23 | noah
Ich schaue in Avas gerötete Augen, welche von Tränen nur so schimmern. Meine ganze Magengegend zieht sich zusammen, während ich sie unbeholfen an den Schultern packe und an mich heranziehe. Ich bin nicht gut mit Worten und habe Angst, die Situation in diesem Moment noch zu verschlimmern.
Sie scheint meine Geste und die unausgesprochene Mitteilung zu verstehen, denn ein paar Sekunden später umschlingt sie mich mit ihren Armen und ihr kleiner Körper bebt in unserer Umarmung.
Mein Herz rast wie wild, während ich fieberhaft überlege, was wir nun als Nächstes machen sollen. Connors Gesicht schiebt sich in mein Blickfeld und ich erkenne sofort, dass ihn die Situation innerlich zerreißt. Sein Kiefer ist so stark aufeinandergepresst, dass die Muskulatur weiß hervorsticht.
»Es ist nicht deine Schuld«, forme ich lautlos mit meinen Lippen, doch Connor scheint meine Aussage nicht ernst zu nehmen. Er fährt sich mit gespreizten Fingern durch die Haare und schüttelt den Kopf. Das Bedauern ist ihm quasi quer übers Gesicht geschrieben.
Natürlich würde er nicht auf mich hören. Dieser Sturkopf. Aber keiner hätte ahnen können, dass so etwas passiert. Geistesabwesend streiche ich über Avas blonden Haarschopf und spüre, wie sie sich langsam beruhigt. Nur ihr zittriger Atem kitzelt an meinem Schlüsselbein, ansonsten ist ihr Körper still an meinen gepresst.
»Vielleicht sollten wir erst einmal unsere Sachen zusammensuchen und dann zu dir nach Hause fahren, Ava«, beginne ich langsam und durchbreche somit die bedrückende Stille.
Ava zieht sich aus meinen Armen zurück, fährt sich mit den Handballen über ihre verheulten Augen und nickt. »Ja, ich muss sowieso das Auto zurückbringen und mir wahrscheinlich eine Standpauke abholen.«
Ihr kleiner Scherz am Ende lässt meine Mundwinkel etwas zucken, doch mir ist in diesem Augenblick nicht nach Lachen zu Mute.
»Ich werde mit deinen Eltern reden«, grätscht mein bester Freund mit fester Stimme dazwischen und wüsste ich es nicht besser, würde ich denken, dass er sich gerade für einen Krieg vorbereiten möchte.
»Connor. Das ist nicht deine Schuld.« Stumm stimme ich Ava zu, die sich nun zu Connor gewandt hat, um ihn zu beruhigen. Was für ein merkwürdiges Bild wir in diesem Moment wohl abgeben.
Hektisch schüttelt er den Kopf. »Doch ... ich bin schuld. Ich – ich hätte euch nicht mitreinziehen dürfen. Wenn ich nur nicht so dumm gewesen wäre ...«
»Nein«, sage ich mit fester Stimme, packe Connors Unterarm und ziehe ihn zu mir und Ava hin. »Du bist nicht dumm. Der Typ ist dumm und ein Arschloch. Du hast nichts falsch gemacht!«
Brummend schließt Connor die Augen und lehnt seine Stirn an meine Schulter an. Noch immer scheint er unsere Worte nicht zu glauben und ich bin mir sicher, dass das noch ein gutes Stück Arbeit wird, ihn von der Wahrheit zu überzeugen.
Einen kurzen Atemzug bleiben wir noch so stehen, genießen die Körperwärme des jeweils anderen, dann packen wir unsere Sachen und begeben uns auf den direkten Weg zu Avas Haus. Die ganze Fahrt über sagt niemand ein Wort und die Stimmung fühlt sich identisch an, mit der von letzter Nacht.
Der Empfang ist wie zu erwarten chaotisch. Die Haustür wird von Avas Mutter aufgerissen, bevor das Auto überhaupt richtig in der Einfahrt steht. Plötzlich erscheint Sophie und wirft sich praktisch in Avas Armen, die nur halb aus dem SUV ausgestiegen ist.
»Ava, verdammt. Was ist passiert?« Ihr Blick fällt auf mich und dann auf Connor. Ihre Augen weiten sich ein Stück, als sie die blauen Flecke und Schürfwunden auf seinem Gesicht erhascht. Dann wiederholt sie die Frage noch einmal, aber mit viel erschrockener Stimme. »Was ist passiert?!«
»Können wir das bitte drinnen klären?«, fragt Ava leise. Nun hat sich auch ihr Vater in die Haustür gestellt und betrachtet die Situation mit neutraler Miene. Dabei bleibt sein Blick einen Moment länger auf mir liegen. Unbeholfen räuspere ich mich und gehe langsam hinter Ava und Sophie hinterher. Ich bemerke, wie Connor kurz stoppt, dann strafft sich sein ganzer Oberkörper, als würde er sich auf einen Kampf vorbereiten.
