17 | Aiden
»Alter, du lebst ja auch noch«, sagt Hardin gespielt entrüstet und hält sich dramatisch an Ezra fest, damit er nicht vom Hocker fällt. Mein anderer Kumpel wirft den Kopf in den Nacken und lacht, als er meine neutrale Miene sieht.
»Ich kann auch wieder gehen«, murre ich grinsend und deute mit meinem Daumen über die Schulter zum Ausgang vom The Robin Hood. Es ist ein Tag vor Abreise und ich habe mich seit längerer Zeit wieder mit meinen Freunden getroffen. Die letzten zwei Wochen waren erfüllt von Prüfungen schreiben, lernen und mit Connor die Zweisamkeit genießen, die uns bis dahin geblieben ist.
Ezra drückt Hardin, der immer noch halb in seinen Armen liegt, von sich weg und deutet auf den Hocker neben sich. »Wage es nicht. Wir haben dich in letzter Zeit so selten zu Gesicht bekommen. Und ich denke, dass ein gewisser blonder Typ dran schuld ist.«
Schmunzelnd setzt ich mich hin und stütze meinen Kopf auf meiner Handfläche ab. Hardin grinst breit, so breit, dass ich mir schon fast Sorgen mache, dass seine Mundwinkel einreißen könnten. »Aiden ist verlieeeeebt.«
Ich verdrehe die Augen. »Ach halt die Klappe.«
Aber es stimmt. Ich habe das Gefühl, jeden Tag mehr und mehr Connor zu verfallen. Dass etwas zwischen ihm und mir läuft, ist für meine Kumpel offensichtlich. Ich musste ihnen nicht sagen, dass ich auf Kerle stehe. Sie haben nie meine Sexualität hinterfragt. Ich habe es ihnen aber auch nie unter die Nase gerieben. Dass ich statt Frauen Männern auf den Hintern geschaut habe, war Antwort genug.
Ezra stellt mir ein kleines Bier hin, das er von der Theke geholt hat, und lässt sich dann wieder auf den Hocker fallen. Dankend proste ich ihm zu und nehme einen großen Schluck davon. Es tut gut mit meinen Jungs abzuhängen, aber gleichzeitig vermisse ich Connor. Ich habe mich so daran gewöhnt, jeden Abend mit ihm zusammen zu sein. Aber er macht heute einen Kumpelabend - so hat er es genannt - mit Noah.
»Wo ist eigentlich Connor?«, fragt Hardin und runzelt die Stirn, schaut links und rechts über seine Schulter, um ihn zu entdecken.
»Ist mit seinem besten Freund unterwegs.«
»Ha. Also kümmert er sich noch um seine Freunde!«
Ich verdrehe erneut die Augen. »Du bist so eine Dramaqueen, Hardin.«
Schmunzelnd zieht Ezra seine Augenbrauen hoch. »Das sage ich ihm die ganze Zeit.« Er kriegt prompt von Hardin einen leichten Schlag auf den Hinterkopf, ehe dieser schmollend die Arme vor der Brust verschränkt. Hardin erinnert mich an ein bockiges Kind, das seinen Lutscher nicht bekommen hat.
Ich lasse das Thema ‚Connor' sein und läute eine neue Runde ein. »Und, habt ihr etwas über die Winterpause geplant?«
»Ich fahre mit meiner Familie nach Österreich, um dort Ski zu fahren«, erzählt Ezra begeistert und hibbelt auf dem Hocker rum. Ich kann in seinen dunkelbraunen Augen die glitzernde Vorfreude erkennen, diesen Trip mit seiner Familie zu starten.
Ich nicke. »Cool, und du Hardin?«
»Ach eigentlich gar nichts. Meine Freundin kommt dieses Jahr mit zu meiner Familie und wir verbringen ganz entspannt die Festtage.«
Hardin führt zurzeit eine Fernbeziehung mit seiner Kindergartenfreundin Leah. Sie hatten sich wohl nach der Schule getrennt, da beide nicht erpicht auf eine Fernbeziehung waren. Doch nach ein paar Monaten haben beide bemerkt, dass sie ohneeinander nicht können und gewillt sind, der Beziehung trotz einer Entfernung von vier Stunden eine Chance zu geben.
