Kapitel 4: Der Alpharat
-🐺-
Die Sonne hatte sich schon ein ganzes Stück erhoben, sodass die ersten Sonnenstrahlen bereits über die Mauer auf die Stadt der Lykaner fielen und die Dächer schimmern ließen.
Zurück in sein Schlafzimmer tretend, nachdem er sich den Schlamm von der Haut gewaschen hatte, trug Markus nichts weiter als ein Handtuch, welches fest um die Hüften geschlungen war.
Durch ein großes Fenster fielen das Licht des Tages und einen Blick riskierend, wusste er, dass er sich mehr Zeit gelassen hatte, als er eigentlich sollte. Die Stunde, die ihm seit seiner Rückkehr geblieben war, war Zweifellos schon vorüber.
Die Nase kraus ziehend, zeichneten sich tiefe Furchen in dem eh schon strengen und freudlos wirkenden Antlitz ab.
Verfluchter Alpharat... Was wollten sie dieses Mal?
Der Rat bestand aus Zwanzig Alphas – wovon 10 Erstgeborene Lykaner waren und 10 Werwolf Alphas waren.
Er selbst und sein Bruder-Beta Johann gehörten selbst dem Rat an. Besaßen beide eine Stimme. Sollte es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten kommen, wog seine eigene, als König aller Alphas schwerer, als die der Ratsmitglieder. Nicht jeder empfand dies als Gerecht.
Sogar die Ratsalphas, waren mit dieser Regelung nicht zufrieden.
Dabei sollten sie froh sein, dass er ihnen überhaupt die Gelegenheit einräumte über größere Entscheidungen abzustimmen. Die Göttin hatte ihn zum Alpha aller Alphas gemacht. Und keinen Anderen. Er war der Älteste unter ihnen, erfahrenste und Mächtigste. Seiner Meinung nach sollten sie lieber Schweigen...
Sei nicht zu streng zu ihnen, Kleiner... versuchte Lyrax ihn zu beschwichtigen, obwohl er seinen Groll teilte. Allerdings war der Lykaner in ihm auch eher der, der an seine Vernunft und sein Mitgefühl appellierte. Eine bizarre Ausnahme, sogar unter Seinesgleichen.
Sonst bremsten die Menschen eher ihre Lykaner aus und waren die Stimme der Realität.
Bei ihnen war es anders herum, wie er von seinem Bruder Johann wusste, der Deus, den braunen Betalykaner schon mehr als einmal hatte wegsperren müssen. Der Grund dafür, waren wohl die Geschehnisse der Vergangenheit, die Markus selbst nach all der Zeit nie hatte vergessen oder begraben können.
Schnaubend, wandte sich Markus ab, ging um das inzwischen von einem Omega gerichtete Bett herum, welches neben der Tür die in sein Badezimmer führte, in der Ecke stand, wo niemals die Sonne sie berühren konnte.
Links neben einer breiteren Tür, die in den schmalen Gang führte, der sich zentral durch die Hallen seiner Residenz zog, stand ein aus dunklem Eichenholz bestehender, gewaltiger Schrank. Diesen öffnend, fiel sein Blick auf seine Kleidung, welche fast ausschließlich dunklen Farbtönen gehalten war. Schwarzes, dunkel braunes Leder, Schwarze Hemden aus Lein, einige wenige aus Samt oder weicher Seide.
Ein Wink seines Charakters, oder das Abbild der Fellfarbe von Lyrax? Eine Frage die er nicht beantworten konnte.
Ohne sich groß darum zu scheren welche Kleider er trug, streifte er das Handtuch von der Haut und ersetze es durch die robusten Klamotten.
Ein lockeres, aber dunkles Beinkleid, über welches er einen schwarzen Wams zog, dessen Nähte und Kordeln wie brennende Kohle schimmerten.
Ein dicker und schwerer, schwarzer Mantel, ähnlich jenem, welcher Johann mitgebracht hatte, zog er darüber. Lediglich die Stickereien, die an ineinander verschlungene Wurzeln erinnerten und über seine Schultern flossen, aus goldenen Fäden, unterschieden ihn von dem Anderen, eher abgetragenen Mantel. Er war aus gegerbten Leder, welches noch wie neu roch. Zweifellos, war ein Anderer vor nicht allzu langer Zeit dafür aus dem Schrank verschwunden, ohne dass er es gemerkt hatte. Seine Omegas arbeiten meistens, ohne dass er sie oder ihr werken bemerkte. Kamen um sich um seine Räumlichkeiten zu kümmern, wenn er seinen Pflichten nachging. Ließen eine Platte mit Essen zurück, an der er sich bedienen konnte, wie ihm der Sinn danach stand.
Zweifellos gab es Alphas, die sich von ihren Omegas sogar anziehen ließen und ihre arbeit streng kontrollierten oder überwachen ließen. Markus war nicht so. Er konnte sich selbst kleiden und bestand sogar darauf. Außerdem vertraute er den Omegas, sie wussten was sie taten. Hatte er doch bislang auch nie einen Grund gehabt sich zu beschweren.
-🐺-
„Da bist du ja endlich!" schallte ihm die tiefe Baritonstimme entgegen, als er dem Gang folgend die große Halle ansteuerte, in welcher die Sitzungen des Rates, Empfänge und auch die wenigen Feiern, die er genehmigte abgehalten wurden.
Johann sah ihm mit strengem Ausdruck entgegen. Ein bernsteinfarbenes Funkeln in dessen Augen verriet die Anwesenheit seines Lykaners Deus.
„Es sind schon längst alle Ratsmitglieder versammelt und ungeduldig. Du bist spät.", grollte es weiter, doch Markus schenkte ihm herzlich wenig Aufmerksamkeit. Stattdessen, wandte er sich einer gewaltigen Pfote zu, welche zwischen schwach beleuchteten Mauern sich erhob.
Stieß die darin verankerte Tor Mühelos auf, obwohl sie aus Balken gefertigt waren, die zweihandbreit waren und mit schweren Eisenbeschlägen fest in der Verankerung gehalten wurden.
Dahinter kam ein düsterer Raum zum Vorschein, welcher von brennenden Fackeln erleuchtet wurde, da die schweren Vorhänge vor einer Vielzahl von großen Fenstern zugezogen waren. Unterstützt wurden die Fackeln nur von einigen Kerzenständern, welche in gleichmäßigen Abstand auf einer langen Tafel standen. Ein Tisch, an dem viele Stühle sich aufreihten und jeder davon beherbergte eine menschliche Gestalt. Lediglich zwei von ihnen, am Kopf der Tafel, waren verwaist.
Ein größerer Sitz, eher an einen Thron erinnernd, mit geschwungenen Armlehnen, welcher sein Sitz war und an dessen rechter Seite, ein unwesentlich kleinerer, welcher Johanns Platz war.
Noch während er an der Flanke der Lykaner des Tisches, zwischen den 10 Stühlen der einen Seite und den Fenstern hindurch schritt, erhob sich eine zischende Stimme von der Seite der Wölfe: „Wurde auch endlich Zeit, dass der König uns mit seiner Anwesenheit beehrt."
Lyrax in seinem inneren Grollte, angesichts der Unverfrorenheit.
Teilte Markus sein Gedankengang, den Wolf unter seinem Blick schrumpfen zu lassen, stumm mittels seiner Gefühle mit. Doch die Lykaner des Rates kamen ihm mit einem leisen Knurren zuvor, weshalb er ohne seinen Blick abzuwenden seinen Pfad fortsetzte.
Es war wenig verwunderlich, dass die 10 Lykaner seine Verspätung gelassener aufnahmen und sie ihn unterstützten. Alle 10 gehörten zur Gattung der Erstgeborenen. Waren ihm näher als die Wölfe und ihre Bindung zu ihm stärker.
Nicht nur, weil sie Bewohner des kleines Dorfes gewesen waren, welches den Namen Tübingen getragen hatte und nunmehr die Stadt in ihrem Herzen, Hwen, waren.
Auch spielte die Zeit für sie kaum eine Rolle. Obwohl sie langsam alterten, war die Spanne ihres Lebens durchaus gewaltig – konnten sie nach seinem Schätzen doch über tausend Jahre betragen, da die Alterung selbst jetzt nach 300 Jahren kaum merklich voran geschritten war.
Was kümmerten sie also einige Minuten oder Stunden?