Zuerst möchte ich sagen, dass er nichts zu befürchten braucht, aber noch immer spüre ich den starren Blick auf mir liegen, welcher mich unwohl fühlen lässt. Im Haus werden wir ins Wohnzimmer geführt, während Ava mit ihren Eltern in die angrenzende Küche geht.
Sophie steht unentschlossen im Raum. Ihr Blick bleibt einen kurzen Moment auf der Schwelle der Küche hängen, bevor sie seufzend den Kopf schüttelt. »Einer von euch muss mir erklären, was los ist. Das ist doch alles verrückt, was hier passiert!«
Schweigend beiße ich mir auf die Unterlippe, während Connor neben mir wie ein nasser Sack zusammenbricht. Seine starre Körperhaltung ist binnen Sekunden verschwunden und er scheint innerlich mit sich zu kämpfen Sophie die Geschichte zu erzählen. Ich presse meine Lippen fest aufeinander – sage nichts. Es ist nicht meine Geschichte und Connor muss selbst entscheiden, was er preisgibt und was nicht.
Fragend hebt Sophie eine Augenbraue. »Connor?«
»Ich –« Er bricht ab und seufzt. Dann öffnet er erneut den Mund und erzählt alles. Geistesabwesend pule ich an meiner Nagelhaut herum, ignoriere den brennenden Schmerz.
Jetzt heißt es warten und schauen was passiert.
*
»Und, was haben sie gesagt?« Sophie richtet sich auf, während Ava mit langsamen Schritten ins Wohnzimmer kommt. Geräuschvoll ausatmend lässt sie ihr Handy auf den Couchtisch fallen, verzieht ihr Gesicht zu einer Grimasse und schüttelt den Kopf.
Sofort sackt Sophie in sich zusammen und seufzt leise. Auch meine Hoffnungen werden nun damit zu Nichte gemacht. Nachdem sich Ava eine Standpauke von ihren Eltern abgeholt hat und wir die ganze Situation erklärt haben, hat sie versucht bei der Universität nachzufragen, ob es möglich wäre, die Unterlagen noch abzugeben.
»Sie sagen, dass sie strikte Abgabetermine haben und keine Ausnahmen machen können, außer einem wäre selbst etwas Schreckliches passiert ... sie haben viele Bewerber und können keine Rücksicht auf andere nehmen.«
Ihre Stimme wird von Wort zu Wort immer leiser, bis sie komplett verstummt und mit einem undurchschaubaren Blick auf den Boden starrt. Connor fährt sich aufstöhnend durchs Haar, beißt sich auf die Unterlippe und ringt nach den richtigen Worten. »Es ist alles meine Schuld. Vielleicht sollte ich noch einmal anrufen.«
»Das wird nichts bringen ...«
»Aber ... es ist deine Zukunft!«
Sie wirft ihm ein leichtes Lächeln zu. »Ich gebe dir keine Schuld, Connor.«
Ich bezweifle jedoch, dass Connor es auch so sehen wird, denn es findet ein richtiges Schauspiel von Emotionen auf seinem Gesicht statt. Zwischen Trauer und Wut ist alles dabei. Ich greife nach Avas Hand und ziehe sie zu mir aufs Sofa, damit sie nicht weiterhin wie ein begossener Pudel rumsteht.
Wenn ich könnte, würde ich ihr jetzt helfen. Alles in die Wege leiten, dass sie doch an ihrer Traumuniversität studieren kann. Aber natürlich sind mir die Hände gebunden und ich fühle mich dadurch einfach nur machtlos. Sie lehnt sich an mich ran und alles, was ich kann, ist ihr Halt zu geben.
»Dann wird es halt eine andere Uni.«
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Du klingst jetzt nicht traurig darüber.«
»Naja«, sie zuckt mit der Schulter, »ich bin schon traurig, aber ich habe mir auch in den letzten Tagen Gedanken gemacht ... und ich fand die Überlegung, dass ich allein ohne euch irgendwo hingehe, sehr einsam.«
Es ist still.
Jeder starrt Ava an, versucht, einen klaren Gedanken zu fassen.
Die einzigen Geräusche sind die aus der Küche nebenan, wo Avas Eltern gerade ein großes Mittagessen für uns alle vorbereiten. Ich schlucke hart. Heißt das, dass der jahrelange Traum von der Derby Universität in der letzten Woche zerplatzt ist?
