eigene Regeln
Kapitel 19
Ducan
Ich konnte es nicht akzeptieren, dass ich nicht wusste, was auf mich zukam. Meine tiefgehende Abneigung gegen Überraschungen und einfach allem, was den normalen Gang meiner Herrschaft auch nur ansatzweise störte, nagte an mir wie ein hungernder Wolf, der einen erbeuteten Knochen niemals loslassen würde, bevor er nicht auch noch das Mark aus seinen Inneren verschlungen hatte.
Prinzessin Lilyanna war so ein störender Unfriede, aber ich wusste natürlich, dass es nicht direkt sie war, die ich dafür zur Verantwortung ziehen musste, sondern die Person, die sie mir erst vorenthalten und dann zwölf Jahre später wieder vor die Nase gesetzt hatte. Für das alles war Cedrik verantwortlich und ich bereute es zutiefst, diesen Mann nicht schon vor Jahren aus meinem Reich vertrieben zu haben. Auch wenn eine leise Stimme in meinem Inneren mir sagte, dass ich es nur nicht getan hatte, weil ich darin wahrscheinlich sowieso versagt hätte. So wie mein Vater vor mir. Stattdessen hatte ich mich mit seiner Anwesenheit arrangiert und nahm es hin, dass er sich ständig in meine Regierung einmischte, seine Intrigen spann oder mir kryptische Rätsel aufgab, wenn er sich in meinen Palast schlich wie ein böser Geist, der seine Opfer heimsuchte.
Es war unmöglich diesen Mann tatsächlich loszuwerden oder auch nur dafür zu sorgen, dass er den Palast nicht wieder betrat. Ich hatte es versucht, mit absolut zuverlässigen Wachen, die nicht einmal eine Maus übersehen und einer Menge von magischen Barrieren. Egal was ich auch tat, Cedrik überwand alles oder besser: Erschien dennoch so oft wie er wollte im Herzen meiner privaten Gemächer.
Das alles wäre eine wirklich tiefgreifende Blamage wenn es irgendjemand erfahren würde. Aber zu meinem Glück hatte Cedrik nie den Willen gezeigt, mich auf diese Weise zu verspotten und sich stets nur mir oder meinem Vater offenbart, wenn er im Palast verweilte. Ansonsten wusste nur Eugen von seinen unregelmäßigen Besuchen hier und manchmal hatte ich den Verdacht, dass selbst er mir das nicht wirklich glaubte. Eugen versuchte Cedriks bloße Existenz zu ignorieren oder ihm zumindest aus dem Weg zu gehen, denn mein langjähriger Haushofmagier und ehemaliger Lehrmeister mochte Rätsel zwar, aber Cedrik war nicht nur ein Rätsel, er war ein Phänomen. Eines, das die Zitadelle schon sehr lange beschäftigte.
Als ich in einen meinem Arbeitsräumen auf und ab ging konnte ich fast schon Cedriks Anwesenheit spüren und fragte mich, wie lange es dauern würde, bis er verstand, dass ich seinen Sohn hatte und er kommen würde, um ihn zu holen. Ich wusste nicht einmal ob er dann den Umweg einer Verhandlung mit mir machte, oder seinen Sohn ... einfach mit sich nahm.
Die Götter wussten: Ich traute es ihm zu. Aber obwohl Cedric stets bewiesen hatte, dass er über mehr Fähigkeiten verfügte als möglich sein sollte, schien er sich auch an gewisse Grundregeln zu halten, obwohl die für ihn offensichtlich nicht galten. Ein einziges Mal hatte er gegenüber einem Magier irgendwo in den Frühlingslanden die Andeutung gemacht, er selbst bestimmte seine Grenzen, aber die universalen Gesetzmäßigkeiten des Universums vermochte er nicht zu brechen. Nicht mehr.
„Sagt mir, dass Ihr Antworten habt, Eugen!", fuhr ich meinen Meistermagier an, bevor er die Tür zu meinem Arbeitszimmer richtig durchschritten und wieder verschlossen hatte. Er sah mich eine Weile lang an, als hätte er etwas anderes erwartet und ich fragte mich, was er gedacht hatte.
