Normal?
Kapitel 149
Lilyanna
Der schwarze Schleier in meinen Blick Rändern blieb und mein Mund, obwohl nun weniger rau, fühlte sich ebenso wie mein Magen dennoch unbefriedigt an. Auch wenn Eugen nach einigen Untersuchungen meinte, dass dies vollkommen normal war, fühlte ich mich fehl am Platz.
Die gesamte Situation kam mir dermaßen merkwürdig an, dass ich es kaum ertrug. Nur wenn Ducan bei mir blieb, fühlte ich mich geerdet, wenn auch trotzdem unbefriedigt. Ich weiß, dass ich mir Zeit geben musste. Zeit zu verarbeiten, Zeit zu reflektieren und nachzudenken und vor allem Zeit um Pläne zu machen.
Eugens Tinkturen, die mir Kraft gaben und dafür sorgten, dass mein Kind so heranwuchs, wie es sollte schmecken widerlich und waren das Einzige, von dem ich das Gefühl hatte, dass es tatsächlich in meinem Magen ankam.
"Du musst in deinen Gemächern bleiben. Ich will dich nicht einsperren, Lil, aber ich ertrage es nicht, dich noch einmal zu verlieren", enthüllte mir Ducan am zweiten Morgen und ich blickte fast erschrocken zu ihm auf. So viel Eingeständnis vom König der Winterlande hatte ich definitiv nicht erwartet, soviel entgegenkommen auch nicht. Und genau das war es, was mich augenblicklich entwaffnete. Nach allem was geschehen war, nach allem, was ich erlebt hatte und nach allem, was wir zusammen hatten ertragen müssen, konnte ich mich diesem Wunsch nur anschließen.
Vier Monate.
Ich hatte mich noch längst nicht in dieser neuen Zeit eingefunden. Ich war vier Monate wie tot gewesen, trug ein Kind in meinen Bauch und war in meinen Gemächern quasi eingesperrt. Es war überraschend, dass ich das überhaupt akzeptierte. Das entsprach so gar nicht meinen Wesen, aber ich wollte mir die Ruhe nehmen, die ich sicherlich brauchte. Fast schien es so als würde mein Verstand auf etwas warten.
Ein Zusammenbruch?
Eine Erkenntnis?
Ich wusste es nicht und wenn ich glaubte, den Gedanken greifen zu können, schien er mir sofort wieder durch die Finger zu brennen.
"War mein Cousin jemals hier gewesen? Er hat sich vor meinen Augen in Kain verwandelt und er war auch in diesem Turm, zusammen mit dutzenden Schatten. Was ist mit Fünkchen? Wie ist der diplomatische Stand zu den Sommerlanden und auch den Herbstlanden? Wie haben mein Onkel und König Triton reagiert? Auf meinen Tod, mein wieder erwachen, mein...Lady Charlotte und die anderen Hofdamen. Was ist mit ihnen geschehen? Und Fünkchen und Schatten?"
Ich hätte ihm ewig mit weiteren Fragen bombardieren können, doch Ducan griff nach meiner Hand und kniete sich vor der kleinen Chaiselongue, auf die ich mich gesetzt hatte. Zusammen mit einer ganzen Platte voller Pasteten und einer dicken Decke. Ich trug noch immer einen Morgenrock und mein Haar war unfrisiert. Aber ich hatte auch kein Bedürfnis mich zurechtzumachen und mich durch das Schloss zu bewegen.
Ich war antriebslos und verwirrt. Noch immer. Ich brauchte Zeit.
Zeit.
Zeit.
Zeit.
"Ich werde dir all deine Fragen beantworten. Doch bitte komm erst einmal zu Kräften", meinte Ducan und der Anblick, wie er so vor mir saß, kam mir so unfassbar seltsam vor.
Er benahm sich anders. Zutraulicher, weniger als er selbst. Ich sollte darüber glücklich sein, denn schließlich war seine steife Haltung und seine Kälte stets das gewesen, was ich am meisten an ihn gehasst hatte. Doch irgendwie kam mir das falsch vor.
Nachdem er mich tot geglaubt hatte, war es allerdings wohl auch normal, dass er sein Verhalten mir gegenüber änderte, dennoch ... war es ungewohnt und führte nur dazu, dass ich noch mehr Zeit brauchte.
Zeit.
Mehr Zeit.
Zeit läuft ab.
Hm?
Ich stockte kurz als dieser Gedanke in meinen Verstand auf ploppte und gleich wieder verschwand und ich ihn eigentlich sofort wieder vergaß.
"Ich soll also hier sitzen und nichts tun? Fürs Erste kommt mir das in Ordnung vor, aber ich will beizeiten zumindest einen Spaziergang machen", meinte ich und zog meine Hand aus seiner.
Er ließ es geschehen. So Falsch.
Der König der Winterlande gestand es mir zu, dass ich mich von ihm zurückzog, obwohl ich doch dabei hatte zusehen müssen, wie er daran fast zerbrochen war? Wie er fast wahnsinnig geworden war, weil er mich nicht hatte halten können? Das war ebenfalls unerwartet, doch was wusste ich schon, was er die letzten vier Monate durchgestanden hatte?
Er gab mir die Gelegenheit, mich selbst zu finden.
Ich konnte mir nicht vorstellen, was ihm das abverlangte. Noch vor wenigen Wochen war er fast wahnsinnig wegen meines Verlustes gewesen. Ich sollte dankbar sein.
Ich sah ihn an. Der Schleier flackerte noch in meinen Augen, aber ich sah Ducan deutlich vor mir. Wie er da hockte, mich fast anflehte hier zu bleiben und mich auszuruhen. So ganz irgendeinen Wahnsinn in seinen Blick. Zuvorkommend, nach Verständnis suchend.
Das ist gut.
Natürlich ist das gut, wenn jemand etwas weniger Arroganz gebrauchen konnte, dann er und wahrscheinlich auch ich selbst. Wir sollten uns beide das hier zugestehen. Es war okay, einmal nicht der König zu sein, der versuchte, gegen meinen Willen anzukämpfen, und es war in Ordnung, einmal nicht die Prinzessin zu sein, die ihm die Stirn bot. Das hier war gut, ein Schritt in die richtige Richtung.
Warum dann... fühlte es sich an, als würde etwas fehlen?
"Die Kälte würde dir und dem Kind zu setzen, lass uns später darüber reden. Wenn Eugen sagt, dass es in Ordnung ist..."
"Was?" fragte ich vollkommen irritiert, weil ich keine Ahnung hatte, warum er so einen Unsinn von sich gab.
Ja, mir setzte die Kälte ab und an zu, aber ich hatte seine Aura und das Kind? Wenn es mir gut ging, würde es auch dem Kind gut gehen. Zudem war Eugen ein wilder Verfechter von körperlichen Aktivitäten.
Was er sagte, machte keinen Sinn.
Wo war seine wärmende Aura überhaupt? Meine Finger waren so kühl wie seit Monaten nicht mehr und meinem Körper reichte die Wärme des Feuer kaum. Ich würde ihn allerdings nicht darum bitten. Das war nie nötig gewesen und wenn er sie mir jetzt nicht gab, würde es einen Grund haben, oder?
"Es ist gefährlich, Lil", hauchte Daran, erhob sich und thronte plötzlich vor mir auf. Groß und königlich und fest entschlossen. Ich blinzelte verwirrt, atmete aber durch und nickte dann lediglich.
Fein. Ich war sowieso noch nicht bereit aufzustehen und mich auch nur anzuziehen, fühlte mich schwach und war mir sicher, eh bald wieder einzuschlafen. Dieser Kampf war unnötig. Zeit.
Ich brauchte Zeit für alles. Musste mich an diesen sich unwirklich anfühlenden Umstand gewöhnen. Zeit.
Zeit lief ab.
Was?
Ich stöhnte und starrte wieder in den Kamin
"In Ordnung", ergab ich mich, lehnte meinen Kopf an die Lehne des Polsterstückes und beachtete Ducan nicht als er darauf hin nickte und ging. Königliche Pflichten wahrscheinlich.
Das er mich alleine ließ, war nichts Unübliches, wahrscheinlich wollte er mir erneut nur Raum geben und ich schob ein weiteres Pasteten-Stück in meinen Mund. Es schmeckte gut. Ich klaute und schluckte. Doch als es in meinen Magen ankommen sollte, fühlte er sich noch immer leer an.
Der intensive Hunger war gestillt, aber satt war ich noch lange nicht. Es stimmte wohl, was man sagte: Schwangere aßen viel. Ich blickte weiter in die Flammen, war froh, dass es ansonsten aber dunkel im Raum war. Eugen meinte, aß ich mich langsam wieder an richtige Helligkeit gewöhnen musste. Ich musste allem Zeit geben, mich daran gewöhnen, denn ich hatte mich verändert und Ducan ebenso, die ganze Situation.
Verarbeiten und dann weitermachen.
Das war normal.
Warum also fühlte es sich nicht normal an?
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