4. Kapitel
Die Zwillinge gaben mir am nächsten Tag eine Karte der Umgebung, so dass ich mich nicht mehr so leicht verlief.
Ich ging häufig an den Strand, um mit den anderen Volleyball zu spielen. Sonst lag ich in einem der Liegestühle im Garten und las in einem der vielen Bücher.
Heute bin ich gerade losgegangen, Richtung Strand, um etwas Volleyball zu spielen, als ich plötzlich im Augenwinkel sah, wie der Stein an meinem Armband zu leuchten begann. Kurz starrte ich sprachlos darauf, bis mir wieder einfiel, was das bedeutete und ich sofort kehrt machte und zurück rannte.
Ich stürmte ins Haus und sah die Zwillinge schon mit der Kristallkugel am Tisch sitzen. Schnell setzte ich mich zu ihnen und sah ebenfalls in die Kugel. Es war aber niemand zu sehen. Ich ging etwas um den Tisch, um einen anderen Blickwinkel zu haben, aber auch so konnte ich nichts erkennen.
»Habt ihr schon etwas gesehen?«, fragte ich die Zwillinge.
»Nur ganz kurz am Anfang«, sagte Kalia, »so etwas schwarzes, das im Gras verschwunden ist«
Schwarz, vielleicht ein Vogel?
»Da«, rief plötzlich Kanje und zeigte auf etwas in der Kugel. Schnell lief ich zu ihm und sah es dann auch.
Es war der schwarze Kater, den ich schon ein paar Mal dort gesehen hatte. Enttäuscht ließ ich mich wieder auf den Stuhl sinken. Wieder nichts.
»Ich geh dann mal«, sagte ich und wandte mich Richtung Tür.
»Ach Mia, eine Sache noch. Nächste Woche kommt ein guter Freund von uns, uns besuchen. Nur dass du Bescheid weißt«, sagte Kanje.
»Ok«, sagte ich und ging dann ganz hinaus.
Die Tage vergingen nicht anders, als die vorherigen und ich war selbst überrascht, wie schnell ich mich an die neuen Umstände gewöhnt hatte. Der Kater tauchte nun regelmäßig bei mir zuhause auf und ich gab ihm den Namen Balou. Kanje versuchte neben seiner Arbeit eine Möglichkeit zu finden, wie Balou nun nicht mehr jedes Mal, wenn er sich bewegte ein Signal auslöste. Bisher hatte er noch nichts, so dass der Stein an meinem Armband nun ziemlich häufig leuchtete.
Heute kam Jack, der Freund der Zwillinge, zu besuch. Kalia rannte schon den ganzen Tag hin und her und versuchte irgendwie Ordnung in das Chaos zu bringen. Als sie dann den Abwasch schnell mit einem Zauber sich von selbst Abwaschen lassen wollte, war sie zu unkonzentriert und der Zauber ging schief. Jetzt trommelte das Besteck auf den Töpfen und es hörte sich schrecklich an. Kanje und ich machten nun einen großen Bogen um die Küche mit ihrem, Küchenorchester.
Da ich eh nicht wirklich helfen konnte und wir auch nicht wussten, wann genau Jack kommen würde, verbrachte ich den Tag draußen in einem der Liegestühle und las ein Buch über zwei Jungen, die ein Geheimnis um eine magische Uhr lösen wollten.
Als ich hörte, wie an der Tür geklopft wurde, legte ich schnell ein Lesezeichen in das Buch und ging um das Haus herum nach vorne zur Tür.
Ein großer Mann stand im Türrahmen und umarmte gerade Kanje. Als sie mich bemerkten, drehte er sich zu mir um. Er war jung, vermutlich nicht älter, als vierundzwanzig und hatte ein Grinsen im Gesicht, so dass ich ihn sofort als jemanden einstufen würde, der den anderen so viele Streiche, wie es nur ging, spielte.
»Hey, du musst Mia sein. Kanje hat mir schon von dir erzählt, auch wenn ich zugeben muss, dass ich mir dich immer etwas kleiner vorgestellt habe«, sagte er und zog dann auch mich in eine feste Umarmung, die mir fast die Knochen brach.
»Lia ist vermutlich noch oben. Apropos, sie hat heute wieder etwas kaputt gemacht, kannst du es dir vielleicht mal ansehen?«, sagte Kanje und die beiden gingen in die Küche. Ich legte mein Buch im Wohnzimmer ab und folgte ihnen dann.
»Kein Problem, das kriege ich wieder hin«, sagte Jack und ging auf das klappernde Küchenorchester zu.
»Jack ist beim Magieumkehrkommando. Das heißt, immer, wenn ein Zauber schief geht, oder generell im Umgang mit Magie irgendetwas schief geht, kommen er und seine Kollegen, um sich darum zu kümmern. So haben wir ihn auch erst kennen gelernt. Kalia hatte früher so oft irgendetwas angestellt, dass er quasi im Dauereinsatz bei uns war«, erklärte Kanje, der wieder zu mir kam.
Auf einmal verstummte das Küchenorchester und wir sahen wieder zu Jack, der nun stolz in der Küche stand du dem Geschirr beim Einräumen zusah. »Fertig«, sagte er grinsend.
»Jack!«, rief Kalia, rannte die Treppe runter und umarmte ihn stürmisch.
»Ich freue mich auch dich zu sehen Lia!«, sagte Jack lachend.
»Ah, du hast dich schon darum gekümmert«, sagte Kalia, als sie sah, wie sich das Geschirr wieder in den Schänken stapelte.
»Also, was wollen wir heute machen?«, fragte Jack.
»Da wir vorher nicht dazu gekommen sind würde ich sagen, kochen wir erstmal etwas gemeinsam. Danach können wir noch einen Film im Garten schauen«, sagte Kalia voller Vorfreude.
»Gut, was wollen wir kochen?«, fragte Jack und rieb sich die Hände.
»Wie wäre es mit diesem Apfel Ding von dem du mir erzählt hast Mia?«, schlug Kalia vor.
»Klar können wir das machen, wenn alles da ist«, sagte ich. Ich hatte ihr vor einer Weile mal von dem Apfel Crumble erzählt, den ich gerne aß.
»Ich kaufe die restlichen Zutaten ein!«, rief Kalia noch, bevor sie durch die Tür verschwand. »Eindeutig zu viel Voc und zu wenig Bewegung«, lautete Jacks Diagnose. Was auch immer Voc war.
Ich ging zum Kühlschrank und den Zutatenschränken und sah nach, was wir noch brauchten.
»Wie geht es eigentlich deiner Freundin Chiara?«, fragte Kanje.
»Sie hat mir vor einer Woche einen Brief geschrieben. Sie wurde wohl als Lehrerin für Magische Wesen an der Maguire Academy angenommen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich darüber bin. Jetzt hat die ganze Jobsuche endlich ein Ende«, antwortete Jack, »Außerdem hat sie eine neue Katze aufgelesen. Ich wette mit dir, nächstes Jahr ist ihr Haus zu klein für all die Tiere, die sie bei sich aufnimmt«
»Ich dachte, sie lässt sie wieder in die Freiheit, wenn es ihnen wieder gut geht«, meinte Kanje.
»Den Tieren gefällt es bei ihr und sie lässt sie auch immer so ungern gehen. Ihre Tiere wachsen ihr sofort ans Herz«, sagte er nur.
Es fehlte nur noch die Butter. Ich schloss die letzte Schanktür wieder und drehte mich zu den anderen um.
»Mia«, lenkte er das Gespräch auf mich, »erzähl doch mal ein bisschen was von dir«, erwartungsvoll sah er mich an. Was sollte ich denn groß erzählen?
»Naja, da gibt es nicht viel zu erzählen«, fing ich an, aber bevor ich noch mehr in Erzählungsnot kommen konnte, kam Kalia auch schon wieder in die Küche gewirbelt. Ihren Einkauf verteilte sie auf der Theke. Das war eindeutig mehr, als eine Packung Butter.
»Ähm Kalia«, begann ich und konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
»Ja?«, verwirrt sah sie zu mir.
»Das haben wir alles schon«, sagte ich und nachdem ich ihren Einkauf komplett überflogen hatte musste ich noch mehr lachen, »Die Butter hatte nur noch gefehlt, aber wie es aussieht hast du die wohl auch vergessen.« Jetzt konnten auch die anderen sich ein Lachen nicht mehr verkneifen.
»Dann können wir ja eine doppelte Portion machen!«, sagte Kalia fröhlich und sah aus wie ein Kind an Weihnachten.
»Dann fangt ihr schon mal an. Ich hole die Butter«, sagte Kanje und ging hinaus.
Als wir alle Zutaten herausgeholt hatten begann ich die Anweisungen zu geben, »Also, zuerst müssen die Äpfel geschält und geschnitten werden.« Ich nahm mir einen Apfel und begann ihn zu schälen. Jack nahm sich gleich vier, jedoch schälte er sie nicht, sondern fing an mit ihnen zu jonglieren. Kalia schnappte sich zwei aus der Luft und begann diese zu schälen.
Als Kanje wieder kam, musste nur noch ein Apfel geschnitten werden. »Hier ist die Butter. Wie wär's, ihr macht den Apfel Crumble fertig und ich bereite alles draußen vor?« Ohne auf eine Antwort zu warten stellte er die Butter ab und ging nach draußen.
»Ok, jetzt müssen wir die Butter schmelzen und Jack, kannst du den Ofen auf Hundertachtzig Grad vorheizen? Die Apfelstücke können wir schon mal mit dem Zucker und dem Zitronensaft vermischen«, sagte ich, woraufhin sich Kalia die Schüssel mit den Apfel Stücken nahm.
»Hundertachtzig Grad?«, fragte Jack, »Denkst du, es geht auch das« Mit einem Hand wink begann den Ofen leicht zu glühen.
»Hoffentlich«, sagte ich.
Die Butter, bei dessen Erhitzung Jack mit ein bisschen Magie nachgeholfen hatte, gaben wir zu den Apfelstücken. Während ich die Apfelmischung in der Backform verteilte machten sich Kalia und Jack daran die Streusel zu machen, wobei sie bestimmt einen großen Teil des Teiges aufaßen.
Als alles in der Backform war stellten wir sie in den Ofen und sahen ihm beim Backen zu. Da einer der beiden mit Magie das ganze etwas beschleunigte konnte man quasi im Zeitraffer beim Backen zusehen.
Als wir den Apfel Crumble nach einer Weile wieder herausholten war er goldbraun und roch einfach göttlich. Der Geruch hatte wohl auch Kanje wieder hereingelockt.
»Hmh, riecht das lecker!«, sagte er und kam zu uns. Dann ließ er seinen Blick durch den Raum gleiten und sah uns tadelnd an. »Aber was habt ihr bitte hier veranstaltet? Es sieht ja aus, als wäre eine Horde Kobolde auf Gold Jagd gewesen.«
Kalia verdrehte nur die Augen, »Darum können wir uns auch später kümmern. Jetzt wird erstmal gegessen.« Mit dem Apfel Crumble in der Hand ging sie voran in den Garten.
Die Liegestühle waren mit Kissen ausgestattet und neben jeder der vier Liegen schwebten ein Teller und ein Glas. Im Garten waren überall kleine Lichtpunkte verteilt, die man für Glühwürmer halten könnte. Gerade, als Kanje sich in seine Liege fallen ließ sprang Kalia wieder auf.
»Wir haben den Film ganz vergessen!«, rief sie, drückte Jack den Apfel Crumble in die Hand und rannte zurück ins Haus. Kanje verdrehte nur die Augen und holte einen gläsernen Würfel hervor, der in etwa drei Zentimeter groß war. Er stand auf und stellte ihn etwa sieben Meter von uns entfernt in Hüfthöhe in der Luft ab. Jack verteilte den Apfel Crumble mehr oder weniger gerecht auf die vier Teller und ich goss in alle Gläser etwas zu trinken ein.
»Kanje, weißt du wo ‚Ella und die magischen Schlüssel' sind?«, rief Kalia aus dem Haus.
»Woher soll ich das wissen? Du hast ihn doch das letzte Mal gesehen, als ich weg war«, rief er zurück.
»Das ist ihr Lieblingsfilm. Du kannst sie Mitten in der Nacht wecken und fragen, was bei Minute siebenundfünfzig passiert und sie kann es dir sofort sagen, zur Not auch nachspielen«, er seufzte gespielt theatralisch »Und danach kann sie wieder sofort einschlafen«, fügte er noch hinzu.
Jack lachte in sich hinein, während er ein paar Streusel von Kalias Teller klaute. Von innen hörte man irgendwas zerbrechen.
»Das klingt gar nicht gut«, Kanje rannte ins Haus. Ich rannte ihm hinterher. Im Wohnzimmer stand Kalia auf einem Bein hüpfend mitten im Raum. Vor ihr eine Zerbrochene alte Vase.
»Ich sagte doch, die Vase bringt nur Unglück«, sagte sie in Richtung ihres Bruders. Mit einer Handbewegung seinerseits war die Vase wieder ganz.
»Hast du die richtige Phiole gefunden?«, fragte er unberührt nach. Ich dachte, wir suchen einen Film. »Nein«, zischte sie.
»Hast du mal in deinem Zimmer nachgeschaut, wo du ihn das letzte Mal gesehen hast?«, sofort lief Kalia rot an und rannte hoch in ihr Zimmer. Kopfschüttelnd sah Kanje ihr nach.
Wenig später waren wir alle wieder im Garten. Kalia stand neben dem gläsernen Würfel, mit einer Phiole in der Hand. Vorsichtig schüttete sie die silbrige Flüssigkeit in den Würfel, verschloss die Phiole danach und kam zu uns zurück. Wie wir jetzt einen Film sehen wollten war mir noch unklar.
Dann begann sich der Würfel zu drehen. Immer schneller und schneller. Farben schossen hervor, die um den Würfel herum sich zu Gegenständen und Menschen formten. Im Hintergrund bildete sich eine Häuserreihe, vor der Ein Mädchen, ungefähr in meinem Alter stand. Sie hatte schwarze, dicht Haare und offensichtlich ausländische Wurzeln. In gebückter Haltung schlich sie an den Häusern vorbei. Man könnte meinen, dass alles wäre wirklich direkt vor uns. Ich unterdrückte den Drang aufzustehen und die Häuser zu berühren, um zu sehen, ob sie echt waren. Das war so cool.
Während des Filmes hatten wir den ganzen Apfel Crumble aufgegessen und ich versuchte nicht zu auffällig über das Ganze zu staunen. Als der Film zu Ende war, schien es, als würde der Würfel alle Farben und Töne anziehen und wieder in sich verstecken. Der Würfel drehte sich immer langsamer, bis er wieder still stand.
»Super Film, oder?«, fragte Kalia, während sie auf den Würfel zu ging und die Flüssigkeit wieder zurück in die Phiole füllte und verschloss. »Also ich war ja schon immer der Meinung, dass sie einen zweiten Teil machen sollten, aber alle Briefe die ich geschickt habe, haben wohl nichts gebracht«, sagte sie.
Kanje ließ die Teller und Gläser langsam auf sich zu fliegen und brachte sie ins Haus.
»Du hast ihnen Briefe geschrieben, dass sie einen zweiten Teil machen sollen?«, fragte Jack überrascht.
»Ja natürlich. Der beste Film der Welt hat es verdient einen zweiten Teil zu bekommen«, sagte sie nur und holte den Würfel aus der Luft.
»Also ich an deiner Stelle wäre schon längst mal da vorbei gekommen und hätte es ihnen persönlich gesagt«, erwiderte Jack.
Überrascht drehte sie sich zu ihm um, »Warum bin ich nicht selbst schon darauf gekommen? Gleich morgen werde ich ihnen einen Besuch abstatten«, sagte sie entschlossen. Dann rannte sie auf Jack zu und umarmte ihn stürmisch. Er lachte nur und ließ sie nach einer Weile wieder runter.
Der Abend mit Jack war toll und vor allem aber auch eine gute Abwechslung zu den anderen Abenden. Er versprach sobald es ging wieder zu kommen, aber in den Ferien wollten laut ihm die meisten Schülerinnen und Schüler allen anderen zeigen, was sie tolles gelernt hatten, und da das meistens schief gingen waren er und sein Team im Dauereinsatz.
Die Tage danach vergingen so ähnlich, wie die Tage davor. Ich spielte Volleyball, las oder sah mir die Aufzeichnungen von unserem Haus an. Außer Balou kam niemand vorbei.
Kalias Gespräch mit der Produktionsfirma hatte leider nichts gebracht. Sie wollten keine Fortsetzung drehen.
Ein paar Tage später beim Mittagessen, merkte ich, wie die Zwillinge immer wieder nervöse Blicke tauschten.
»Ist etwas?«, fragte ich.
»Ähm also, wir«, fing Kalia an.
»Wir hatten doch gesagt, wenn deine Eltern bis zum Ende der Ferien nicht auftauchen würden wir dich bei einer Schule anmelden«, versuchte es Kanje.
»Die Ferien sind doch noch nicht mal zur Hälfte vorbei«, warf ich ein.
»Ja, aber der Anmeldezeitraum. Wir dachten, vielleicht könnten wir dich schon mal irgendwo anmelden. Wenn deine Eltern auftauchen können wir dich immer noch wieder von der Schule nehmen. Oder deine Eltern halten es auch für eine gute Idee, auf eine unserer Schulen zugehen. Dann hätten wir schon eine Schule«, erklärte er.
Ich ließ mir seine Worte nochmal durch den Kopf gehen und dann nickte ich, »Ok«, sagte ich und aß den Rest, der sich noch auf meinem Teller befand auf.
»Ok?«, wiederholte Kalia. Sie hatte wohl mit mehr Gegenwehr gerechnet.
»Ja, wir können mich meinetwegen auf einer Schule anmelden. Falls meine Eltern auftauchen melden wir mich einfach wieder ab«, sagte ich. Sie würden schon früh genug wieder auftauchen, aber eine Art Sicherheit zu haben war auch irgendwie gut und mal ehrlich, so eine richtige Magierschule, auf der man lernte zu fliegen oder Lichtblitze durch die Gegend zu schleudern, war eigentlich schon etwas, was ich gerne mal von innen sehen würde.