„Schweig, Bursche..." donnerte auch deshalb schließlich die Stimme eines Lykaner-Alphas durch die Halle. „besinne dich auf deinen Platz, du redest immer noch mit dem König. Nicht mit einem deines Standes."
Seinen Platz erreichend und den Kopf wendend, erkannte Markus, dass es Alpha Rowan gewesen war, der seine Stimme erhoben hatte. Seine mattroten Augen schillerten unheilvoll dem Werwolf entgegen. Drohend und deutlich verstimmt.
Rowan war einst der Schmied des Dorfes gewesen.
Er hatte sich über viele Jahre nicht nur als loyaler und fähiger Krieger, der sich mit seinem Lykaner im Einklang befand, sondern auch als fähiger Anführer erwiesen. Genau deshalb hatte es weder Lyrax noch Markus verwundert, als dieser sich zum Alpha entwickelte und sein eigenes Rudel vor nunmehr fast 180 Jahren, mit 2 seiner Söhne und seiner Gefährtin gegründet hatte.
Sie hatten diese Entwicklung bereits viele Jahre vorher erahnt.
Ein Grund dafür, weshalb sie ihn, obwohl sie ihm eine Warnung – der Warnung die Gesetze zu wahren und zu ehren, damit er nicht gezwungen war, ihr Leben zu beenden - auf seinen Weg gaben, ohne Vorbehalte ziehen ließen.
Bis heute, hatte er diese Entscheidung nie bereut.
Ihm entgegen, stand der jüngste Alpha im Rat.
Linx, einem Werwolf der nun mehr 4. Genration, welcher am wenigsten Erfahrung und Anstand besaß.
Schon seitdem Linx in den Rat gewählt worden war, reizte er sowohl Markus, als auch Lyrax Geduld aus. Auch jetzt, erfahrenen Alphas gegenüber, fand der Welpe nicht den gebührenden Anstand. War stets aufmüpfig und vorlaut.
Sowohl vor ihm, als auch den anderen Alphas.
„Ich dachte, wir sind in diesem Rat alle gleich, Alpha Rowan..." erhob sich deshalb die Stimme und zielte auf den Lykaner ab, der ihm dem Mund verboten hatte.
„Wieso sollte ich also schweigen, wenn doch viele sicherlich meine Meinung teilen? Immerhin, sollte seine Majestät..." – ein zischender Unterton lag in der Stimme. „Lieber mit gutem Beispiel voran gehen, als ständig zu spät zu den Versammlungen zu erscheinen."
Markus kam nicht umher, das Gesicht angewidert zu verziehen.
Schaffte es gerade noch so das ungehaltene grollen herunterzuwürgen.
Die Stimme des jungen Alphas war mehr als unangenehm in seinen Ohren. Hoch, fast Schrill. Erinnerte ihn an den spitzen Schrei eines Weibes, anstatt der eines Alphas.
„Du Wurm wagst es...!" erhob sich nun mehr die Stimme seines Bruders und Betas, der inzwischen an seinen angestammten Platz getreten war.
Schnitt durch eine Mischung aus wütendem Knurren und betretenen Murmeln, wie ein Messer durch weiche Butter.
Lykaneraugen blitzen in der dämmrigen Finsternis der Halle, während das Knirschen von Leder und Holz, die betretene Scham der anwesenden Werwölfe offenlegte.
Und wie immer, sind sie kurz davor sich gegenseitig anzuspringen... hörte er Lyrax, genervt obwohl er sich, wie so oft an dieser Tatsache doch amüsierte, in seinen Gedanken.
Ein Grund mehr, wieso ich diese Versammlungen verabscheue... gab Markus zurück. Ließ sich auf den breiten Sitz seines Throns sinken und stütze den rechten Arm auf die Lehne, ehe er seinen Kopf gegen die aufgestellte Faust sinken ließ. Sei doch so gut.... Erinnere mich, wieso haben wir diesen Rat noch einmal ins Leben gerufen?
An Tagen wie diesem,... hob Lyrax nach kurzem Schweigen an, Erinnere ich mich selbst nichtmehr daran.
Während er mit Lyrax redete, schwoll das Knurren an.
Hände, bis jetzt vor dem Körper verschränkt, lösten sich. Packten, das Holz des Tisches, bis Fingerknöchel unsichtbar für sie alle, bereits weiß vor Anspannung weiß hervortraten. Leiber neigten sich nach vorn, bereit die Grenze, welche die Tafel zog, zu überspringen.
Sein eigener Beta, als einziger mit einer anderen Augenfarbe außer Rot, stand angespannt wie eine Bogensehne vor dem Schuss, zu seiner Rechten.
Kämpfte offenkundig, trotz seines eher ruhigeren Gemüts, mit seinem Lykaner, sodass sein gesamter Körper zitterte. Spiegel aus Bernstein hatten den Wolfs-alpha fest im Blick, durchbohrten ihn.
Von Johann durfte man sich keines falls täuschen lassen.
Obwohl er in ihrer Rangfolge ein Beta war, war er der Beta des Alphakönigs.
War genauso stark wie die lykanischen Alphas, wenn nicht sogar stärker. Und Deus, stand kurz davor die Schranken zu sprengen, die Johanns Geist ihm auferlegte. Gereizt von der Unverfrorenheit des Wolfs-Alphas. Wie auch der die Ansammlung der alten Lykaner, die ihm einst unterstellt waren.
Besonders Rowan, der sich in seinem Sitz nach vorn lehnte.
Markus wusste, dass er eingreifen musste, bevor die Hölle ausbrach.
„Genug!", donnerte deshalb seine Stimme durch den Saal und brachte die Wände zum Beben.
Allein der Hauch seiner eigenen Aura, die mit seiner Stimme durch den Saal drang, reichte aus um alle dazu bringen zu verharren. Erstarrt zu Eissäulen, kehrte einen Moment friedliche Stille ein.
Die Lykaner, wandten ihn den Blick zu, senkten schnell die Köpfe. So auch Rowan, dessen Schimmern in den Augen merklich zurückging, aber nicht vollkommen wich.
Die Wölfe zuckten unter seiner Stimme und Aura zusammen. Zogen die Köpfe ein. Sogar Linx wurde merklich kleiner.
Auch Johann zu seiner Rechten fror kurz ein, ehe für Markus deutlich hörbar, er scharf die Luft einzog.
Schade.... Dieses Mal war ich fast verlockt sie machen zu lassen und zu sehen, was daraus folgt. Gestand Lyrax im Moment der Stille.
„Setz dich..." brummte Markus, ohne auf Lyrax Worte einzugehen, seinem Bruder entgegen.
Sie wussten alle, wie diese Situation geendet hätte. Der eine deutlicher als der Andere.
Linx wäre als undefinierbarer Haufen an Knochen, Fleisch und Eingeweide in diesen Hallen zurückgeblieben, nachdem er nicht nur Rowans Wut, sondern auch die des Betas des Golden –Crest-Rudel auf sich gezogen hatte.
Einer von ihnen würde ausreichen, um ihn von dem Antlitz der Welt zu tilgen. Es sich dann gleich mit zweien zu verschätzen, war für einen Wolf seines Standes zu viel des Möglichen.
Neben ihm, ließ sich Johann schließlich schnaubend auf seinen Sitz fallen. Aus den Augenwinkeln, bemerkte Markus den tödlichen Blick, welcher sein Bruder dem jungen Alpha schenkte. Unterdrückt aber den Instinkt, seine Augen zu verdrehen.
„Rowan, ...", hob er stattdessen an. „ ...besinnt euch. Ihr tätet gut daran, euren eigenen Worten zu folgen."
Der angesprochene Lykaner zuckte unter seinen Worten ein wenig zusammen.
„Alpha Linx hat nicht ganz Unrecht." Die Botschaft dahinter war unverkennbar: Wisst es besser und lasst euch nicht von einem Welpen, der 4. Generation locken, der noch grün hinter den Ohren ist.
„Und ihr Alpha Linx,..." wandte er sich dem Werwolf zu, dem ein Anflug von zufriedenen, selbstgefälligem Lächeln anzusehen war.
„ Obgleich ihr im Recht oder Unrecht seid, solltet euch ein Beispiel an den Älteren im Rat nehmen. Geduld ist eine Tugend... Und seine Worte mit Bedacht zu wählen, anstatt frei von der Seele zu sprechen, ist wahre Größe." Tadelte Markus, und beobachtete zufrieden, wie das Lächeln des Alphas sank und sich die Lippen zu einem harten Strich verformten.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro