprechen konnten. Warum also, diese Wut über den Verlust? Den Rest glaubte er mir doch ohnehin nicht.
Natürlich waren die Eisdiamanten wertvoll, besonders solche die Magie in sich trugen, aber die Winterlande waren stets reich gewesen. Die kalten Berghänge, die das Reich zum Westen hin begrenzten und an denen die Hauptstadt lag, in der ich mich seit Jahren versteckte, waren Reich an Silberminen und allen Arten von Edelsteinvorkommen.
Ducans Lächeln war eisig, wie das Metall, dem seine Augenfarbe glich und obwohl ich in den letzten zwölf Jahren meines Lebens sehr viele wirkliche grausame Menschen kennengelernt hatte, wollte mein Verstand nicht begreifen, wie jemand, der so schön war wie er, so viel Freude an dem Leid anderer haben konnte.
„Wo ist der Diamant?", fragte er erneut und ich presste die Lippen zusammen. Trotz, war nichts, was mir in dieser Situation helfen könnte, und doch wollte ich ihm schlicht nicht sagen, wer den Diamanten hatte. Ein wenig aus, vermutlich falschen, Treueempfinden gegenüber Cedrik heraus, aber viel mehr, weil etwas in mir, einfach ihren Willen durchsetzen wollte. Der Diamant gehörte mir! Sein Vater hatte ihn mir geschenkt und ich konnte ihn dort lassen, wo ich wollte! Ducan hatte kein Recht, so wütend zu sein! Ich bin hier das Opfer!
„Fein", meinte er nur kalt, packte mein Kinn und dann war da nichts weiter als Schmerz, der meinen Körper durchzuckte. Die Magie drang von meiner Haut in meinen Körper, sehr viel schmerzvoller als die einzelnen Funken davor und rissen an meinem Fleisch. Magie rieben über meine Knochen und hinterließen nichts als unbeschreibliche Pein, die ich nicht einmal vermochte ihn Worte zu fassen.
Ich hörte nicht mal wie ich schrie. Das Schreien erleichterte auch nichts. Ich bemerkte nur, wie meine Sicht, unter den Ansturm der Tränen die meine Augen, verschwamm. Dann kamen die Bilder, die ich nicht zuordnen konnte und von denen ich nicht wusste, ob sie wirklich waren oder nur einen durch die Schmerzen verursachtes Hirngespinst. Aber sie wirkten echt.
Ich hatte das hier schon mal durchlebt, wurde mir klar und erinnerte mich schlagartig an eine dunkle Höhle, in der ich durch Wasser watete und ein Mann in einer Kutte, mir eine steinerne Schale reichte. Ich trank daraus und spürte diesen Schmerz. Magie, die in meinen Körper drang und keinen Ausweg fand, aber auch keinen Halt. Magie die nicht wusste wohin.
Als es aufhörte, knallte mein Kopf zurück, auf den alten Marmorboden des Palastes und holte mich zurück in die Gegenwart. Der Nachhall der Folter, brachte die Geräusche um mich herum zu klingen. Der kupferne Geschmack in meinen Mund, war mehr geworden, als hätte ich mir auf die Zunge gebissen. Meine Kraft war meinen Körper entwichen. Ich hörte Gemurmel um mich herum, konnte aber keines der Worte zu fassen bekommen. Mein Atem war alles, was ich hörte und das viel zu schnelle Flattern in meiner Brust. Mein Herz funktionierte noch, ich lebte noch. Er hatte mich noch nicht umgebracht und fast zeitgleich überkam mich panische Angst. Ja, ich lebte noch, aber das bedeutete auch, dass er mir weiter weh tun könnte. Dass der Schmerz nicht aufhören würde.
Wieder flammte die scheinbare Erinnerung auf. Ein Mann in einer Kutte gab mir ein ...Nein. Er gab mir gar nichts, er kniete neben mir und sah mich an. Seine Lippen bewegten sich und eine kalte Eisstimme durchschnitt seine Worte. Die Realität hatte das Hirngespinst erneut vertrieben.
„Verschont mich mit euren Weisheiten, Eugen! Und ihr sorgt dafür, das der Junge ruhig ist!" brüllte Ducan so gebieterisch, das wohl selbst die Mauern um ihn herum, sich ihm untertänig vor die Füße geworfen hätten, wenn sie könnten.
Dann hörte ich Kain, der meinen Namen rief. Verzweifelt und voller Trauer. Wie das Klagen meiner Mutter damals, als sie über den Leichnam meines Vaters gebeugt, zusammen gebrochen war. Ich spürte, wie mir eine heiße Träne die Wange herunterrollte. Dann wurde er ruhig und ich wollte den Kopf drehen um zu sehen, was sie mit Kain gemacht hatte, aber ich konnte mich einfach nicht bewegen.
„Auch wenn es unwahrscheinlich ist. Magie gegen sie anzuwenden, wäre eine Sünde sobald auch nur ein Tropfen königlichen Blutes in ihren Adern fließt. Es beschert Euch den Zorn der Götter, Sire!" meinte der Mann in der Kutte und sah mich aus warmen, gütigen, dunklen Augen an. Er hatte Mitleid mit mir, aber er glaubte mir auch nicht, das wusste ich.
„Schön", sagte Ducan wieder und ich hörte das Rascheln seiner Kleidung, als er sich von mir entfernte. Kurz war ich erleichtert, dann aber hörte ich Kain stöhnen, sah, wie mein langjähriger Freund in mein Blickfeld geschliffen wurde.
„Sag mir, wo der Diamant ist, oder ich töte ihn vor deinen Augen, Mädchen. So wie du gebettelt hast, dass ich ihn gehen lasse, wird sein Schicksal dir kaum gleichgültig sein", meinte Ducan und der Kuttenmann, Eugen, verschwand und zog sich wieder zurück. Für Kain würde niemand Partei ergreifen.
Doch ich wusste auch, dass ein Geständnis ihn nicht würde retten können. Nichts konnte ihn retten – oder mich. Wir waren verloren. Und Kain wusste es auch, ich sah die Lehre in seinen Augen, die Hoffnungslosigkeit. Er hatte diese Schmerzen auch aushalten müssen, aber bei ihm wirkte es, als hätte Ducans Folter mehr Schaden angerichtet, als bei mir. Er sah verkrampft aus, zitterte leicht und aus seinem Mund drang Blut. Mehr als ich auf meiner Zunge schmeckte.
Ich sah, wie Ducans blitzende Hand auf seinen Kopf zum Liegen kam und handelte ganz instinktiv. Kain schrie wie ein Fisch. Mit weit aufgerissenen Mund, aber ohne einen Laut herauszubekommen. Die Magie drang nicht einmal in seinen Körper ein, sprang auf seiner Haut hin und her, wie ein flacher Stein auf dem Wasser und verschwand erst in den goldenen Fugen der Steine unter uns, dann in mir. Weil ich an ihn heran gerutscht war, in dem vergeblichen Versuch, ihn zu retten.
Die Funken sprangen auf mich über, verschwanden schmerzhaft in meinen Körper und suchten halt – fanden aber wieder keinen und brachen wieder aus mir aus, um sich einen anderen Weg zu suchen.
„Sire, bitte haltet ein!", erklang wieder Eugens weichherzige Stimme und erneut erbost von dieser Unterbrechung sah Ducan den Mann in der Kutte an und unterbrach tatsächlich seine Folter an Kain.
„WAS? ER HAT NIE BEHAUPTET KÖNIGLICHEN GEBLÜHTS ZU SEIN!" fuhr der Winterkönig Eugen zornig an und ich sah noch, wie der Mann in der Kutte zu einer Erklärung ansetzte, doch die restliche Magie, die über Kains Haut getanzt war, entlud sich in meine Richtung und ich hielt es einfach nicht mehr aus. Der Schmerz war unerträglich und ich schaffte es nicht mehr, bei Bewusstsein zu bleiben.
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