»Na dann, müssen wir uns nur noch für eine Schule entscheiden«, sagte Kalia.
»Es gibt sehr viele Schulen in Patenia. Sechzehn davon sind Internate und wir würden dir nahe legen vielleicht mal einen Blick auf diese zu werfen«, sagte Kanje.
»Internate sind gar nicht so schlimm. Zu unserer Zeit wollte jeder auf ein Internat, auch wenn das vielleicht andere Gründe hatte«, sagte Kanje schnell.
»Man knüpft viel schneller, viel engere Freundschaften, ist in einer wunderbaren Gemeinschaft und das Lernen ist so auch etwas anderes«, sagte Kalia.
»Außerdem sind wir außerhalb der Ferien, in denen wir meistens von hier arbeiten, sehr viel unterwegs und würden es einfach besser finden, wenn du viel unter Leuten wärst«, sagte Kanje.
»Gut«, sagte ich. Was wäre denn eine schöne magische Schule, wenn es kein Internat wäre und man nicht den kompletten Einblick in das Leben einer magischen Jugend bekommen würde. Außerdem hatte ich früher sehr gerne Hanni und Nanni oder Harry Potter gelesen.
Wieder waren beide überrascht.
»Ich habe alle Internate von Patenia rausgesucht, die können wir uns gleich ansehen. Sie haben natürlich unterschiedliche Spezialisierungen, also wäre es gut zu wissen, was du möchtest«, sagte Kanje.
Schneller, als sonst aßen wir unser Mittagessen und spülten es schnell gemeinsam ab. Dann machten wir es uns im Wohnzimmer gemütlich und Kanje holte ein paar Unterlagen und stapelte sie auf sechs Stapel.
»Zum einen hätten wir drei Internate mit der Spezialisierung Musik. Eigentlich wollte ich ja gerne auf eines dieser Internate, aber Kanje ist so unmusikalisch und wenn wir auf verschieden Schulen gegangen wären, wäre es zu teuer geworden«, sagte Kalia und Kanje legte ein Schild mit der Beschriftung »Musik« auf einen Stapel.
»Dann gibt es noch eine mit der Spezialisierung Schauspiel. Sehr viele bekannte Schauspieler haben dort ihren Abschluss gemacht. Fiona Lloyd zum Beispiel. Heute zählt sie zu den größten Stars. Genauso wie Wiela-«, weiter kam Kalia nicht.
»Ich glaube kaum, dass sie mit den ganzen Namen etwas anfangen kann. Wenn du eine große Schauspielerin werden willst solltest du dorthin gehen«, unterbrach Kanje sie und legte ein Schild mit der Aufschrift »Schauspielkunst«, auf einen Stapel, der eigentlich nur aus einer Mappe bestand.
»Dann gibt es noch die Spezialisierung Magie, auf so einer Schule waren wir. Dort lernst du viel mehr über deine Magie und wie man mit ihr umgeht, vielleicht bekommst du auch Einblicke in andere Arten deine Magie zu benutzen, wie der Hexerei«, sagte er und legte das Schild mit der richtigen Aufschrift auf einen Stapel.
»Dann gibt es noch Schulen für den magischen Kampf. So gut wie alle Bellatoren waren auf einer solchen Schule«, sagte Kalia.
»Was sind Bellatoren?«, fragte ich. Meine kaum vorhandenen Fremdsprachen Kenntnisse sagten mir, dass Bella irgendwas mit schön hieß, aber was schön mit Kampf zu tun hatte war mir ein Rätsel. Vielleicht schöner Kampf?
»Bellatoren bewachen wichtige Orte und schützen uns bei Angriffen«, erklärte Kanje.
»Also sowas, wie Polizisten«, sagte ich.
»Was sind Polizisten?«, fragte Kalia.
»Unwichtig, was ist die nächste Spezialisierung?« Schon als wir früher in der Grundschule Tabu gespielt haben konnte ich nie auch nur ein Wort erklären.
»Brauen. Wenn du Alchemistin oder Heilerin werden willst, solltest du dir das vielleicht überlegen. Kanje wollte ja eigentlich auf so eine Schule. Zum Glück sind wir nicht dort gelandet. Hätte vermutlich nicht so gut geendet«, sagte Kalia.
»Ja, vermutlich wäre die Schule in die Luft geflogen«, sagte Kanje und legte das vorletzte Schild auf einen Stapel.
»Und dann gibt es noch zwei Internate, die in der Vergangenheit stecken geblieben sind«, sagte Kalia.
Ich runzelte die Stirn, was sollte das jetzt heißen?
»Also wirklich, sie stecken nicht in der Vergangenheit fest. Sie bringen einem alles bei, was ein adliger können und wissen muss. Tanzen, Manieren, Verhaltensweisen«, sagte Kanje
»und wie man vor einem König und Kaiser knickst. Lauter unnötiges Zeug. Wir haben nicht mal Könige und Kaiser«, sagte Kalia.
Jetzt waren alle Stapel beschriftet.
»Also ein paar Schulen fallen leider schon Mal weg, weil sie zu teuer sind. Wir sind schließlich nicht gerade reich, wie du vielleicht bemerkt hast«, sagte Kanje.
»Und welche sind das?«, fragte ich.
»Die mit dem Adelgedöns, leider auch die für Schauspielerei, eine der Musikschulen und zwei für den magischen Kampf«, sagte Kalia und nahm alle diese Schulen vom Tisch. Zurück blieben vier Stapel mit insgesamt neun Schulen.
Die Schulen für den magischen Kampf waren die ersten, die ich vom Tisch nahm.
Kämpfen war jetzt nicht so meins. Ich mochte zwar den Selbstverteidigungskurs, den wir mit der Schule mal gemacht hatten, aber in echten Situationen würde ich sicherlich vor Angst in Ohnmacht fallen. Wir hatten in der Schule vor zwei Monaten eine Übernachtung mit allen Mädchen der achten bis zehnten Klasse gemacht. Um Mitternacht wurden alle Lichter ausgemacht und in kleinen Gruppen sollten wir mit Taschenlampen durch die ganze Schule rennen und zwei aus meiner Klasse suchen, die sich zuvor versteckt hatten. Wir waren die letzte Gruppe die noch gesucht hatte und als wir eine Tür aufmachten und alle anderen Schülerinnen wie versteinert auf den Stühlen saßen, hatte ich vor Schreck meine Taschenlampe fallen gelassen.
