#5 Hochzeitspläne
„Dad!", sagte ich mit einem Strahlen, als mein Vater geschafft von der Arbeit ins Esszimmer spazierte, und sprang auf, um ihn zur Begrüßung zu umarmen.
Es war nicht so, dass er sich überarbeitete, aber es kam dennoch öfter vor, dass er erst spätabends von der Arbeit kam und wenn er noch mit Freunden ein Feierabendbier (oder einen Schnaps danach wie ich es gerne nannte) trinken ging, dann öffnete sich unserer Haustür erst wieder in den frühen Morgenstunden.
Und morgens stand er erst auf, wenn wir schon längst in der Schule saßen und krampfhaft versuchten, nicht einzuschlafen, weshalb ich mich umso mehr freute, mal wieder Zeit mit ihm zu verbringen.
Oh ja, ich war so was von Daddy's Prinzessin und ja, ich kostete das voll aus.
„Hey, Spätzchen", sagte er und lächelte leicht, während er sich an das Tischende gegenüber von meiner Mutter, die er mit einem Kuss auf den Scheitel begrüßte, setzte und sich etwas von den Spinat Cannelloni nahm.
„Na ja, wo waren wir stehen geblieben?", fragte meine Mutter und sah Marly fragend an.
Die beiden waren die Plappermäuler schlecht hin und teilten, zu meinem Verdruss, das selbe Hobby: Lexie Dinge erzählen, die Lexie eigentlich gar nicht hören oder wissen wollte.
Da ich die letzten fünf Minuten total in Gedanken versunken war, hatte ich nicht mitbekommen, worüber die beiden sich unterhalten hatten, aber glücklicherweise erinnerte Marly sich noch.
„Bei deiner Hochzeit."
Oh, nicht diese Geschichte schon wieder. Die könnte ich sogar im Schlaf auswendig wiedergeben und mittlerweile tat es nur noch in den Ohren weh zu hören, wie meine Eltern erst ein Tag vor der Hochzeit den langsamen Walzer gelernt hatten und ihn beim Paartanz dennoch völlig verhauen hatten.
Seufzend lenkte ich den Blick wieder auf meinen Teller, auf dem noch die halbe Portion auf mich wartete und versuchte wieder in Gedanken zu versinken, als meine Mutter diesen berühmt berüchtigten Satz sagte: „Es begann damit, dass ich meinen Frisörtermin verschlief."
Naja, gut. Zugegeben, dieser Satz war sowohl grotesk als auch völlig absurd, aber meine Mutter fühlte sich dazu verpflichtet, ihre Hochzeitsgeschichte jedes Mal so zu beginnen.
Mein Vater hatte dafür immer ein Lächeln übrig und manchmal fragte ich mich echt, aus was seine Nerven bestanden. Stahl? Granit? Diamant? Irgendetwas in die Richtung würde es schon sein, denn ich, an seiner Stelle, hätte ihr schon längst den Mund zugeklebt.
„Wie hältst du das eigentlich so oft aus?", fragte ich ihn und lächelte wehmütig.
„Mittlerweile habe ich mir antrainiert, zu wissen, wann ich sie ausblenden sollte und wann lieber nicht."
Er grinste leicht in die Richtung seiner Ehefrau, die meiner besten Freundin, die ganz Feuer und Flamme war, ihre Flitterwochen beschrieb und wandte sich dann wieder mir zu.
„Die Frage ist doch eher; wie hält Henry es den ganzen Tag mit dir aus?", neckte er mich, was leider auch Henry mitbekam.
Ja geil, jetzt hatte er seine Scheiße.
Obwohl Henry während des Essens seltsam ruhig gewesen war und die ganze Zeit nachdenklich auf seine Gabel gestarrt hatte, legte sich sofort ein Grinsen auf seine Züge, als hätte er die ganze Zeit zugehört.
