[18 - Selbstreflektion]
Die restlichen 15 von ihnen folgen Toji dann hinein.
An den Bewegungen einiger merkt Izuna, dass sie ebenfalls verletzt, aber vermutlich zu stur sind, es zuzugeben. In dieser Gruppe will keiner derjenige sein, der Schwäche zeigt.
Sie folgen Toji allesamt in einen Raum mit einigen Tischen, auf denen bereits Papier und Stifte liegen. Gerade sind sie aus dem Wald gekommen, und jetzt geht es wieder ans Schreiben?
"Ich bitte euch alle, euch hinzusetzen. Wo ist egal, Hauptsache, jeder hat gleich ein Blatt Papier vor sich liegen."
Sie folgen der Anweisung wortlos. Da nicht alle da sind, schafft Izuna es, sich alleine ans Ende eines Tisches zu setzen. Er hatte zumindest gehofft, dass sich niemand zu ihm setzt. Aber aus irgendeinem Grund gesellt sich Tobirama zu ihm. Wieso ausgerechnet der?
Toji wartet geduldig darauf, dass jeder sitzt. "Wie ihr seht, sind die Blätter leer. Und das aus einem guten Grund. Ihr sollt euch nun selbst reflektieren. Findet etwas, das ihr in dieser Woche gut gemacht habt, und etwas, das euch nicht gelungen ist. Habt ihr Fehler gemacht? Hättet ihr im Nachhinein irgendwo eine andere Entscheidung getroffen? Habt ihr euer gesamtes Potenzial ausgeschöpft, um den Leuten um euch herum zu helfen? Fandet ihr eure eigene Leistung zu dürftig oder vielleicht sogar sehr gut? Habt ihr irgendetwas getan, worauf ihr stolz seid? Wart ihr jemandem eine Hilfe?"
Die Reaktion der Kinder ist ziemlich eindeutig fragwürdig.
"Wofür soll das gut sein?", fragt Akio sichtlich genervt. Dass diese Reaktion kommen würde, war Toji allerdings bereits klar.
"Man kann Probleme nur angehen, wenn man sich ihnen selbst bewusst ist. Wenn ihr eure eigenen Stärken und Schwächen nicht kennt, könnt ihr nicht an euren Schwächen arbeiten und eure Stärken nicht ausbauen. Ich möchte euch bitten, dass ihr, auch wenn ihr der Idee abgeneigt seid, versucht, ehrlich mit euch selbst zu sein. Wenn ich es für nötig halte, werde ich eure Zettel auch einsammeln. Wer gar nichts schreibt, bleibt so lange, bis er es tut, und wer nur Positives oder nur Negatives schreibt, bleibt für ein Gespräch mit mir. Diese Aufgabe dient einzig und alleine dazu, dass ihr euch verbessern könnt, also seht es nicht als Bestrafung, sondern als Chance. Wenn ihr viel zu schreiben habt, schreibt viel. Wenn nicht, dann ist das auch okay."
Toji nickt abschließend. "Gut, dann würde ich euch bitten, möglichst Stille zu wahren und euch wirklich nur auf euch zu konzentrieren."
Die Stimmung ist merklich angespannt, aber als die ersten sich tatsächlich auf die Aufgabe zu konzentrieren scheinen, tut auch Izuna das.
Was hat er in dieser einen Woche positiv oder negativ gemacht? Ihm kommen irgendwie nur negative Aspekte in den Kopf. Dabei hat er normalerweise ein recht gutes Bild von sich selbst.
Also, was soll er hinschreiben? Izuna denkt ernsthaft über sein Verhalten in der letzten Woche nach. Er hat nicht vernünftig mit den anderen kommuniziert. Er hat sich nach Möglichkeit aus allem herausgehalten. Er stand unnötig daneben. Er hat sich sofort mit Natsu gestritten, als dieser aufgewacht ist, und die Chance genutzt, dass der andere verletzt ist, um Informationen von ihm zu bekommen. Er hat sich mehr um andere Dinge gesorgt als um die Geschehnisse direkt vor ihm. Er hat sich, auch wenn Tobirama recht hatte, immer über ihn aufgeregt.
Izuna seufzt leise, die Stille um ihn herum drückt schwer auf seine Schultern. Er blickt auf das leere Blatt Papier vor sich und beginnt langsam, seine Gedanken zu sortieren. Es fällt ihm schwer, die positiven Aspekte zu finden, aber er zwingt sich, auch danach zu suchen. Auf ein therapeutisches Gespräch darüber, warum er alles negativ sieht, hat er nämlich wirklich keine Lust.
Mit einem tiefen Atemzug greift er zum Stift und fängt an zu schreiben.
Positive Aspekte:
- Auch wenn ich mich innerlich viel über Tobirama aufgeregt habe, habe ich es geschafft, keinen Konflikt auszulösen.
Izuna denkt nach. War da noch irgendwas Positives? Hat er überhaupt etwas in dieser Woche geleistet?
- Ich war kompromissbereit und habe mich auf die Vorschläge anderer eingelassen.
Izuna hält inne und betrachtet die beiden Punkte. Er könnte sich noch etwas aus den Fingern saugen, aber das ist nicht die Aufgabe. Obwohl die beiden bisherigen Punkte ihm unbedeutend erscheinen, müssen diese reichen. Nun das Negative... da weiß er gar nicht, wo er anfangen soll.
Negative Aspekte:
- Oft habe ich mich aus Gesprächen herausgehalten und meine eigene Meinung nicht geteilt, weil ich nicht wusste, wie ich sie kommunizieren soll, ohne einen Streit auszulösen.
Er hasst es, sich das eingestehen zu müssen. Und wenn er sieht, dass er das wirklich gerade geschrieben hat, will er das Papier am liebsten gleich zerknüllen.
- Es gab Momente, in denen ich einfach nur daneben stand und nichts tat oder sagte, weil ich mich nicht so fühlte, als würde man mich dabei haben wollen.
- Als Natsu verletzt war, habe ich seine Schwäche ausgenutzt, um die Wahrheit über etwas zu erfahren, das mich interessierte. Seine Kameraden sollte man nicht so aushorchen, aber ich hatte das Gefühl, er würde mir nicht von selbst alles erzählen.
- Ich habe die falschen Prioritäten gesetzt und mich auf Dinge konzentriert, die in der Situation nicht hätten Priorität sein sollen.
- Ich habe mich andauernd von Tobirama provozieren lassen. Selbst wenn er nichts getan hat, hatte ich immerzu das Bedürfnis, zu widersprechen.
Izuna legt den Stift zur Seite und schaut auf seine Liste. Er fühlt sich einerseits erleichtert, andererseits auch beschämt. Doch genau das ist der Zweck dieser Übung, denkt er sich: sich seiner eigenen Fehler bewusst zu werden, um daran zu arbeiten. Er ist sich nur nicht sicher, ob das Fehler sind, an denen er wirklich arbeiten will.
Er blickt sich im Raum um und sieht, dass die anderen noch mit ihrer Aufgabe beschäftigt sind. Wann war es das letzte Mal so leise um ihn herum? Manche wirken konzentriert, andere frustriert.
Izuna wendet den Blick langsam zu Tobirama, der ihm gegenüber sitzt. Er erkennt, dass dieser noch kein einziges Wort geschrieben hat. Er hätte nicht erwartet, dass ausgerechnet Tobirama mit so einer Aufgabe ein Problem hat. Tobirama bemerkt den Blick auf sich und schaut zu Izuna auf, der ertappt wegschaut.
Toji geht derweil durch den Raum und wirft gelegentlich einen Blick über die Schultern seiner Schützlinge. Er scheint zufrieden damit, dass alle irgendetwas zu finden scheinen, das sie aufschreiben können.
Izuna nimmt seinen Stift wieder in die Hand und denkt noch einmal nach, ob er vielleicht irgendetwas vergessen hat. Ihm fallen nur noch ein paar Banalitäten ein, die sich aber immer unter einem der bisherigen Punkte einordnen lassen.
Er wartet also im Endeffekt nur noch darauf, dass die anderen auch fertig werden.
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