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Kapitel 19 | Archer

Natürlich weiß ich nicht, wie es sich anfühlt, einen Herzinfarkt zu erleiden. Aber ich schwöre, als Mallory den Namen Wren Wexley in den Mund nahm, hat es einen Schlag ausgesetzt, weil ich wenige Tage vor meiner Freistellung mit ihm aneinander geraten bin. Soweit ich weiß, hat er dafür eine Verwarnung erhalten.

Mit anderen Worten: Er ist nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen. Aber ich hätte nie für möglich gehalten, dass er mich bis in den Urlaub verfolgt.

Mir wird schlecht, wenn ich daran denke, dass Mallory ihm schutzlos in die Arme gelaufen ist.

Inmitten der anderen Zelte bleibe ich stehen und lasse den Blick über jedes einzelne von ihnen schweifen. Der zwei Meter große Wikinger-Verschnitt ist nirgends zu sehen. Fuck! Wo ist der Pisser?

„Sieht aus, als hätten wir doch was gemeinsam." Ich wirble herum, als seine Stimme hinter mir ertönt. Mein Gegenüber grinst schief. „Eine Schwäche für süße Blondinen."

Automatisch balle ich die Hände zu Fäusten, was Wexley nicht zu entgehen scheint. Denn sein Grinsen wird breiter. Dem Clown würde ich gern die glattrasierte Visage umgestalten.

„Was willst du hier?"

Mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher, ob er tatsächlich grinst oder in Wahrheit die Zähne fletscht.

„Ich sollte nach meiner Prüfung zum Sergeant befördert werden. Dank deiner Beschwerde sieht es jetzt allerdings schlecht für mich aus. Und da ich sowieso für einen Monat unbezahlt suspendiert wurde, habe ich mich dazu entschieden, dir einen kleinen Besuch abzustatten. Stell dir meine Verwunderung vor, als mir ein Vögelchen gezwitschert hat, dass du dir eine Auszeit genommen hast - eine verschissene Auszeit!" Langsam zieht er eine Hand durch seine wilden goldblonden Locken, die daraufhin in alle Richtungen abstehen. „Es hat ein paar Tage gedauert, dich auf Vancouver Island aufzuspüren und die Verbindung zur vermissten Touristin herzustellen. Der Rest war simpel." Er schnaubt amüsiert. „Ich habe die Levisays angerufen und ihnen erzählt, dass ich vom Verschwinden ihrer Tochter in den Medien erfahren habe. Sie haben mich förmlich angebettelt, als Privatdetektiv für sie aktiv zu werden und mir einen Haufen Kohle angeboten."

„Das ist doch krank, Mann. Was kann ich denn für dein unprofessionelles Verhalten? Die Verwarnung hast du nur einer Person zu verdanken: nämlich dir." Ich verringere die Distanz zwischen uns in zwei langen Schritten. „Und nur ein totaler Psycho würde unschuldige und nichts-ahnende Menschen, die Angst um ihre Töchter haben, in seinen beknackten Rachefeldzug mit reinziehen." Ich presse meinen Zeigefinger so fest wie möglich gegen sein Sternum, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen.

„Rachefeldzug?" Wexley lacht humorlos und lehnt seinen Körper noch stärker gegen meinen Zeigefinger, sodass es nicht nur mir, sondern auch ihm physische Schmerzen bereiten dürfte. „Du wirst dafür sorgen, dass die Beschwerde gegen mich zurückgenommen wird. Deshalb bin ich hier. Dieser Job ist alles, was ich habe. Ich habe hart auf die Beförderung hingearbeitet."

Schnaubend verschränke ich die Arme vor der Brust. Der hat vielleicht Nerven.

„Passe."

Nicht einmal die Mühe, in einem vollwertigen Satz zu antworten, mache ich mir. Sein Gesicht verzieht sich zu einer Fratze.

„Hm, ich weiß nicht, ob deine Busenfreundin Morgan das ebenso locker sehen wird."

Seine Dreistigkeit möchte ich eigentlich nicht auch noch mit einer Reaktion würdigen. Ich sollte den Clown einfach stehen lassen. Leider hat er eine Schwachstelle in meiner Rüstung entdeckt.

„Was hat das mit Morgan zu tun?", zische ich.

„Na ja, laut meiner Recherche ist sie schon länger scharf auf eine Position in der Cybercrimes-Einheit. Wie du dir denken kannst, bin ich durch meinen Onkel gut vernetzt. Manchmal ist es von Vorteil, der Neffe des Polizeichefs zu sein."

„Wenn das so ist, frage mich, warum du mich brauchst, um die Verwarnung aus deiner Akte streichen zu lassen."

Um einen nichtssagenden Gesichtsausdruck bemüht, starre ich ihn nieder. Dabei weiß ich, dass Morgan die ständigen und obendrein nicht ungefährlichen Außeneinsätze satthat, seit sie Mutter geworden ist. Deshalb liebäugelt sie tatsächlich seit Längerem mit einem Abteilungswechsel.

„Sagen wir, Rassismusvorwürfe werden in unserer Familie nicht auf die leichte Schulter genommen."

„Dann hast du ja bekommen, was du verdienst." Kopfschüttelnd fahre ich fort: „Du konntest mir ja nicht mal erklären, was an meinem Dienstausweis falsch sein soll. Und meine Teamleiterin und ich haben uns sicher nicht eingebildet, wie du mich als Häuptling tituliert hast. Dein Motiv war klar."

„Ich möchte dich mal sehen, wenn du dem Typen begegnest, mit dem deine Ex-Verlobte dich betrogen hat. Also entschuldige bitte, dass ich dir die Fresse polieren will, sobald ich dich sehe."

Ungläubig kräusele ich die Stirn. Diese Antwort hatte ich nicht erwartet.

„Ich stehe auf dem Schlauch."

Wexley stößt einen bitteren Lacher aus und wendet sich kopfschüttelnd ab.

„Summer Smith? Lange braune Haare, blaue Augen, Sommersprossen ... Erinnerst du dich? Oder schleppt du so viele ab, dass du den Überblick verloren hast, weil du deinen Schwanz in alles steckst, was sich bewegt?"

Muskeln zucken in meinem Kiefer, als ich tief durch zusammengebissene Zähne einatme.

„Wenn du die Beleidigungen nicht langsam stecken lässt, bekommen wir ein Problem."

„Pff, als ob es noch etwas gibt, das du mir wegnehmen kannst", murmelt er mehr zu sich selbst.

Ich lasse die Schultern sinken. Das Gefühl, vor einem Scherbenhaufen zu stehen, kenne ich nur allzu gut.

„Hör zu ... Ich erinnere mich an Summer. Wir haben uns auf einer Geburtstagsparty kennengelernt. Sie hat mir nicht gesagt, dass sie jemanden hat. Es war nur ein One-Night-Stand und ich habe ihr von Anfang an gesagt, dass ich nichts Festes suche. Dich hat sie nicht erwähnt. Ich konnte es nicht wissen."

Der große Blonde kneift die Augen zusammen und obwohl ich ihn bisher für den größten Wichser hielt, empfinde ich Mitleid.

„Hör auf, zu reden", knurrt er, und ich seufze.

„Ich will damit nur sagen, dass es mir leidtut. Wissentlich hätte ich mich nie mit der Frau eines anderen eingelassen. Aber statt mich darauf anzusprechen, hast du mich ja direkt beleidigt."

„Ach komm, 'Häuptling' ist nicht mal ein Schimpfwort. Ich hatte einfach keinen Bock, deinen Namen in den Mund zu nehmen."

Zähneknirschend erwidere ich: „Erstens macht es das nicht weniger beleidigend und zweitens ist das Warum egal. Jemanden so anzusprechen, ist genauso respektlos wie SpongeBob oder Baby Yoda als dein 'Spirit Animal' zu bezeichnen."

„Das macht doch jeder. Den Spruch hab' ich schon x-Mal gehört."

„Ganz genau. Kulturelle Aneignung ist zum Kotzen."

„Jetzt mach mal halblang. Das ist doch nur Spaß. Man muss ja nicht alles auf die Goldwaage legen", entgegnet Wexley.

„So was sagen meistens nur Leute, die es nicht betrifft. Für viele indigene Völker sind Kraft- oder Totemtiere ein wichtiger Teil des Glaubens. Sie sind Geister, die Personen auf ihrer Reise begleiten oder sie beschützen. Außerdem teilen sie Eigenschaften dieser Person. Ich kann hier wirklich nur für mich sprechen, nicht für alle Ditidaht oder Mitglieder anderer Stämme, aber ich denke, die meisten empfinden so was als beleidigend."

Daraufhin lacht er - nicht bitter oder zynisch - ein echtes Lachen mit gekräuselten Augenwinkeln.

„Fuck, ich dachte ... keine Ahnung. Wir prügeln uns eine Runde, keifen uns ein wenig an und dann nimmst du die Beschwerde zurück, weil du dir aus Angst vor mir in die Hosen scheißt."

Ich grinse leicht, aber meine Augen bleiben ernst. „Das ist nicht meine Art. Wenn du denkst, dass du mich mit Gewalt einschüchtern kannst, hast du dich geirrt. Aber vielleicht können wir einen anderen Weg finden, um das Ganze zu klären."

Wexley bläst Luft durch seine Lippen. Die Vibration erzeugt ein Geräusch, das einem Pferdeschnauben gleichkommt. Dann lässt er die Arme schlaff zu den Seiten fallen.

„Zum Beispiel?"

Ich neige den Kopf.

„Wir nutzen unsere hochtrabende Ausbildung für etwas Sinnvolles, wenn wir gerade unsere Jobs nicht machen können."

„Hatte ich ohnehin vor. Die Levisays bezahlen mich ja", gibt Wexley zurück. „Aber ich will nicht lügen, wo auch immer die jüngere Levisay-Schwester gerade ist - ihre Spuren sind gut verwischt." Seufzend legt er sich die Hand in den Nacken. „Aber ich glaube, zusammen finden wir sie. Irgendwo muss sie ja sein."

„Positives Denken - gefällt mir", gebe ich zurück. „Könnte sein, dass wir das brauchen werden."

Wexleys Schneidezähne bohren sich in seine Unterlippe. „Was?", schieße ich hinterher.

„Und, was ist es dir wert, wenn ich mich mit dir zusammen tue?"

Meine Brauen klatschen meinen Haaransatz ab. Ich verschränke die Arme vor der Brust.

„Wenn man bedenkt, dass ich freiwillig helfe und du bezahlt wirst, sollte ich derjenige sein, der dich das fragt."

Wren wirft entnervt die Arme in die Luft.

„Ja, von mir aus, du hast recht. Aber es wäre echt, mega nett von dir, wenn du die Beschwerde zurückziehen könntest. Ich bin mir nicht zu schade, zu betteln. Also: bitte, Channing. Mit Sahnehäubchen und Kirsche obendrauf."

Beinahe ersticke ich an meiner eigenen Spucke. Wren hebt beschwichtigend ihre Arme in die Luft.

„Es tut mir leid, dass ich mich wie ein verdammter Wichser aufgeführt hab." Er knurrt. „Auch, wenn ich dich dafür hasse, dass meine Freundin für dich drei Jahre Beziehung mit mir aus dem Fenster geschmissen hat.

Ich mache Anstalten, ihm die Hand auf die Schulter zu legen, entscheide mich aber im letzten Moment dagegen. Wir sind keine Kumpels und dass seine Ex nicht mehr happy war und sich einen Typen - in dem Fall mich - aufreißt, obwohl sie noch mit einem anderen zusammen war, ist nicht meine Schuld. Ihm muss doch klar sein, dass ich das nicht wissen konnte.

Trotzdem fühle ich mich für den gequälten Ausdruck auf seinem Gesicht in gewisser Hinsicht verantwortlich.

„Okay, ich mach's." Seine Augen schießen zu meinen hoch. „Aber du hilfst mir mit Cynthia Levisay und- Ich hebe einen Zeigefinger in die Luft. „Du reißt dich in Zukunft zusammen, und hältst privates Streitigkeiten aus der Arbeit raus. Das kostet alles Zeit, die wir in unserem Job nicht haben. Ich sollte dir das nicht sagen müssen."

„Ist gut, ich hab's ja verstanden", erwidert er stöhnend. „Tut mir leid, okay? Es war daneben. Ich hab' einfach rotgesehen."

„Deine Wut kann ich nachvollziehen, trotzdem musst du dich zusammenreißen."

Er blickt zu Boden und tritt nach einem Kieselstein.

„Weiß ich doch. Ich bin nicht vollkommen hirnlos."

Den Kieselstein von eben kicke ich mit der Sohle meiner Wanderschuhe in seine Richtung zurück.

„Wie hast du erfahren, dass sie untreu gewesen ist? Hat sie dir von selbst davon erzählt?

Er schüttelt den Kopf, als unsere Blicke sich treffen.

„Beim Probeessen hat eine ihrer Freundinnen eine komische Bemerkung gemacht, also hab' ich Summer drauf angesprochen, was sie gemeint haben könnte." Er zuckt mit der Schulter. „Sie ist in Tränen ausgebrochen. Alles tat ihr furchtbar Leid und so weiter und so fort."

„Verstehe", sage ich, „du hast Schluss gemacht."

In einem langen Zug atmet er durch.

„Fehler passieren. Jeder zweifelt mal. Aber das ... Sie hätte es mir wahrscheinlich niemals von allein erzählt. Ich konnte ihr nicht mehr vertrauen. Das war mir sofort klar."

„Ich weiß, dass du das wahrscheinlich nicht hören willst", sage ich, und kann nicht mal mehr sagen, wann wir zum Du übergegangen sind, „aber es tut mir leid."

„Du hast recht, ich will es nicht hören. Aber danke." Er verzieht den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Jetzt kann ich auf jeden Fall Ablenkung gebrauchen."

„Wie wärs, wenn ich dir sage, was ich über Cynthias Verschwinden weiß und du sagst mir, was du inzwischen rausgefunden hast?"

Er streckt mir seine große Pranke entgegen.

„Abgemacht."

„Heute erwarten uns um die elf ein halb Kilometer, die wir größerenteils auf dem Strand zurücklegen werden. Also vergesst nicht, euch gut vor der Sonne zu schützen", erinnert uns Shawn noch einmal, bevor es losgeht. „Wir haben es jetzt neun Uhr. Das bedeutet, wir müssen das letzte Stück zum Carmanah Point aufgrund der Flut in den Wald ausweichen. Dafür können wir dann die übrigen neun Kilometer an der Küste entlangwandern."

Wir haben wirklich großes Glück mit dem Wetter. Der Himmel ist nahezu wolkenlos. Zudem weht mir eine milde Frühsommer-Brise um die Nase, während ich immer wieder Mallorys Seitenblicke auf mir spüre.

„Ich kann die Rädchen in deinem Kopf bis hier hin rattern hören, Peach."

„Können wir deinem Kollegen vertrauen? Die ganze Gesichte ist schon mehr als abenteuerlich."

Ich zucke mit den Schultern. Heute bin ich verspannt und meine Muskeln brennen bei jeder Bewegung. Trotzdem bemühe ich mich, keine Miene zu verziehen.

„Keine Ahnung. Er scheint ganz in Ordnung zu sein. Ich glaube, wir haben uns von Anfang an auf dem falschen Fuß erwischt." Als ich merke, dass Mallory Mühe hat, mit meinen langen Schritten mitzuhalten, werde ich langsamer. „Was hat er vorhin zu dir gesagt?"

Sie atmet geräuschvoll durch die Nase aus.

„Er hat sich dafür entschuldigt, dass er mir aufgelauert und mich betatscht hat. Ich hatte auch den Eindruck, dass er es ehrlich so meinte."

Ab betatscht rückt ihre Stimme in den Hintergrund. Mein Blickt schnippt zu Wexley, der zu seinem Glück nichts davon mitbekommen zu scheint. Mallorys Hand auf meinem Unterarm bringt mich wieder in den Moment zurück.

„Er hat eine Haarsträhne um seinen Finger gewickelt, Arch. Dafür musst du ihn nicht ermorden", scherzt sie und ich atme tief durch. Ohne diese zusätzliche Information hätte ich mir den Zweimeter-Mann vorgeknöpft.

„Sein Glück."

Am Strand passieren wir einen von der Brandung umspülten Felsen aus dunklem Gestein, der mich im Seitenprofil grob an die Große Sphinx von Gizeh erinnert. Mit dem Unterschied, dass es einem kleinen Baum trotz aller Widrigkeiten gelingt, auf dem Kopf des Felsgebildes zu überleben.

Mallory nimmt meine Hand, womit sie auch mich zum Anhalten zwingt, als sie stehenbleibt. Ihre Augenlider flattern nach unten.

„Was ist?", frage ich sie. Mit dem Daumen streichle ich über die zarte Haut ihres Kiefers.

„Denkst du, er nimmt seine Aufgabe ernst?"

„Na ja, Wexley meinte, er hat deine Eltern und die Mitbewohner deiner Schwester detailliert befragt und mit Shawns anderem Assistenten gesprochen. Und bevor er uns hier hergefolgt ist, hat er die Strecke von Gordon River nach Thrasher Cove nach Hinweisen und Spuren abgesucht." Ausdruckslos nickt Mallory, also spreche ich weiter. „Nachher wollen wir ..."

Die Worte sterben auf meiner Zunge, als ich sehe, dass sich unser Gesprächsthema soeben mit meinem Bruder unterhält. Mich durchströmt ein mulmiges Gefühl. Denn so wie Morgan das während unseres Telefonats formuliert hat, dürfte sich Hunter auch in Wexleys Augen im Kreis der Verdächtigen befinden. Von der Körpersprache her wirkt aber keiner der beiden Männer, als würde da gerade ein Verhör ablaufen.

„Arch?" Mallory drückt meine Hand, solange, bis mein Fokus wieder auf ihr liegt.

„Mh?"

„Manchmal scheinst du total weggetreten zu sein. Wenn du älter wärst, würde ich denken, du hast einen Schlaganfall."

Ich stupse ihre Schulter mit meiner an.

„Hey, darüber macht man keine Scherze. Manchmal drifte ich ab, das ist alles."

Mallory stellt sich auf die Zehenspitzen. Ihre Augen ruhen auf meinen Lippen und so beuge ich mich langsam zu ihr hinunter.

Der Kuss ist zart und neckend, als hätten wir alle Zeit der Welt. Nur sie schafft es, mich ebendiese Illusion glauben zu lassen. Denn wenn wir eines nicht haben, ist es Zeit.

„Ist mir aufgefallen. Auch, wenn ich dich nicht für einen Tagträumer gehalten hätte."

„Ja, ja. Mach dich nur lustig."

Schmunzelnd trällert Mallory: „Das werde ich, keine Sorge. Ich nehme meine Aufgabe sehr ernst."

Mit dem Finger fahre ich ihren Nasenrücken nach und zum ersten Mal in meinem Leben wünsche ich mir, dass mich diese Frau auch in vierzig Jahren noch so anschauen wird, als wäre ich der einzige Mann auf der Welt.

„Hey, Lovebirds", ruft Hunter dazwischen. Er winkt uns zu sich, als wir den Kopf in seine Richtung drehen. „Hier geht es lang." Über seine Schulter hinweg deutet er mit dem Daumen auf den Wald hinter sich.

„Kommen wir nicht bald am Carmanah Point Lighthouse vorbei?", fragt Gavin meinen Bruder gerade, als wir die Gruppe erreichen. Mir kommt das ungelegen, da ich mir Hunter gern geschnappt und über sein Gespräch mit Wren Wexley ausgequetscht hätte. Zumal ich dem großen Blonden noch immer ein wenig Misstrauen entgegenbringe.

Stattdessen rattert Hunter vor versammelter Mannschaft ein paar Fakten über die nächste Sehenswürdigkeit des Trails herunter.

„Ja genau, wir erreichen gleich die Halbzeitmarkierung. Von dort aus haben wir auch Zugang zum Carmanah Point Lighthouse." Kurz schnappt er nach Luft. „Es wurde in seiner ursprünglichen Form 1891 aus Holz errichtet. 1920 wurde der Leuchtturm aus Beton neu gebaut und ist nach wie vor in Betrieb. Wenn wir dort ankommen, haben wir insgesamt vierundvierzig Kilometer geschafft."

Nach einer Weile erreichen wir besagte Halbzeitmarkierung. Dabei handelt es sich um ein rot lackiertes Schild, welches der Optik nach aus Treibholz gefertigt wurde. Die weiße Aufschrift weist mit Pfeilen jeweils die Richtung nach Bamfield und Port Renfrew.

Den Strandzugang erreichen wir ungefähr einen Kilometer später. Unzählige Stämme Treibholz bedecken den Sand und wir müssen darüber klettern, bis am Waldrand das hölzerne Skelett von Chez Monique's aufragt, dem legendären Imbiss direkt am Meer.

„Für alle, die es nicht kennen: Das hier sind die Überbleibsel von Chez Monique's. Um die fünfundzwanzig Jahre haben Monique und ihr Mann Peter hier ausgehungerte Rucksacktouristen wie uns mit köstlichen Burgern, Getränken und Snacks versorgt", erklärt Shawn. „Begonnen hat alles mit einem durstigen Wanderer an einem heißen Tag. Er kam über die Leiter zum Strand hinunter und bot der Familie zehn Dollar für eine Cola. Daraus hat sich irgendwann ein kleines Restaurant entwickelt." Unser Gruppenleiter zieht sich an der Krempe das blau-weiße Basecap vom Kopf und fährt sich durch die kurzen Haare. „Ich wünschte, ihr hättet die beiden noch kennengelernt, weil sie wirklich ganz besondere Menschen waren. Leider ist 2018 erst Monique und kurz darauf auch Peter gestorben." Er atmet schwerfällig aus. „Ich habe gehört, dass die Tochter vorhat, das Erbe ihrer Eltern fortzuführen, aber wie ihr seht, ist ungewiss, ob es dazu kommen wird. Ich hoffe es, weil es das absolute Highlight jeder Wanderung für mich gewesen ist, seit ich diesen Job mache."

„Aber ...", mischt Hunter sich ein, „wir haben uns eine tolle Alternative überlegt. An unserem letzten Abend in Thrasher Cove kommt mein Kollege Connor aus Port Renfrew mit dem Boot rüber und bringt jedem von euch einen frisch gegrillten Burger und ein Getränk."

Als ich mich umsehe, bedeutet mir Wren mit einem seitlichen Kopfnicken, zu ihm zu kommen und mich damit ein Stück von der Gruppe zu entfernen.

„Denkst du dasselbe, was ich denke?", fragt er mich just in dem Moment, als ich ihn erreiche.

„Was denkst du denn?"

„Dass die Kleine längst nicht mehr hier im Nationalpark ist. Den anderen Mitarbeiter, der am letzten Abend die Burger gebracht hat, den müssen wir uns vornehmen."

Ich streiche mir eine Locke aus dem Gesicht.

„Hab' ich mir auch schon überlegt. Aber Connor Lovell hat Thrasher Cove erst verlassen, da war Cynthia schon verschwunden. Außerdem muss er das Motorgummiboot an den Strand gezogen haben. Es wäre definitiv jemandem aufgefallen, wenn da eine gefesselte Frau drin gelegen hätte."

„Und woher weißt du das alles?"

„Hat mir ein Vögelchen gezwitschert", kopiere ich seine Worte von heute Morgen.

„Das Vögelchen hieß nicht zufällig Morgan Mulligan?"

Ich grinse schief.

„Sie hilft mir in ihrer Freizeit und ohne ihre Position zu missbrauchen. Alles ganz legitim."

„Ist mir schon klar." Wren lässt die Schultern sinken. „Denkst du, ich rufe gleich ihren Chef an und scheiße sie an oder was?"

„Ach komm, heute früh wären wir uns fast an die Gurgel gegangen und jetzt sollen wir einander die Haare flechten und uns dabei unsere tiefsten Geheimnisse anvertrauen?"

Kopfschüttelnd lacht Wren.

„Auch wieder wahr." Dann räuspert er sich. „Sag mal, wusstest du, dass Cynthias Freunde Shawns Assistenten, Hunter Tuffin, zuletzt mit der Verschwundenen gesehen haben."

Stumm nicke ich.

„Also ... hast du ihn dazu befragt?"

Ich schüttle den Kopf.

„Und du?"

„Nope. Er hat sich vorhin nur bei mir erkundigt, ob ich mich euch anschließe." Wren zieht seine Unterlippe zwischen die Zähne. „Ihr zwei-"

„Wir sind Halbgeschwister", unterbreche ich ihn.

„Ah, deshalb war er mir gleich so sympathisch." Beim letzten Wort gestikuliert er Gänsefüßchen in die Luft und ich boxe seinen Oberarm. Hart.

„Autsch, Motherfu-" Ein scharfer Seitenblick meinerseits lässt ihn innehalten. Einmal mehr muss ich mir sein dämliches Lachen anhören. „Entspann dich. Das war nur Spaß."

„Willst du mich nicht fragen?", erkundige ich mich, als ich mich auf dem Weg nach Carmanah Creek hinter der Gruppe eingereiht habe.

„Dich was fragen?"

„Ob ich mit meinem Bruder gesprochen habe? Ob ich ihn für verdächtig halte?"

Als hätte er geahnt, dass wir über ihn reden, dreht Hunter sich mit zusammengezogenen Augenbrauen zu uns um. Wir sind zu weit voneinander entfernt, als dass er uns tatsächlich gehört haben kann. Ein erneuter Blick in unsere Richtung lässt ihn nervös auf mich wirken.

Ich wende mich wieder meinem Gesprächspartner zu und er tut dasselbe mit mir.

„Das muss ich nicht", erwidert er.

„Um Hunter kümmere ich mich."

Wren reibt sich einmal mit der Hand über das Gesicht. Ein ganzes Stück trotten wir schweigend nebeneinander her und waten barfuß durch den seichten, wenige Meter breiten Wasserlauf von Carmanah Creek.

Als ich meine Schuhe wieder anziehe, räuspert er sich schließlich und sagt: „Ich geb' dir bis morgen. Rede mit ihm, aber Archer ..." Mit erhobener Augenbraue mustere ich mein Gegenüber. „Wenn dein Bruder etwas verbrochen hat, werde ich dir nicht helfen, es zu vertuschen. Egal, was das für unsere andere Abmachung bedeutet."

„Das würde ich niemals verlangen und auch selbst nicht tun. Nur lass mich bitte zuerst mit ihm reden. Ich warte nur auf die passende Gelegenheit."

„Bis morgen Abend. Spätestens." Damit löst er sich aus unserer Zweiergruppe und lässt mich stehen.

Ich fühle mich wie durch den Fleischwolf gedreht, als wäre ich seit Beginn dieser Wanderung zehn Jahre gealtert.

Meine müden Füße tragen mich die zwei Kilometer nach Bonilla Creek, wo ich meine Trinkflasche am Wasserfall auffülle, der von einer bewaldeten Klippe in den Sand stürzt. Seine Ausmaße erreichen nicht annähernd die von Tsusiat Falls, was das Naturschauspiel nicht weniger beeindruckend macht.

Die Teilstrecke in Richtung Vancouver Point führt unsere Gruppe über ein felsiges Plateau, dessen Gestein aufgrund der Gezeiten ziemlich glitschig ist. Zudem sind von der letzten Flut im unebenen Untergrund mehrere Pfützen zurückgeblieben, in denen man nicht selten Anemonen und Einsiedlerkrebse findet. Ich rutsche mehrfach aus, aber dank meiner Wanderstöcke gelingt es mir, einem Sturz entgegenzuwirken.

Dann passieren wir die aufragenden Felswand von Vancouver Point und bald schon knirscht grober Kies unter unseren Füßen, als wir das letzte Stück nach Walbran zurücklegen.

„Wir haben dreiundfünfzig Kilometer in vier Tagen geschafft, Leute", ruft Shawn, als wir den Zeltplatz erreichen. Dabei streckt er einen seiner Wanderstöcke in die Luft.

Emmabelle, Astrid, Harlow und Gavin tun es ihm gleich und stoßen dabei unkoordinierte Siegeslaute aus, während ich nicht abgeneigt wäre, von einer Welle aufs offene Meer hinausgezogen zu werden.

Mallory mustert mich schweigend, so als wüsste sie, dass dieses Mal selbst sie mich nicht aus dem Loch befreien kann, in dem ich festsitze.

Fuck!

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