Auch die anderen verstummten und sahen mit wachsendem Amüsement dabei zu, wie mein Vater sich zu meinem Erzfeind geschlossen hatte und mich nun blamieren würde.
„Sie ist zwar etwas widerspenstig in ihrer Art, aber man gewöhnt sich daran", erklärte er meinem Vater mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Ich gebe dir gleich widerspenstig", schnaubte ich, „außerdem sind wir ja nicht verheiratet!"
Ich hasste das, aber ich spürte, wie meine Wangen zu glühen anfingen.
Ich mochte es überhaupt nicht, über diesen ganzen Liebeskram zu reden. Was das betraf, verhielt ich mich eher wie ein Kerl – kein Wunder, wenn man bedachte, dass ich früher, bevor ich Marly kennengelernt hatte, nur etwas mit meinem Bruder und seinen Kumpels unternommen hatte.
Ich hatte Mädchen einfach nur zickig gefunden und nie verstanden, wieso sie sich so zierten, ihre rosa Kleidchen schmutzig zu machen. Manchmal erinnerte ich mich selbst in dieser Hinsicht an diese Sam aus der Sitcom iCarly.
„Oh, noch nicht!", zwinkerte Henry, was alle anderen am Tisch zum Schmunzeln brachte.
Wie war das nochmal? Auf Freunde und Familie ist immer Verlass? Pff, von wegen!
Ich zog die Augenbrauen zusammen und wollte ihm gerade alle möglichen Schimpfwörter an den Kopf werfen, als meine Mutter mir zuvorkam.
„Für Lexie habe ich auch schon einen ganz bestimmten Hochzeitswunsch", wandte sie sich an Marly, die daraufhin kicherte und mir entschuldigende Blicke zuwarf. Grummelnd schob ich mir ein Stück der Cannelloni in den Mund.
Spar sie dir, dachte ich und sah meine Mutter an.
„Schön zu wissen, dass du jetzt schon eine Hochzeit planst, die gar nicht stattfinden wird."
Ich vergaß, dass ich noch gar nicht geschluckt hatte und es fiel mir erst wieder auf, als beinahe das Essen aus meinem Mund fiel.
„Oh, ups", murmelte ich und schluckte das vorgekaute Essen herunter.
Mit vor Ekel verzogenem Gesicht kam meine Mutter auf das Gespräch zurück.
„Was meinst du damit?"
„Naja", überlegte ich laut und nahm einen Schluck von meiner Cola, „ich will gar nicht heiraten, denke ich."
Meine Mutter sah mich mit großen Augen an, während mein Vater sein Schmunzeln beibehielt.
„Ja, das sagst du jetzt. Aber spätestens in fünf Jahren sieht das schon ganz anders aus."
Selbstsicher nickte sie und sah zu ihrem Teller.
„Kind, du brauchst dringend einen Freund."
Daraufhin prusteten Henry, Noah und Marly los und sahen mich lachend an, während ich sie mit offenem Mund der Reihe nach musterte.
Oh Mann, peinliche Mütter waren doch echt das Größte.
„Mom, ich komme bestens alleine zurecht, danke", zischte ich und sah meinen Vater hilfesuchend an.
Doch bevor dieser etwas sagen konnte, plapperte meine Mutter bereits weiter.
„Einen, der dich verrückt macht, aber andererseits verrückt nach dir ist", träumte sie laut und während ich mir stöhnend die Hand auf die Stirn schlug, versuchten alle anderen sich ein Lachen zu verkneifen.
„Du weißt ja, wo du mich findest", grinste Henry breit.
„Nein danke, da trinke ich lieber aus einer Kloschüssel", giftete ich.
„Das sagst du doch nur so."
„Kannst du einmal etwas nicht persönlich nehmen?", jammerte ich, woraufhin sich sein dämliches Grinsen vertiefte.
„Also ehrlich gesagt, finde ich, dass Henry perfekt für dich geeignet wäre."
Oh mein Gott. Das hatte meine Mutter nicht wirklich gesagt, oder? Oder?!
Doch, so amüsiert wie mich alle ansehen, war das kein Albtraum, sondern bittere Realität.
Na, geile Scheiße.
„Siehst du, Lexie", sagte er und verschränkte mit einem besserwisserischen Gesichtsausdruck seine Arme vor der Brust.
Aufgebracht sah ich meine Mutter mit großen Augen an: „Mom!"
„Äh... ja, wie auch immer. Wie war dein Tag, Liebling?", lenkte mein Vater das Gespräch auf ein anderes Thema, wofür ich ihm für mein restliches Leben unsagbar dankbar sein würde.
Das schelmische Grinsen jedoch, verschwand den restlichen Abend nicht aus Henrys Gesicht.
***
Einige Tage später stand ich mit einem ratlosen Blick vor dem Spiegel meines Schminktisches und betrachtete mit einem kritischen Blick meine Haare.
Mann, manchmal beneidete ich Leute mit von Natur aus glatten Haaren. Die sollten mal bitte versuchen diese Locken in eine zivilisiert aussehende Frisur zu verwandeln!
„Ach, scheiß drauf. Wem will ich eigentlich etwas beweisen?", murmelte ich stöhnend und band sie mir zu einem einigermaßen annehmbaren Pferdeschwanz zusammen.
Seufzend strich ich mir mein geblümtes, locker sitzendes Strandkleid zurecht und runzelte die Stirn.
Meine Sammlung an Kleidern war nahezu erschreckend, wenn man bedachte, dass ungefähr die Hälfte meiner Klamotten aus welchen bestand.
Ich wusste nicht weshalb, aber im Sommer trug ich lieber Kleider, statt kurzen Hosen und das, obwohl ich früher nur einen skeptischen Blick für Mädchen übrig hatte, die mit ihren Kleidchen über den Schulhof gerannt waren und sich dann darüber beschwert hatten, wie unkomfortabel es doch wäre, so zu rennen.
„Lexie, ich soll dich fragen ob–", stürmte Noah in das Zimmer.
„Hey, kannst du nicht anklopfen?", wies ich meinen Bruder mit einem bösen Blick zurecht, der sich daraufhin mit einem entschuldigenden Lächeln durch die Haare fuhr.
„Sorry. Ich wollte dich nur fragen, ob du mit uns an den Strand willst."
Sein Blick wanderte durch mein persönliches Chaos, das im Zimmer herrschte und blieb schließlich wieder an mir hängen.
„Wen meins du mit uns?", hakte ich nach und verschränkte die Arme vor der Brust, obwohl ich schon ganz genau wusste, wer uns war.
„Na, mit Henry und mir. Er freut sich übrigens schon auf deine Anwesenheit."
Noah zwinkerte mir frech zu und lachte, als ich ihn daraufhin mit einem getragenen Oberteil, das über der Stuhllehne hing, bewarf.
„Sehr lustig!"
„Ich weiß. Ich sollte Comedian werden, was meinst du?"
„Raus aus meinem Zimmer!", sagte ich bloß und schnaubte.
„Whoa, okay, okay! Aber Henry freut sich ehrlich auf dich."
„Ja, und ich bin Wonderwoman", spottete ich.
„Du glaubst mir nicht, hm?"
„Keine einzige Silbe."
„Also schön, dann nicht", seufzte er und lehnte sich gegen den Türrahmen, ohne den Türknauf loszulassen.
„Kommst du jetzt mit oder nicht? Wir würden in einer Stunde losgehen."
Ich sah auf die Uhr. Es war bereits halb vier und wenn ich es mir recht überlegte, klang Strand wesentlich besser als den ganzen Tag im Bett zu liegen und Filme zu schauen, so wie ich es den restlichen Tag getan hatte.
Und angezogen hatte ich mich auch nur, weil ich gerade losgehen und mir neue Süßigkeiten besorgen wollte.