Also nein, Kämpfen war nichts für mich. Dafür war ich ein zu großes Weichei.
Als nächstes warf ich meinen Blick auf die Musik Schulen.
Ich fand mich eigentlich nicht total unmusikalisch, aber meine Musiklehrer meinten immer, dass mir alles fehlen würde, was einen guten Musiker ausmachte. Das einzige Instrument, das ich früher mal gespielt hatte war Blockflöte. Ich war mir sicher nach all den Jahren nicht einen Vernünftigen Ton rauszubekommen. Im Notenlesen war ich auch langsamer geworden und was, wenn man Vorspielen musste? Oder noch schlimmer, vorsingen? Nein, diesen Stapel nahm ich auf vom Tisch.
Blieben noch Magie und Brauen.
Was hatte Kalia gesagt, von Schulen die Brauten kamen Heiler? Arzt gehörte schon immer zu den letzten Berufen, die ich ausführen wollte. Mein Vater hatte immer gesagt, ich würde vermutlich alle Patientenakten durcheinanderbringen und mit meiner wunderbaren Feinmotorik jeden Patienten beim Impfen umbringen. Außerdem hasste ich es Verantwortung zu übernehmen und für ein Menschenleben wollte ich ganz sicher keine Verantwortung tragen.
Also schob ich auch diesen Weg und legte die zwei Mappen für die zwei Schulen mit der Ausrichtung Magie vor mir hin. Was sofort auffiel war, dass die eine unglaublich vollgestopft war und in der anderen bis auf einen Ausschnitt aus einer Zeitung nichts drin war.
»Also auf der Angelopoulus Academy«, Kalia deutete auf den vollen Ordner, »waren wir. Ich wusste gar nicht, dass es in Patenia noch ein anderes Internat für Magie gibt«
»Ich habe diesen Ausschnitt in der Zeitung vor ein paar Tagen gefunden. Da wurde die Mage Academy kurz erwähnt. Ist nicht sehr bekannt. Ich habe versucht ein bisschen mehr über diese Schule herauszufinden, aber es gibt sie erst seit zwei Jahren und nun ja, sie ist eben unbekannt«, Kanje zuckte mit den Schultern.
»Eure Schule, wie war die so?«, fragte ich und zog mir den Ordner näher. Sofort begannen Kalias Augen zu strahlen.
»Super, einfach großartig. Es ist ein wunderschönes großes Schloss auf einer Insel, naja, so gut wie alle Internate sind auf einer Insel, ist sicherer. Auf jeden Fall kannst du dir keine schönere und bessere Schule vorstellen. Die Zeit dort war einfach wunderbar. Ich wünschte ich könnte wieder zurück«, sagte sie träumerisch.
»Sie hat versucht sitzen zu bleiben, um länger an der Academy zu bleiben«, sagte Kanje.
»Werd doch Lehrerin dort«, sagte ich und Kanje begann zu lachen.
»Was ist jetzt so lustig daran«, sagte Kalia eingeschnappt.
»Lia, als Lehrerin?«, sagte Kanje und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel, »Das würde in einer total Katastrophe enden.«
»Also bitte«, sagte Kalia.
»Wie auch immer, eine wunderbare Schule, kann ich dir nur empfehlen und ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass du dich für diese Schule entscheiden würdest«, sagte sie.
»Und wie funktioniert das ganze Schulsystem hier? Gibt es eine Grundschule, oder wo lernt man Lesen, Schreiben und Rechnen, oder wird das alles erst an der Academy unterrichtet und macht man dort einen Abschluss?«, fragte ich.
»Also, was eine Grundschule ist, weiß ich nicht, aber es gibt auch ein paar Schulen, die sowas wie Lesen, Schreiben, Rechnen und anderes Grundwissen unterrichten. Den meisten wird es aber zuhause beigebracht. Das war bei uns so. Einen Abschluss macht man natürlich auch. Die meisten Schulen haben fünf Jahre. Am Ende der Dritten hat man Mittlere Abschlussprüfungen. Damit kann man sich auch irgendwo bewerben. Manche wechseln dann auch noch mal die Schule, das ist eigentlich ziemlich normal. Am Ende des letzten Schuljahres gibt es dann die großen Prüfungen und mit denen kann man sich dann so gut wie überall Bewerben, aber danach muss man häufig noch eine Ausbildung machen«, erklärte Kanje, der sich nun wieder etwas beruhigt hatte.
»Gut, also wie funktioniert das hier mit dem Anmelden. Geht man einfach hin und füllt ein Formular aus, oder muss man durch irgendwelche Prüfungen, oder so?«, fragte ich.
»Das ist von Schule zu Schule unterschiedlich. Manche nehmen jeden auf, der sich für die Schule entscheidet, andere müssen Unterlagen einschicken, andere müssen zu einem Gespräch und wieder andere haben Aufnahmeprüfungen, wie einen schriftlichen Test, vorspielen oder einen Kampf«, erklärte Kanje.
»Bei der Angelopoulus ist es so weit ich weiß immer noch ein Gespräch, also nichts Schlimmes«, fügte er hinzu.
»Brauche ich für das Gespräch irgendwas? Unterlagen oder so und muss ich mich irgendwie darauf vorbereiten?«, fragte ich.
»Eigentlich nicht, nein. Ist total locker eigentlich. Man geht hin, die stellen dir vielleicht ein paar Fragen, nichts schlimmes, und das war's dann auch eigentlich schon«, sagte Kalia.
»Gut, und wann kann man zu so einem Gespräch? Braucht man einen Termin?«
»Nein, man kann einfach hingehen«, sagte Kanje.
»Gut, wann gehen wir hin?«, fragte ich.
»Am besten sofort. Auch wenn sie es immer leugnen, aber sie nehmen immer eher die, die sich früher anmelden«, sagte Kalia und stand auch schon direkt auf.
»Du hast Recht, wir sollten keine Zeit verlieren. Bist du dir sicher mit deiner Wahl Mia, du solltest nichts überstürzen. Sonst sitzt du die nächsten paar Jahre dort fest«, sagte Kanje.
»Ich bin mir sicher. Wir können los«, sagte ich.
»Gut«, sagte die Zwillinge und wir standen auf und gingen raus.
»Wohin gehen wir eigentlich?«, fragte ich, als wir aus der Haustür waren.
»Jedes Internat hat so etwas, wie einen Sitz in Patenia. Das ist quasi das Büro und dort wird zwischen Internat und den Leuten, die hier Leben vermittelt. Meistens mit den Eltern, die irgendein Problem haben«, sagte Kalia.
Ich sprang mit Kanje und im nächsten Moment befand ich mich vor einem Windschiefen Gebäude mit gefühlt tausend Stockwerken. Ich taumelte kurz, so ganz hatte ich mich an das springen noch nicht gewöhnt.
Abgesehen von meiner Ankunft, war ich nicht mehr in der Stadt gewesen und damals hatte ich echt nicht viel gesehen, wegen des Magie Schocks. In der Nähe war nicht viel zu sehen. Die Grundstücke in der Nähe suchten laut den Schildern wohl noch nach Mietern oder Käufern.
»Darum sollten wir uns auch noch kümmern«, sagte Kanje.
»Um was?«, fragte ich.
»Deine Empfindlichkeit gegenüber Magie. Klar, wir können es mit Valis erklären, aber es ist dennoch etwas unpraktisch«, erklärte er.
»Wir könnten dich ja langsam versuchen daran zu gewöhnen. Immer mal wieder an Orte, mit viel Magie, wie dem Markt und nach und nach wirst du dich dann daran gewöhnen«, schlug Kalia vor.
»Gute Idee«, sagte Kanje und wandte sich dann wieder dem Gebäude vor uns zu. »Dann mal los«, sagte er und ging voran.
Im Empfangsraum gingen wir auf eine Frau mit Knallgrünen Haaren zu, die eine Liste, die vor ihr in der Luft schwebte, gelangweilt musterte.
»Hallo« sagte Kalia freundlich »Wir kommen wegen eines Vorstellungsgespräches.«
Die Frau sah nicht mal von ihrer Liste auf, als sie sagte »Sechster Stock. Warten sie vor der Tür mit der Aufschrift ‚Vorstellungsgespräch'« Dann drehte sie sich auch gleich wieder weg.
»Danke«, sagte Kanje freundlich, während Kalia ,»So eine Schrumpfkröte«, murmelte.
Ich sah mich um, wie wir hochkamen. Am anderen Ende des Raumes waren Treppen, die nach oben führten.
»Sag bloß, die haben immer noch keine andere Möglichkeit hoch zu kommen« sagte Kalia, die wohl auch gerade die Treppen entdeckt hatte.
Wir gingen nach oben und setzten uns auf die Stühle, die im Gang standen. Es war eine gute Entscheidung nicht auf eine Schule mit dem Schwerpunkt Kampf zu gehen. Ich war jetzt schon außer Atem. Ich versuchte mich und meinen Atem wieder etwas zu beruhigen. Vorstellungsgespräche waren noch nie etwas, was ich mochte.
»Kalia und ich müssen hier draußen warten. Wenn sie irgendwelche Unterlagen brauchen, oder etwas ist, dann hol uns einfach kurz rein«, sagte Kanje. Kurz darauf ging die Tür auf und ein kleiner Junge, der vielleicht gerade mal zwölf war kam heraus.
»Der Nächste«, rief eine Frau aus dem Raum und ich kam mir vor, wie beim Arzt.
»Ich schaff das schon«, sagte ich mir, warf einen letzten flüchtigen Blick auf die Zwillinge, die mir aufmunternd zu lächelten und ging dann in den Raum.
Eine Frau mit silbrig blonden Haaren saß hinter einem schweren Schreibtisch und bedeutete mir mich auf den Stuhl ihr gegenüber zu setzen. Ich schloss die Tür hinter mir und setzte mich auf den Stuhl. Im Raum waren einige volle Bücherregale in denen viele Akten oder ähnliches waren. Als ich meinen Blick kurz schweifen ließ, fielen mir auch die beiden Magier auf, die links und rechts neben der Tür standen.
Dachten sie etwa, ich wollte abhauen? Ich drehte mich wieder nach vorne zu der Frau, bei der ich wohl das Vorstellungsgespräch hatte.
»Ich bin Professor Stuart, Stellvertretende Schulleiterin. Fangen wir gleich an. Wie heißt du?«, fragte sie mit monotoner Stimme und ein Blatt Papier, ein Formular, erschien vor ihr auf dem Tisch.
»Mia Lokelani«, sagte ich und war stolz auf mich, da ich fast ohne mit der Wimper zu zucken Lokelani gesagt hatte. Früher war ich wirklich eine miese Lügnerin gewesen.
»Geburtstag und Ort«, fragte sie gleich weiter.
»Sechter März Zweitausenddrei in-«, ich stockte. Ich wusste gar nicht, ob ich überhaupt in Norwich geboren bin.
»Gut, Geburtsort unbekannt. Wann hast du deinen Zugang zur Magie bekommen?«, fragte sie.
»Vor ungefähr zwei Wochen«, antwortete ich.
»Unter welchen Umständen?«, fragte sie weiter.
»Äh« Warum hatte ich sie eigentlich gerade dann bekommen? Das sollte ich vielleicht mal die Zwillinge fragen.
»Ungewiss« sagte sie zu sich selbst und ich bemerkte nun, dass sich das Formular von selbst beschrieb, denn die Frau vor mir hatte keinen Stift oder ähnliches in der Hand. Genau genommen hatte sie gar nichts in der Hand.
»Was waren deine Eltern? Magier, Bändiger?« war ihre nächste Frage.
»Ähm« Sie waren Menschen, aber das konnte ich ihr wohl schlecht sagen.
»Ungewiss« sagte sie wieder zu sich selbst. »Welcher Magiefamilie gehörst du an?« fragte sie.
Was waren Magiefamilien? Gab es etwa sowas wie Clans oder Gruppen oder sowas?
»Ähm« sagte ich.
»Welcher gehören deine Eltern an?« fragte sie.
Gar keiner. Welcher Magiefamilie die Zwillinge wohl angehörten.
»Ungewiss« sagte sie dann wieder zu sich selbst.
»Registriert bist du dann wohl auch noch nicht?«, fragte sie missbilligend.
Wie registriert? »Äh nein, ich denke nicht?«, sagte ich und begann nervös mit dem Bein zu wippen. Musste ich mich irgendwo eintragen lassen, oder so etwas?
»Schon irgendwelche magischen Vorerfahrungen? Magietrauma, oder Ähnliches?« fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. Der Magieschock hatte mich zwar ziemlich umgehauen, aber ein Trauma hatte ich denke ich nicht.
»Lesen, Schreiben, Rechnen«, sagte sie und ich hatte das Gefühl, das sie mir mittlerweile nicht zutraute wenigstens das zu können.
»Einwandfrei«, sagte ich. Schließlich bin ich neun Jahre lang in eine Schule gegangen um all das zu lernen und noch den ganzen anderen Kram, der angeblich so wichtig war. Hier würde mir Physik bestimmt sehr viel weiter helfen. Ich konnte ja gleich mal versuchen herauszufinden, wie es möglich war an einem Ort zu verschwinden und an einem anderen Ort wieder aufzutauchen.
Sie zog eine Augenbraue hoch, als könne sie nicht ganz glauben, dass das stimmte, ließ auf dem Blatt aber dennoch etwas ankreuzen, das ich als »Grundwissen«, entziffern konnte.
Eine Weile ging es noch so weiter, sie stellte mir lauter Fragen, bei denen ich mich entweder fragte, ob die ernstgemeint waren, oder nicht wusste, was sie meinte, und ich fühlte mich immer mehr, wie an dem Tag, wo ich auf der Polizeistation ausgefragt wurde.
»Bist du mit jemanden hier?«, fragte sie am Ende.
»Ja, mit Kalia und Kanje, sie warten draußen«, sagte ich und deutete zur Tür. Ich wollte einfach nur raus. Dieses Gespräch war ganz sicher nicht so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Sie gab den beiden Männern neben der Tür ein Zeichen und kurz darauf standen die Zwillinge neben mir.
»Wir sind Kalia und Kanje Lokelani. Wir haben letztes Jahr selbst unseren Abschluss an der Angelopoulus Academy gemacht«, stellte Kanje sich vor.
Sie bedeutete ihnen sich ebenfalls zu setzten und sie setzten sich auf zwei Stühlen neben mich, von denen ich mir sicher war, dass sie davor noch nicht da waren. Sie stellte ihnen noch ein paar weitere Fragen, die ich nicht wirklich verstand. Ein paar stellte sie ihnen auch, wo sie von mir keine zufriedenstellende Antwort bekommen hatte.
Ich war unendlich froh, als sie endlich sagte, »Wir werden ihnen in ein paar Tagen einen Brief zukommen lassen, in dem wir sie darüber aufklären, ob Mia angenommen wurde oder nicht«, und uns entließ.
Bestimmt wurde es eine Absage.
»War doch ganz ok«, sagte Kalia fröhlich, als wir draußen waren.
Wir sprangen wieder zurück zum Haus der Zwillinge, wo ich sie auch gleich mit Fragen löcherte.
»Was sind Magiefamilien? So etwas wie Clans? Was meinte sie mit Magische Erfahrungen oder Traumas und warum hat sie mich gefragt, ob ich registriert bin? Wo registriert?« Ich war immer noch total verwirrt.
»Also wie du weißt ist die Magie von jedem etwas unterschiedlich», begann Kanje, während wir ins Haus gingen.
»Es gibt viele verschiedene sogenannte Magiefamilien sie werden meistens von den Eltern auf die Kinder übertragen, können aber auch mal Generationen überspringen. Man kann nicht voraussagen was wie vererbt wird. Manche behaupten das zwar mit Sonne Mond und Sterne, der Bodenfeuchtigkeit und wo das Kind geboren wird, bestimmen zu können, aber vertrauen würde ich dem garantiert nicht.« Wir gingen ins Wohnzimmer, während Kalia nach oben ging.
»Magiefamilien sind häufig an ein magisches Wesen angelehnt. Nicht alle, aber die meisten. Sie beinhalten Fähigkeiten, Talente und Charaktereigenschaften, die diesen Wesen zugeschrieben werden. Ich zum Beispiel gehöre zur Familie der Salamandra. Der Feuersalamander. Den meisten Salamandra fällt der Umgang mit dem Feuer leichter, als anderen. Manche verbrennen nicht oder nur sehr langsam. Andere sind einfach etwas bessere Schmieder. Ich, das muss ich zugeben, fürchte mich eher vor dem Feuer, als dass ich mit ihm tanzen würde. Große Unterschiede zu den anderen Magiern hat man aber eigentlich nicht. Manche Magier bemerken nie etwas von einem Talent oder so etwas.
Kalia gehört zu den Feen. Es heißt, sie haben stärkere magische Fähigkeiten, sind Stur, machen anderen aber gerne eine Freude. Sie haben ein Talent zum Fliegen und können leicht in der Masse verschwinden und man kann sie leicht übersehen. Das steht zumindest in den Büchern. Kalia aber zum Beispiel bleibt seit ihrer ersten Flugstunde lieber auf dem Boden. Verschwinden tut sie nicht gerade in der Masse und ich würde nicht behaupten, dass sie leicht zu übersehen ist. Stärkere Magische Fähigkeiten. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wenn es so ist heißt es aber noch lange nicht, dass sie auch besser mit ihnen umgehen kann. Sie ist immer noch eine Katastrophe im Umgang mit Magie und daran haben fünf Jahre Unterricht an einer Schule für Magie nichts ändern können. Das mit der Sturheit und der Tatsache, dass sie es liebt anderen eine Freude zu machen würde ich aber sofort unterschreiben. Wie du siehst, die Magiefamilie sagt vielleicht, wo du eventuell deine Stärken haben könntest, aber selten hast du alle, wenn du überhaupt eine hast.«
Gespannt lauschte ich ihm. Das klang wirklich interessant.
»Und wie finde ich meine heraus?«, fragte ich. Gerne würde ich wissen mit welchem Wesen ich ähnliche Eigenschaften hatte.
»Das müsste ein Magier prüfen, der sehr gut Magielesen kann. Da wir nicht wissen, zu welcher deine Vorfahren angehörten, wird es auch schwierig Vermutungen anzustellen. Aber sobald du registriert wirst, werden wir herausfinden, zu welcher Magiefamilie du gehörst. Aber wie gesagt, man sollte sich nicht so viel darauf einbilden«, erklärte er.
»Registrieren, was ist das?«, fragte ich. Die Frau hatte mich gefragt, ob ich schon registriert wäre.
»Nun ja, damit wir eine Übersicht über jeden Magier und jede Magierin haben, müssen alle, die Zugang zu ihrer Magie bekommen, sich innerhalb von einem Jahr registrieren lassen. Das machen sie aber meistens in den ersten Wochen in der Schule«, sagte er und ließ sich ein Glas Wasser aus der Küche herschweben.
»Die haben dann also eine Art Akte über jeden Magier?«, fragte ich »Aber werden die nicht schon bei der Geburt registriert?«
»Das bei der Geburt ist es immer ein bisschen undurchsichtig. Da kann das ein oder andere Kind schon mal fehlen. Außerdem ist es wichtig die Magie aller Magier zu kennen. Bei der Registrierung nehmen sie eine Art Probe von deiner Magie und fügen sie deiner Akte hinzu. Wenn irgendwo ein Verbrechen begangen wird und der Täter Magie dort verwendet hat, was so gut wie immer der Fall ist, dann kann man anhand der Akten sofort herausfinden, wer das war. Denn Magie hinterlässt immer Spuren und man kann sich darin üben diese zu erkennen. Und wenn es unbekannt ist, dann hat diese Person noch ein paar mehr Probleme, als nur das Verbrechen. Zum einen war dieser jemand nicht auf einer Schule, was aber Pflicht ist, und zum anderen hat diese Person sich nicht registrieren lassen, was ebenfalls Pflicht ist«, sagte Kanje.
»Aber man hat doch ein Jahr Zeit für beides. Könnte man nicht in der Zeit lernen mit seiner Magie umzugehen und so irgendwie eine Vase oder so etwas klauen?«, fragte ich.
»Nein, so etwas zu lernen dauert wirklich lange und mit einfacher Magiekontrolle kann man kein Verbrechen begehen, dafür gibt es genug Sicherheitsmaßnahmen«, sagte er.
Ob sie wohl auch vor Einbrüchen geschützt waren, die ohne die Hilfe von Magie funktionierte, ganz auf Menschenart? Vermutlich nicht.
»Und diese Trauma Sache?«, fragte ich.
»Mit Magietrauma ist gemeint, ob du schon schlimme Erfahrung mit Magie gemacht hast. Mit deiner eigenen oder der anderer. Das könnte es dir nämlich etwas schwieriger machen mit deiner Magie umzugehen«, erklärte er, während er das leere Glas wieder zurück fliegen ließ.
»Viele in deinem Alter haben ein solches Trauma, deshalb ist es nicht wirklich verwunderlich, dass sie danach gefragt hat«, fügte er hinzu.
»Wieso das denn?«, fragte ich.
Überrascht zog er eine Augenbraue hoch, »Haben wir dir davon noch nie erzählt«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf, auch wenn ich nicht wirklich wusste, was er meinte.
»Zweitausendzwei, vor sechzehn Jahren, begann ein Krieg, der anfangs noch recht harmlos wirkte. Ziemlich schnell wurde es aber ein Krieg, der unglaublich viele Leben kostete und sich in fast alle magischen Städte erstreckte. Erst vor vier Jahren, Zweitausendvierzehn, haben sie es geschafft, die Gruppe zurück zu schlagen. Wir reden nicht gerne drüber, auch in unserer Familie hatte es viele Opfer gegeben«, sagte er.
»Falls du dich mehr für die Sache mit den Magiefamilien interessierst, ich glaube, wir haben hier unten ein paar Bücher darüber. Natürlich behandeln diese die einzelnen Familien nur grob, wenn du mehr über eine bestimmte Magiefamilie wissen möchtest, kannst du in der Bücherei nachschauen. Wir haben da eine schöne alte, nur ein paar Straßen weiter. Ich bin mir sicher, Kalia wird sie dir gerne einmal zeigen«, sagte er schnell, um das Thema zu wechseln. Auch wenn ich noch unglaublich viele Fragen hatte, ließ ich es bleiben. Sie waren Kriegskinder, so nannte man doch diejenigen, die mehr oder weniger im Krieg aufgewachsen sind.
»Was würde ich gerne?«, fragte Kalia, die gerade in diesem Moment die Treppe runter kam und sich zu uns setzte.
»Ich habe Mia gerade von der Bücherei hier in der Nähe erzählt und meinte, dass du sicher nichts dagegen hättest, sie ihr zu zeigen«, sagte er und man merkte ihm in keiner Weise an, das wir eben noch über etwas ganz anderes Gesprochen hatten.
»Natürlich mache ich das. Wenn du möchtest Mia, kann ich sie dir morgen schon zeigen«, sagte sie.
»Gerne«, sagte ich. Früher oder später würden sie mir bestimmt noch etwas über diesen Krieg erzählen. Zu hören, dass er erst vor vier Jahren ein Ende gefunden hatte, ist schrecklich. Wäre ich hier aufgewachsen, wäre ich ungefähr ein Jahr nach Kriegsbeginn auf die Welt gekommen und wäre im Krieg groß geworden, ich hätte es gar nicht anders gekannt und jetzt. Ja jetzt, wäre ich vermutlich schon längst tot.
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Dieses Kapitel kommt etwas früher, da ich übers Wochenende weg bin und mir nicht sicher bin, ob ich es da hochladen kann.
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