05 | noah
Ich unterdrücke ein Gähnen, während ich mein Rad auf dem Schulhof bei den Fahrradständern anschließe. Es ist neun Uhr morgens, was für mich zu früh ist. An einem Samstagmorgen wohlbemerkt. Ich reibe mir mit den Handballen den Schlaf aus den Augen und strecke mich. Der Wecker hat mich vor gut einer Stunde aus meinem traumlosen Schlaf geweckt und ich lag mindestens fünfzehn Minuten im Bett rum, weil ich nicht aufstehen wollte.
Von Weitem kann ich schon ein paar freiwillige Helfer sehen, die sich auf der großen Wiese neben dem Schulgebäude tummeln und angefangen haben ein paar Pavillons aufzubauen. Da das Wetter in den nächsten Wochen schön werden soll, hat sich die Schule gedacht, Getränke und Essen draußen zu servieren. Mit langsamen Schritten, um noch etwas wach zu werden, gehe ich auf die Personen zu und scanne jeden Einzelnen ab. Es sind schon ein paar aus meiner Mannschaft da. Sogar drei Lehrer haben sich dazugesellt.
Sofort erkenne ich einen altbekannten blonden Haarschopf. Ava steht am Rand, hält eine Kamera in der Hand und scheint das Geschehen festzuhalten. Immer wieder nimmt sie ihre Kamera vom Gesicht weg, schaut auf das Display und nickt oder verzieht ihre Lippen zu einem geraden Strich. Ich habe das Gefühl, dass sie das hier alles viel zu ernst nimmt. Wenn ich an die letzten Interviews denke, hat sich keiner aus ihrem Schülerzeitungsteam so reingehangen, wie sie.
Seufzend schaue ich mich nach Connor um, kann ihn jedoch nicht unter den Anwesenden ausmachen. Wie ich ihn kenne, ist er zwischen Zimmer und Bad liegen geblieben und wieder eingeschlafen. Neben ihm kann eine Bombe hochgehen und er würde einfach seelenruhig weiterschlafen.
Kurz hadere ich mit mir, ob ich zu Ava rübergehen soll oder nicht. Noch hat sie mich nicht gesehen, was gut ist. Ich kann ihre Art immer noch nicht einschätzen. Auf der einen Seite zeigt sie mir die kalte Schulter, doch, wenn ich an den vorgestrigen Abend in der Sporthalle zurückdenke, habe ich eine lockere aufgeschlossene Ava kennengelernt. Die einen frechen Spruch auf den Lippen hat und mir Konter gibt.
Ich muss wohl zu sehr gestarrt haben, denn plötzlich hebt sie ihren Kopf mit einem Ruck hoch und schaut zur Seite.
Weglaufen bringt nichts!
Daher versuche ich so locker, wie möglich zu ihr rüberzugehen, fühle mich aber gleichzeitig von ihr durchdringend gemustert.
Sei lässig. Alles ist gut. Einfach nur locker, flockig rüberkommen.
»Na, rasende Reporterin, schon fleißig?«, gebe ich grinsend von mir und schiebe meine Hände in die Hosentaschen.
Ich weiß nicht wohin mit denen und nur an der Seite runterhängenlassen fühlt sich in diesem Moment zu unnatürlich und dumm an. Wie gern würde ich jetzt, wie Ava, etwas in der Hand halten können.
Missmutig verzieht Ava ihren Mund zu einer langen Linie. Dann seufzt sie und senkt die Kamera. »Na, du Kotzbrocken, auch endlich da?« Überrascht über den Konter ziehe ich die Brauen hoch.
Kotzbrocken, interessant.
Kurz überlege ich, ob ich darauf etwas antworten soll, aber verwerfe den Gedanken sogleich und gucke mich seufzend um. Eine Handvoll meiner Teamkollegen tragen Bänke und Tische zu einem schon aufgebauten Pavillon hin. Direkt daneben steht ein kleiner Imbisswagen, der in einer Woche für Pommes und Würstchen sorgen wird.
Ich nehme ein Klicken neben mir wahr. Im ersten Moment kann ich es nicht zu ordnen, doch als ich bemerke, wie Ava leicht versonnen auf das Display ihrer Kamera guckt, verstehe ich, dass sie ein Bild von mir gemacht hat. Ich lehne mich leicht vor und versuche einen Blick auf das Display zu erhaschen. »Und sehe ich gut aus?« Ich wippe mit den Augenbrauen auf und ab und kann mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
Als hätte ich sie bei etwas Schlimmen erwischt, zuckt sie zusammen und eine leichte Röte bildet sich auf ihren Wangen. Ihre Unterlippe verschwindet hinter den Schneidezähnen. Shit. Ich muss hart schlucken, das Bild, das sie in diesem Moment präsentiert, ist einfach nur unbeschreiblich. Hatte sie schon immer diese leicht sonnengeküsste Haut mit diesen niedlichen Sommersprossen?
Und dieser blumige Duft, der von dem Wind zu mir rübergetragen wird, nistet sich in meiner Nase ein und vernebelt meine Sinne. Riecht sie immer so oder hat sie Parfüm aufgetragen? Ich muss sie bestimmt wie ein Hornochse anstarren, denn sie weicht mir mit ihrem Blick aus.
»Wenn man es mit Photoshop bearbeitet, wirst du es gerade so in die Ausgabe der Schülerzeitung schaffen«, versucht Ava mich zu necken, und räuspert sich. Merkt sie auch dieses merkwürdige warme Prickeln, das sanft über die Haut streicht? Wie der leichte Windhauch einer schwülen Sommernacht.
Ich lächle, als ich mich wieder gefangen habe. »Wow, danke. Bei dir braucht man kein Photoshop.«
Woher kam das denn bitte?
