7. Kapitel
Schnell quetschte ich noch das letzte T-Shirt in den Koffer, machte den Deckel zu, ließ mich auf den Koffer fallen und verschloss ihn.
»Geschafft«, sagte ich zu mir selbst.
Trotz der Tatsache, dass er von innen etwas größer war, als er von außen aussah, hatte ich Probleme alles hinein zukriegen. Neben den ganzen Uniformen, Kleidern und den normalen Kleidungstücken mussten ja auch Bücher und die anderen Schulutensilien hinein.
Als ich den Koffer die Treppe hinunter schleifte stellte ich mir zwei Fragen während mir der Koffer auf den Fuß fiel. Warum musste ich immer alles auf den letzten Drücker machen und warum war dieser Koffer so verdammt schwer?
Ich hatte erst nach dem Frühstück gemerkt, dass der Koffer, den Kalia mir geliehen hatte, noch komplett leer in meinem Zimmer stand und wir schon in zwei Stunden los mussten.
Wie jedes Mal, wenn ich meinen Koffer packte fragte ich mich, wie ich es immer schaffte, meine ganzen Sachen im kompletten Haus zu verteilen. Ständig musste ich hin und her rennen, weil mir auffiel, dass ich schon wieder etwas vergessen hatte. All meine Sachen aus England musste ich leider hier lassen, auch mein Buch. Dafür hatte ich mir ein paar Bücher von hier mitgenommen.
Als ich unten ankam, sah ich, dass mir noch zwanzig Minuten blieben, bis wir los mussten. Ich stellte den Koffer neben die Tür und lies mich ein letztes Mal in den Hängekorbsessel fallen. Während ich mir meinen schmerzenden Fuß rieb, kam Kalia ins Wohnzimmer.
Die letzten Wochen waren wie im Flug vergangen und kaum hatte ich es mir versehen, eröffneten mir die Zwillinge auch schon, dass die Schule bald beginnen würde. Von meinen Eltern hatte es nicht auch nur ein klitzekleines Zeichen gegeben.
Ein bisschen hatte ich in den letzten Wochen auch mal in die Schulbücher rein gesehen, was ich sonst eigentlich nie tat. Ich hoffte einfach, dass das was ich wusste, als Grundwissen reichen würde.
Dann fiel mir plötzlich etwas ein, was ich schon viel früher hätte Fragen sollen, »von welchem Hafen fährt das Schiff eigentlich und wo ist die Schule?«
Auf dem Ticket stand nur, dass ich heute in zwanzig Minuten mit dem Schiff der Mage Academy vom Nordhafen abfahren durfte. In den letzten Wochen hatte ich aber herausgefunden, dass es gefühlt tausend Hafen hier gab und eine Menge, die im Norden lagen und sich Nordhafen nannten.
Überrascht sah sie mich an, »Vom Nordhafen, steht doch auf dem Ticket«
»Ja, aber es gibt eine Menge Hafen, die Nordhafen heißen«, sagte ich.
»Ja, aber es gibt nur einen, von dem heute ein Schulschiff abfährt und das ist der Nordhafen bei den alten Mühlen, das hat zumindest Kanje gesagt und ich vertraue ihn in diesem Fall einfach mal. Er hat sich schließlich auch etwas mehr über die Schule informiert, was nicht wirklich leicht war. Aber wo die Schule überhaupt liegt, weiß niemand außer die Schulleiter selbst. Das einzige, das ich weiß ist, dass sie auf einer kleinen Insel mitten auf dem Meer oder Ozean liegt. Aber das haben sie uns ja auch gesagt.«
Jetzt war ich verwirrt, »Aber wenn die Schüler hinfahren müssten die doch ungefähr wissen, wo sie lang fahren«
»Nein, eigentlich nicht. Um die Schulen zu schützen sind sie weit entfernt vom Festland und selbst auf ihnen kann man nur an wenigen Orten springen. Am Hafen steigen alle Schüler in ein Schiff ein. Kurz nachdem sie ablegen wird es von außen Unsichtbar und die Schüler dürfen erst wieder an Deck, wenn nichts als Wasser zu sehen ist und wenn man erstmal nichts als Wasser sieht, verliert man schnell die Orientierung.«
Ich dachte nach, was unsere Erdkundelehrerin früher in der Schule immer gesagt hatte. Das war schließlich immer eines ihrer liebsten Beispiele, wenn sie uns zeigen wollte, wie man sich anhand der Sterne und so zurecht fand. Kompass, Uhr, Wellen, Wind, Sterne, Sonne und was weiß ich nicht alles und immer wenn jemand fragte, wozu man es brauchte, sagte sie, ‚Um sich auf hoher See zurecht zu finden' die meisten machten sie dann auf die modernen Navigationssysteme aufmerksam, aber davon wollte sie nie etwas hören.
Kalia räusperte sich, dann griff sie nach ihrem kleinen Beutel, den sie immer bei sich trug.
»Ich habe hier noch etwas für dich, vielleicht erinnerst du dich ja.«
Sie holte einen kleinen Blumentopf heraus in dem eine wunderschöne kleine Blume war. Ich sah mir die Blume genauer an. Viele spitze Blütenblätter lagen übereinander und in ihrer Mitte war eine kleine silberne Kugel. Irgendwoher kam sie mir bekannt vor.
»Sie wird Mitternachtsblüte genannt und wächst dort, wo die Einhörner leben. Sie ist von der Lichtung, auf der wir uns getroffen haben. Wir haben zwei solcher Blumen für Forschungszwecke mitgenommen. Eine reicht aber auch vollkommen aus. Du solltest sie nachts ins Mondlicht stellen. Das Licht des Mondes ist wichtiger, als das Wasser. Je voller der Mond wird, desto heller wird die Blume leuchten. Nicht so hell wie auf der Lichtung, dafür braucht es ein Einhorn.«
Vorsichtig nahm ich ihr den Blumentopf aus der Hand. Die Blume war gerade mal halb so groß, wie meine Hand.
»Sie wird aber wahrscheinlich nicht mehr ganz so lange leben. In der Kugel in der Mitte sind ihre Samen, dann kannst du eine neue wachsen lassen. Das hier ist für den Transport«, sie holte eine kleine Kiste hervor.
»Ich habe aber alles noch einmal magisch abgesichert«, sagte sie stolz grinsend. Dann packte sie die Blume ein und sicherte nochmal alles ab, dann schloss ich es in meinem Koffer ein.
»Zur Not gibt es in der Bibliothek, ich nehme mal an, sie haben eine, sicher auch noch ein Buch über die Mitternachtsblüte«, fügte sie hinzu.
»Wir sollten jetzt los«, meinte Kanje, der lautlos den Raum betreten hatte.
»Hier, noch etwas Proviant und der Rest, der vom Schulgeld übrig ist«, er reichte mir etwas zu Essen und zu Trinken und den kleinen Beutel, den er damals aus dem Umschlag geholt hatte. Ich nahm alles entgegen und quetschte es noch irgendwie in meinen Koffer rein. Jetzt konnten wir los.
