Todeswunsch
Kapitel 79
Ducan
Ich sah wie Lilyanna mich mit entsetzt, weit aufgerissenen Augen ansah. Dann schwankte ihr Blick zu Schatten, der sich von mir den Kopf tätscheln ließ und so gar nicht den Anschein machte, als hätte er vor ein paar Stunden einen Magier in Stücke gerissen und die anderen beiden nicht weniger direkt auf meinen Befehl hin getötet.
Es war ein makaberes Schauspiel gewesen, das allen umliegenden deutlich vor Augen geführt hatte, was passierte, wenn man sich meinen Befehlen widersetzte.
Natürlich war die Todesstrafe nicht gerade ein verbreitetes Mittel bei Befehlsverweigerung, aber bei diesen Magiern hatte ich keine andere Wahl gehabt. Sie waren keine meiner Soldaten gewesen, wo ich auch nur vermutet könnte, dass sie dafür einen triftigen Grund gehabt hätten.
Diese Magier hatten ihre eigenen Interessen über den aller Anderen gestellt und dem was ich ihnen direkt befohlen hatte. Damit waren sie zu einem unkalkulierbares Risiko geworden, dass ich nicht ignorieren konnte.
Zudem hatte ich testen müssen, inwieweit Schatten mir im Notfall gehorchte. Wenn ich diese Tiere nicht unter Kontrolle halten konnte, wäre es zu gefährlich sie langfristig in meiner oder Lilyannas Nähe dulden zu können. Das musste letztendlich auch meiner Verlobten klar sein. Egal wie süß Fünkchen jetzt noch war, auch sie würde wachsen und ein gefährliches Raubtier werden.
Aber nach ein paar harten Worten und ein wenig Magie als Belohnung bei guten Verhalten, schien zumindest Schatten willig zu sein, mir zu folgen. Alles andere würde er mit der Zeit lernen, da war ich zuversichtlich. Darüber hinaus konnte ich in den Klagewölfen durchaus einen Nutzen erkennen. Sie waren immun gegen Magie und konnte damit aus jeden gefährlichen Magier einen hilflosen Bauern machen, der sich ohne seine Magie nicht zu verteidigen wüsste. Ein strukturelles Problem aller Magier, die in der Zitadelle groß geworden waren: Ihre Konzentration auf die Schulung der Magie. Lediglich ausgebildete Kampfmagier lernten zumindest in ihren Grundfesten so etwas wie Selbstverteidigung, doch letztendlich würde ihnen das in einem ernsthaften Kampf wohl kaum das Leben retten. Nicht dass irgendein Magier der Zitadelle es darauf anlegen würde in einen Konflikt einzutreten. Ihre Macht war spiritueller und vor allem politischer Natur.
"Er hat die Magier getötet?" fragte Lilyanna und ich war kurz so abgelenkt gewesen, dass ich nicht sofort verstand, was sie wirklich so entsetzte.
Sie selbst hatte gewusst, welche Strafe die Magier erhalten würden, sie hat diese Männer mit genau dieser Gewissheit verhaften lassen.
"Sie haben den Tod gewählt", meinte ich dann nur und ihr Blick wurde bedauernd, während sie Schatten betrachtete. Vielleicht hatte sie erst jetzt verstanden, welche Gefahr diese Wölfe tatsächlich darstellten.
Dafür sprach, dass sie kurz auf Fünkchen herab blickte, die sie in ihrem Schoß barg und dann wieder zu Schatten, der es als Aufforderung auffasste an sie heranzutreten. Lilyanna versteifte sich an er seinen großen Kopf in ihre Richtung streckte und auch ohne auf das Bett steigen zu müssen, an sein Geschwisterchen in ihrem Schoß herankam, um an ihn zu schnuppern.
Fünkchen streckte sich Schatten furchtlos entgegen und als sich ihre Nasen berührten, sah ich ein Funken, der über ihrer beide Fell glitt. So also versorgte sich Fünkchen mit Magie. Ich hatte mir bereits Sorgen gemacht, dass sie wieder etwas von Lilyanna nehmen könnte, wenn ich sie nicht regelmäßig versorgte. Aber sie schien die Versorgung durch ihren Bruder vorzuziehen. Das konnte mir nur Recht sein. Ich würde der einzige sein, der sich an diesen Magiereserven bediente, die in Lilyanna innewohnten.
Etwas zögerlich streckte auch Lilyanna ihre Hand nach Schatten aus und wie auch bei mir, rieb er sofort seinen großen Kopf daran, als wolle er gestreichelt werden. Dabei leckte er ihr sogar kurz die Hand, was Lilyanna ein sanftes Lächeln auf die Lippen zauberte. Zwar war ich es, den Schatten auf Schritt und Tritt verfolgte, aber dennoch schienen diese Wölfe Lilyanna sehr viel lieber zu haben.
Das sollte mich stören, tat es aber nicht. Ich wollte ihren Gehorsam, nichts weiter. Sie waren eben keine Haustiere. Zudem hatte ich keine Zeit, mir darüber ernsthaft Gedanken zu machen. Zu viel anderes beschäftigte mich jetzt, nachdem Lilyanna nach acht Stunden endlich erwacht war.
Vor allem etwas hatte mich aufhorchen lassen: Das Geständnis der Magier, dass sie sich beim regulären Gebet mit der Finsternis angesteckt hätten, dass es tatsächlich immer wieder vorkam und die Magier, die zu lange mit dem Freitod zögerten, ebenfalls wie Schattenwesen wurden und irgendwann einfach in Flammen aufgingen, wenn sie auch nur der geringste Lichtstrahl berührte.