Ich wüsste nicht, ob ich so etwas könnte. Der Gedanke, dass Connor wegziehen würde, bringt mein Herz zum Bluten. Schnell schüttle ich den Gedanken aus meinem Kopf und widme mich erneut meinen Freunden, die gerade dabei sind, sich über die letzte geschriebene Prüfung aufzuregen.
Beide scheinen vergessen zu haben nach meiner Weihnachtsplanung zu fragen und darüber bin ich sehr froh. Ich weiß nicht, wie ich ihnen erklären soll, dass ich nicht mit Connor feiere, sondern mit Melanie bei meinen Eltern. Theoretisch könnte ich Melanie einfach aus der Erzählung streichen, aber Ezra würde mich sofort durchschauen. Er bemerkt sofort, wenn einer ihn anlügt.
Daher stütze ich mich mit den Unterarmen erleichtert auf dem Tisch ab und höre meinen Kumpeln bei ihrem Gespräch zu. Sie sind derweil von den Prüfungen zu dem DJ, der vor ein paar Wochen hier aufgelegt hat, gekommen und diskutieren, ob sie zu einer größeren Veranstaltung von ihm gehen wollen.
Ich halte mich bei der Debatte raus.
Nicht, dass ich nicht mal wieder mit meinen Kumpeln etwas unternehmen möchte, sondern, weil es einfach nur gut tut zuzuhören.
Grinsend nehme ich einen Schluck von meinem Bier, während Hardin mit Begeisterung davon spricht, dass wir alle mal auf die Malediven fliegen müssten und von Ezra nur einen Vogel gezeigt bekommt. Auch wenn wir uns einige Wochen nicht wirklich gesehen haben, haben die beiden sich kein Stück verändert und dafür liebe ich sie.
*
Seufzend betrachte ich den Klamottenhaufen auf meinem Bett und überlege, ob ich mir entweder eine größere Tasche kaufen oder einfach weniger Klamotten einpacken sollte. Ich brauche mindestens einen Anzug für die Feier meiner Eltern morgen Abend. Sie veranstalten für das Unternehmen immer eine kleine Weihnachtsfeier mit überteuerten Essen und Schampus.
An Heiligabend selbst würde ich nur eine schwarze Jeans mit einem weißen Hemd tragen. Wenn es nach mir ginge, würde ich einfach nur eine Jogginghose und Pullover tragen. Aber da Melanie mit ihren Eltern - wie jedes Jahr - eingeladen ist und meine Mutter einen kleinen Herzinfarkt bekommen würde, ist das eine gute Alternative.
Neben den Klamotten liegen weitere Pullover, Schuhe, eine Jogginghose und Kultursachen rum. Ich fahre mir mit gespreizten Fingern durch die Haare, beiße mir dann auf die Unterlippe und runzle die Stirn. Vielleicht können zwei Pullover hierbleiben.
Es ist sowieso geplant, nur vier Tage dort zu bleiben, bis Melanie wieder zurückmuss und mich mitnimmt, damit ich mich nicht mit dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr auseinandersetzen muss.
Sie kommt heute Abend her und wir fahren gemeinsam zu meinen Eltern. Somit fällt mir ein großer Stein vom Herzen, denn Connor wird zu der Zeit mir Noah, Ava und Sophie auf dem Weg nach Derby sein.Bei diesem Gedanken schleicht sich ein schlechtes Gewissen in meinen Kopf, zieht an meinem Herzen.
Es ist falsch Connor so anzulügen. Ihm nichts von Melanie zu erzählen.
Aber jetzt, vor den Festtagen werde ich es nicht tun. Erst, wenn ich selbst alles geklärt habe und wir nicht vier Tage lang voneinander entfernt sind.
Die zwei Pullover, die ich nicht mitnehme, räume ich zurück in den Schrank und fange an die Sachen akribisch in die Tasche zu verstauen, sodass ich alles unterbekomme und nicht wirklich noch losgehen und eine größere Tasche kaufen muss. Es fehlt nur noch die altbekannte Tetris-Musik und dann wäre die Szene komplett.
Ein Klopfen reißt mich aus meiner Pack-Session raus und wie automatisch rufe ich nur »Herrein.« Ich bin im ersten Moment der festen Überzeugung, dass es Connor ist. Doch dann fällt mir binnen Sekunden ein, dass Connor nicht mehr anklopfen und einfach in mein Zimmer gehen würde.
Sofort lasse ich meinen Pullover, den ich gerade als letztes Kleidungsstück in die Tasche quetschen wollte, fallen und drehe mich zur Tür um. »Was -« Mir bleibt meine Frage im Hals stecken, als ich Melanie entdecke, die mich mit kompletter Wintermontur wie ein Honigkuchenpferd angrinst.
Sie trägt auf ihrem Kopf eine dunkelrote Wollmütze mit einem dicken Bummel dran. Der fette Daunenmantel scheint sie quasi zu verschlingen, was mit ihren 1,55 Metern nicht gerade schwer ist. »Aiden! Mein Liebling, mein Herzblatt!« Sie kommt mit ausgebreiteten Armen zu mir rüber gerannt und zieht mich in eine feste Umarmung. Ich höre sie praktisch quietschen.
Überrumpelt schlinge ich meine Arme um sie und da fange ich langsam an zu verstehen, dass sie eher gekommen ist, als sie angekündigt hat. Ich drücke sie eine Armlänge weit von mir weg und runzle die Stirn. »Wolltest du nicht erst heute Abend kommen?«
Melanie rümpft die Nase und grinst dabei weiterhin. »Ich war schon fertig und dachte mir, dass ich vielleicht deine Uni anschauen könnte.« Ich weiß, dass hinter der Aussage kein Hintergedanke steckt und sie mir damit eine Freude machen wollte.
»Ja. Ich -«
Die Tür geht erneut auf und in der Sekunde, in der meine Augen Connor erblicken, wäre ich gerne aus dem Fenster gesprungen. O Scheiße! Bitte, bitte alles, nur das nicht!
»Hey, wollen wir -« Connor hält in seinem Satz inne, als er mich und Melanie zusammen sieht. Seine Miene wird ausdruckslos, der Mund klappt zu. Kein Problem, die Situation kann man noch retten. Gerade, als ich anfangen möchte, die ganze Sache aufzuklären, kommt mir Melanie zu vor.
»Hi! Ich bin Melanie, die Freundin von Aiden.« Grinsend geht sie zu Connor rüber, der mitten im Raum stehengeblieben ist.
»Connor.« Seine Stimme ist so monoton, dass ich am liebsten anfangen möchte zu weinen. »Ich habe dich hier noch nie gesehen.«
Lachend schüttelt sie den Kopf. Mir ist selbst gar nicht nach Lachen zumute. »Das liegt daran, dass ich hier nicht studiere. Aber Aiden und ich fahren zu seiner Familie, um dort Weihnachten zu feiern. Ich sammle ihn nur ein. Voll cool, einen von Aidens Kumpeln mal kennenzulernen. Oh! Da fällt mir ein, dass ich im Halteverbot stehe. Ich habe keinen Parkplatz gefunden, aber habe es nicht mehr ausgehalten, ohne Aiden wiederzusehen. Ich werde mal schnell umparken. Wir sehen uns gleich, Connor.«
Je mehr Melanie redet, desto übler wird mir. Connors Gesichtsfarbe gleicht nur noch einer weißen Wand. Ich liebe Melanies offene Art. Dass sie sofort auf andere Menschen zugehen kann, dass Treffen nie leise sind und auch die lustigen Namen, die sie mir jedes Mal an den Kopf schmeißt, bringen mich zum Lachen. Aber jetzt, jetzt hätte ich mir einfach nur gewünscht, dass sie still ist.
Wie eine Windböe verschwindet sie aus meinem Zimmer, so schnell wie sie gekommen ist, und bemerkt gar nicht, was für ein Minenfeld sie hinterlassen hat. Die Stille ist zum Zerreißen nah und ich habe Angst, einen Atemzug zu nehmen.
»Einer von Aidens Kumpeln?« Connor Stimme ist schneidend scharf, während er Melanies Satz wiederholt. Jedoch mit einer Kälte, die mir bis in die Knochen dringt.
Scheiße!
Oh Gott jetzt sind Aidens Befürchtungen wahr geworden. Connor und Melanie haben sich kennengelernt. 😱
Was denkt ihr? Was wird jetzt passieren ?
Waren Aidens Beweggründe nachvollziehbar? Oder hat er hier richtig verschissen?😳
Wie immer würde ich mich über Rückmeldungen freuen 😍😊
Habt einen schönen Sonntagabend!
Eure Rahel ❤️
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