Kapitel 14
Ich quetschte schnell noch das letzte T-Shirt in den Koffer, klappte dann den Deckel zu, setzte mich drauf und verschloss ihn. Trotz der Tatsache, dass er von innen etwas größer war, als er von außen aussah, hatte ich Probleme alles hinein zukriegen. Neben den ganzen Uniformen, Kleidern und den normalen Kleidungstücken mussten ja auch noch Bücher und die anderen Schulutensilien hinein.
Als ich den Koffer die Treppe hinunter schleifte stellte ich mir zwei Fragen während mir der Koffer auf den Fuß fiel. Warum musste ich immer alles auf den letzten Drücker machen und warum war dieser Koffer so verdammt schwer?
Ich hatte erst nach dem Frühstück gemerkt, dass der Koffer, den Kalia mir geliehen hatte, noch komplett leer in meinem Zimmer stand und wir schon in zwei Stunden los mussten. Wie jedes Mal, wenn ich meinen Koffer packte fragte ich mich, wie ich es immer schaffte meine ganzen Sachen im kompletten Haus zu verteilen. Ständig musste ich hin und her rennen, weil mir auffiel, dass ich schon wieder etwas vergessen hatte.
Alle meine Sachen aus England musste ich leider hier lassen, auch mein Buch. Dafür hatten mir die Zwillinge ein paar ihrer Bücher geliehen, damit ich trotzdem etwas zum Lesen hatte.
Als ich unten ankam sah ich, dass mir noch zehn Minuten blieben, bis wir los mussten. Ich stellte den Koffer neben die Tür und lies mich ein letztes Mal in den Hängekorbsessel fallen. Während ich mir meinen schmerzenden Fuß rieb kam Kalia ins Wohnzimmer. Die letzten Wochen waren wie im Flug vergangen und ich hatte die Tage gezählt, bis es endlich losging. Ein bisschen hatte ich auch mal in die Schulbücher rein gesehen, was ich sonst eigentlich nie tat. Ich hoffte einfach, dass das was ich wusste als Grundwissen reichen würde.
Dann fiel mir plötzlich etwas ein, was ich schon viel früher hätte Fragen sollen, »Kalia, wie komme ich eigentlich zur Akademie und wo genau ist sie?« Ich wusste ja nur, dass wir zum Nordhafen mussten, aber ich ging nicht davon aus, dass dort auch die Akademie war.
Überrascht sah sie mich an »Ihr fahrt mit einem Schiff zur Akademie, aber wo sie liegt weiß niemand außer der Schulleitung selbst. Das einzige, das ich weiß ist, dass sie auf einer Insel mitten auf dem Meer oder Ozean liegt.«
Jetzt war ich verwirrt, »Aber wenn ihr hinfahrt musst du doch ungefähr wissen, wo ihr lang fahrt.«
»Nein, eigentlich nicht. Um die Academy zu schützen ist sie weit entfernt von Festland und selbst auf ihr kann man nur an wenigen Orten springen. Am Nordhafen steigen alle Schüler in ein Schiff ein. Nach wenigen Minuten wird es von außen Unsichtbar und die Schüler dürfen erst wieder an Deck, wenn nichts als Wasser zu sehen ist. Glaub mir, ich habe oft genug versucht herauszufinden, wo die Insel liegt, aber vergebens. Wenn man erstmal nichts als Wasser sieht verliert man schnell die Orientierung.«
Sie räusperte sich, dann griff sie nach ihrem kleinen Beutel, den sie immer bei sich trug. »Ich habe hier noch etwas für dich, vielleicht erinnerst du dich ja.«, sie holte einen kleinen Blumentopf heraus in dem eine wunderschöne kleine Blume war. Ich sah mir die Blume genauer an. Viele spitze Blütenblätter lagen übereinander und in ihrer Mitte war eine kleine silberne Kugel. Irgendwoher kam sie mir bekannt vor.
»Sie wird Mitternachtsblüte genannt und wächst dort, wo die Einhörner leben. Sie ist von der Lichtung, auf der wir uns getroffen haben. Noch bevor wir dich gesehen haben, haben wir zwei für Forschungszwecke mitgenommen. Eine reicht aber auch vollkommen aus. Du solltest sie nachts ins Mondlicht stellen. Je voller der Mond wird, desto heller wird die Blume leuchten. Nicht so hell wie auf der Lichtung, dafür braucht es ein Einhorn.«
Vorsichtig nahm ich ihr den Blumentopf aus der Hand. Die Blume war gerade mal halb so groß, wie meine Hand.
»Sie wird aber wahrscheinlich nicht mehr ganz so lange leben. In der Kugel in der Mitte sind ihre Samen, dann kannst du eine neue wachsen lassen. Das hier ist für den Transport« sie holte eine kleine Kiste hervor »Ich habe aber alles noch einmal magisch abgesichert.« sie grinste stolz.
Dann packte sie die Blume ein und sicherte nochmal alles ab, dann schloss ich es in meinem Koffer ein. »Zur Not gibt es in der großen Bibliothek sicher auch noch ein Buch über die Mitternachtsblüte.«, fügte sie hinzu.
»Wir sollten jetzt los.«, sagte Kanje, der sich angeschlichen hatte. »Hier, noch etwas Proviant und der Rest, der vom Schulgeld übrig ist.«, er reichte mir etwas zu Essen und zu Trinken und den kleinen Beutel, den er vor einem Monat aus dem Umschlag geholt hatte. Ich nahm alles entgegen und quetschte es noch irgendwie in meinen Koffer rein.
Jetzt konnten wir los. Ein letztes Mal sah ich das Haus an in dem ich die letzten Monate gelebt hatte. Kanje umfasste meinen Arm und zusammen sprangen wir. Mit Gepäck war das ein bisschen schwieriger, da es während des Sprunges immer wieder gegen meine Beine schlug.
Wir kamen an einem alten Hafen an, der voller Eltern und Geschwister war, die sich tränenreich verabschiedeten und Freunde, die sich in die Arme fielen und aufgeregt von ihren Ferienerlebnissen berichteten. Weiter hinten, dort wo das Wasser sein musste, konnte man ein Schiff erkennen, es sah einem Piratenschiff nicht gerade unähnlich.
»Vergiss nicht uns alle paar Wochen einen Brief zu schreiben.« sagte Kanje und umarmte mich zum Abschied.
»Viel Spaß und ich habe da ja noch diese Wette mit den Jungs.«, sagte Kalia, als sie mich umarmte. Sie meinte die Wette mit Jack und Kanje, wie schnell ich es schaffen würde die Schulregeln zu brechen. Ich würde sie wohl leider enttäuschen müssen, denn ich hatte nicht vor sofort negativ aufzufallen.
»Pass auf dich auf!« rief sie noch, als ich zwischen den Magiern verschwand. Jetzt gab es kein Zurück mehr ein neues Kapitel in meinem Leben würde nun beginnen.
Bald würde auch die Schule in Norwich wieder beginnen. Was sie wohl sagen werden, wenn sie merken, dass ich nicht mehr komme? Gut ich hatte keine wirklichen Freunde dort, aber das hieß ja nicht, dass wir uns nicht verstanden. Wir waren trotzdem eine Klasse und ich bis zu den Ferien auch ein Teil von ihr.
Unwillkürlich musste ich auch an die beiden Polizisten denken. Hoffentlich hatten sie keinen Ärger bekommen, weil sie ein Kind verloren haben. Ob ich unser Haus jemals wieder sehen würde? Ich schob mich an einer Großfamilie vorbei.
Hätte man mir vor zwei Monaten gesagt, dass ich eine Magierin bin, von zwei Zwillingen adoptiert wurde, die ich davor gar nicht kannte und jetzt auf ein Internat gehe, auf dem ich lerne mit Magie umzugehen hätte ich gesagt, dass diese Person wohl zu viele Bücher gelesen hat.
Nie wieder würde ich Erdkunde, Bio oder Physik haben. Andererseits war dann auch alles, was ich in den letzten neun Jahren gelernt habe so ziemlich umsonst. Abgesehen vielleicht von dem Grundwissen.
Genug der Träumerei, sagte ich mir, als ich fast über einen kleinen jungen stolperte. Ich nuschelte eine schnelle Entschuldigung und quetschte mich dann nach vorne durch zu den anderen Schülern. Als ich mich umdrehte sah ich die Zwillinge und winkte ihnen noch einmal zu.
»Mia?« ich drehte mich um. Das Mädchen, das mir vor einem Monat in der Buchhandlung geholfen hatte stand vor mir. Verdammt, ich hatte ihren Namen vergessen. Irgendwas Kurzes mit L. Lola, Lana oder Lou? Ich wusste es nicht mehr. Wenn ich sie jetzt fragen würde, wie sie noch einmal hieß, würde sie das bestimmt nicht allzu gut aufnehmen, oder?
»Hey, schön dich wiederzusehen.«, sagte ich einfach und lächelte sie an. Ihre Haare waren, wie bei unserem letzten Treffen offen. Neben ihr stand ein großer hellblauer Koffer, auf dem noch eine schwarze Tasche stand.
»Ich auch, ich kenne sonst niemanden hier.« Wir nahmen unsere Koffer und gingen Richtung Schiff, da sich die Schüler vor uns ebenfalls in Bewegung gesetzt hatten.
»Ich bin so aufgeregt.« sagte sie zu mir. Ich hatte mittlerweile einen Kloß im Hals. Wieso war ich auch nur eine Sekunde davon ausgegangen, dass es gut werden könnte? Was, wenn sie mich nicht mögen? Oder wenn die Lehrer total streng sind? Oder ich mit dem Stoff nicht mitkomme?
Vor dem Schiff stand ein schlechtgelaunter Mann, der auf einer sehr langen Liste immer die Namen der Schüler abhakte und ihre Identität prüfte. Verständlich, dass er so genervt war. Wenigstens wusste ich jetzt, dass sie Luana Katō hieß. Wo sie das sagte erinnerte ich mich auch wieder, dass sie sich als Luna vorgestellt hatte. Das war dann wohl ihr Spitzname.
Gemeinsam gingen wir nach unten, um uns ein Abteil zu suchen. Wir fanden eines mit einem kleinen Fenster. Es war ein Abteil für vier Leute. Ich stellte mich mit je einem Fuß auf eine Sitzbank, um dann unsere Koffer, die Luna mir hoch reichte in der Gepäckablage zu verstauen.
Wir merkten uns noch unsere Abteilnummer, damit wir es auch wiederfanden und gingen dann an Deck. Die meisten suchten sich wohl gerade noch ein Abteil, denn es waren nicht viele hier oben.
Grinsend lief ich an die Spitze des Schiffes. Wenn sie einen bestimmten Namen hat, dann kenne ich ihn nicht. Ich lehne mich gegen das Gerüst, breite meine Arme aus und schließe die Augen. Ich spüre den Wind in meinen Haaren und ein lächeln bildet sich auf meinem Gesicht. Diese Scene aus Titanic musste ich einfach nachstellen. Unser Schiff würde aber hoffentlich nicht irgendwo auflaufen.
Als ich mich wieder umdrehte sah ich in Luna's fragendes Gesicht. Stimmt ja, sie kannte ja weder den Film, noch das Buch, wenn es denn eines gab. Magier kannten sehr vieles nicht, was für mich total normal war. Ich werde wohl noch häufiger so ein Gesicht sehen. »Sorry, aber das musste ich einfach mal machen.« meinte ich.
»Was denkst du, wird dein Lieblingsfach?« fragte ich sie.
Sie dachte kurz nach ehe sie sagte »Ich denke Brauen und Magie. Mein Vater und ich haben in den Ferien mal einen einfachen Trank gemacht. Es ist eigentlich gar nicht so schwer, wie ich immer dachte. Und du?«
Darüber hatte ich ehrlich gesagt noch gar nicht richtig nachgedacht. Ich wusste auch gar nicht, was mich erwartet. »Ich denke ich werde in dem Fach, wo es um Menschen geht gut sein, aber es wird bestimmt nicht mein Lieblings Fach.«, sagte ich. In diesem Fach wird man ja über Menschen reden, als wären sie eine Fremde Spezies. Das wird lustig.
»Menschen? Wieso das denn. Das wird sicherlich mit Abstand das schlimmste Fach, wobei nein. Ich habe vorhin zwei ältere Schülerinnen gehört, die sagten die Lehrerin für Verteidigung wäre schlimm. Kalt und erbarmungslos. Laut dem, was ich gehört habe waren nach jeder Stunde mindestens fünf Schüler für den Rest des Tages entschuldigt.«
»Das ist bestimmt nur total übertrieben. Ich bin mir sicher, dass es nicht so schlimm wird.« Wir redeten noch etwas über das kommende Schuljahr und mussten feststellen, dass wir beide so ziemlich keine Ahnung hatten, was uns erwarten würde.
Als es hier oben voller wurde entschieden wir uns wieder in unser Abteil zugehen. Auf dem Weg nach unten kam uns ein junge mit grünem Gesicht entgegen. »Der Arme.«, sagte ich und blickte ihm hinterher. »Zum Glück werden wir nicht so schnell Seekrank.«, sagte Luna.
Zurück in unserem Abteil verfluchte ich mich erstmal, weil ich nicht wie Luna eine Tasche für Essen und ein Buch mitgenommen hatte. Ich musste mich also wieder auf die Sitze stellen und alles, was ich brauchte aus dem Koffer holen. Ich setzte mich wieder hin und begann in dem Buch zu lesen.
Erst, als man immer weniger durch das Fenster erkennen konnte legte ich das Buch wieder weg. »Weißt du eigentlich, wie lange wir fahren?« fragte ich.
Luna legte nun ebenfalls ihr Buch zu Seite. »Nein, aber ich habe gehört, dass wir erst abends dort ankommen. Also haben wir denke ich noch ein zwei Stunden.« sagte sie.
Ich musste an die Abende denken, wo die Zwillinge von ihrer Schulzeit erzählt haben. Kalia hatte mir auch verraten, dass sie eigentlich Sitzenbleiben wollte, um länger an der Schule zu bleiben, aber Kanje hatte das wohl verhindert.
Wir beschlossen uns ein bisschen umzusehen. Es gab zwei Etagen mit Abteilen und eine Etage, wo es Sitzecken, Tische und einen Süßigkeiten Laden gab. Hier waren fast alle Schüler der Akademie versammelt. Sofort drehten wir wieder um. Nicht, weil wir nicht gerne länger bleiben würden, sondern weil alle schon ihre Schuluniform anhatten.
Schnell zog ich meine Uniform aus dem Koffer und gab Luna ihre. Als ich fertig umgezogen war sah ich skeptisch an mir hinunter. Ich trug normaler weise weder Rock, Bluse noch Umhang. Es sah an mir eher wie ein Kostüm aus. Luna stand die Uniform total gut. »Keine Sorge, die siehst gut aus.« meinte sie aufmunternd.
Schnell gingen wir wieder hinunter. Dieses Mal war das erste, dass mir auffiel, dass alle bunte Haare hatten. Da kam ich mir mit meinen dunkelbraunen Haaren ein bisschen Farblos vor. Aber es half ja nichts und eher würde ich zum Bungeejumping gehen, als meine Haare zu färben.
Luna zog mich zu den Sitzecken. »Schade, alle schon belegt.« sagte ich und wollte wieder umdrehen, aber Luna zog mich auf eine Sitzecke zu, in der schon zwei Mädchen mit dunkelgrünen haaren saßen, welche einen leicht Blaustich hatten. Sie wollte sich doch wohl nicht wirklich zu ihnen setzen, oder? Was, wenn sie lieber zu zweit bleiben wollen?
»Hey, ich bin Luna und das ist Mia.« stellte Luna uns auch sofort vor und setzte sich hin. Dabei zog sie mich mit runter, so dass ich nicht weiter rumstand.
Die beiden sahen sich kurz überrascht an, dann sagte die, die links saß »Ich bin Lina und das ist Lea« Warum fingen hier alle Namen mit L an? Das war doch total verwirrend.
Das Mädchen, das sich als Lina vorstellte, war wahrscheinlich so groß wie ich, soweit man das im sitzen beurteilen konnte und hatte etwas dickeres Haar, das ihr bis zu den Schultern ging.
Lea hingegen war etwas kleiner und hatte dünne Haare, die kurz über ihrer Schulter endeten. Sie hatte diese Art von Haaren, bei denen man sofort erkannte, wenn sie wieder geschnitten wurden.
»Ist das auch euer erstes Jahr an der Akademie?« fragte Lea. Wir nickten. Wir blieben noch für den Rest der Fahrt dort und redeten mit ihnen. Luna schien sich ziemlich gut mit ihnen zu verstehen.
Ich sah mich ein wenig um. Ich fand es ein bisschen verwirrend, wenn ich Jungs mit bunten Haaren sah. In England waren es immer mehr die Mädchen gewesen, die sich die Haare färbten. Daran würde ich mich aber wohl gewöhnen.
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Ich weiß, es ist wieder mal ein etwas größerer Zeitsprung, aber ich fand, dass es so langsam mal Zeit würde Richtung Internat zu segeln. So ganz bin ich mit dem Kapitel noch nicht zu frieden.
-YMina_
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