Ein letztes Mal sah ich das Haus an in dem ich die letzten Monate gelebt hatte. Kanje umfasste meinen Arm und zusammen sprangen wir. Mit Gepäck war das ein bisschen schwieriger, da es während des Sprunges immer wieder gegen meine Beine schlug.
Wir kamen an einem alten Hafen an, der voller Eltern und Geschwister war, die sich tränenreich verabschiedeten und Freunde, die sich in die Arme fielen und aufgeregt von ihren Ferienerlebnissen berichteten.
Weiter hinten, dort wo das Wasser sein musste, konnte man ein Schiff erkennen, es sah einem Piratenschiff nicht gerade unähnlich. Nur war es viel kleiner.
»Vergiss nicht uns alle paar Wochen einen Brief zu schreiben«, sagte Kanje und umarmte mich zum Abschied.
»Viel Spaß und ich habe da ja noch diese Wette mit den Jungs«, sagte Kalia, als sie mich umarmte.
Sie meinte die Wette, die sie vor zwei Wochen mit Jack und Kanje abgeschlossen hatte. Es ging darum, wie schnell ich es schaffen würde die Schulregeln zu brechen. Ich würde sie aber wohl leider enttäuschen müssen, denn ich hatte nicht vor sofort negativ aufzufallen.
»Pass auf dich auf«, rief sie noch, als ich zwischen den Magiern verschwand.
Jetzt gab es kein Zurück mehr ein neues Kapitel in meinem Leben würde nun beginnen. Bald würde auch die Schule in Norwich wieder beginnen. Was sie wohl sagen werden, wenn sie merkten, dass ich nicht mehr komme? Gut ich hatte keine wirklichen Freunde dort, aber das hieß ja nicht, dass wir uns nicht verstanden. Wir waren trotzdem eine Klasse und ich, bis zu den Ferien, auch ein Teil von ihr.
Dass meine Eltern immer noch nicht wieder aufgetaucht waren machte mich zunehmend nervöser. Ich warf nochmal einen kurzen Blick auf den Stein. Ich glaubte zwar nicht unbedingt, dass sie tot waren, keine Nachrichten bedeutete ja auch, keine schlechten Nachrichten. Ich hoffte einfach, dass es ihnen gut ging, wo auch immer sie gerade waren.
Ich schob mich an einer Großfamilie vorbei.
Ob ich unser Haus je wieder sehen würde? So richtig in echt, und nicht bloß durch die Kristallkugel? Nie wieder würde ich Erdkunde, Bio oder Physik haben. Andererseits war dann auch alles, was ich in den letzten neun Jahren gelernt hatte so ziemlich umsonst. Abgesehen vielleicht von dem Grundwissen.
Genug der Träumerei, sagte ich mir, als ich fast über einen kleinen Jungen stolperte. Ich nuschelte eine schnelle Entschuldigung und quetschte mich dann nach vorne durch zu den anderen Schülern. Als ich mich umdrehte sah ich die Zwillinge und winkte ihnen noch einmal zu.
»Mia«, rief jemand.
Verwirrt sah ich mich um. Hatte jemand gerade wirklich mich gerufen oder hatte ich mich nur verhört? Ein Mädchen fiel in mein Blickfeld, das mich ansah und mit einem Arm in meine Richtung wank. Ich drehte mich kurz um. Nein, da war niemand, den sie sonst meinen könnte.
Ich ging auf sie zu und kurz bevor ich sie erreichte erkannte ich sie wieder. Sie war das Mädchen vom Buchladen.
Wie hieß sie doch gleich? Irgendetwas Kurzes mit L am Anfang, wenn ich mich richtig erinnerte. Laura? Lena? Lene? Lana? Liss? Lisa? Lola? Lolo? Lou? Ich kam nicht drauf. Wenn ich sie jetzt fragen würde, wie sie nochmal hieß, würde sie das sicherlich nicht allzu gut aufnehmen, oder?
»Hi«, sagte ich, als ich sie erreichte.
Neben ihr stand ein großer blauer Koffer und auf ihm etwas, was Ähnlichkeiten mit einer schwarzen Sporttasche hatte.
»Bin ich froh dich zusehen. Bis auf dich kenne ich niemanden hier«, sagte sie.
Zusammen machten wir uns mit unseren Koffern auf den Weg in Richtung des Schiffes. Mit jedem Schritt wurde ich aufgeregter.
»Weißt du, wie lange wir mit dem Schiff fahren werden?«, fragte ich Luna.
»Ich habe gehört, dass wir erst am Abend ankommen werden«, meinte sie schulterzuckend. Zum Glück hatte ich ein gutes Buch dabei.
Neben der Brücke zum Schiff stand ein ziemlich miesgelaunter Mann mit einer langen Liste vor sich schwebend. Ich sah, dass alle Schüler bei ihm kurz Halt machten, bevor sie weiter gingen.
Was hatten die Schulleiter gesagt, wie viele Schüler es hier an der Schule gab? Irgendwas um die dreißig, oder? So viele waren wir ungefähr in meiner alten Klasse. Dreißig Schüler, wie wahrscheinlich war es, dass ich mich mit irgendjemanden anfreunden würde? In meiner alten Klasse waren wir mehr und ich hatte keine einzigen richtigen Freunde.
Naja, hier würden wir die ganze Zeit aufeinander hocken. Da musste ich mich doch wenigstens mit ein paar Leuten anfreunden können. Das ging gar nicht anders. Wobei, was, wenn mich alle hassen würden? Dann würde ich die ganze Zeit mit denen zusammen hocken müssen. Nein, das war gar nicht gut. Und was, wenn ich im Unterricht nicht mitkommen würde? Alle anderen hatten schließlich schon immer hier gelebt.
Ich war verrückt! Wie hatte ich es auch nur für einen Moment für eine gute Idee halten können hier eine Schule zu besuchen? Ich war gerade mal zwei Monate in dieser Welt, oder auf dieser Seite. Wie konnte ich bitte schon glauben, dass ich das schaffen könnte? Ich war kein Teil dieser Welt, auch wenn ich das in den letzten Wochen ziemlich gut verdrängt hatte.
Hecktisch sah ich mich um, vielleicht konnte ich ja noch schnell abhauen? Das hier war verrückt!
»Luana Katō«, sagte das Mädchen neben mir plötzlich.
Wir standen jetzt schon direkt neben dem Mann mit der Liste. Jetzt erinnerte ich mich auch wieder, dass sie sich als Luna vorgestellt hatte. Das war wohl die Kurzform für Luana. Er hielt so kurz ihr Handgelenk, dass ich kaum glauben konnte, dass er da irgendwelche Persönlichen Merkmale in der Magie gefunden haben konnte, hakte dann etwas auf seiner Liste ab und winkte sie durch. Luna nahm sich ihren Koffer und zog ihn ein Stück weiter auf den Steg, der zum Schiff führte und wartete.
»Name«, sagte der Mann. Seine Laune schien von Schüler, zu Schüler, den er kontrollieren musste, immer mehr zu sinken.
»Mia Lokelani«
Ich hatte mich in letzter Zeit so oft mit diesem Namen vorgestellt, dass es mir mittlerweile keinerlei Probleme bereitete. Ich musste nur komplett anwesend sein, also nicht halb in Gedanken und mir dann sagen, dass es ja auch eigentlich die Wahrheit war. Schließlich hatten sie mich ja quasi adoptiert, oder wie man das hier nannte. Im Lügen war ich sonst eigentlich ziemlich mies. Ich musste da immer anfangen irgendwie komisch zu grinsen, was mich natürlich sofort verriet.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass der Mann überhaupt mein Handgelenk genommen hatte, als er auch mich auch schon durchwank.
Ich ging mit meinem Koffer zu Luna. Na gut, immerhin hatte ich noch sie. Gemeinsam betraten wir das Schiff und gingen dann Unterdeck, um unsere Koffer irgendwie loszubekommen.
Unten gab es zwei Flure, parallel zueinander, von denen links und rechts Türen in kleine Räume führten. Wäre das ein Zug, könnte man die Räume Abteile nennen, aber ich war mir sicher, bei einem Schiff gab es eine andere Bezeichnung dafür. Wir nahmen ein Abteil am Rand, in der Hoffnung durch ein Bullauge nach draußen sehen zu können. Wir hatten Glück, als wir genauso eines direkt fanden.
Die Abteile waren für vier Personen gemacht. Links und rechts gab es eine kleine Sitzbank und über ihnen gab es verschließbare Gepäckablagen.
Ich stellte mich mit je einem Fuß auf die Sitzbänke und verstaute unsere beiden Koffer in der Gepäckablage.
»Gehen wir nochmal hoch? Ich möchte unbedingt das Meer sehen«, sagte Luna.
Nachdem wir uns unsere Abteilnummer gemerkt hatten, um nicht auf dem Rückweg in das falsche zu stolpern, gingen wir wieder nach oben.
Tatsächlich sahen wir, als wir an Deck waren, nur noch das große weite Meer. Überall war Wasser und der Wind zerzauste mir meine Haare.
Ich wusste schon, dass ich es später bereuen würde hoch gegangen zu sein. Immer wenn meine Haare für eine Weile im Wind waren, waren sie danach total aufgebauscht und zerzaust. Ich hatte da immer ziemliche Ähnlichkeiten mit Ronja Räubertochter. Zumindest sagte das meine Mutter immer.
Als ich die vordere Spitze des Schiffes sah, bestimmt hatte dieser Teil des Schiffes auch einen richtigen Namen, aber den kannte ich vermutlich nicht oder er fiel mir gerade nicht ein, bekam ich eine Idee. Ich musste es einfach machen.
Ich ging nach ganz vorne zu der Spitze des Schiffes, lehnte mich gegen das Holz und breitete meine Arme aus. Es war ein tolles Gefühl. Ich hatte zwar nie Titanic gesehen, bis auf diese Scene, die jeder kannte, aber ich verstand, warum sie so schön war, nur brauchte ich dafür keinen Mann der hinter mir stand. Der Wind zerzauste meine Haare immer mehr und ich bereute es wirklich, mir nicht einen Zopf gemacht zu haben.
»Mia, pass auf, nicht dass du runter fällst. Ich weiß nicht, ob dieses Schiff Schutzschilder dafür hat«, rief Luna mir zu.
Sie stand weiter hinter mir. So weit wie möglich von der Reling entfernt. Mittlerweile waren auch einige andere nach oben gekommen, die entweder an der Reling standen und die Aussicht genossen, oder wie Luna sich so weit wie möglich von der Reling fernhielten.
Ich ging zu Luna zurück.
»Wollen wir nicht vielleicht wieder runter gehen?«, fragte sie mich.
Ich nickte. Außer Meer gab es hier ja sonst nichts zu sehen und außerdem würden wir ja noch eine Weile fahren. Wir würden vermutlich noch häufiger die Chance bekommen das Meer zu sehen.
Gerade als wir zur Tür gingen sahen wir einen Jungen durch diese hinausrennen. Mit ziemlich grünen Gesicht hetzte er zu der Reling. Ich grinste und bemerkte, wie Luna ihm mitleidig hinter her sah.
Wir gingen wieder in unsere Art Abteil und Luna zog aus ihrer Tasche, die sie auf dem Sitz gelassen hatte, ein Buch heraus und machte es sich damit bequem.
Warum hatte ich nicht auch so eine Tasche?
Ich stellte mich wieder mit je einem Fuß auf die Sitzbänke und öffnete das Gepäckfach. Nach einer Weile hatte ich es geschafft mein Buch aus dem Koffer zu ziehen, ohne den Koffer runter nehmen zu müssen. Ich verschloss das Gepäckfach wieder und setzte mich gegenüber von Luna hin.
Wir lasen eine Gefühlte Ewigkeit, bis sich langsam unsere Mägen zu Wort meldeten und man durch das Fenster kaum noch etwas erkennen konnte.
»Ich denke, wir sollten uns mal etwas umsehen. Vielleicht gibt es ja irgendwo etwas zu essen«, sagte ich.
Da Luna nichts dagegen hatte, legten wir unsere Bücher wieder weg. Ich bat sie mein Buch auch in ihre Tasche zu tun, damit ich nicht schon wieder auf die Bänke musste.
Wir gingen wieder auf den Flur. Nach rechts ging es zu der Treppe und nach links ging es zu einer anderen Tür, die etwas größer war, als die anderen. Wir gingen zu dieser und öffneten sie.
Dahinter war ein großer Raum. Die meisten anderen Schüler waren auch hier. Es gab einige Sitzecken, Musik wurde gespielte und in einer Ecke stand ein kleiner Kiosk. Wir wollten gerade darauf zu steuern, als uns etwas auffiel. Nicht, das alle eine dunklere Hautfarbe hatten, als ich oder komische Haare, sondern das alle schon die Schuluniform trugen.
Schnell gingen wir wieder zurück zu unserem Abteil, um uns ebenfalls um zu ziehen.
Als wir die Schuluniform abgeholt hatten, hatte ich sie einmal probe getragen, um zu sehen, ob sie passte. Natürlich hatte sie gepasst. So viele Maße, wie sie von mir genommen hatte, war ja auch nichts anderes möglich. Sonst hatte ich sie nur noch einmal angehabt.
Als wir uns umgezogen hatten sah ich skeptisch an mir hinab. Früher hatte ich weder, Bluse, Rock noch Umhang getragen. An mir sah das alles auch irgendwie mehr, wie ein Kostüm aus, als wie etwas Normales.
»Keine Sorge, du siehst gut aus«, sagte Luna aufmunternd, die wohl meinen Blick bemerkt hatte.
Sie hatte gut reden. Die ganze Schuluniform passte einfach zu ihr. Sie sah total gut in ihr aus. Nicht merkwürdig, oder wie ein Kostüm. Es passte einfach zu ihr.
Dieser Umhang regte mich jetzt schon auf. Ich würde damit bestimmt überall hängen bleiben und ständig drüber stolpern.
»Ich habe gehört, dass wir die Umhänge nicht immer tragen müssen. Nur bei offizielleren Sachen, wie dem ersten Schultag und so. Während der Unterrichtszeiten müssen wir sie glaube ich nicht tragen. Man könnte, aber man muss nicht«, sagte Luna und ich fragte mich woher sie das jetzt wusste.
Wir gingen wieder zurück in den Gemeinschaftsraum und sahen uns, nachdem wir uns etwas Süßes vom Kiosk geholt hatten, nach einer freien Sitzecke um.
»Schade, schon alle belegt«, sagte ich und wollte schon nach einem freien Platz an einer Wand Ausschau halten, als Luna mich am Arm fasste und mich zu einer Sitzecke zog, in der schon zwei Mädchen saßen.
Sie hatten beide Schulterlange grüne Haare mit einem leichten blau stich. Oh nein, ich wusste, was sie vorhatte. Aber was, wenn sie gerne allein sitzen wollten?
»Hallo, ich bin Luna und das ist Mia«, sie deutete auf mich.
»Wir sind neu hier, ist hier noch frei«, fragte sie die zwei Mädchen.
Die sahen sich kurz überrascht an, aber dann sagte die linke von beiden, »Setzt euch ruhig«
Luna setzte sich und zog mich am Arm auf den Sitz neben sich. Ich lächelte den beiden kurz zu.
»Ok dann stelle ich uns auch mal kurz vor. Das ist Lina und ich bin Lea. Wir gehen in die zweite Klasse«, sagte die Rechte von beiden. Wieso fingen alle Namen mit L an und waren so kurz? Das konnte sich doch keiner merken.
Sie hatte dünnes glattes Haar und war etwas kleiner, als ich. Sie hatte diese Art von Haaren, bei denen man es sich fast zutrauen würde sie selbst zu schneiden.
Lina hingegen könnte ungefähr so groß sein wie ich, soweit man das vom Sitzen her beurteilen konnte. Ihre Haare waren etwas dicker, als die von Lea und sie trug eine schwarze Mütze. Warum auch immer.
Es klang irgendwie komisch, dass sie quasi Zweitklässler waren. Ich würde jetzt eigentlich in die zehnte Klasse kommen und war nun Erstklässlerin. Hörte sich irgendwie komisch an. Schließlich verband ich mit Erstklässlern kleine sechs Jährige Kinder, die das ABC lernten und was eins plus eins ergab.
Wir blieben den Rest der Fahrt bei den beiden und redeten viel, während wir unsere Süßigkeiten aßen. Besser gesagt redete Luna die meiste Zeit über mit den beiden. Sie schienen sich echt gut zu verstehen. Ich sagte eher weniger.
Der kleine Punkt in der Ferne wurde immer größer und langsam konnte man erkennen, dass dieser Punkt eine Insel war. Wie alle anderen, standen wir nun auf dem Deck und sahen gespannt zu, wie die Insel nach und nach größer wurde.
Das war nicht ganz so leicht, da es schon ziemlich dunkel war, aber dort war etwas, das leuchtete. Vielleicht ein Leuchtturm? Man konnte jetzt schon langsam einen dunklen Fleck erkennen, der vermutlich die Academy war.
Wir kamen immer näher und näher.
Langsam erkannte ich eine mittelgroße alte Burg. An verschiedenen Stellen leuchteten kleine Lichter, vermutlich beleuchtete Fenster.
Wir fuhren näher heran.
So von außen sah sie ziemlich verwinkelt aus. Wie sollte es dann nur drinnen sein? Wahrscheinlich würde ich mich mit meinem schlechten Orientierungssinn hoffnungslos verlaufen. Das sollte nun für die nächsten fünf Jahre mein Zuhause sein? Ich hatte noch keine Ahnung, was ich davon hielt. Vielleicht sollte ich mir das ganze erstmal von innen und bei Sonnenschein von außen ansehen, bevor ich eine Entscheidung traf.
Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe. Auch Luna schien etwas nervös. Sie spielte mit einer ihrer lila Haarsträhne. Lina sah ziemlich entspannt aus. Kein Wunder, war ja auch nicht das erste Mal, dass sie die Academy sah.
»Vielleicht sollten wir unsere Koffer holen«, sagte ich zu Luna.
»Das müsst ihr nicht. Sie werden seit letztem Jahr von ein paar Lehrern zur Academy gebracht und gleich in eure Schlafräume gestellt. Seid froh, dass ihr die nicht den ganzen Weg hoch tragen müsst. Außerdem können die Lehrer das mit Magie etwas beschleunigen«, erklärte Lea uns.
Ich nickte. Ich war wirklich froh meinen Koffer nicht mit hoch tragen zu müssen.
Jetzt konnte man die Insel schon etwas besser erkennen. Auf der anderen Seite schien es wohl einen Wald zu geben und ein Strand war an vielen Teilen der Insel zu sehen. An den anderen Klippen. Mittlerweile konnte man auch den Weg von der Anlegestelle hoch zur Burg erkennen. Er war irgendwie beleuchtet, schien aber noch ein ganzes Stück entfernt zu sein.
»Was passiert eigentlich gleich?«, wollte Luna wissen.
»Wir gehen hoch in den Saal, dort werdet ihr vorgestellt und die Schulleiter halten eine kleine Rede. Danach gibt es Abendessen. Dann geht es zu den Schlaftürmen. Da wir immer so wenige sind, ist die Aufteilung ganz leicht. Alle Mädchen eines Jahrganges bekommen ein Zimmer im Mädchenturm, der der offizielle Ostturm ist und alle Jungs eines Jahrganges ein Zimmer im Jungsturm, der offiziell Nordturm genannt wird. Die Academy hat eine Menge Türme«, sagte Lea.
‚Vorstellen', mussten wir da irgendwas machen oder sagen?
Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, legte das Schiff vorsichtig am Steg an und wir konnten an Land gehen. Nicht viele redeten. Ein paar ältere Schüler freuten sich schon auf das Essen und andere sehnten sich nur noch ihr Bett herbei und hofften, dass alles schnell gehen würde. Ich hoffte auch, dass es schnell vorbei gehen würde, was immer jetzt auch kam, ich war, obwohl ich nicht viel gemacht hatte, irgendwie erschöpft.
