unerwarteter Besuch - Teil 1
Kapitel 104
Lilyanna
Es war faszinierend, ihm beim Schlafen zuzusehen. Man erlebte ihn selten so entspannt und ich konnte mich nicht davon abhalten, meine Finger über die hauchdünnen Falten um seine Augen fahren zu lassen.
Der Stress und die Verantwortung machten seinem Körper zu schaffen, das sah man ihm an, auch wenn es seiner Attraktivität keinen Abbruch tat. Vielleicht lag es auch an dem ständigen Schlafmangel. Bei letzteren konnte ich anscheinend ganz gut Abhilfe schaffen.
Genau deshalb war ich froh, so neben ihm liegen zu können. Ducan selbst wäre vermutlich viel zu stur, um tatsächlich so lange im Bett liegenzubleiben und solange ich bei ihm lag, würde er sich nicht einfach davonstehlen und mit deiner Meditation beginnen, wie er sonst gerne tat. Dieses ständige vor dem Kamin lungern, ohne wirklich zu schlafen konnte auf Dauer einfach nicht gesund sein.
Wir hatten es irgendwann in der Nacht in sein Bett geschafft und dort unsere Bemühungen, ein Kind zu zeugen, wiederholt, was ihn letztendlich so ausgelaugt hatte, dass Ducan tatsächlich eingeschlafen war. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass ich mit meinem Kopf auf seiner Brust lag und ihm so keine Chance dazu gab, etwas anderes zu tun.
Seine Magie floss in Wellen in mich hinein und ich sah, wie sie ab und an in Funken auf mich überschlug und mich wärmte.
Sein Bett war etwas größer als meines und die Laken darin schwerer, was wohl an den Silberfäden darin lag, die die Magie etwas eindämmen, die in seinen Ruhephasen von ihm ausgingen. Doch momentan entlud sich der Winterkönig ausschließlich in mir - im doppelten Sinne.
Schatten und Fünkchen lagen zusammengerollt vor dem Kamin und reckten begierig die Nase nach dem Kissen aus, das irgendwann in der Nacht auf den Boden gefallen war. Sie warteten auf die kleinen Überschläge der Magie, um sie aufzunehmen.
Ich konnte aber nicht wirklich schlafen. Ich war zu aufgewühlt über meine eigene Zufriedenheit und überlegte mir, wie ich eine würdige Königin für dieses Land werden könnte.
Als ich mich rührte, um mich nur einmal etwas bequemer hinzulegen, versteifte sich Ducans Arm um meine Hüfte und wenige Augenblicke später berührte meine Nase wieder seinen Brustkorb.
Der König der Winterlande war selbst im Schlaf besitzergreifend und herrschsüchtig.
Diese Charaktereigenschaften nervten mich am meisten, wenn er wach war, aber jetzt fand ich es irgendwie niedlich.
Mir war scheinbar nicht mehr zu helfen.
"Lil", vernahm ich eine leise Stimme und als ich mich umdrehte, erschrak ich mich fast zu Tode, weil Cedric im Türrahmen zu meinen Gemächern stand. Ich blinzelte fix, versuchte den Traum abzuschütteln, den er darstellen musste, konnte mich aber nicht daran erinnern zu schlafen.
Schatten hob interessiert den Kopf und gähnte träge, als er Cedric erspähte. Aber er knurrte nicht und schien ihn auch sonst nicht als Bedrohung wahrzunehmen. Was bei den Göttern?
Cedric winkte mich mit einer Hand zu sich und warf lediglich einen schnellen Blick auf Ducan.
Wie zum Teufel kam mein Ziehvater hierher und warum fühlte sich dieser Traum diesmal so viel realer an, als dieser eine, den ich in diesem Gasthof gehabt hatte?
"Kein Traum, Kind. Lass uns reden", begann er und drehte sich weg, um in meine Gemächer zu gehen. Hatte er meine Gedanken gelesen, oder las er ähnlich offen in mir, wie Ducan es ab und an zu tun schien?
Ich setzte mich langsam auf, schaffte es Ducans Umklammerung zu entkommen und griff vollkommen überfordert nach einem Laken, das ich mir wie eine Tunika um den Körper band.
So machten es die meisten Frauen aus den Sommerlanden.
Als ich mich misstrauisch erhob, war ich froh, dass sich Schatten und dann auch Fünkchen zu mir bewegten. Ich hatte keine Ahnung, was ich von Cedrics Anwesenheit hier halten sollte. Aber ich war ebenso neugierig.
Vielleicht wäre es besser Ducan zu wecken, aber das konnte ich immer noch tun, wenn das hier nicht so verlief, wie ich es wollte und in Anbetracht der Tatsache, dass der König der Winterlande alles andere als begeistert oder auch nur friedvoll, auf Cedrics Eindringen reagieren würde, war es vielleicht besser ihn schlafen zu lassen.
Genau deshalb folgten mir letztendlich auch nur die Klagewölfe, während ich vorsichtig die Zwischentür zu meinen Gemächern durchschritt.
Der Arbeitstisch, den Ducan hier sehr mittig platziert hatte, war voller Dokumente, die Cedric interessiert durchblätterte und die ihm ab und an ein Lächeln entlockten, das ich kannte. Dieses Grinsen hatte er immer, wenn er etwas kindisch oder albern fand.
"Das ist es auch, Lil. Die große Politik besteht aus kleinlichen Streitereien zwischen Männern, die sich als besonders wichtig erachten", erklärte er und ich blieb im Türrahmen stehen, hielt einen Sicherheitsabstand ein, weil ich immer noch überfordert mit der Situation war.
Die Frage, ob er meine Gedanken las, war damit wohl beantwortet. War das hier vielleicht doch ein Traum?
"Ist es nicht, ich bin wirklich hier, Kind. Ich konnte deine Gedanken schon immer hören, auch wenn ich mich wirklich konzentrieren muss, damit es mir gelingt. Die Magie in dir blockiert einiges und, sei mir nicht böse, meistens lohnt sich der Aufwand nicht", meinte er und grinste schief.
Wieder griff er zu Ducans Papieren und endlich reagierte ich so, wie ich es wohl von Anfang an hätte tun sollen.
"Fass das nicht an! Das ist die Korrespondenz eines Königs!", tadelte ich, denn diese Selbstverständlichkeit, mit der er danach griff, war beleidigend. Von dem Rest seiner Aussage ganz abgesehen.
"Ich bin dazu gezwungen, Kind. Leider nahmen mir meine Brüder und Schwestern die Sicht auf das große Ganze und das ist meine einzige Chance, um zu erahnen, was als nächstes gespielt wird. Dieser Eugen ist wahrlich cleverer Mann, ich sollte ihm mehr Beachtung schenken. Er hat es geschafft, Ducan in eine kleine Falle zu locken, indem er eure Kinder jetzt bereits hatte anerkennen lassen. Und noch erstaunlicher ist es, dass die Zitadelle seinen Ratschlägen so treu folgt. Dabei wurde er mit nur wenig Magie gesegnet", meinte Cedric und legte das Pergament zur Seite, bevor er sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch niederließ.
"Ich sollte die Wachen rufen oder Ducan wecken", meinte ich kurz angebunden und spürte, wie Wut in mir hinaufstieg. All die Wut, die sich in den letzten Wochen gegen ihn angestaunt hatte, weil ich mir sicher war, tatsächlich nur eine Schachfigur für ihn gewesen zu sein.
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