22 | ava
Grummelnd drehe ich mich auf die Seite, als von vorn die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht rumtanzen. Ich spüre einen Körper neben mir, der sich langsam regt und ein leises Brummen von sich gibt. Leicht schmunzelnd lehne ich mich weiter zu Noahs Körper hin, kuschle mich an seinen Rücken ran.
Langsam kommen die Bruchstücke aus letzter Nacht wieder. Das alte Fabrikgelände, die Fahrt zur Polizei und anschließend sind wir zu Noah gefahren, der am nächsten wohnt und sind zu dritt ins Bett gefallen. Es war fünf Uhr morgens, als wir die Polizeistation verlassen haben. Connor war mindestens eine Stunde verschwunden und anschließend wurden noch seine Wunden notdürftig verarztet. Er hatte sich geweigert noch weiter in ein Krankenhaus zu fahren und innerlich habe ich ihm etwas gedankt, weil mein Körper sich angefühlt hat wie ein Stück Blei.
Blind taste ich mit meiner Hand die Matratze in meinem Rücken ab und finde bloß gähnende Leere.
Etwas irritiert drehe ich mich um und finde keinen Connor. Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch, spähe dann über den Bettrand und sehe den Blondschopf zusammengerollt auf dem Boden liegen. Ob er in den letzten Stunden rausgefallen oder freiwillig aus dem Bett gestiegen ist, weiß ich nicht.
»Schlaf wieder«, grummelt Noah neben mir, da ich für seinen Geschmack zu viel im Bett hin und her gerutscht bin. Ich weiß nicht, wie spät es ist, aber viel Schlaf haben wir auf keinen Fall bekommen. Dafür fühlt sich mein Körper immer noch zu schwer an, als wären wir zwei Tage lang einen Marathon gelaufen.
Geräuschvoll atme ich aus und vergrabe mein Gesicht in Noahs Halsbeuge, welcher mit einem wohligen Brummen sein Einverständnis gibt. Lange können wir aber so nicht liegen bleiben – leider. Wir müssen das Auto wieder zurück zu meinen Eltern bringen und uns bestimmt auf eine Standpauke des Jahrhunderts einstellen.
Aber es ging hier um Connor und dafür würde ich sogar Hausarrest in Kauf nehmen.
Trotzdem sollte ich einmal auf mein Handy gucken. Kurz bleibe ich noch liegen, horche dem stetigen Atmen von Noah und spüre seine Wärme. »Ich muss schauen, ob mich jemand angerufen hat«, flüstere ich leise nach einiger Zeit und trenne mich dann von einem murrenden Noah, der blindlings versucht, mich festzuhalten, aber nur in die Luft greift und dann die Hand auf die Matratze fallen und liegen lässt.
Ich kichere leise, beuge mich vor und hauche ihm einen Kuss auf die Schläfe, dann rutsche ich vom Bett, steige mit einem großen Schritt über Connor und tapse mit schnellen Schritten zu meiner Jacke, die wahllos über den Schreibtischstuhl geworfen wurde. Schnell ertaste ich den kühlen Kunststoff, ziehe mein Handy raus und muss erst einmal wegen der Helligkeit des Bildschirms blinzeln.
Auf meinem Display erscheinen zwei verpasste Anrufe von meiner Mutter, eine Nachricht von meinem Vater und sechs verpasse Anrufe von Sophie sowie unzählige Nachrichten von ihr. Zweifelnd beiße ich mir auf die Unterlippe und setze mich auf den Stuhl, während ich den Chat öffne.
Warum schiebt meine Freundin so eine Panik und ruft mich seit Stunden an? Mein Handy zeigt vierzehn Uhr nachmittags an. Wir haben echt den ganzen Vormittag verschlafen. Verdammt. Seufzend fahre ich mir über die geschwollenen Augen und beginne die Nachrichten von meiner besten Freundin zu lesen.
Sophie (7:43)
Heute ist der große Tag!
Sophie (8:23)
Soll ich mitkommen, wenn du deine Unterlagen abgibst? Wir können dann Brunchen gehen ;)
Sophie (9:54)
Die Abgabe ist um 11 Uhr und du meldest dich noch nicht. Ist alles okay?
Sophie (9:56)
Geh ran, wenn ich dich anrufe!
Sophie (10:22)
Ava!
Je mehr ich lese, desto mehr rutscht mir mein Herz in die Hose. Mit großer Kraft, weil ich solch eine Angst habe, es wirklich schwarz auf weiß zu sehen, blicke ich oben rechts in die Ecke des Displays. Der zweite April prangt in dicker Schrift, scheint mich förmlich anzuschreien und zu verspotten.
Der zweite April, der Tag, auf den ich seit Wochen hingearbeitet habe.
Der zweite April, der Tag, der mein Wendepunkt im Leben sein sollte.
Der zweite April, der Tag der Abgabe meiner Bewerbungsunterlagen für die Universität in Derby.
Ich fühle mich wie zu Eis erstarrt, kann mich nicht bewegen, nicht blinzeln. Die Sicht verschwimmt vor meinen Augen und ein verräterisches Brennen macht sich breit. Das ist doch ein Scherz – ein ganz mieser Traum. Die Abgabe ist seit über drei Stunden vorbei. Dumpf höre ich, wie die Bettlaken rascheln und sich ein verschlafender Noah aufsetzt. »Ava? Du bist komplett blass im Gesicht ...«
Motorisch hebe ich meinen Kopf, schaue zu meinem Freund, der mich aus verschwollenen kleinen Augen anstarrt. »Ich ...«, fange ich krächzend an, lasse zitternd das Handy auf den Schoß fallen. »Ich habe die Abgabe verpasst ...«
Es auszusprechen macht es noch viel realer. Nein verdammt, das ist kein Traum, sondern die bittere Realität.
»Was?«
»Die Abgabe ... die Bewerbung für –« Nein, ich kann es nicht aussprechen. Ich schlucke hart, versuche, den Kloß in meinem Hals zu vertreiben. Vergebens. Und dann scheint es plötzlich bei Noah angekommen zu sein, denn er springt auf, verheddert sich mit dem Fuß in der Decke und fällt direkt neben Connor auf den Boden.
Wäre es in diesem Moment keine schreckliche Situation, hätte ich bei dem Anblick gelacht, wie Noah auf dem Boden liegt und Connor sich blinzelnd aufsetzt. Doch mir ist gar nicht zum Lachen zu Mute. Im Gegenteil, der Versuch mit aller Mühe die Tränen zurückzuhalten, die mir unaufhörlich über die Wangen laufen, ist vergebens.
»Scheiße.« Noah ist mit zwei großen Schritten bei mir, umschließt mich mit seinen großen starken Armen. Versucht, mich zu halten, zu schützen, vor dem großen bösen Unsichtbaren. »Wir kriegen das hin. Wir werden das hinkriegen!«
Aber ich weiß es besser.
Wir werden das nicht geradebiegen können. Die Universität von Derby hat strenge Abgabetermine und ich habe den Termin verpasst.
Einfach vergessen.
Mein Wecker muss nicht geklingelt haben.
Oder ich habe ihn einfach verschlafen ...
Schluchzend lehne ich mich an Noah an, vergrabe mein Gesicht an seiner Brust und versuche, den Gedanken zu verdrängen, dass ich einfach nur versagt habe.
»Warum habe ich das Gefühl, dass das alles gerade meine Schuld ist?«, ertönt plötzlich die leise Stimme von Connor, der sich nun zu mir gestellt hat und mir sanft über den Rücken fährt.
Nein, denke ich. Das ist nicht seine Schuld. Ich hätte besser aufpassen müssen. Ich hätte einfach besser sein müssen. Zitternd schaue ich zu Noah hoch und schlucke. Mein Hals fühlt sich eng und rau an.
»Was mache ich jetzt?«, krächze ich und weiß gleichzeitig, dass mir weder Noah noch Connor eine Antwort auf meine Frage geben können.
Jetzt ist das eingetreten, wovor Ava am Meisten Sorge hatte 🫣
Wie hat euch das Kapitel gefallen?
Findet ihr, dass die Geschichte zu schnell vorrangeht? Es werden nur noch 2 Kapitel kommen und dann ist der erste Band zu Ende. Aber mir fällt nichts anderes mehr ein und ich möchte die Geschichte nicht unnötig in die Länge ziehen 😉 Aber gibt mir mal eure Gedankengänge ☺️❤️!
Eure A❤️
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