Kleiderwahl
Kapitel 106
Lilyanna
Ich hielt die goldene Kugel in den Händen, während eine meiner neuen Hofdamen mir eine Auswahl von schnell herbeigeschafften Kleidern demonstrierte, die ich für die Hochzeit erhalten hatte.
Ich versuchte für Lady Charlotte interessiert auszusehen, während sie mir Schnitte erklärte und ihre Bedeutung dahinter, denn: In den Winterlanden war die Auswahl des richtigen Kleides zur Hochzeit scheinbar wichtig.
Der Schnitt, die Farbe und jeder verfluchte Saumreihen würde vom Hof interpretiert und ausgelegt werden. Es war die offiziell erste Verkündung der neuen Königin und dementsprechend wichtig war für mich diese Wahl des richtigen Kleides, aber ich konnte mich nicht wirklich darauf konzentrieren.
Diese Kugele erinnerte mich an das Leid, dass ich erfahren hatte, die Wut, die ich auf Oswald fühlte und allen anderen. Ich hatte es mich nicht gewagt, Ducan von meiner Begegnung mit Cedric zu erzählen, bereute es aber im Nachhinein und ging im Kopf die Möglichkeiten durch, wie ich das Thema am Abend würde ansprechen können.
Ich hatte nicht das Gefühl, dass er eine Bedrohung war, das hatte ich nie, aber ich hing dennoch an der Frage, was er sein könnte, obwohl er mir genau davon abgeraten hatte. Die falschen Fragen ...
Bei den Göttern, ich war unfassbar schlecht darin, auf die Warnungen anderer zu hören.
Vielleicht aber verhedderte ich mich auch aus einem anderen Grund lieber in den angeblich 'falschen Fragen' und blendete ich mit Absicht alles andere um mich heraus, insbesondere die Frau, die sich neben meinen Hofdamen auch noch zu uns gesellt hatte: Lady Owellya.
Sie saß an einem der Tische, trank einen dieser bitteren Tees, die hier in den Winterlanden so beliebt waren und machte einen wesentlich königlichen Eindruck als ich.
Zudem schien sie auch aufmerksamer.
Das dunkelblaue Kleid saß an ihr so perfekt, wie ich es nicht einmal mit einem dieser Korsetts hinbekommen würde. Ihre dunklen Haare waren perfekt frisiert und sie hob die Tasse mit einer Anmut zu ihren Lippen, über die meine Mutter wohl applaudiert hätte.
Sie war alles, was ich nicht war und alles was ich sein musste, wenn ich Ducan eine gute Frau und Königin sein wollte. Und ich hasste es ausgerechnet, auf sie neidisch zu sein.
"Hoheit? Wie wäre es mit diesem hier?" fragte Xenia und holte ein hübsches hellgrünes Kleid aus der Truhe und strich den unzähligen Laken an Stoff glatt. Ihre Cousine verstaute währenddessen das zuvor gezeigte Kleid.
Das neue besaß einen goldenen Spitzenbordüre und die Ärmel waren zwar lag, ließ dafür es die Schultern frei. Es gefiel mir persönlich besser als das Hochgeschlossene zuvor, aber ich wusste nicht, ob mein Geschmack nicht als allgemein zu obszön angesehen werden würde.
"Es ist..."
"Inakzeptabel!", unterbrach mich Owellya schnell und ich warf ihr einen bitteren Blick zu, denn sie hatte weder das Recht mich zu unterbrechen, noch eine Meinung über die Auswahl meines Kleides abzugeben!
Ich mochte zwar an ihrer Anwesenheit hier nichts ändern können, als hochrangige Lady am Hof war es meine Pflicht, sie hier mit einzubeziehen, aber das bedeutete nicht, dass sie so reden durfte.
"Verzeiht Hoheit. Aber Grün repräsentiert keines der beiden Häuser, die mit dieser Hochzeit verbunden werden und auch sonst keine traditionelle Farbe für die Winterlande. Zudem ist der Schnitt schräg. Das mag sehr modisch wirken, aber würde eine unstetige und launische Königin implizieren. Ihr solltet Euch an die geraden Schnitten halten", meinte Owellya und ich presste meine Lippen zusammen, um sie nicht auch noch laut zu verfluchen, doch dann nickte Lady Holly zustimmen, nachdem sie Owellyas Worte in einem kleinen Buch nachgeschlagen hatte.
"Stimmt, Hoheit. Dieses Kleid kommt nicht infrage", meinte meine Hofdame und das hübsche Kleid, das mir eigentlich wirklich einmal gefallen hätte, wurde wieder in der Kiste verstaut, aus der man es geholt hatte.
Es klapperte neben mir, als Owellya ihre Tasse auf einen feinen Porzellanteller abstellte.
Ich spürte sofort, wie mir bereits dieses einfache Geräusch an meinen Nerven zog, wie ein ganzes Pferdegespann.
Ich missbilligte alles an Owellya, zu meinem Leidwesen schien sie jedoch diejenige zu sein, die am meisten Ahnung davon hatte.
Kein Wunder, schließlich hatte sie ihre Hochzeit mit Ducan bestimmt schon tausend Male in ihrem Kopf durchgespielt.
"Das Kleid hätte der Prinzessin gar nicht erst vorgelegt werden dürfen", tadelte Owellya meine Hofdamen und ich sah wie Xenia, ähnlich wie ich, wütend die Lippen zusammenpresste, während die anderen diesen Kommentar einfach hinnehmen. Ich mochte mit Xenia zu Beginn aneinandergeraten sein, aber ansonsten schienen wir uns auf einer Wellenlänge zu befinden. Besonders was Owellya anging.
"Aber ich erwarte von diesem Mädchen auch nicht viel. Sie sind hier nicht beheimatet und obwohl sie einige Jahre hier lebten, haben sie ihre Ausbildung nach Eurem Verschwinden schleifen lassen.", meinte Owellya weiter und lächelte mir höflich über den Rand der Tasse zu.
Alleine dafür hätte ich ihr am liebsten beide Hände um die Kehle gelegt und zugedrückt. Dieses Miststück hatte versucht, mich umzubringen und ich war nicht so bescheuert zu glauben, dass sie damit aufhören würde.
Doch leider konnte ich sie auch nicht mit einem Tritt in den Allerwertesten aus dem Palast befördern, ohne ihr etwas nachweisen zu können und leider war die einzig verbliebene Zeugin tot.
"So wie ihr Eure Bemühungen mich zu beseitigen?" fragte ich deshalb mit einer etwas weiter gedämpften Stimme und ich sah, wie Owellyas Augen blitzten. Mit dieser offenen Konfrontation hatte sie nicht gerechnet.
Sie war Intrigen und Lästereien hinter fremden Rücken gewohnt, aber ich würde mich solchen Spielchen nicht hingeben. Ich wusste, was sie war und wollte, dass sie wusste, dass ich es wusste.
"Nach dem Vorfall mit den Süßigkeiten, Hoheit, wurde jeder Bäcker in der Stadt verhört. Diejenigen im Palast sogar komplett ausgetauscht. Eugen war dabei sehr penibel. Wer auch immer Euch schaden wollte, bleibt wohl unentdeckt. Und glaubt mir: Ich bedauere das am allermeisten. Auch ich musste meinen privaten Bäcker entlassen und mir einen weniger talentierten suchen. Es ist ein schmerzlicher Verlust."
Natürlich.
Ich wandte mich von Owellya ab und sah Lady Charlotte dabei zu, wie sie ein weiteres Kleid aus einem der Truhen zog, eines, das mich fast sprachlos machte.
Ich sah aus den Augenwinkeln, wie auch Owellya nun ihre gleichgültige Miene verlor und vor Staunen der Mund offen stand.
Das Kleid war Silber durchwirkt mit weißen Stickereien, die Schneeflocken, Kringel und Ranken darstellten. An den Ranken waren rote Edelsteine angebracht, die nicht als wertvoll genug angesehen wurden, damit zu handeln, aber wohl als hübsch genug, um als Dekoration herzuhalten. Sie erinnerten mich an die bitteren Früchte der Lombüsche, die hier in den Winterlande wuchsen und zu allerlei Dingen verarbeitet wurden.
Tees gegen Fieber oder nur zum Genuss, in Broten und Kuchen oder als einer der wenigen heimischen Zutaten für Suppen.
Das Holz der Büsche wurde verbrannt, um Feuer zu machen und wenn die Dornen überhandnahmen, wurden Verbrecher hindurchgejagt, um sie zu bestrafen. Es gab nichts, was mehr für die Winterlande sprach als diese Sträucher. Aber am faszinierendsten fand ich die goldenen Sprenkel auf der Brust und den Armen, dass von dem goldfarbenen Unterrock wieder aufgenommen wurde.
Das entsprach den Farben meines Hauses, das Silber für Ducans. Das Kleid war wunderschön und einfach perfekt.
"Woher habt ihr das? Es befand sich vor einem Jahr noch nicht bei den Truhen mit den Hochzeitskleidern", meinte Owellya und ich zuckte zusammen, als sie durchblicken ließ, dass sie selbst sich die Kleider vor einem Jahr angesehen hatte. Traditionell wurde jedes Kleid, das irgendwann einmal eine Königin getragen hatte eingelagert, gerade die Hochzeitskleider hatten historischen Wert und wurden besonders gepflegt. Normalerweise ließ sich jede Königin ihre Kleider schneidern, aber da meine Hochzeit bereits am Ende dieser Woche anstand, würde ich keine Zeit dafür haben und auf eines zurückgreifen müssen, dass schon einmal eine Königin vor mir getragen hatte.
Xenia lief zu der Truhe, in der es gelegen hatte und zog das Pergament hervor, auf dem der Name der ursprünglichen Braut stand.
"Amanda, jüngste hochwohlgeborene Tochter aus den Sommernanden nahm ihren Gemahl, Prinz Uber von den Winterlanden im Jahr 103 nach der Zeitenwende zum Manne.", las sie vor und ich konnte kaum fassen, dass dieses Kleid schon über zweihundert Jahre alt sein sollte. War es wirklich so lange her, dass eine Sommerprinzessin hier ihren Gemahl gefunden hatte? Das musste ein Zeichen sein! Das war genau mein Kleid! Und wenn ich Owellyas neidvollen Blick so betrachtete, dann wusste sie das auch.
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