Jungkook bemerkte mich nicht. Mehrmals blickte ich nach hinten, ob er vielleicht verfolgt wurde, aber nein, niemand lief hinter ihm her. Was machte Jungkook um diese Zeit noch hier auf den Straßen? Und wieso rannte er so schnell, als wäre der Teufel hinter ihm?

Ich bemerkte, dass er ein wenig humpelte. Allgemein sah es von hinten so aus. als wäre er verletzt. Er wurde immer langsamer. Ich passte mich seinem Tempo an. Etwa 10 Minuten joggte ich still hinter ihm her, bis ich auf einmal feststellte, dass er verschwunden war. Was zum.. da sah man einmal nicht hin, und dann war er weg.

Ich fand ihn schließlich, wie er in einer Nebengasse an die Wand gelehnt saß und anscheinend große Schmerzen hatte. Er fluchte die ganze Zeit.

"J-Jungkook?" fragte ich schließlich vorsichtig. Erschrocken blickte er auf und zuckte zusammen. "W-was machst d-du denn hier?" stotterte er.

Ich trat ein wenig näher an ihn heran. Er sah mich mit einem ängstlichen Blick an. "Ich habe gesehen wie du gerannt bist, und bin dir hinterher gelaufen. Ist alles..oh."

Erst jetzt sah ich sein Gesicht. Es sah schrecklich aus. Er blutete an der Lippe, außerdem war sein Auge rot angeschwollen. Als wäre er verprügelt worden.

"Was ist denn mit dir passiert??"fragte ich erschrocken. Jungkook drehte sich weg. "Ich..bin gestolpert, nichts weiter."

"Vom Stolpern sieht man aber nicht so aus." sagte ich sanft und hockte mich vor ihn. "Was ist denn wirklich passiert?"

Er fauchte: "Geh einfach weg! Es geht dich nichts an!" Er überlegte kurz. "Außer... kannst du mir Pflaster an der Tankstelle da vorne kaufen?"

Ich nickte. "Wenn du mir versprichst, nicht abzuhauen." Darauf erwiderte er nichts.

Ich stand auf und lief über die Straße zu der Tankstelle, die Jungkook meinte. Ob seine Verletzungen wohl von anderen Jugendlichen stammten? Aber was hatte er dann um diese Zeit überhaupt noch in der Stadt gemacht? Wieso konnte ich nicht einfach Gedanken lesen??

Der Verkäufer sah mich nur verwirrt an, als ich einen erste-Hilfe-Kasten auf den Verkaufstisch legte. Seufzend gab ich ihm mein letztes Geld.

Jungkook war tatsächlich noch da. "Hier." sagte ich. "D-Danke." murmelte er verlegen. "Kannst du jetzt gehen? Bitte?"

"Ich weiß nicht...kriegst du das denn allein hin?" wollte ich wissen. "Ja, und jetzt verschwinde." fauchte er wieder.

Ganz wohl dabei, ihn allein zu lassen, fühlte ich mich nicht, aber ich konnte ich ja auch nicht zwingen. Also stand ich auf und ging.

Mich durchlöcherten tausende Fragen. Was war nur sein Geheimnis? War es richtig, ihn so verletzt allein zu lassen?

Plötzlich erblickte ich an einer Ampel ein Plakat.

"VERMISST" stand dort in Großbuchstaben. Es handelte sich um einen Jugendlichen, der scheinbar seit einigen Tagen verschwunden war.

Ich war so ein Idiot. Was ließ ich Jungkook auch in so einer großen Stadt verletzt allein? Ihm könnte sonst etwas passieren! Solche Vermisstenanzeigen waren in dieser Stadt keine Seltenheit. Ich drehte um und rannte zurück zu Jungkook.