Hatte die Zitadelle dieses Problem ebenfalls und vertuschte es nur besser? War es ein Phänomen, was nur diese Sekte hatte? Konnte es auch einfache Leute treffen? All diese Fragen waren offen geblieben. Dennoch wollte ich kein Risiko eingehen.
"Wie oft betest du?" fragte ich und Lilyanna warf mir einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte, dann zuckte sie mit den Schultern.
"Nicht so oft, wie es wohl tun sollte, aber die Götter haben mir auch nie geantwortet. In den Jahren hier in den Winterlanden, hab ich eigentlich gar nicht gebetet. Zumindest so weit wie ich mich erinnerte. Cedrik hielt davon nicht viel. Er hatte immer gemeint, dass er dafür kein Geld für die Kräuter aus dem Fenster werfen würde. Angeblich, weil die Götter nicht einmal dann in seinem Haus einkehren würden, wenn die Welt in Flammen stünde. Seine Worte, nicht meine." erklärte sie und bei der Erwähnung von Cedrik, dem König der Huren, verzog ich mein Gesicht. Die Fragen, die dieser Mann aufwarf und für die ich keine Antworten hatten, ärgerten mich.
Ich hasste Rätsel.
Doch eine Stimme in meinen Inneren erinnerte mich daran, dass ich diesem Mann seine Geheimnisse wohl lassen musste, das war ich ihm irgendwie schuldig dafür, dass er Lilyanna all die Jahre behütet hatte.
Daran würde andere aber nichts Positives erkennen.
Cedrik war wohl für einige Charakterzüge an Lilyanna verantwortlich, die alles andere als königlich waren, aber ob ihr diese zum Nachteil gereichen würde, konnte ich nicht sagen.
Sie war ziemlich vorlaut und eigensinnig. Mutig und intelligent auf eine Weise, die sie nie geworden wäre, wie sie es in den Sommerlanden als Prinzessin wohl nie geworden wäre. Das Einzige, was wohl eher kontraproduktiv zu sein schien, war ihr Drang immer vor ihrem Schicksal davonlaufen zu wollen.
Doch wer konnte ihr das verübeln? Sie hatten in den Jahren auf der Straße gelernt, dass es immer cleverer war den Kopf einzuziehen und zu überleben, anstatt seinen Stolz mit dem Leben zu verteidigen. Sie versuchte nur Kämpfe zu führen, die sie glaubte, gewinnen zu können. Doch es gab nun auch mal Kriege, die kamen und aussichtslos schienen und bei denen Weglaufen keine Option war. Die Bürde der Krone war so etwas.
"Gut, ich will nicht, dass du betest, das Risiko ist einfach zu groß", meinte ich und Lilyanna sah mich aus großen, hellen Augen an.
"Sie haben sich also beim Gebet angesteckt?" kombinierte Lilyanna so gescheit wie sie jedoch einmal war und ich konnte nichts anderes tun als zu nicken. Diese Magier konnten mir nicht viel zu ihrem Zustand sagen, nur dass sie trotz der richtigen Ausübung des Gebets mit der Finsternis in Kontakt geraten waren, machte mich nervös.
Die Parallelen zu dem Ereignis mit Lilyanna und Kain machte mir Sorgen. Auch sie hatte die richtige Menge an Kräutern verwendet und dennoch war Kain zu ihr gelangt. Ganz so als wäre die Dunkelheit mittlerweile näher gerückt, näher als man es gewohnt war.
Ich konnte nur hoffen, dass die Nachricht, die ich mit einem Boten Richtung Palast gesendet hatte, Eugen schnell erreichte und er jeden zügig davor warnte, der regelmäßig versuchte, mit den Göttern in Kontakt zu treten.
"Ist Kain also auch einer dieser Schattenkreaturen? Hat in den Verliesen zu den Göttern gebetet und anstatt diese hat die Finsternis von ihm Besitz ergriffen? Ich meine, das Verrottete, ist doch die Finsternis, oder? Sind die Schattenkreaturen auch so?", fragte Lilyanna mich und mir gefiel es nicht, dass sie für ihren Jugendfreund Ausreden suchte, für das, was scheinbar aus ihm geworden war. Er war aus meinem Verlies verschwunden und dann bei Lilyanna wieder aufgetaucht, um sie anzugreifen. Egal, was ihn dazu getrieben hatte, es war nicht zu entschuldigen.
Er hatte ihr versucht, das Herz herauszureißen, verdammt! Dennoch fragte ich mich, ob er wohl wusste, dass er eigentlich meines war. Vielleicht war das gar kein Angriff auf Lilyanna gewesen, sondern auf mich.
"Ja. Sie sind dem sehr ähnlich und stehen ganz sicher im Zusammenhang mit dem, was sich ab und an in meine Stollen verirrt. Die Kreaturen dort scheinen auch über eine gewisse Intelligenz zu verfügen. Aber egal, ob dein Freund dort unverschuldet hineingeraten ist oder nicht: Jetzt ist er eine Gefahr. Und ich werde ihn töten, wenn ich die Gelegenheit dazu bekomme!" verkündete ich und sah wie Lilyannas Gesichtsausdruck kurz bedauern zeigte, sie dann aber nickte. Sie ist der Situation bewusst. Ihrer, meiner und die aller Menschen um uns herum.
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