Neuer Anfang, neues Glück?
Der Wind ist heute kälter als in den letzten Tagen. Man merkt, dass der Sommer langsam vorbei ist. Ich breite meine Arme aus und lasse mich rückwärts in den Sand fallen. Die oberste Schicht des Sandes ist noch von der Sonne erhitzt und wärmt meinen Rücken. Die salzige Briese weht über meine Kleidung und ich höre der sanften Brandung zu. Ich bin gerne hier. Hier fühle ich mich sicher. Noch zwei Jahre, dann muss ich von hier fort. Das lässt meine Stimmung traurig werden und schnell verwerfe ich diesen Gedanken wieder. Ich sollte meine restliche Zeit geniessen und mir keine Sorgen um die Zukunft machen.
Ich bin mir nicht sicher wie lange ich im Sand gelegen habe und mir die Sonne ins Gesicht schien, als ich auf einmal leise knirschende Schritte im Sand höre. Ruckartig richte ich mich auf und lasse meinen Blick über die Dünen schweifen. Dann sehe ich sie. Ihre schwarzen Haare mit den golden leuchtenden Spitzen, der sichere, geschmeidige Gang, ihr Lächeln. Alles ist perfekt an ihr. Ihr schmales Gesicht wendet sich in meine Richtung und schnell schaue ich weg. Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie sie sich auf einen aus dem Sand ragenden Felsen setzt. Erst als ich mir sicher bin, dass sie nicht mehr zu mir herüberschaut, traue ich mich sie wieder zu beobachten. Sie ist eine der wenigen, die bereits seit der ersten Klasse auf der Insel ist. Ich selbst bin erst in der dritten Klasse hierhergekommen. Doch bereits vom ersten Augenblick an, als ich sie bemerkte, habe ich mein Herz an sie verloren. Ich bin mir jedoch sicher, dass es bei ihr nicht so ist. Sie ist zwar immer freundlich und nett, aber mehr auch nicht. Und irgendwo in mir drin bin ich zu schüchtern um sie anzusprechen. Dies bereue ich oft, denn unsere Aufenthaltszeit hier ist begrenzt und wer weiss, ob ich sie danach jemals wiedersehe.
Ein leiser Gong ist über das stetige Wellenrauschen zu hören. Mein Blick fällt auf die Uhr. Die neuen Schüler werden jeden Moment auftauchen! Sofort springe ich auf und renne zurück zu den Schulgebäuden. Vorbei am Sportplatz und der Mensa zum Hauptschulgebäude und den Wohnblöcken. Erst gestern hat man mir gesagt, dass ich diejenigen Schüler, welche bereits heute ankommen, empfangen und ihnen alles zeigen soll. Bereits werden Gestalten sichtbar und ich beschliesse mit den Schatten zu wandern um schneller bei ihnen zu sein. Mit einer mühelosen Handbewegung verwandle ich meinen Körper in nichts und tauche einige Millisekunden später neben den neuen Mitschülern auf. Ein schelmisches Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, als ich sehe, das es fünf Mädchen sind. Sofort fällt mir das grösste Mädchen auf, sie ist wirklich sehr gross, grösser als ich und sieht aus wie eine Kreuzung zwischen einem Drachen und einem Menschen. Aus ihrem Rücken ragen beeindruckende Flügel. Alle Blicke sind auf mich gerichtet. Nur schnell mustere ich die anderen Mädchen. Diese sind verdutzt, wahrscheinlich, weil ich gerade aus dem nichts aufgetaucht bin. Das Drachenmädchen wartet ungeduldig, darum fasse ich mich kurz. «Hallo zusammen, ich bin Milo und werde euch alles zeigen.» Noch reagieren sie nicht. Ich verdrehe die Augen. «Könnt ihr mir bitte die Anmeldezettel zeigen, damit ich euch zu euren Zimmern bringen kann?» Das blonde Mädchen, welches nur mit einem Rucksack ausgerüstet ist, reagiert als erstes und drängt sich an dem Drachenmädchen vorbei. Mit einem schüchternen Blick hält sie mir ihren Zettel hin. Ich schaue nur kurz drauf. Sie heisst Luna und ist eine Elfe. Damit kann ich leben. Die anderen folgen ihrem Beispiel und reichen mir ihre Zettel. Auch bei diesen lese ich nur die obersten Zeilen richtig. Leider habe ich nicht darauf geachtet, wer mir welchen Zettel gegeben hat. «Gut also wir haben eine Mira, wer ist Mira?» Fragend blicke ich in die Runde. Das ebenfalls blonde Mädchen mit blauen Spitzen hebt die Hand. «Ich.» Ihre Stimme klingt hell. «Gut, du bist im Zimmer Nummer 1, weiss-rosa. Das ist im Erdgeschoss.» Das Mädchen nickt. «Ich werde euch die Zimmer gleich zeigen, vorher will ich mich nur versichern, dass ihr hier richtig seid.» «Was denkst du denn, schliesslich sind wir alle nicht ganz normal.» Ich fixiere das schwarzhaarige Drachenmädchen, welches mich unterbrochen hat. «Und du bist?» «Shadownight.» Sie schaut mich herausfordernd an. Auch sie hat gemerkt, dass ich kleiner bin. Ich erwidere ihren Blick nur mit einem kalten Nicken. Ein Halbdrache. Das könnte interessant werden. «Du bist in Zimmer fünf im ersten Stock und hast eine Mitbewohnerin.» Sage ich sachlich. Shadownight will etwas antworten aber ich schneide ihr geschickt das Wort ab. «Reklamationen sind zwecklos, bist du einmal in einem Zimmer bleibst du auch dort.» In ihren roten Augen sehe ich ihren Frust aber sie verzieht nur ihre schmalen Lippen zu einem schiefen Grinsen. Irgendwie mag ich sie. Doch zuerst muss ich noch die anderen zuweisen. «Gut, weiter, wo haben wir Angela? Angela?» Das braunhaarige Mädchen hebt die Hand und lächelt mich aus meerblauen Augen an. Eine Hexenfee, halb Hexe und halb Fee. Über diese Kreuzung wundere ich mich etwas, aber meine Schwester sagt immer, in unserer Welt ist alles möglich. Und damit hat sie wohl recht. «Du bist im vierten und letzten Zimmer, welches noch im Erdgeschoss liegt.» Angela nickt. «Dann, Luna, du bist in Zimmer acht, das befindet sich im ersten Stock.» Luna antwortet nichts darauf. Scheinbar ist sie eher zurückhaltend. «Zum Schluss noch Olivia.» Ich schaue zu dem dritten blonden Mädchen. Sie hat ihre Locken geschickt zu einem Kranz um ihren Kopf drapiert. Sie blickt mich fragend an. «Du bist im Zimmer Nummer 16, auf dem dritten und obersten Stock.» «Bitte nennt mich Liv, ich mag es nicht Olivia genannt zu werden.» Sie schaut bittend in die Runde. Ich nicke. «Gut dann nehmt bitte euer Gepäck und folgt mir.» Die fünf folgen meinen Anweisungen und ich führe sie in das Hauptgebäude. «Hier ist das Sekretariat und das Büro der Direktorin, sowie unsere Schulzimmer. Das wird auf eurem Stundenplan jedoch noch genauer erklärt.» Mit bestimmten Schritten laufe ich wieder aus dem Gebäude heraus und zur Mensa. Das kleine, weiss gestrichene Gebäude ist noch geschlossen. «Hier ist die Mensa, da gibt es Frühstück, Mittagessen und Abendessen, sowie eine Snackbar.» ich deute auf einen Zettel der an der Tür befestigt ist. «Hier stehen die Essenszeiten und die Menüs.» Sofort drängeln sich die Mädchen um den Plan, während ich schon im Begriff bin weiterzulaufen. Die anderen merken es erst, als ich sie rufe. Schnell hasten sie mir nach. «Das hier ist die Bibliothek. Und davor die Aufenthaltswiese.» Ich deute auf die grosse Wiese, an welcher wir vorbeilaufen und auf das dahinter liegende Häuschen. «Vor uns seht ihr die Turnhalle und dahinter liegen die Sportplätze.» Vor dem grossen, halbrunden Gebäude bleibe ich stehen. «Dort hinten seht ihr noch einen Wald und das Meer, aber das könnt ihr euch dann selbst noch ansehen.» Ich mache kehrt und laufe wieder Richtung Hauptgebäude bis zu den zwei Wohnblöcken. Das eine hat eine schwarze Fassade, das andere eine weisse. Ich bleibe vor dem weissen Haus stehen. «Hier ist der Mädchenwohnblock, da wohnt ihr. Im schwarzen Block sind die Jungs untergebracht. Auch ich wohne dort.» «Kommst du etwa mit rein?» Shadownight schaut mich spitzbübisch an. «Ja, ich muss euch ja zeigen wo eure Zimmer sind.» Ich grinse sie dabei frech an aber sie antwortet mir nicht. «Also kommt.» Ich öffne die golden verzierte Holztüre und stosse fast mit Tamara zusammen, die gerade das Gebäude verlassen will. «Oh, entschuldige,» stottere ich und spüre, wie mir die röte ins Gesicht schiesst. «Schon gut,» lächelt sie und geht an mir vorbei. Dabei streift sie aus Versehen meine Hand. Ich bemühe mich sehr die anderen nicht anzuschauen. Aus Erfahrung weiss ich, dass mein Gesicht rot wie eine Tomate ist. Was sich Tamara wohl denkt, warum ich im Mädchenblock herumstreune? Aber sie hat sicher die neuen Schüler gesehen und kann sich die Sache so erklären. «Hey, bist du mit dem Boden verwachsen oder was?» Shadownight holt mich in die Gegenwart zurück. Die anderen kichern. Ich schüttle den Kopf. «Nein, bin ich nicht, kommt jetzt.» Ich laufe durch den kurzen Gang bis zu meiner Rechten eine Türe mit der Aufschrift Nr. 1 auftaucht. «Mira, hier ist dein Zimmer.» «Dankeschön.» Mira öffnet das Zimmer und die anderen scharren sich um sie um einen Blick in den Raum zu werfen. «Nicht trödeln, ihr habt eigene Zimmer.» Die Mädchen kommen mir ein bisschen wie kleine Hunde vor, die gerade erst das Licht der Welt erblickt haben. Ich gehe eine Türe weiter. «Angela, dein Zimmer ist hier!» Angela stürmt voller Freude in ihr Zimmer. Die restlichen drei führe ich nach oben in den zweiten Stock. Dort zeige ich Luna und Shadownight ihre Zimmer und auch sie verschwinden schnell in ihnen. Nachdem ich Liv in ihrem Zimmer untergebracht habe und wieder im zweiten Stock bin, öffnet sich eine Türe und Shadownight linst heraus. «Hey, Milo!» Ich drehe mich um. «Wie heisst sie?» Ich weiss sofort wen sie meint, tue jedoch ahnungslos. «Was meinst du?» Sie verdreht die Augen. «Du weisst genau wen ich meine.» Dann grinst sie mich vielsagend an. Ich seufze. «Tamara. Und nein, ich bin nicht mit ihr zusammen.» Sie überlegt kurz, dann lacht sie leise. «Ich hätte schwören können, dass ihr zusammen seid, so wie sie dich angeschaut hat. Nur dein Verhalten hat mich verwirrt.» «Was, nein sicher nicht!» Ich schaue sie empört an, aber mein Herz macht Freudensprünge. «Wie dem auch sei, ich wünsche dir eine gute, schöne Nacht.» Etwas in ihrer Stimme und der Art wie sie dabei grinst lässt mich erahnen, dass sie es mehr als nur ein bisschen zweideutig meint, und ich schüttle lächelnd den Kopf. «Vergiss es.» Dann wende ich mich ab und laufe zur Treppe. Kurz bevor ich an der Treppe angelangt bin, ruft sie: «Ach und Milo?» «Ja?» antworte ich und drehe mich um. «Nenn mich doch einfach nur „Shadow".» Dann schliesst sie die Tür. Langsam gehe ich die Treppe hinunter und bin mir sicher, dass das Lächeln in meinem Gesicht so schnell niemand mehr wegkriegt.
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Überarbeitet
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