Aufgebracht wirft Sophie ihren Kopf in den Nacken und seufzt. »Ich weiß jetzt nicht, ob ich mich freuen oder sauer sein soll. Wir haben so viel Energie und Schweiß reingesteckt ...«
»Ich weiß und ich bin wirklich traurig. Wie viel Zeit und Mühe ich in die ganzen Projekte reingesteckt habe ... Und ja mein Traum war es dort eine Zusage zu bekommen. Aber in den letzten Wochen ist mir bewusst geworden, dass man seinen Traum überall verwirklichen kann. Man braucht nur die richtigen Menschen an der Seite. Dann ist alles möglich.« Sie schaut zu mir und nimmt vorsichtig meine Hand. »Ich wollte trotzdem gerne meine Bewerbung abgeben und schauen, ob sich die ganze Mühe gelohnt hat. Aber ich habe mir auch andere Universitäten herausgeschrieben.«
Stumm starre ich sie an, sehe in ihren Augen, dass sie die Wahrheit sagt. Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Körper aus, fließt bis in meine Fingerspitzen und lässt diese kribbeln. Ich habe sie als Vorbild genommen, meine Träume bis ans Ende zu verfolgen, egal ob man fällt. Man steht immer wieder auf, klopft sich den Dreck von den Klamotten und geht weiter. Das macht sie jetzt. Sie verkriecht sich nicht im nächsten Loch, sondern geht weiter.
Sanft nehme ich mit beiden Händen ihren Kopf und zieht sie zu mir ran. »Du machst mich immer wieder sprachlos«, murmle ich leise und küsse sie. Mir ist es egal, dass Sophie und Connor sehen, wie ich meine Gefühle offen darlege.
»Ich hoffe, im positiven Sinne.«
Ich werfe lachend meinen Kopf zurück. »Du hast ja gar keine Ahnung.«
Schmunzelnd kuschelt sie sich an mich. Ich werde sie nicht so schnell loslassen.
»Das wars jetzt? Du schreibst dich in anderen Universitäten ein?« Ungläubig schaut Connor Ava an. Er kann es immer noch nicht verstehen, dass Ava es einfach so hinnimmt. Wahrscheinlich, weil er weiterhin daran knabbert, dass es seine Schuld sein könnte. Ich bin mir sicher, dass es lange dauern wird, bis Connor das nicht mehr denkt.
»Ich kann nichts mehr daran ändern ...«
»Aber du hast doch immer eine Möglichkeit gefunden!«
»Ich könnte bis nächstes Jahr warten. Aber das möchte ich nicht. Ich möchte kein Jahr lang jobben gehen.«
Seufzend lehnt sich Connor zurück, zieht seine Unterlippe zwischen die Zähne und kaut darauf herum. Dass seine Lippe aufgeplatzt ist, scheint er zu ignorieren. Connor sieht heute noch schlimmer aus als gestern Nacht und nach meinem Geschmack sollte er doch einmal bei einem Arzt vorbeischauen.
Doch wie ich meinen besten Freund kenne, wird er dies verweigern.
»Leute, ich sehe, dass unsere Geschichte später einmal auf die große Leinwand kommen wird«, grätscht Sophie plötzlich dazwischen und seufzt hingebungsvoll. Etwas verdutzt blinzle ich sie an, fange dann aber an zu lachen, als auch Connor einen verwirrten Blick zu ihr rüber wirft.
»Sophie, bei dir dreht wieder die Fantasie durch.« Sagt Ava, lacht leise und wirft ihrer Freundin ein Kissen gegen den Kopf.
»Wenigstens habe ich Fantasie!« Schmollend nimmt sie das Kissen in die Hand und zerquetscht es auf ihrem Schoß.
Ruhig beobachte ich die Szene, ziehe Ava ein Stück näher zu mir, sodass ich ihre Körperwärme spüren kann. Wer hätte gedacht, dass wir alle einmal zusammensitzen und so lachen können?
So! Jetzt endlich das Kapitel online. Ich entschuldige mich noch einmal, dass es so lange gedauert hat! 😭
Leider kann Ava nicht an der Derbuniversität studieren ... 😢
Aber was sagt ihr, hat sie jetzt zu locker reagiert oder genau richtig?
Macht das alles Sinn? Ich weiß für Viele wird es vielleicht überraschend sein, aber Ava hat sich in den letzten Wochen auch mit anderen Unis auseinandergesetzt etc. ☺️
Das war jetzt das letzte richtige Kapitel. Es wird noch ein Epilog folgen und dann geht es weiter mit Band 2 da wird Connor die Hauptrolle spielen!☺️
Wie immer würde ich mich über Rückmeldungen freuen🥰
Habt einen wundervollen restlichen Montag!😘
Eure A. ❤️
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