Wir liefen über den Steg Richtung Insel. Die Lichter, die den Weg nach oben zu Schule beleuchteten waren zum Wasser hin Fackeln, aber nach oben zur Burg hin wurden sie durch merkwürdige fliegende Lichtpunkte oder Lichtkugeln ersetzt, wie ich sie ab und zu schon mal gesehen hatte. Die sahen wirklich irre aus. Es war quasi fliegendes Licht.
Die Burg kam mir immer riesiger vor, desto näher wir an sie ran gingen. Da würden vermutlich tausende Schüler zum Unterrichten Platz haben. Wir waren gerademal dreißig. Würde es nicht total leer wirken, selbst wenn alle dort herumrennen würden?
»Mund zu, sonst fliegt ne Fee rein«, sagte Luna lachend, als wir durchs Eingangsportal gingen.
Ich richtete meinen Blick an die Decke, aber ich fand keine. Die Decke war wohl so hoch, dass ich sie nicht sehen konnte. Wahnsinn.
Ich liebte es, wenn die Decken hoch waren, wie in Altbauten. So hoch wie in der Eingangshalle vielleicht nicht, aber die anderen Flure, die von hier abzweigten schienen ungefähr diese Deckenhöhe zu haben.
Wir folgten den anderen Schülern, die genau zu wissen schienen, wo sie lang mussten. Wir bogen in links in einen Gang ein, dann gingen wir drei Treppen nach oben und dann bogen wir so oft ab, dass ich vollends die Orientierung verlor.
Obwohl die Gänge von diesen merkwürdigen Lichtkugeln erleuchtet waren standen überall Kerzenständer und Fackelhalter. Vielleicht für die kälteren Tage? Dann hätten sie auch gleich eine Art Heizung. Ich hatte ja keine Ahnung, wie man das hier machte. Heizungen, wie ich sie kannte, hatten sie vermutlich nicht.
Wir gingen durch eine große Flügeltür und kamen in einen Saal. Vermutlich der Saal, von dem Lea vorhin gesprochen hatte.
Der Saal sah ziemlich heraus geputzt aus. Der Boden war aus etwas, das Marmor ähnlich sah. Vielleicht war es auch Marmor. Auch die Wände sahen wie frisch verputzt aus. Es gab vier Stuhlreihen und am anderen Ende des Saals eine Bühne. Überall am Rand standen erwachsene Magier, aber selbst, als wir alle drin waren sah der Saal viel zu groß für die wenigen, die wir waren, aus.
»Also der erste Jahrgang sitzt ganz vorne, der zweite dahinter und so weiter. Ganz hinten sitzen die Lehrer«, sagte Lea zu Luna. Wir gingen den Mittelgang zwischen den Stuhlreihen entlang und setzten uns in die erste Reihe. Ich saß direkt am Gang. Das war eine Angewohnheit von mir. Entweder direkt am Gang, oder direkt an der Wand. Nach und nach setzten sich auch alle anderen auf ihre Plätze. Der Großteil der Stühle war noch immer leer.
Als es ruhiger wurde traten die Schulleiter auf die Bühne.
»Ich freue mich euch alle wieder hier auf der Mage Academy begrüßen zu dürfen. So wohl unsere alten Hasen, als auch unsere neuen Gesichter. Natürlich auch unsere Lehrer, die dieses Jahr auch ganz schön Zuwachs bekommen haben, da nun die ersten ihre neuen Kurse belegen. Darf ich euch eure vier neuen Lehrer vorstellen? Zum einen Professor Chattan, die Runen unterrichten wird«, er deutete auf eine Frau mit silbernen Umhang, die gerade die Bühne betrat. Sie hatte dunkelrote Locken, die ein bisschen wirr waren. Sie sah uns ernst an und brachte ein schmallippiges lächeln zustande.
»Professor Murray, sie unterrichtet Medizin«, eine Frau mit grünem Umhang betrat die Bühne und stellte sich neben Professor Chattan. Sie hatte lange braune Haare, die ungefähr ab der Hälfte in ein dunkles grün übergingen. Sie lächelte uns freundlich an.
»Professor Acar wird Musik unterrichten, für alle die in seinem Kurs sind«, ein junger Mann betrat die Bühne und stellte sich auf die andere Seite von den Schulleitern. Er lächelte ebenfalls kurz in die Runde.
»Und Professor Coman wird Kunst unterrichten«, ein Mann mittleren Alters stellte sich neben Professor Acar und lächelte uns alle freundlich an, wobei seine Lachfalten deutlich zum Vorschein kamen.
»Der neue Jahrgang wird von Professor Livsey geleitet. Sie unterrichtet wie auch in den letzten Jahren Geschichte.«
Die vier neuen Lehrer, die eben vorgestellt wurden gingen wieder von der Bühne und setzten sich in die letzte Reihe.
Eine ältere Frau, die etwas kleiner war, als alle anderen, kam auf die Bühne. Sie hatte einen blutroten Umhang und ihre blaugrauen Haare waren zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt. Sie hatte eine Liste in der Hand, als sie die Bühne betrat.
»Ok, ich freue mich ebenfalls euch alle wieder begrüßen zu dürfen und nun auch meinen eigenen Jahrgang zu haben. Ich werde jetzt die Namen der neuen Schüler vorlesen. Ihr kommt auf die Bühne und stellt euch dann hinten der Reihe nach auf. Also Anasuya Calvo«, sagte sie.
Ein Mädchen mit langen wallenden schwarzen Haaren ging auf die Bühne. Wenn sie sie bewegte, schienen sie ein bisschen in verschiedenen Farben zu schillern. Selbstbewusst schüttelte sie den Schulleitern und Professor Livsey die Hand und stellte sich dann etwas weiter hinten hin.
»Luan Cooke«
Er ging ebenso selbstbewusst, wie das Mädchen vor ihm auf die Bühne. Als er neben ihr stand schienen sie sich leise abzuklatschen. Anscheinend Freunde.
»Loe Damon«, hatte dunkelblaue Haare.
»Luana Katō«
Luna drückte kurz meine Hand, dann stand sie auf und ging nach vorne.
»Mia Lokelani«
Schnell stand ich auf und schüttelte etwas nervös die Hände von den Schulleitern und Professor Livsey. Dann stellte ich mich neben Luna. Dieser Saal war von hier aus so groß. Ich sah Lina und Lea nebeneinander in der zweiten Reihe außen sitzen.
»Cocoro Nunes«
Sie hatte dunkle Locken, die zu den spitzen hin rot wurden. Sie war etwas älter, als der Rest, zumindest sah sie so aus. Sie kam hoch, schüttelte allen die Hände und stellte sich neben mich.