Ja, Strand klang toll – bis auf die Tatsache, dass Henry mitkommen würde.
Wegen diesem Blödmann war mein Knöchel doch tatsächlich blau angelaufen, nachdem ich so doof gewesen war und meinen Fuß gegen dieses verkackte Stuhlbein geschlagen hatte.
Nicht meine Schuld, sondern Henrys!
Immerhin hatte er es ja wieder provoziert.
Ich seufzte. „Darf ich Marly mitnehmen?"
„Nimm mit, wen du willst", antwortete mein Bruder grinsend und schloss die Tür, nachdem er „Wir sehen uns in einer Stunde, Schwesterherz!" gerufen hatte.
Ich starrte verdattert auf die Tür, bis ich mich kopfschüttelnd umdrehte und auf meinen Schrank zulief, während ich Marlys Nummer wählte und auf Lautsprecher stellte.
Gerade als ich dachte, es würde niemand drangehen, meldete sich doch noch ihre Stimme.
„Bitte hab einen Grund für mich, endlich nach Hause gehen zu können!", meldete sie sich mit verzweifelter Stimme.
„Wieso?", fragte ich schmunzelnd und betrachtete den schwarzen Bikini, der seit letztem Jahr kein Tageslicht mehr erblickt hatte.
Hoffentlich passte der noch. . .
„Meine Mom hat mich zu meiner Großtante geschleppt und ich muss mir schon den ganzen Tag Vorwürfe anhören, wieso ich keinen Freund habe."
„Bitte was?", lachte ich.
„Lach du nur. Du hast doch keine Ahnung, wie das ist", sagte sie trocken.
„Ugh, doch weiß ich. Ich habe meine Mom, schon vergessen?"
„Ach ja... stimmt. Wieso rufst du jetzt an? Ich muss nämlich bald wieder im Wohnzimmer erscheinen, sonst schreit Tante Harper noch das ganze Haus zusammen."
Ich schmunzelte. Ich hatte einmal vor einigen Jahren das Vergnügen gehabt, Harper Thompson kennenzulernen.
Mir fielen nur zwei Adjektive ein, die sie am besten beschrieben, denn anders hatte ich sie nicht wahrgenommen: verrückt und liebenswert.
Einerseits war sie egozentrisch und laut, aber andererseits konnte man sie nur ins Herz schließen, da sie sich, trotz ihrer oft kritisierenden Art, um andere sorgte.
„Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mit mir, meinem Bruder und dem Idioten an den Strand möchtest, aber da du anderweitig beschäftigt bist–", sagte ich, wurde jedoch sofort von Marly unterbrochen.
„Bist du wahnsinnig, Mädchen? Ich bin sofort da. . . das heißt, nachdem ich meine Mutter gefragt habe."
„Ja okay, aber–"
„MOOOOM!", schrie Marly plötzlich mit all dem Volumen, das ihre Lunge hergab und ich musste mir an die Ohren fassen, obwohl das Telefon zwei Meter neben mir lag.
Ich würde nie wieder auf Lautsprecher stellen.
Mann, Trillerpfeifen waren nichts im Gegensatz zu meiner soziopathischen besten Freundin.
„Scheiße, Marly! Ich bin fast taub geworden!", beschwerte ich mich und erhielt keine Antwort.
Na klar, natürlich hatte sie ihr Handy vom Ohr genommen.
„Kann ich zu Lexie gehen? Sie hat mich zum übernachten eingeladen!", schrie sie wieder.
„Nein, eigentlich hatte ich das nicht, aber das ist dir wahrscheinlich vollkommen egal", murmelte ich augenrollend.
„Bin in einer dreiviertel Stunde vor deiner Haustür!", verabschiedete sie sich dann wieder in normaler Lautstärke bei mir, und ehe ich etwas erwidern konnte, war der Anruf beendet.
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