Sonne und Mond - Teil 2
Kapitel 129
Ducan
"Es waren einmal zwei Sonnen und ein Mond, die unsere Welt umwanderten. Die Sonnen tauchten alles in helles, ständiges Licht, während der Mond ein Schattendasein führte, da ihr nur die kurzen, dämmrigen Stunden des Tages blieben.
Die Welt war noch jung und die Götter waren gerade dabei, das Gespinst des Schicksals zu weben. Ein unendlich großes Tuch, wo jede Seele mit der anderen verwoben wurde, um einen unendlichen Fluss zu kreieren.
Doch dann verliebten sich der Mond und eine der Sonnen, die kleinere blaue Sonne, ineinander und stellten die Ordnung der Götter infrage. Sie wollten nicht getrennt sein, doch die blaue Sonne stand stets am Himmel, während der Mond nur aufsteigen durfte, wenn beide Sonnen etwas sanken.
Sie flehten die Götter an, sie zu vereinen, doch die Götter lehnten ab. Nichts durfte an der Ordnung rütteln. Die Liebenden verzweifelten immer mehr und so entschlossen sie sich dazu, nicht mehr am Himmel stehen zu wollen.
Die blaue Sonne floh aus dem Himmel, ließ sich in Form einer Kugel auf das Gespinst des Schicksals fallen und warte auf seine Geliebte, doch bevor der Mond ihm folgen konnte, entdeckten die Götter den Verrat und zwangen den Mond mit Gewalt am Himmel zu bleiben.
Die Götter ketteten sie an den Himmel. Mit Fesseln, so mächtig, dass der Mond brach, als sie versuchte, sich zu befreien. Schnell wollte die blaue Sonne zurück in den Himmel, seiner Geliebten helfen, doch die Götter bestimmten, er solle bis in alle Ewigkeit auf dem Gespinst bleiben und mit Traurigkeit in den Himmel sehen. Als Strafe für seinen Verrat.
Seitdem liegt eine Hälfte der Welt im Schatten und der Mond wandert jeden Abend höher in den Himmel, so wie sie es einst gewollt hatten und doch angekettet und dazu verdammt, niemals mit ihrem Geliebten vereint zu sein.
Die blaue Sonne war außer sich, brannte heiß und rachsüchtig auf dem Gespinst, zerstörte die Fäden des Teppichs und fraß Löcher in das Gewebe des Schicksals. Sie verursachte Chaos und Leid.
Die Götter befahlen, dass er aufhören sollte, doch die blaue Sonne ließ sich nicht beirren. Der Mond war gezwungen, die Zerstörungswut ihres Geliebten hilflos mit anzusehen und brach selbst aus Verzweiflung entzwei. Diesmal aus Liebe, nichts aus Gewalt. Sie flehte die Götter an, einen Teil von ihr zu nehmen und ihn der Sonne zu bringen, damit er sich beruhigte. Der Mond liebte die Sonne, doch sie liebte auch die Welt, für die sie geschaffen worden war.
Die Götter, die die blaue Sonne nicht einzufangen vermochten, stimmten zu und in einem heißen Feuerregen landeten Teile des Mondes auf der Erde. Milliarden und noch mal Milliarden winziger Bruchstücke.
Magie prasselte auf die Welt, auf das Schicksal und wenn ein Menschenherz in Liebe und Treue erblühte, dann sammelte sich diese Magie in ihren Herzen und machte sie zu Magiern.
Angetrieben von dem Willen, etwas von seiner Geliebten zu bekommen, rollt die Kugel der Sonne seither über das Gespinst und sammelt die Bruchstücke ein. Die Götter versprachen der Sonne zurück in den Himmel zu dürfen, sobald er alle eingesammelt hatte, damit er bis in alle Ewigkeit wieder zusammen mit dem Mond verweilen durfte. Immer noch getrennt, so wie einst, aber dennoch näher", schloss mein Vater und klang beim Wiedergeben des letzten Abschnitts traurig, obwohl er doch hoffnungsvoll klingen sollte. Als Kind hatte ich das nicht verstanden, doch ich war kein Kind mehr.
"Wenn es der Sonne gelingt, darf er zwar zurück in den Himmel, aber es wird sein wie zuvor. Sie wären wieder am Anfang. Die Götter werden nicht zulassen, dass sie wirklich zusammen sein können. Ihre Rebellion, ihr Schmerz, alles, was sie taten, wäre vergebens", erklärte ich und mein Vater sah von seiner Apparatur auf. Sein Blick glitt in die Ferne.
"Die Götter sind grausam. Sie nehmen keine Rücksicht auf die Liebe. Liebe schafft Unordnung, sie ist unkontrollierbar. Doch sie wollen so nicht gesehen werden. Deswegen ist die Geschichte kein Teil des Kanons mehr", meinte mein Vater und sein Blick entglitt weiter.
"Wie sehr sie versucht haben, mich und deine Mutter auseinander zu bringen. Wie schwer es für uns war und wie viel Schmerz es uns gebracht hat, uns diese wenigen Jahre des Glücks zu erstehlen. Die Götter haben uns für unsere Selbstsucht gestraft. Meine Frau ließen sie in den Flammen des Erzeugnisses unserer Liebe sterben und jetzt strafen sie mich", hauchte er und sah dann zu mir.
Er sah mich und er erkannte mich. Er wusste, was mit Mutter geschehen war, und auch, was mit ihm passierte.
Mein Vater war klar, wie nur selten, und wenn er es war, litt er. Ein tatsächliches grausames Schicksal. Und in den Momenten, in denen er sich selbst verliert, hat er Frieden.
Ich schluckte den Klos in meinen Hals herunter. Meine Eltern hatten elf Jahre miteinander verbringen dürfen. Das war alles, was die Götter ihnen zugestanden hatten und selbst die hatten sie sich erkämpfen müssen.
"Sie sagten uns, du seist gesegnet mit so viel Macht, aber ich weiß es besser, Ducan. Deine Macht ist eine Strafe. Wir waren deine Eltern und haben dich nie halten dürfen, nie berühren dürfen. Es tut mir so leid."
Doch ich schüttelte sofort den Kopf. Auch ich empfand meine Macht nicht wirklich als Segen, aber ich würde meine Eltern niemals dafür die Verantwortung tragen lassen. Es ist die meine. Auch wenn es in meine Kindheit bedeutet hatte, gerade körperlich auf Zuneigung zu verzichten, so hatte ich dennoch stets die Liebe gespürt, die meine Eltern für mich empfanden. Ich war nicht kalt, weil ich lieblos aufgewachsen war. Ich war kalt, weil ich es als König sein musste.
"Lilyanna ist immun gegen meine Macht. Vollständig. In einem Ausmaß, das absolut unnatürlich anmutet. Sie berührt mich ständig. Mir geht es gut", erklärte ich und das Gesicht meines Vaters erstrahlte.
"Sie lebt."
Ich nickte. Ich hatte mir einmal vorgenommen, meinen Vater, wenn er klar war, wenn er sich an alles erinnern konnte, auf dem neuesten Stand zu bringen. Immer. Das waren die guten Tage.
"Ich habe sie um einen Besuch gebeten, aber ich schätze, ich habe es wieder vergessen", meinte er und ich schüttelte erneut den Kopf.
"Nein, es ist viel passiert. Sie wird dich besuchen, Vater. Du wirst sie kennenlernen", versprach ich.
"Erzähl mir von ihr. Ist sie so schön, wie alle behaupten? Wirst du glücklich mit ihr werden?", fragte er und ich nickte, wobei meine Mundwinkel kurz zuckten. Er übersah es nicht und er wirkte noch fröhlicher.
"Ich freue mich für euch. Ich werde es deiner Mutter berichten, wenn sie wieder da ist. Sie ist ausreiten, meinte Agatha. Das konnte ich ihr nie..." Er verstummte und ich konnte regelrecht dabei zusehen, wie er abdriftete. Komplett und dann blinzelte er.
"Wer seid ihr?", fragte er dann plötzlich erbost und ich erhob mich in einer eleganten Bewegung vom Sessel.
"Niemand, eure Hoheit", meinte ich schnell und verdrängte den unendlichen Schmerz, den es mich kostete diese und den folgenden Satz von mir zu geben.
"Ein Besucher in eurem Land. Mir wurde gesagt, ich dürfte mir ein Buch von hier leihen. Zur Unterhaltung", brachte ich mit rauer Stimme hervor und weigerte mich, den Schmerz meine Stimme färben zu lassen. Mein Vater nickte.
"Natürlich. Die Nächte hier sind lang..."
Ich verbeugte mich und ging.
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