»Alva Sevim«
Ich musterte sie kurz, bis mir einfiel, dass sie das Mädchen mit den Feuerhaaren aus dem Zauberstab Laden war. Ihre Haare sahen wirklich aus wie Feuer. Als sie an mir vorbei lief, hatte ich wirklich das Gefühl, es wäre Feuer und wäre am liebsten soweit, wie möglich nach hinten gewichen. Sie warf kurz einem Blick nach hinten, wo ihr aus der zweiten Reihe, der Junge, der im Laden neben ihr stand und vermutlich ihr Bruder war und ein Mädchen mit langen Haaren in den Verschiedenen Farben des Wassers. Es hörte sich lustig an, aber so sahen sie wirklich aus. Die eine mit den Feuerhaaren und die andere mit den Wasserhaaren.
Ich bemerkte kaum, wie, »Nicu Tropcourt«, die Bühne betrat, so lange sah ich sie an.
»Sanura Wallin«
Sie war klein, vermutlich die Jüngste von allen und hatte, zu meiner größten Verwunderung, ganz normale Haare. Sie waren einfach in einem hellen Blond. Dafür erkannte ich, als sie sich zu uns drehte, dass ihre Augen unterschiedliche Farben hatten. Das eine war grün und das andere blau und beide schienen zu leuchten.
»Veit Wayne«, war der letzte aus der ersten Reihe, der Aufstand. Er war groß, hatte ein kantiges Gesicht und kam mit schnellen Schritten auf die Bühne.
Wir gingen schnell wieder von der Bühne und nahmen wieder auf unseren Stühlen Platz. Auch Professor Livsey, die wohl so etwas wie unsere Klassenlehrerin war, ging wieder von der Bühne und setzte sich hinten hin.
»Also wie manche von uns vielleicht wissen, werden wir dieses Jahr zum ersten Mal an den magischen Wettkämpfen zwischen den Schulen teilnehmen. Also bei denen zwischen den Internaten. Wir werden für die verschiedenen Disziplinen Schulteams aufstellen, die in diesen gegen die Schüler der anderen Schule antreten. Bis nächste Woche habt ihr Zeit euch die Disziplinen anzusehen und euch ein Bild von ihnen zu machen. Da wir sehr wenige Schüler sind, werden alle bei mehreren Disziplinen teilnehmen, wir versuchen aber dafür zu sorgen, dass keiner oder so wenige, wie möglich, an mehr, als drei teilnehmen müssen.
Was die Außerschulischen Aktivitäten angeht, natürlich gibt es ein paar, die von dem Kollegium geleitet werden, wendet euch da einfach an den jeweiligen Lehrer, und die anderen, die Schüler leiten, ich würde sagen, dass ihr sie einfach ansprecht. Keiner von ihnen ist eine Sphinx und das Kollegium genauso wenig. Es wird euch also keiner umbringen.
Das komplette Regelwerk hängt wie immer zum Nachlesen aus, aber ein paar Regeln möchte ich jetzt nochmal hervorheben. Zum einen darf Magie außerhalb des Unterrichts nur in den dafür Vorgesehenen Übungsräumen und den Übungsplätzen gewirkt werden. Geflogen wird nicht im Gebäude, sondern nur auf dem Gelände. Ohne schriftlicher Erlaubnis von jemanden aus dem Kollegium ist es keinem gestattet das Schulgelände zu verlassen. Dazu zählen vor allem auch der Hafen, der Wald und die Klippen. Von zweiundzwanzig Uhr bis sieben Uhr ist Nachtruhe, das heißt in dieser Zeit verlasst ihr eurem Schlafraum nicht. Ich glaube, das war alles«, sagte sie.
Sie sah kurz zu ihrem Bruder, wie um sich zu vergewissern. Als dieser nickte, sagte sie, »Gut, dann wollen wir euch nicht weiter aufhalten.«
Sie deutete zu der Tür, durch die wir vorhin herein gekommen waren. Sofort kam Bewegung in die Schüler. Die meisten standen nun auf und gingen zur Tür. Nach kurzem Zögern folgten wir ihnen.
»Was hatte Lea nochmal gesagt, was jetzt kommt?«, fragte ich Luna.
Ich hatte ihr vorhin ehrlich gesagt nur mit halbem Ohr zugehört.
»Ich glaube, jetzt gibt es Essen«, sagte Luna, »Also mein Lieblingspart. Hoffen wir, dass sie gutes Essen hier haben.«
Ich dachte an das Schulessen in der Grundschule zurück. Innerlich schüttelte ich mich. Keine tollen Erinnerungen. Seit dem Gymnasium hatte ich mir immer mein eigenes Essen mitgenommen.
Wir gingen den Gang entlang und bogen ein paarmal ab, bis wir vor einer weiteren Flügeltür standen.
Der Raum dahinter, war ungefähr so groß, wie der Saal, in dem wir eben waren, es gab aber keine Bühne und er sah nicht so aufpoliert aus, wie der Saal eben. Der Boden hatte viele Kratzer und an der Wand war der ein oder andere Riss zu sehen. Vier Tische standen im Raum. Der eine ganz hinten war offensichtlich der Lehrertisch.
»Ich glaube, wie sitzen hier auch in den jeweiligen Jahrgängen an den Tischen«, sagte Luna zu mir.
Ich stimmte ihr zu. Es sah ganz so aus, denn nach und nach verteilten sich die älteren Schüler auf zwei Tische und nur wir neuen standen noch im Eingang rum. Wir setzten uns dann an den letzten leeren Tisch. Ich saß am Rand und neben Luna. Da bis auf einen Kerzenständer in der Mitte des Tisches alles noch ziemlich leer war, sah ich erwartungsvoll zu den Lehrern. Professor Tamasi stand auf.
»Ich wünsche euch einen guten Appetit«, sagte er.
Dann klatschte er zwei Mal in die Hände und die Flügeltüren öffneten sich. Kurz geschah nichts, aber dann flogen Teller, Tassen und Besteck durch die Tür und ließen sich vor den Schülern nieder. Ganz ausgefeilt war das aber noch nicht, da das Geschirr irgendwie vor einem landete und die Messer etwas zu sehr hin und her schwenkten, während sie rein kamen, so dass ich teilweise angst bekam gleich erstochen zu werden.
Nachdem wir alle unser Geschirr vor uns geordnet hatten kamen Schüsseln und Platten durch die Tür geschwebt. Deutlich langsamer, als das Geschirr vorher. Anscheinend wollten sie hier weniger riskieren. Eine gute Entscheidung, denn das Essen sah unglaublich lecker aus, auch wenn ich zugeben musste, dass ich so gut wie gar nichts davon kannte. Ein paar Sachen glaubte ich mal bei den Zwillingen gesehen zu haben, aber mit dem Rest konnte ich beim besten Willen nichts anfangen. Bei den Zwillingen hatten wir meistens eine Mischung aus ihrem Essen und dem der Menschen gemacht.
Da nun alle begannen sich etwas auf ihre Teller zu machen, tat ich das nun auch. Ich nahm mir erstmal von allem etwas, was ich kannte und das war zu meinem Bedauern nicht sehr viel.
»Interessante Mischung«, sagte jemand, der mir gegenüber saß.
Es war der Junge, der als einer der erste auf der Bühne stand, mit noch mehr oder weniger normalen Haaren. Sie schillerten nur etwas. Seinen Namen musste ich wohl auf dem Weg hier her vergessen haben.
Ich sah auf meinen Teller. Naja, diese Pancake Dinger, irgendetwas, bei dem ich annahm, das Ei dabei war und noch etwas, das mir wage bekannt vorkam und ein bisschen eine Art Soße bildete, war auf meinem Teller verteilt. Mit den verschiedenen Farben, die nicht wirklich zusammen auf einen Teller gehörten sah das schon wirklich komisch aus, das musste ich zugeben.
»Ach was«, sagte ich und probierte etwas.
Das gehörte eindeutig nicht zusammen auf einen Teller. Aber, es gab wirklich schlimmeres. Zum Beispiel mein Grundschulessen.
»Bist du nicht die, die am Anfang fast vom Schiff gesprungen ist?«, fragte er weiter, während er mich belustigt musterte. Kurz musste ich nachdenken, um zu wissen, was er meinte.
»Ich bin doch nicht vom Schiff gesprungen. Ich habe mich nur gegen die Reling gelehnt und die Arme ausgebreitet. Ich bin nicht mal ansatzweise gesprungen«, sagte ich und nahm demonstrativ noch einen Bissen.
Nächstes Mal würde ich mich, was das Essen anging, an Luna oder die anderen hier halten.
»Wie heißt du nochmal?«, fragte er mich.
»Mia und du?«
Das Mädchen, mit dem er auf der Bühne eingeschlagen hatte folgte unserem Gespräch.
»Luan und das ist Ana, meine beste Freundin«, er zeigte auf sie.
Jetzt, wo ich sie nochmal vom nahe sah, erkannte ich, dass ihre Haare nur ein sehr dunkles Braun waren und nicht schwarz.
»Hi«, sagte ich zu ihr.
Wir redeten noch etwas und irgendwann schloss sich noch ein Junge mit bunten Haaren unserem Gespräch an. Er hieß Nicu und kam mir sofort sympathisch vor. Er lächelte fast dauerhaft und hatte immer einen lustigen Spruch auf Lager.
Luna unterhielt sich mit Alva, dem Mädchen mit den Feuerhaaren. Nach einer Weile wurde es wieder ruhiger, als die Schüsseln und Platten wieder raus flogen und stattdessen Teller mit Nachtisch hereinkam.
»Luan, glaubst du, das sind solche, die wir auch in den Ferien gegessen haben?«, fragte Ana aufgeregt und deutete auf die extrem lecker aussehenden Schokoladen Muffins.
»Ich denke, da kann man nur probieren«, sagte er grinsend, nahm sich einen und biss hinein.
»Oh Gott, Nessel«, sagte er. Schnell nahm sich auch Ana einen.
»Ha, ich habe Kione!«, sagte sie.
Anscheinend hatten sie verschiedene Füllungen. Ich nahm statt einen Muffin einen ziemlich normal aussehenden Brownie. Er schmeckte Göttlich. Einfach super!
Ich bemerkte nach einer Weile, als kaum noch einer etwas von diesen leckeren Süßspeisen aß, wie Professor Livsey und noch zwei weitere Lehrer mit einem Blätterstapel aufstanden und zu den drei Tischen kamen.
»Hier, das sind eure Stundenpläne«, sagte sie und verteilte sie an uns.
Ich sah auf meinen und stöhnte kurz auf. Geschichte? Wiese musste die Woche mit Geschichte anfangen? Gut, Professor Livsey sah eigentlich ganz nett aus, aber es war immer noch Geschichte! Zum Glück nur eine Stunde. Danach würden wir schon unsere erste Stunde Magie haben. Darauf war ich schon gespannt. Wir hatten bis auf Donnerstag an jedem Tag Magie. Danach hatten wir Menschen. Ich schätzte mal, dass ich in diesem Fach die wenigsten Schwierigkeiten haben würde. Schließlich habe ich fünfzehn Jahre lang unter ihnen gelebt und mich auch für einen Menschen gehalten. Dann hatten wir Pause und danach zwei Stunden Sport. Ich war vielleicht nicht komplett unsportlich, aber ich hatte früher eher Glück, dass ich in Sport so gute Noten hatte. Warum die so gut waren hatte ich nie verstanden. Bei Akrobatik kam ich mir immer wie ein Elefant im Porzellanladen vor und beim Ausdauerlauf lief ich meistens eher weiter am Ende der Gruppe. Nur die Ballsportarten hatten das wieder reingeholt. Volleyball, Basketball und so. Da hatte ich vor allem mit meiner Größe immer einen Vorteil gehabt. Brauen hatten wir schon am Dienstag. Darauf war ich auch schon ziemlich gespannt. Vielleicht war das ja ein Fach, in dem ich gut sein könnte.
»Gut, ich wünsche euch allen eine schöne Nacht. Die Erstklässler warten bitte nochmal hier«, sagte Professor Tamasi.
Auf ihre Ansage hin standen alle wieder auf und gingen raus. Nur wir blieben hier und ein paar Lehrer, unter denen natürlich Professor Livsey war.
»Folgt mir«, sagte sie und ging Richtung Flügeltür.
Wir standen schnell auf und folgten ihr.
»Das Gebäude ist sehr alt, wie alt weiß keiner so genau. Schon mehrmals wurde die Burg als Schule genutzt, aber nie hat es lange gehalten.«
Den ganzen Weg über erzählte sie uns irgendwelche Geschichten über die Burg. Ich hatte keine Ahnung, wie sie sich in diesem Irrgarten zurecht fand. Wir bogen so oft ab und nahmen so viele Treppen, dass ich einfach nicht mehr mitkam.
Als sie endlich vor einem Turm anhielt, war ich total erleichtert endlich angekommen zu sein. Unauffällig hielt ich mir die Seite. Die Burg war einfach zu groß. Wie kam es, dass ich die einzige war, die außer Atem war? Alle anderen sahen immer noch Topfit aus. Zum Glück mussten wir unser Gepäck nicht noch mitschleppen.
»Der Nordturm«, sagte Professor Livsey.
»Ihr Mädchen wartet bitte hier, ich komme gleich wieder. Die anderen folgen mir.«
Mit den gerademal vier Jungen ging sie in den Nordturm hinein. Was hatte Lea gesagt? Die Jungs waren im Nordturm, und die Mädchen? Auf jeden Fall woanders. Ich lehnte mich gegen eine Wand.
»Müde?«, fragte mich Luna.
Ich nickte. »Und wie« Ich konnte es kaum erwarten endlich in mein Bett zu kommen.
Ich war froh, als Professor Livsey endlich wieder rauskam und mit uns zum Ostturm lief. Wieder konnte ich mir den Weg nicht merken. Ehrlich gesagt versuchte ich es auch gar nicht.
»Also, euer Turm ist wie der, der Jungen aufgebaut. Unten gibt es einen Gemeinschaftsraum, im ersten Stock sind die Drittklässler, im zweiten die Zweitklässler und im dritten seid ihr. Da die Nachtruhe gleich beginnt bleibt ihr bitte auf eurem Zimmer«, erklärte sie und stieß eine Tür auf, die in einen Gemütlichen Raum führte.
Es gab viele Sitzecken, ein paar Tische und Bücherregale. Außerdem gab es viele Fenster, die einem einen Rund um Blick ermöglichten, der gerade leider noch von Vorhängen verdeckt wurde. Es gab ein paar Teppiche und Sitzecken und an einer Wand hingen viele Zettel, wahrscheinlich mit irgendwelchen Ankündigungen, oder Informationen. In der Mitte des Raumes war eine Wendeltreppe, die den Turm hoch führte. Professor Livsey ging voran und wir folgten ihr hoch in den dritten Stock. Dieser sah, im Gegensatz zu den zwei unteren ziemlich kahl aus.
»Das könnt ihr mit der Zeit dekorieren, wie ihr wollt, vergesst aber bitte nicht die Wege frei zu lassen«, sagte sie.
Sie ging zu der einzigen vorhandenen Tür hier oben und öffnete sie. Neben der Tür hingen sechs kleine Schilder untereinander, auf denen unsere Namen standen. Morgen früh würde ich mir die Namen mal unauffällig ansehen.
»Gut, wenn ihr euch nicht mehr an den Weg erinnern könnt, fragt einfach ein paar der älteren Schüler, die werden euch sicherlich gerne helfen. Und nun, gute Nacht.«
Mit diesen Worten ging sie wieder die Treppe runter.
Wie gingen in den Raum und sahen uns um. Der Turm schien Rund zu sein, denn unser Zimmer hatte die Form eines Donuts, wobei es auf der gegenüberliegenden Seite vom Eingang noch ein Zimmer gab, was vermutlich das Bad war. Durch die Fenster hatten wir einen wunderbaren Blick. Neben der Tür stand unser ganzes Gepäck.
»Kann ich dieses Bett haben?«, fragte das Mädchen, das einen ähnlichen Namen wie Kokosnuss hatte.
Neben jedem Bett war ein großes Fenster mit Fensterbank, durch das man hinaus sehen konnte. Sie hatte ein Bett mit dem Blick zum Strand. Da keiner etwas einwarf nahm sie sich ihren Koffer, der aussah, als hätte er schon viel durchgemacht und ging zu dem Bett.
Nach und nach verteilten wir uns auf die anderen Betten. Luna war neben Alva und mir und ich neben Luna und Sanura, dem Mädchen mit den unterschiedlichen Augenfarben. Ich nahm Kalias weinroten Koffer mit den silbernen Umrissen eines Einhorns und begann die wichtigsten Dinge auszupacken und mich umzuziehen, wie die anderen auch.
»Ok, also wir werden jetzt wohl uns die nächsten fünf Jahre ein Zimmer teilen, ich denke, es wäre eine gute Idee, wenn wir uns nacheinander kurz vorstellen, damit wir uns erstmal kennenlernen«, sagte das Mädchen mit dem Kokosnuss Namen.
»Ok, also ich heiße Alva meine beste Freundin Nila ist einen Jahrgang über uns, genauso, wie mein Bruder Nael. Ich liebe Schwertkampf. Äh ja. Luna?«, sagte Alva.
Luna setzte sich zu Alva auf das Bett und sagte, »Gut, ich heiße Luna, ich werde bald fünfzehn, ich habe eine kleine Schwester und zwei Katzen und ich klettere gerne. Und ich esse kein Fisch und Fleisch.«
Sie sah zu mir und klopfte neben sich auf das Bett. Langsam setzte ich mich neben sie.
»Ich heiße Mia, bin fünfzehn, lese gerne und spiele Beachvolleyball«, sagte ich.
Ana kam von selbst und setzte sich auf das andere Bett, gegenüber von uns.
»Ich bin Ana, mein bester Freund Luan ist in unserem Jahrgang, ich liebe eigentlich so ziemlich alle Kampfsportarten, aber vor allem den Schwertkampf«, sagte sie.
»Also, ich bin Coco, ich bin vor kurzem sechzehn geworden, mit meiner Familie reise ich viel herum, wir sind selten länger an einem Ort und ich habe schon so ziemlich die ganze Welt gesehen«, sagte sie und setzte sich neben Ana. Die ganze Welt wohl kaum. Wohl eher den magischen Teil der Welt und der war, wie mir die Zwillinge sagten, nicht ganz so groß, aber anscheinend war das nicht so vielen bewusst.
Auffordernd sahen wir zur letzten im Raum. Mit verschränkten Armen lehnte sie gegen die Wand. Sie trug immer noch ihre Schuluniform, nur den Umhang hatte sie abgemacht und ihr Tarnkoffer, er passte sich farblich seiner Umgebung an, stand noch immer unangerührt neben ihrem Schrank.
»Sanura Wallin, vierzehn Jahre«, sagte sie mit schneidender Stimme. Es war offensichtlich, dass sie nicht noch mehr sagen wollte.
»Bonbons?«, fragte Coco und hielt uns einen kleinen Beutel hin. Bis auf Sanura griffen wir alle zu. Sie schmeckten nach einer merkwürdigen Mischung von Waldbeeren. Es begann immer mit dem Geschmack einer Beere, der dann in den einer anderen überging.
»Lecker«, sagte Alva.
»Danke, die habe ich selbstgemacht. Ein entfernter Verwandter in Toulon hat es mir beigebracht«, sagte sie.
»Bald riecht das ganze Zimmer nach den Waldbeeren«, merkte Sanura an.
»Ja, daran arbeite ich noch. Es hat noch eine parfürmierende Wirkung, aber die geht schnell weg«, sagte Coco.
Wir redeten noch eine ganze Weile. Sanura klinkte sich nur selten ins Gespräch ein. Irgendwann sagte Ana, »Ich denke, wir sollten so langsam mal ins Bett, wenn wir fit für den ersten Schultag sein wollen.«
Und so legten wir uns dann alle in unsere Betten. Ich sah auf die Mitternachtsblüte, die ich auf meine Fensterbank gestellt hatte. Ein bisschen begann schon die Perle in der Mitte zu leuchten. Ich konnte nicht glauben, wie viel in den letzten zwei Monaten passiert war. Es fühlte sich noch immer nicht wirklich echt an. Mehr so wie etwas merkwürdiges, dass aber schnell vorrübergehen würde und danach war alles wieder, wie früher.
Die anderen Mädchen schienen eigentlich ganz nett zu sein, was mich sehr erleichterte. Nicht auszudenken, wenn wir alle die ganze Zeit streiten würden.
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Nun geht es los zur Schule, was glaubt ihr, wird sie dort erwarten?
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