Ava atmet geräuschvoll ein, die Augenbrauen gekräuselt blickt sie zu mir auf. Möchte sie etwas sagen? Die Luft wird wärmer, eine Spannung baut sich auf und –
»Hey, Leute!«
Erschrocken fahre ich rum und sehe, wie Connor mit einem verschlafenen Ausdruck auf dem Gesicht zu uns rübergestapft kommt. Die dunkelblonden Haare stehen zu allen Seiten ab und, wenn ich mich nicht komplett täusche, prangt auf der linken Wange ein Abdruck seines Kopfkissens. Schnaubend verdrehe ich innerlich die Augen.
Fragend blickt Connor zwischen uns beiden hin und her. »Hab ich was verpasst? Ihr guckt so komisch?«
Sofort schüttelt Ava den Kopf. »Alles gut. Wir haben uns nur verquatscht ... ähm ... ich werde mal schauen, ob ich noch ein paar gute Fotos bekomme.« Hektisch wendet sie sich ab und stapft in eine wahllose Richtung. Ich schau ihr einfach nur stumm hinterher.
Es kribbelt in meinen Füßen ihr einfach hinterherzugehen. Dieses Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr – nein, streicht das. Dieses Gefühl hatte ich noch nie. Alles war plötzlich so schwerelos, wie damals als sie mit mir im Garten gespielt hat.
»Schau mal, ich habe viele neue Murmeln bekommen.« Mit leuchtenden Augen hält mir Ava ihre zur Schale geformten Hände hin, worin sich unzählige kleine Murmeln befinden. Sie schimmern durch das Sonnenlicht in allen Farben.
Ehrfürchtig klappt mir der Mund auf und ein leises »Ohhh« verlässt meine Lunge. Meine Finger zucken, weil ich sie so gerne berühren möchte, doch ich traue mich nicht. Zu groß ist die Angst, etwas dreckig oder kaputt zu machen. Meine Hände fühlen sich klebrig an, weswegen ich sie zu einer Faust zusammenballe.
»Wollen wir damit spielen?«
»Darf ich denn?«
Irritiert schaut Ava mich an und kräuselt dabei ihre Nase.
Wie niedlich!, schießt es mir dabei durch den Kopf.
»Aber ja. Ich teile immer mit dir! Du bist doch mein bester Freund!« Grinsend schaut sie mich an und präsentiert dabei ihre große Zahnlücke. Ein Schneidezahn fehlt.
»Okay, muss ich das jetzt verstehen?« Verwirrt legt mein bester Freund den Kopf schief und schiebt nachdenklich die Unterlippe vor. »Hast du sie beleidigt Noah?«
Ich schrecke aus meinen Gedanken raus: »Was? Ich – nein!«
Sie hatte ein knielanges gelbes Kleid an. Damals sind ihre blonden Haare kinnlang gewesen. Ich frage mich bis heute, wieso sie mit mir gespielt hat. Keiner wollte mein Freund sein.
Ihh, er stinkt voll.
Besitzt er keinen anderen Pullover?
Er wohnt bestimmt in einem Schweinestall.
Ehe sich die Stimmen in meinem Kopf fest verankern kann, packt mich Connor am Handgelenk und zieht mich zu den anderen Teamkollegen. James legt gerade eine Metallstange hin, als er uns sieht. »Da seid ihr ja endlich!« Er atmet prustend aus und stemmt die Hände in die Hüfte. »Wir müssen hier nur noch die ganzen Sitzbänke und Tische hinstellen, dann sind wir fertig.«
Ich nicke, gebe ein Daumenhoch und mache mich stumm an die Arbeit. Die Stimmen in meinen Kopf möchten nicht leiser werden, schreien mich geradezu an. Warum jetzt? Ich hatte es länger nicht mehr. Connor scheint es zu bemerken, er beugt sich runter, öffnet einen kleinen Spalt den Mund, jedoch komme ich ihm zuvor und verursache mit einem eindringlichen Blick und Kopfschütteln, dass seine Worte im Hals stecken bleiben. Sein Mund klappt zu. Mit hochgezogenen Augenbrauen nickt er, aber seinem argwöhnischen Blick kann ich mich nicht entziehen. Ich bin ihm wirklich dankbar, wenn er mir helfen möchte. Aber manchmal muss ich es selbst mit mir ausmachen und vor den anderen Teamkollegen brauche ich keinen, der mich bemitleidend anschaut.
Nach anderthalb Stunden sind wir mit allen Sachen fertig und stehen nun verschwitzt, aber lachend im Kreis, bis eine Stimme uns unterbricht. »Hey, kann ich von euch zusammen ein Foto machen?« Verdutzt drehe ich mich zu Ava um. Was macht sie noch hier? Ich dachte, sie wäre längst gegangen. Fragend schaut sie in die Runde, winkt dabei mit ihrer Kamera in der Hand. Legt sie das Ding jemals weg?
»Aber klar, ich stehe gerne Modell für dich.« James legt grinsend einen Arm um Avas Schulter, was mir merkwürdigerweise missfällt. In meinem ganzen Körper zuckt es und ich habe den Drang, James Arm von Ava wegzunehmen.
Mein Arm sollte da liegen.
Gott, was denke ich da?
Leute! Ich kann es gar nicht fassen. In der letzten Woche hat 'Chainsg Dreams' so viele neue Leser bekommen. Mir sind plötzlich ein paar Leute gefolgt. Wow - einfach nur wow! Ich bin so happy. Das könnt ihr euch nicht vorstellen.❤😍
Was sagt ihr wieder zu Noah? Lasst mich wissen, wie ihr das Kapitel fandet. Gibt mir Ratschläge, was ich verbessern könnte!😍
Habt einen wundervollen vierten Advent!😍
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro