
CHAPTER 7- EVERYONE STRUGGLES WITH THEIR OWN PROBLEMS
SPRINGFIELD, PENNSYLVANIA, TOLD BY MIA
Nein, er war viel zu eitel, um so etwas zu machen, dachte ich und sah zu Oscar hinüber, der gerade dabei war, sein Hemd auf diverse Makel zu untersuchen.
Im Geschichtsunterricht, den ich gemeinsam mit Ana und Hanna hatte, betrachtete ich jeden einzelnen Schüler genauer, doch keiner fiel mir ein, der diese Briefe gesendet haben könnte.
Vielleicht hätten Meggie und Lucas ein Motiv dafür, immerhin standen wir seit Jahren bei Schulwettbewerben im Konkurrenzkampf, aber die meisten kannte man nur flüchtig.
Da in den Vereinigten Staaten jedes Jahr die Klassen neu gemischt wurden, kannte ich einige noch aus Kindheitstagen.
Jetzt, wo wir nur noch Kurse besuchten, hatte man noch weniger miteinander zu tun.
Ich machte mir Notizen zu jedem einzelnen, einfach um einen klaren Kopf zu behalten, auch wenn das meiste davon nicht wirklich aussagekräftig war.
CHUCK : reich, Aufreißer, Playboy, einer von Noahs neuen Freunden, Zwillingsbruder von Paxton, nicht gerade schlau, heißt eigentlich Nolan seit er 14 ist, nennen ihn alle nur noch Chuck (wohl ein Kosename, den er von irgendeinem seiner Trainer bekommen hat)
PAXTON : reich, Aufreißer, Playboy, einer von Noahs neuen Freunden, Zwillingsbruder von Chuck, nicht gerade schlau
MEGGIE : mit mir in der Theater AG, in keiner Beziehung, hat drei jüngere Schwestern, hochbegabt in den Sprachen, größte Konkurrenz in Wettkämpfen für mich (neben Lucas)
LUCAS : Nerd, mit mir im Debattierklub, in keiner Beziehung, Einzelkind, liebt seine Eltern abgöttisch, verwöhnt, eigenartig, komische Konversationen
CASSANDRA : Leiterin des Ball- Komitees, arbeitet im Café meiner Tante, liebt Kochen und Dekorieren
CALEB : lebt in einer Pflegefamilie, Schwarm von Riley? , adoptiert , häufig beim Nachsitzen, nett, hilfsbereit
DANIELLE : transsexuell, vorher Daniel, sozial, offen, arbeitet beim Krisentelefon
Weiter kam ich nicht, denn dann sagte Mr. Richard: ,,Mia, kannst du die Frage von Cassandra beantworten?"
Blitzschnell richtete ich meinen Kopf nach oben.
Ich war so mit den Notizen beschäftigt, dass ich kaum mehr zugehört hatte.
Verdammt! Jetzt fiel ich sogar bei den Lehrkräften wegen meiner nicht vorhanden Aufmerksamkeit auf! Das war alles nur die Schuld von diesen blöden Briefen.
,,Kannst du das vielleicht noch mal wiederholen? Es tut mir wirklich leid", krächzte ich und verstecke meinen College Block schnell unter meinem Geschichtshefter.
,,Ja, natürlich. Ich wollte nur wissen, ob du es wie Lucas genau so siehst, dass der Versailler Vertrag nicht von Deutschland hätte angenommen werden sollen und es so vielleicht nie zum Zweiten Weltkrieg gekommen wäre?"
Lucas sah mich schelmisch an.
Wahrscheinlich dachte er, dass er damit schon gewonnen hatte, dass er besser war als ich.
Über den Ersten Weltkrieg hatte ich erst eine Dokumentation geschaut und auch so kannte ich mich bestens mit diesem Thema aus. Das war aber auch den vielen Deutschlandurlauben geschuldet.
Lucas musste es mir andauernd unter die Nase reiben, dass er unsere Schule dieses Jahr beim Geschichtswettbewerb vertreten durfte.
,,Um ehrlich zu sein, bin ich anderer Meinung als Lucas. Auch wenn der Vertrag, den Deutschland gezwungenermaßen unterschreiben musste, von den Gewinnernationen sehr geschickt und weniger fair war, hatten sie aus meiner Sicht keine andere Wahl. Das Land war bereits nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten 1917 stark geschwächt und hätten sie den Vertrag nicht unterschrieben, wäre der Krieg fortgeführt worden und die Bevölkerung Deutschlands wahrscheinlich in sich zusammengebrochen. Sie mussten ihn unterschreiben, auch wenn das ein Schandfrieden war, wie die Deutschen ihn damals bezeichneten. Damals wussten sie auch noch nicht, dass gewissermaßen aus dieser Unzufriedenheit der Weg für den Zweiten Weltkrieg geebnet wurde. Auch wenn die ,Appeacement Politik' noch versagen würde, war durch den Vertrag immerhin für ungefähr 20 Jahre Frieden. Ich hätte wahrscheinlich genauso gehandelt. Gute Politiker handeln nach dem Wohlergehen ihres Landes und ihrer Untertanen und nicht nach ihrem Ansehen. So tat es Lincoln und so tat es die damalige deutsche Regierung. Sie konnten ja schlecht ahnen, dass sich aus der Demokratie und der Weimarer Republik eine Diktatur entwickeln würden."
,,Vielen Dank, Mia. Das war sehr interessant und du hast deine Ansicht sehr gut rübergebracht. Bis zur nächsten Stunde bereitet bitte jeder von euch ein Schaubild zu seinen Ansichten dieser Problemfrage vor", beendete Mr. Richard die Stunde.
,,Du hast es Lucas aber ganz schön gezeigt", sagte Ana ein paar Augenblicke später, während ich meinen Block mit den Notizen einpackte.
,,Ja, kann man wohl sagen." ,,Du solltest unsere Schule bei diesem Wettkampf vertreten und nicht er", sagte Hanna.
Ich zuckte mit den Schultern. ,,Tja, Mr. Richard will ihn nach Philly schicken."
Lucas sah mich an und verließ das Klassenzimmer mit einem Gesichtsausdruck, der mir sagte, dass er gleich zusammenbrechen würde.
Ich seufzte.
Irgendwie spürte ich, dass ich Lucas jetzt nicht ignorieren konnte.
War ich zu weit gegangen?
,,Geht ruhig schon mal vor. Ich muss noch was klären", meinte ich zu Ana und Hanna und lief Lucas so schnell ich konnte hinterher, was bei den Schülermassen aber alles andere als einfach war.
Ich kam völlig verschwitzt auf dem Schulhof an und hielt nach Lucas Ausschau.
Er hatte sich in einer der hinteren Ecken des Schulhofes hingesetzt, weit weg von den anderen.
Irgendwie tat er mir leid.
Er hatte keine Freunde und eine kleine Persönlichkeitsstörung. Ich wusste wie emotional und sensibel er war. Bei diesen Wettkampftagen und Reisen lernte man sich wirklich gut kennen.
,,Hey", sagte ich und setzte mich neben ihn ins Gras.
,,Was willst du hier? Mich noch mehr demütigen? Hätte ja nur noch gefehlt, dass du gleich an die Tafel geschrieben hättest, wie viel besser du bist", fragte er und fuhr sich durch seine schwarzen Haare.
,,Nein, ich möchte mich entschuldigen." ,,Ach ja?", fragte er ironisch und sah mir dabei in die Augen.
Ich strich mit meinen Fingern durch das frische Gras und wandte meinen Blick in seine Richtung: ,,Ja, es ist nur so, dass wir seit der 7. Klasse mit Meggie ununterbrochen im Konkurrenzkampf stehen. Das strengt einen extrem an. Was du gesagt hast, war auch gut und ich kann deine Ansicht auch nachvollziehen." ,,Ja, aber deins war wie immer besser", gab er zurück und wirkte dabei immer noch beleidigt.
Ich überlegte, was ich noch sagen sollte, damit es ihm besser ging.
,,Aber doch nur in Geschichte. Und auch dort gibt es zu jeder Problemfrage verschiedene Ansichten. Ich wäre damals nicht gerne Politiker in Deutschland gewesen. Und in Physik und Chemie bist du hier der Meister und wirst es immer sein." ,,Als Schwarzer hat man es in diesem Land eh schwieriger", murmelte er. ,,Hey, jetzt fang nicht damit an! Du weißt, dass ich Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe beurteile", schimpfte ich und legte dabei meinen Kopf schräg. ,,Du hast ja Recht. Ich versuche nur einen Grund zu suchen, warum ich dich hassen sollte."
