
CHAPTER 48- EXPLAINING
SPRINGFIELD, PENNSYLVANIA, TOLD BY MIA
Mein Jumpsuit war triefend nass, als ich auf die Garage von Liams Haus zusteuerte.
Das Garagentor stand von unten einen Spalt weit offen.
Ich hörte, wie Liam auf seiner Gitarre eine sanfte Abfolge von G-Dur, C-Dur und A-Dur Akkorden spielte.
Einen kurzen Moment lauschte ich einfach nur.
Seine Stimme war so wunderschön und entspannend.
Sie war eine Stimme, die man nicht einfach wieder vergaß.
,,Das hört sich sehr schön an", sagte ich schließlich und betrat die Garage möglichst schnell, da ich mir nicht weiter Gedanken über das bevorstehende Gespräch machen wollte.
,,Oh hey, Mia. Danke, das haben wir gestern mit der Band geprobt. Schön, dass du wieder da bist", sagte er und umarmte mich mit einem anschließenden Kuss.
,,Gott, du bist ja klatschnass! Ich hole dir schnell was zum Abtrocknen von drinnen", ergänzte er und lief zurück ins Haus.
Ich sah ihm noch nach und versuchte mir einzureden, dass egal, was passieren würde, Liam immer bei mir bleiben würde.
Auch wenn er ,,mich" in der Zukunft nach der Fehlgeburt verlassen hatte, konnte das nicht der ,,Liam" sein, den ich kannte.
Mein Blick wanderte durch die Garage, mit der ich so viele schöne Erinnerungen verband.
Unter anderem hatten wir hier vor einer Woche unsere zweite gemeinsame Nacht verbracht.
Bei dem Gedanken daran, holte mich auch wieder meine Befürchtung ein, dass ich schwanger sein könnte.
Ich versuchte mich zu beruhigen und bemerkte stattdessen, dass Liam wieder kam.
,,Einatmen, ausatmen", flüsterte ich mir selbst zu, bevor er wieder in der Garage stand und mir das Handtuch reichte.
,,Danke", sagte ich und nahm es entgegen.
Liam setzte sich auf den Hocker zurück und fuhr sich durch seine hellbraunen Haare.
Er überlegte kurz, was er sagen sollte.
Zum Glück war Liam aber ein Mensch, der sehr schnell auf den Punkt kam.
,,Meine Grandma hat gestern angerufen. Sie war ziemlich aufgewühlt und konnte es kaum fassen, dass du noch nicht mit mir geredet hast. Sie meinte, dass du einen Schwangerschaftstest gekauft hast. Stimmt das?" ,,Ja, und ... ", antwortete ich, als ich realisierte, dass es wirklich Liams Grandma im Jahr 2014 in dieser Drogerie in Toronto gewesen sein musste.
Wie konnte sie ihm sonst davon erzählt haben?
,,Warte, bevor du etwas sagst", unterbrach er mich glücklicherweise in diesem Moment, bevor ich mir noch mehr auch noch darüber den Kopf zerbrechen konnte und griff nach meinen Händen.
,,Ich will, dass du eins weißt. Ich bin für dich da. Du bist das Beste, was mir passieren konnte und wenn du schwanger bist, dann unterstützte ich dich, wo ich nur kann."
Tränen stiegen in meine Augen. Liam nahm mich in den Arm.
,,Ich will das doch alles nicht", sagte ich und vergrub mein Gesicht in seiner Schulter.
,,Alles ist gut, Mia. Ich bin für dich da. Welches Ergebnis hatte der Test denn? Meine Grandma wollte sich eigentlich gar nicht einmischen, meinte aber, dass wir unbedingt reden sollten, bevor du alleine irgendetwas vorschnell entscheidest."
Dabei umfasste er mich fest, sodass ich mich sehr geborgen fühlte.
Es war schön zu wissen, dass ich bei jemanden Halt finden konnte.
Ich wusste nicht, ob es gut war, dass Elenoir so sehr in die Beziehung ihres Enkelsohnes eingriff, zumal ich es Liam auch gesagt hätte. Aber ich war irgendwie auch froh, dass sie mir diesen schweren Part abgenommen hatte.
,,Der erste Test war positiv und der zweite negativ", gab ich zurück.
,,Okay und was bedeutet das?" ,,Das bedeutet, dass ich noch nicht weiß, ob ich schwanger bin. Ich weiß nur, dass meine Periode ausgeblieben ist und daher habe ich einen Termin bei meiner Gynäkologin vereinbart, so dass wir dann Klarheit haben." ,,Dann komme ich mit", sagte Liam augenblicklich.