Ich hatte ihn damit beauftragt Kains Natur festzustellen, ihm Proben zu entnehmen und damit herauszufinden, wie ungewöhnlich dieser Junge war, den angeblich Cedric gezeugt hatte. Und jetzt forderte ich das Ergebnis ein. Was sollte ich sonst von ihm wollen? Was brachte ihn dazu, sich kurz sammeln zu müssen? Was ließ ihn zögern? Was hatte ich nicht mitbekommen?
„In der Tat, Sire. Auch wenn ich nicht weiß, ob Euch das tatsächlich weiterhilft: Kain scheint keines der ... Eigenheiten seines Vaters zu besitzen. Nicht, dass sich Cedric in irgendeiner Weise kategorisieren ließe oder wir besonders viel über ihn wüssten. Kain ist ein gewöhnlicher Bürger." Das bezweifelte ich stark, aber was wusste ich schon von Cedric, das ich Schlussfolgerungen zu seinem Nachwuchs ziehen konnte? Aber ich wollte Schlussfolgerungen ziehen, weil ich Rätsel verabscheute.
„Also, warum ist er hier? Ich weiß, warum Sie hier ist. Seine Anwesenheit aber ist eine Frage, auf die ich keine Antwort habe und du weißt wie ich dazu stehe, Eugen! Cedric würde mir doch nie freiwillig ein Druckmittel in die Hände geben", fuhr ich meinen Meistermagier ungehalten an. Ich war nicht so naiv auch nur in Betracht zu ziehen, dass Lilyannas Verhaftung ein Zufall war und die seines Sohnes war es ebenso nicht. Cedric hätte das sicherlich verhindern können, wenn er es gewollt hätte. Was also machte sein Sohn hier? Wie passte er ins Bild?
Eugen ließ sich allerdings nicht von mir aus der Ruhe bringen, das hatte er nie und er hatte auch keine andere Wahl, als meine Launen, wenn ich mal welche hatte, zu ertragen. Es war ungewöhnlich, dass ein Magier außerhalb der Zitadelle lebte, aber Eugen hatte sich freiwillig für diese Stellung gemeldet. Da ich mit besonders starken magischen Talent auf die Welt gekommen war und als einziger Thronerbe nicht in die Zitadelle hatte gehen können, war es unerlässlich gewesen, dass ich hier unterrichtet wurde und selbst jetzt, Jahre nach Abschluss meiner Lehrjahre, musste er als „Magischer Berater" an meiner Seite bleiben. Eine Umschreibung dafür, dass er hier war um mich zu überwachen und zu verhindern, dass ich meine Macht missbrauchte und mich nicht zu weit von den Geboten der Götter entfernte.
„Sie, Sire?", fragte Eugen als wüsste er nicht, von wem ich redete. Sie eben. Lilyanna.
„Sie ist hier um mich zu verspotten. Er will mich provozieren, wie er alle Könige vor mir verspottet hat, sobald er sich dazu entschloss, hier heimisch zu werden, verflucht!", maulte ich ihn ungeduldig an.
Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so impulsiv gewesen war, ich war normalerweise stolz auf meine Selbstbeherrschung und zwang mich deswegen dazu, in meinem Auf- und Abgehen Inne zu halten und tief durchzuatmen. Ich sog die Kälte der Umgebung in meine Lungen, ließ sie mein Innerstes erfassen und spürte wie die Magie in mir zu Eis wurde. Manchmal vermisste ich mein Herz, doch es loszuwerden war ein notwendiges Übel gewesen um meine Macht in Schach zu halten. Gefühle ließen meine Magie unkontrollierbar werden und so hatte Eugen mit seinen Brüdern und Schwester in der Zitadelle beschlossen, es mir zu nehmen, bevor ich wieder Leid und Tod über den Palast brachte. Das bedeutete natürlich nicht, dass ich gar nichts fühlen konnte, nur das ich weniger unberechenbar war, auch wenn es dafür gesorgt hatte, das ich damit eine tödliche Schwäche besaß. Würde mein Herz vernichtet, würde auch ich vernichtet werden.
„Ich denke, es ist mehr als Spott, Sire. Ich muss Euch leider sagen, dass sie sehr wahrscheinlich ist, wer sie behauptet zu sein. Es gibt dafür viele Anzeichen und ich bin mir sicher, dass Ihr das auch wisst." Ich schnaufte. Natürlich wusste ich, dass Lillyanna die Wahrheit sagte, aber das war nichts, was jemals ausgesprochen gehörte.
Beta: Geany
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