Für einen Moment sah er mich an, dann guckte er wieder weg in Richtung des Sportplatzes.
Was meinte er mit einem Grund mich zu hassen?
,,Wie kann dein Leben nur so perfekt sein? Du bist mit einem der beliebtesten Jungen zusammen, bist unfassbar schlau, hast Freunde, die dich in allem unterstützten und eine tolle Familie." ,,Glaub mir, mein Leben ist noch lange nicht perfekt", antwortete ich mit einem sarkastischen Unterton in meiner Stimme.
,,Nenn mir eine Sache, die bei dir schief läuft", meinte Lucas daraufhin und sah mir dabei tief in die Augen.
,,Okay, gerne. Also erst einmal habe ich höllische Angst davor, dass die eine noch funktionierende Niere meine Schwester auch versagt. Sie hat seit ihrer Geburt eine beidseitige multizyklische Nierendysplasie, also eine Fehlentwicklung des Organs. Sie hat einen negativen Verlauf und muss zur Dialyse, weil die eine sehr stark betroffene Niere schon entfernt wurde." ,,Das tut mir leid", sagte Lucas. ,,Wirklich, das wusste ich nicht." ,,Ja, und bitte posaune es nicht überall rum. Sie will normal behandelt werden und wir beide haben es soviel besser als sie." ,,Verstehe ich und du weißt, dass ich niemand bin, der Tratsch verbreitet."
Ich sah zu Noah, wie er mit einer Zehntklässlerin rumknutschte.
Ich hatte Recht gehabt. Mein Bruder schnappte sich nach Natalia gleich wieder die nächste. Vor allem störte mich aber, dass sie gerade mal 16 war.
Am liebsten hätte ich ihm wieder meine Meinung gegeigt, doch ich hatte beschlossen, mich aus Liebensangelegenheiten meines Bruder rauszuhalten.
,,Dann habe ich einen Bruder, der zu einem dieser Bad Boys geworden ist und ich mich freue, wenn er endlich aufs College geht, was ich vor zwei Jahren niemals gedacht hätte und ich mir einfach diese Bruder-Schwester-Beziehung von damals zurückwünsche", meinte ich und nickte zur anderen Seite des Sportplatzes.
Lucas verfolgte meinen Blick und runzelte die Stirn.
,,Außerdem habe ich Angst, dass ich nach der Schule meinen Traum nicht verwirklichen kann und das alles hier umsonst ist. Ich habe noch kein Stipendium bekommen, im Gegensatz zu dir und Meggie." ,,Du schaffst das doch locker Journalistin zu werden. Ich meine du hast doch in den Sommerferien wieder einen Praktikumsplatz und die College Vorbereitungstage kommen schon noch und dann erhältst auch du eins. Wer dich nicht will, der ist echt dumm." ,,Ich hoffe es, denn die Zukunft jagt mir schon jetzt eine Riesenangst ein."
Es entstand eine kurze Pause, in der weder er noch ich etwas sagten.
,,Ich rede nochmal mit Mr. Richard. Du solltest beim Geschichtswettbewerb unsere Schule vertreten und nicht ich. Du verdienst es mehr und ich habe schon ein Stipendium für meine Wunsch-Uni", gab Lucas schließlich von sich.
Diese hilfsbereite und selbstlose Seite kannte ich noch gar nicht an ihm.
,,Du musst mir wirklich nicht helfen, aber trotzdem danke für deine Hilfe. Na gut, ich sollte jetzt los", erwiderte ich.
Liam winkte mir vom Sportplatz aus zu.
Er hatte also gesehen, dass ich Julie nicht mit Spanisch half.
Sein Blick sah verwundert aus.
,,Wir sehen uns am Donnerstag beim Debattierklub", sagte ich schnell und stand auf.
,,Warte", sagte er und hielt meine Hand fest.
Er sah mich an und dann zog er mich näher zu sich.
Und plötzlich lagen Lucas Lippen auf meinen ...
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