Ich sah ihn an und legte meine Kopf schief: ,,Das musst du wirklich nicht. Das ist nicht gerade schön dort." ,,Das will ich aber. Ich möchte für dich da sein und das versuche ich in jedem Moment, seit wir uns begegnet sind."
Ich sah in seine Augen.
Jeder Zweifel, den ich vor diesem Gespräch gehabt hatte, verschwand ganz plötzlich.
Liam war der mit Abstand beste Mensch auf dieser Welt.
,,Das bedeutet mir viel, sogar sehr viel!"
Ich umfasste seine Wange und blickte tief in seine vertrauenswürdigen Augen. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn.
,,Aber du fühlst dich immer noch gut. Keine Übelkeit oder so?" ,,Nein, alles gut. Es ist wahrscheinlich nur die Hitze, die mir etwas zu schaffen macht", lachte ich. ,,Okay, das ist toll."
Er setzte sich auf und drehte sich noch etwas mehr in meine Richtung: ,,Dann kommen wir jetzt dazu, warum du in Toronto warst."
Ich seufzte, weil ich genau wusste, dass das Eine nun gezwungenermaßen zum Anderen führen musste.
,,Das kann ich dir wirklich nicht sagen", sagte ich und rubbelte mir meine Haare mit dem Handtuch trocken, um ihn möglichst etwas abzulenken.
Liam legte aber stattdessen seine Hand auf meine Wange: ,,Mia, ein Stipendium willst du da bestimmt nicht bekommen. Ich kenne dich. Du willst nach ,Harvard', ,Yale' oder an die ,Columbia' aber doch nicht nach Kanada."
Ich drehte mich weg.
Ich konnte ihm nicht in die Augen schauen, ich konnte ihn einfach nicht anlügen.
,,Mia, du weißt, dass Ehrlichkeit das Wichtigste für mich ist." ,,Ja, aber das geht nicht." ,,Warum?" ,,Weil es nicht Realität werden darf und wenn ich es dir sage, dann wird es das vielleicht." ,,Mia, rede mit mir!"
Ich hatte Tränen in den Augen.
Ich hatte es noch niemandem erzählt.
Nur mit Ana, Riley und Julie konnte ich darüber reden.
Aber ich konnte Liam nicht noch länger anlügen, nicht nachdem was in den letzten drei Tagen alles passiert war.
Was hättet ihr an Mias Stelle gemacht? Hättet ihr Liam die Wahrheit gesagt?
,,Du musst mir aber versprechen, dass du dich, nachdem ich dir das gesagt habe, nicht änderst. Bleibe einfach der Liam, den ich so liebe."
Er nickte: ,,Das sollte ich schon hinkriegen. Jetzt sag schon, Mia. Ich mache mir echt Sorgen. Du bist die ganzen letzten Wochen schon so anders."
Ich atmete tief ein und wieder aus.
Ich hatte keine Ahnung, wo genau ich anfangen sollte.
Bei den Briefen? Bei der Unterrichtsstunde von Mrs. Baker? Bei Lydia Cunningham?
,,Also, die erste Sache habe ich dir noch nicht erzählt, weil es vorbei war, bevor wir uns überhaupt richtig kennenlernten und ich es eigentlich nur noch verdrängen wollte", meinte ich schließlich und entschied mich das Kapitel Lydia so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
Immerhin war sie ein wichtiger und für Liam ein unbekannter Teil meiner Vergangenheit.
Bevor ich also über die Zukunft reden konnte, musste ich das loswerden.
,,Als wir in der 7. Klasse waren, freundeten An, Ri, Jul und ich uns mit einem Mädchen namens Lydia an. Sie war damals echt toll und schon immer etwas eigen, aber nach zwei Jahren änderte sie sich komplett. Wir waren ihr nicht mehr genug. Sie wollte zu der ,High Society' dazugehören. Sie sagte, dass uns eh jeder vergessen würde und wir jetzt handeln müssten, wenn wir nicht als Spießer enden wollten. Sie ... "
Ich stockte.
Über Lydia zu sprechen, war nicht gerade einfach.
Ich war froh, dass ich mit Liam erst zusammen kam, als sie schon von der Bildfläche verschwunden war.
,,Sie wollte, dass jede von uns mit einem dieser Typen schlafen sollte. Also, dass wir uns dort quasi reinschlafen, so ihre Worte. Lydia wollte, dass wir Drogen nehmen, rauchen und Alkohol trinken. Sie wurde von Tag zu Tag unverschämter. Einen Tag im Winter 2012 wollte Lydia, dass wir den Jungs der Clique Drogen zustecken. Wir liefen den ganzen Tag mit Joints in unseren Taschen rum. Ich bin darauf nicht stolz, aber als 14-jähriges, naives Mädchen ist es schwer, wenn einer dir sagt, dass du nicht genug bist und dann tust du solche Sachen", fuhr ich fort und ärgerte mich immer noch darüber, dass mich nun nicht mehr nur meine Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch durch ihr Erscheinen in Springfield meine Zukunft beeinflusste.
,,Ihr habt das doch aber nicht wirklich gemacht, oder?", fragte mich Liam entsetzt.
,,Nein, Gott nein. Das sollte ein Freundschaftsbeweis sein. Ihre Schwester hat uns die Drogen abgenommen und den Jungs dann zugesteckt. Lydia sagte uns, dass wir den Freundschaftsbeweis bestanden hätten, aber es fühlte sich einfach nur falsch an. Dan hatte eine Überdosis genommen und musste die Schule verlassen", klärte ich schnell auf.
,,An den Abend kann ich mich auch noch erinnern. Das war doch aber nicht eure Schuld. Ihr habt ja nichts gemacht. Der hatte doch vorher schon Probleme", antwortete mir mein Freund.
,,Ja, aber sie hätte uns fast dazu gebracht. Sie war völlig außer Kontrolle. Sie küsste Dan an diesem Abend, obwohl sie wusste, dass ich damals verknallt in ihn war, sie versuchte Julies Outing zu verhindern, sie freundete sich mit Rileys Stiefschwester an und stahl Anas Geld, um denen zu zeigen, wie reich sie doch anscheinend war. Sie hatte keinen guten Einfluss auf keine von uns mehr. Sie war manipulativ und wir wollten das nicht mehr. Nach diesem Abend distanzierten wir uns immer mehr von ihr, doch dann im Juni haute sie plötzlich nach North Carolina ab ohne eine Vorwarnung. Wir lebten weiter und jetzt ist sie auf einmal wieder hier."
Ich setzte mich zu Liam auf den Hocker neben ihn.
,,Aber das hättest du mir ruhig erzählen können. Jetzt seid ihr stärker als damals und ihr habt uns und eure eigene Clique. Außerdem hast du mich."
Liam küsste meine Hand.
,,Ich weiß, trotzdem war es nicht gerade leicht sie wieder zu sehen. Sie hat sich entschuldigt und uns erzählt, dass sie wohl eine bipolare Störung hat. Erzähl es aber keinem, sonst zeigt sie wieder ihre andere Seite, wenn das die Runde macht." ,,Nein, mache ich nicht. Dann habt ihr ja immerhin eine Erklärung für damals", gab er zurück und und legte seinen Arm um mich.
,,Na ja, wir sind uns noch nicht wirklich sicher, ob wir ihr das glauben sollten. Früher hat sie ständig auf krank getan, obwohl sie es gar nicht war. Sie hatte eine Reihe von Beautyeingriffen und irgendetwas an ihr hat sich geändert. Man erkennt den Unterschied zwischen ihr und ihrer Zwillingsschwester nicht mehr." ,,Wisst ihr denn, warum sie auf einmal abgehauen ist?", fragte er mich nun wieder und legte seine Hand auf meinem Knie ab.
,,Ja, sie war von Mr. Richard schwanger", sagte ich schnell und riss somit das Pflaster innerhalb einer Sekunde ab.
,,Was? Unserem Mr. Richard?"
Die Reaktion darauf war wohl bei allen gleich.
,,Ja, sie hatten eine Affäre. Das haben wir im Abend in dem Club gehört, als wir auf der Toilette waren." ,,Wow, das ist einfach ... wow." ,,Ich weiß."
Einen Moment lang sagten wir nichts.
Liam war sichtlich von der Mr. Richard Neuigkeit geschockt.
Irgendwie bereute ich es, ihn eingeweiht zu haben.
Ich wollte nicht, dass er Probleme mit Lehrern bekam.
,,Aber warum warst du jetzt in Toronto? Wo ist der Zusammenhang?", fragte er mich und gab mir seine Jacke. Ich legte sie mir über die Schultern.
Und dann erzählte ich Liam alles, angefangen bei den Briefen und Flugtickets, der Vorwarnung an Riley bis zu dem, was ich in Toronto tatsächlich gesehen und erlebt hatte.
,,Tut mir leid, das war alles so emotional", schluchzte ich, nachdem ich zu dem Part mit Emma und der Verschlechterung ihrer Nierenfunktion gekommen war.
,,Ich bin für dich da, denn genau dafür hat man einen Partner. Wenn es dem einen mal schlechter geht, ist der andere für einen da." ,,Danke", sagte ich und atmete einmal tief ein und aus.
,,Alles wird gut, Mia. Emma schafft das", meinte Liam und drückte mich noch fester.
,,Sie ist ein starkes Mädchen. Das sagst du doch selbst immer." ,,Ich weiß." ,,Und noch habt ihr die Ergebnisse auch gar nicht. Vielleicht ist das alles nur ein Missverständnis." ,,Ich wünsche mir wirklich, dass das nicht wahr ist."
Schließlich zeigte ich ihm alle Nachrichten, die ich erhalten hatte und die Aufnahmen der letzten drei Tage.
,,Das ist ... wow", meinte er, stand auf und lief in der Garage hin und her.
Es hatte mich eigentlich schon verwundert, dass er das nicht schon längst, nach der Mr. Richard und Lydia Sache getan hatte.
,,Wie ist so etwas möglich?", fragte er mich verwundert.
,,Ich weiß es nicht. Glaub mir, ich habe alle möglichen Theorien durchdacht, doch nichts ist plausibel." ,,Wenn sogar du auf etwas keine Antwort hast ... "
Er setzte sich wieder.
,,Ich weiß", sagte ich. ,,Du warst übrigens in Julies Zukunft kurz präsent. Hier, das Video hat sie mir geschickt. Das war in irgendeinem Pub in Vegas." ,,Also können wir einfach in die Zukunft reisen?", fragte er irritiert.
Ich zuckte mit den Schultern: ,,Vor drei Tagen hätte ich das auch nicht gedacht, aber ich konnte im Jahr 2029 unter anderen auch mit dir im Jahr 2014 kommunizieren. Ich habe keinen Schimmer, wie das möglich ist, aber mit deiner Grandma hat es ja auch geklappt." ,,Okay, das ist echt verrückt und ich sehe ja echt scheiße aus."
Ich lachte: ,,Leider kann ich dem nur zustimmen", sagte ich, als mein Handy vibrierte.
MOM: Hey Süße, Abendessen ist gleich fertig.
,,Ich sollte dann mal los. Das Abendessen wartet bei uns zu Hause." ,,Ja, mach das."
Liam öffnete das Garagentor. ,,Ich liebe dich Mia und nichts könnte daran je etwas ändern." ,,Ich weiß. Bei mir auch nicht."
Ich gab ihm zum Abschied einen Kuss.
Der Regen hatte aufgehört.
Ich steckte meine Kopfhörer in meine Ohren und begann eine Elvis Playlist von Liam zu hören, um das, was passiert war, für einen Moment zu vergessen.
TEN MINUTES LATER ...
,,Da bist du ja wieder!", sagte mein Dad und nahm mich in den Arm, nachdem ich die Haustür hinter mir schloss.
Meine Mom deckte gerade alle Teller auf den Esstisch und nahm mich kurze Zeit später ebenfalls in den Arm.
Als ich in die Küche kam, saß überraschenderweise auch Noah auf seinem Platz.
Die letzten Abende war er meistens bei Freunden geblieben.
Ich versuchte mich zusammenzureißen und setzte mich, auch wenn ich noch nie so wütend auf jemanden war.
Er hatte es sogar geschafft, dass ich ihn durch dieses Einmischen mehr verabscheute als Lydia Cunningham.
,,Na, dann erzähl mal von New York", meinte mein Dad und tat mir dabei etwas von der Lasagne auf.
,,Es war echt toll. Das Apartment von Rileys Cousin hatte diesen klassischen New York Style an sich." ,,Ach ja?", fragte mein Dad.
,,Ja, überall hingen New York Accessoires", erzählte ich und dass obwohl wir in der Wohnung von Rileys Cousin nicht mal eine halbe Stunde verbracht hatten.
,,Wir sind auf jeden Fall froh, dass du wieder da bist. Immerhin geht es in zehn Tagen für Noah schon auf College nach Philadelphia. Wir müssen die letzte Familienzeit noch genießen."
Als ich die Worte meiner Mom hörte, wurde mir bewusst, dass das vielleicht der letzte Abend war, an dem wir so zusammensitzen würden.
Morgen würde Emma ihre Untersuchungsergebnisse bekommen und Noah würde zum College gehen.
Ich wollte nicht, dass diese Zeit aufhörte, so sehr ich Noah in diesem Moment auch verabscheute.
,,Wir wollen uns morgen nach Emmas Arztbesuch noch mit Grandma, Grandpa und Charlie treffen. Euer Cousin und seine Freundin sind auch heute schon angekommen." ,,Ist gut", sagte Noah.
In meinem Magen drehte sich etwas um.
Ich wollte diesen Moment einfrieren, so kompliziert und schmerzhaft er auch war, nur ging das leider nicht ...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro