19. Kapitel
Vorsichtig ließ ich den Wasserturm immer mehr an Höhe gewinnen, bis er fast halb so groß war, wie ich. Zum Glück war es heute Windstill, sonst wäre es fast ein Ding der Unmöglichkeit. Nachdem wir in den ersten Stunden gelernt hatten das Wasser in seinen natürlichen Bewegungen zu unterstützen, sollten wir nun lernen das Wasser entgegen seiner natürlichen Bewegungen zu leiten. Das Wasser ließ sich aber nur ungern von mehr als einer Sache benutzen. Normalerweise, war es der Wind, der das Wasser verformte. Da es heute aber keinen Wind gab, war ich es, die versuchte das Wasser zu verformen und ich muss sagen, es gelang mir mittlerweile schon ziemlich gut.
»Was machst du da«, fragte Ana.
»Siehst du doch. Ich lerne für die Prüfungen. Es ist nicht mehr so lange hin und der praktische Teil der Magieprüfungen soll total schwer sein, habe ich gehört.«
»Dann solltest du aber auch etwas üben, indem du noch nicht eine der Klassenbesten bist«, sagte Ana. Sie schaffte es mittlerweile das Wasser ein bisschen eine flachen Felsen hinauf klettern zu lassen. »Zum Beispiel Zauberei. Wenn du möchtest, kann ich dir gerne helfen«, bot sie an.
Mittlerweile wusste ich, wie sehr sie es liebte anderen zu helfen. Also helfen im Sinne von mit ihnen trainieren oder Wissen weiter geben. Sie würde sicherlich eine super Lehrerin sein, aber das war ihr zu einseitig. Sie wollte auch selbst etwas machen.
»Danke«, sagte ich.
»Gut, gehen wir irgendwohin, wo du nicht so schnell abgelenkt bist«, sagte sie.
Sie übte den ganzen Tag mit mir das Zaubern und kurz vor dem Ende hatte es irgendwie bei mir im Kopf Klick gemacht und von da an war es nur noch halb so schwer und hatte sogar Spaß gemacht.
»Lokelani, nach vorne«, rief Professor Hall.
Ich wusste es. Immer war ich das Versuchskaninchen. Mit den beiden Schwertern in der Hand ging ich zu Professor Hall.
»Schwerthand?«
»Ähm, rechts«, sagte ich.
»Das Kämpfen mit zwei Schwertern ist schwer, beherrscht man es, ist man ein gefährlicher Gegner. Der ganze Kampf ist schneller und der Gegner muss auf zwei Klingen achten. Als Kämpfer mit zwei Schwertern ist man immer in der Angriffsposition. Es ist leichter Schläge anzutäuschen und an der Deckung des Gegners vorbei zu kommen, aber es ist schwer zu lernen. Deshalb fangen wir jetzt an, damit ihr es bis zu eurem Abschluss schafft«, erklärte sie. Eine solch lange Erklärung war eher unnormal bei ihr.
»Lokelani, entwaffnen«, sagte sie zu mir und stellte sich mir gegenüber mit einem Schwert hin.
»Aber -«, setzte ich an. Ich schaffte es noch nicht einmal mit einem Schwert jemanden zu entwaffnen, ich war schon immer ziemlich unkoordiniert und sie hatte uns nie gezeigt, wie man mit zwei Schwertern kämpfte.
»Intuition, los«, rief sie und machte einen Schritt nach vorne.
Schnell hielt ich mit dem rechten Schwert dagegen und schlug einfach irgendwie mit dem linken Schwert nach rechts. Doch sie war schneller und kurz darauf hatte ich statt zwei Schwertern eine blutende Wunde an meiner Hüfte.
»Zu langsam. Nochmal« rief sie.
Ich griff nach meinen Schwertern und stellte mich wieder ihr gegenüber hin. Die ganze erste Stunde über ließ Professor Hall mich immer wieder gegen sich kämpfen. Ich blutete noch immer, als sie erklärte, warum sie mich jedes Mal entwaffnete und nicht ich sie. Sie war der Meinung, dass man lernen musste, mit offenen Wunden zu kämpfen und deshalb wurden alle verletzten erst am Ende ihres Unterrichtes geheilt.
In der zweiten Stunde sollten wir das, was Professor Hall an mir demonstriert hatte, in Paaren selbst ausprobieren. Einer bekam zwei Schwerter, der andere nur eins. Danach wurden erst Rollen und dann Partner gewechselt.
»Eins verstehe ich nicht«, sagte ich nach der Stunde, als ich mir meinen Arm verband. Wir lernten alle, wie wir uns selbst und andere heilen konnten. Schließlich würde im echten Leben auch nicht immer ein Heiler da sein, um einen zu helfen. Mittlerweile war ich schon richtig gut darin geworden. »Wieso, bin immer ich ihr Versuchskaninchen. Sie müsste doch mittlerweile wissen, dass ich nur ein Negativbeispiel bin. Also zeige, wie genau man es nicht machen sollte.«
»Also ich finde das sehr interessant. So lernt man was man falsch machen könnte und lernt solche fehlverhalten bei Gegnern sofort zu erkennen. Eigentlich ist das ziemlich praktisch«, meinte Ana.
»Das stimmt zwar, aber Professor Hall könnte wirklich auch mal jemand anderen nehmen, als immer nur Mia«, sagte Luan.
»Naja, so viel Auswahl an schlechten Kämpfern hat sie ja nicht«, meinte ich und erhob mich. »Lasst uns hochgehen, sonst gibt es nichts mehr zum Mittagessen.«
»Gut, du bist vielleicht die mit Abstand schlechteste Kämpferin in unserem Jahrgang, aber wenn wir etwas Neues lernen, haben alle keine Ahnung wie es geht. Ich wette mit dir über die Hälfte aller anderen, einschließlich mir, wären heute auch die ganze Zeit von Professor Hall entwaffnet worden«, sagte Nicu.
»Wie auch immer«, sagte ich und ging etwas schneller in Richtung Burg. »Kommt ihr?« Den Rest des Weges legten wir schweigend zurück und beim Mittagessen redeten wir nur über die Feuerblattpflanzen, die wir in der nächsten Stunde umtopfen sollten.
Die Verteidigungsstunden mochte ich nach wie vor nicht. Ich war mittlerweile zwar nicht mehr so hilflos, wie am Anfang des Schuljahres, aber ich war immer noch die mit Abstand schlechteste. Ich glaubte nicht, dass sich das jemals ändern würde. Vielleicht, wenn ich viel trainierte, würde der Abstand etwas kleiner werden, aber ich trainierte jetzt schon wie verrückt. Ich freute mich schon auf das erste Mal, wo wir den Fernkampf trainieren würden. Dann würde ich mal zur Abwechslung diejenige sein, die gut war und die anderen würden keine Ahnung haben, was sie machen sollten. Aber bis zu dieser Stunde würde es vermutlich noch lange dauern.
»Also Mia, was ist eine Glaswurz. Nenne auch die Herkunft, Verwundung und äh... Sag einfach, was du alles über Glaswurz weißt«, sagte Luan. Wir wollten zusammen für Brauen lernen, aber eigentlich war es eher so, dass ich ihm half und nicht anders herum. Für mich war das aber auch mal eine willkommene Abwechslung. Schließlich war ich es, die seit fast einem Jahr von nichts eine Ahnung zu haben schien.
»Was glaubst du, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ich dieses Jahr bestehe«, stellte ich ihm eine Gegenfrage.
»Wenn du lernst, sollten deine Chancen steigen«, meinte er.
»Aber das tue ich doch. Seit ich hier an der Academy bin, mache ich quasi nichts, als zu lernen. Glaube mir, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viel Zeit mit lernen verschwendet, wie in diesen paar Monaten.«
»Dann solltest du noch etwas mehr Zeit damit verschwenden, aber vielleicht hilft es, wenn du dich dabei auch noch konzentrierst. Dass sollte deine Chancen dieses Jahr zu bestehen enorm steigern«, meinte Luan grinsend und wollte wieder mit dem lernen fortfahren.
»Was, wenn ich es nicht bestehe. Ich habe weder Lust die Schule zu wechseln, noch das Jahr zu wiederholen«, sagte ich und zog ihm das Buch in seiner Hand weg.
»Dann solltest du wohl besser bestehen, sonst hast du keine Wahl. Gibst du mir jetzt das Buch zurück, damit wir weiter machen können«, sagte er und streckte mir seine Hand entgegen.
»Das bringt nichts. Ich quäle mich hier schon seit einer guten Stunde herum. Glaub mir, es passt kein noch so winziges bisschen Information in meinen Kopf. Der ist voll. Außerdem ist bewiesen, dass man nicht länger, als dreißig Minuten effektiv lernen kann.«
»Gut, dann machen wir etwas Abwechslung. Wir gehen jetzt eine Runde laufen«, schlug er grinsend vor.
»Bist du verrückt. Wir haben Hochsommer, eine Hitzewelle. Da halte ich doch nicht mal fünf Minuten durch.«
»Ein eindeutiges Zeichen, dass du daran noch arbeiten solltest. Wir können aber auch schwimmen gehen. Aber wirklich schwimmen, nicht planschen«, sagte er.
»Super, ich bin dabei. Treffen wir uns in zwanzig Minuten am Strand«, fragte ich, während ich schnell meine Sachen zusammen packte.
»In fünfzehn«, sagte er grinsend und verließ die Bibliothek.
Ich musste den Weg zum Strand hinunter rennen, um es noch halbwegs pünktlich zu schaffen.
»Gut, aufgewärmt bist du also schon«, sagte Luan, der mich schon erwartete. »Ich habe mir überlegt, dass wir einmal bis zu dem Felsen raus schwimmen und danach einmal an der Burg vorbei und wieder zurück. Den Rest überlege ich mir in der Zwischenzeit.«
»Meinetwegen«, sagte ich. Hauptsache, ich kam so schnell wie möglich in das kühle Wasser. Etwas zu spät bemerkte ich, wie weit draußen der Felsen wirklich war und ich erinnerte mich auch etwas zu spät, dass unsere Academy nicht gerade klein war.
Als wir zurück schwammen, tat mir alles weh. Jeder Muskel meines Körpers schmerzte und der einzige Grund, weshalb ich nicht einfach aufhörte, war dass ich sonst ertrinken würde und ich hatte keine Lust mit sechzehn Jahren zu sterben. Ein paar Mal hatte ich es gewagt mir vom Wasser ein bisschen helfen zu lassen, aber auch das zehrte schnell an meinen Kräften und ich versuchte es weiter auf die klassische Weise.
Als der Strand nicht mehr weit entfernt war, ließ ich das Wasser mich mit dem letzten bisschen Kraft, die noch übrig war, an den Strand schwemmen, wo ich auch gleich mit geschlossenen Augen liegen blieb. Nichts und niemand würde mich dazu bringen können, mich auch noch einen Zentimeter weiter zu bewegen.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du das durchhältst«, hörte ich Luan neben mir sagen. Zu meiner Genugtuung atmete er aber auch nur noch stoßweise. Ich merkte, wie er sich neben mich in den warmen Sand legte.
»Ich wollte nicht ertrinken«, nuschelte ich. Am liebsten würde ich hier und jetzt einschlafen und dann nach den ganzen Prüfungen in meinem Bett bei den Zwillingen wieder aufwachen.
Ich hörte, wie Luan neben mir lachte. Schweigend lagen wir nebeneinander im Sand und hingen unseren Gedanken nach. Ich war schon halb weg gedämmert, als ich merkte, wie es über mir dunkler wurde.
»Hier seit ihr also. Wisst ihr eigentlich, wie lange ich in der Bibliothek gewartet habe und dann finde ich euch hier unten am Strand wieder, wo ihr vor euch hin döst«, sagte Nicu.
Langsam öffnete ich wieder meine Augen und setzte mich auf. »Ist es schon so spät«, fragte ich.
»Ja ist es. Da es zu lange dauern würde, wenn wir jetzt wieder hochgehen und du dich noch umziehst, habe ich gedacht, wir können ja auch hier draußen lernen«, sagte Nicu und stellte seine Tasche neben sich in den Sand, aus der er dann ein paar Bücher holte.
»Dann wünsche ich euch viel Spaß beim Lernen. Ich habe Ana versprochen noch mit ihr die Schwerter zu putzen«, sagte Luan und war schneller weg, als wenn man ihm sagte, dass es Eiskiola gab.
»Merkwürdig. Ana hatte eben gesagt, dass sie dringend mit diesem Juan über die Trainingszeiten reden musste«, sagte Nicu.
»Ja, wirklich merkwürdig. Da scheinen wohl ein paar nicht viel Lust zu haben, mit uns zu lernen«, meinte ich.
»Tja, da du offensichtlich keine anderweitigen Verabredungen hast, können wir ja jetzt anfangen. Ich dachte mir, wir gehen nochmal das durch, was wir letzte Stunde gemacht haben und dann wiederholen wir das von davor«, sagte er.
»Ok, wenn du meinst«, sagte ich und während er begann mir etwas über irgendeinen Magier mit Selbstmordproblemen zu erzählen, ließ ich das Wasser an meinen Beinen hochfließen, um zum einen den Sand abzubekommen und um mich abzukühlen.
»Hey, hörst du mir überhaupt zu«, fragte Nicu.
»Na klar, du hast gerade davon erzählt, als dieser Typ sich in ein Feuer geworfen hatte, um zu beweisen, dass er unsterblich ist«, sagte ich.
»Nein, er hat sich in ein Feuer gestellt, um zu beweisen, dass Feuer harmlos ist und das war vor fünf Minuten. Ich habe dir eigentlich gerade erzählt, wie er versucht hat aus Stein, Wasser und Brot einen magischen Trank zu machen«, sagte er vorwurfsvoll, »Ich denke, wir sollten etwas vom Wasser entfernt lernen. Dort hinten zum Beispiel im Schatten unter dem großen Baum.«
»Aber hier ist es doch so angenehm«, meinte ich.
»Ja, aber hier lässt du dich viel zu leicht ablenken«, sagte er und stand auf.
Ich verdrehte die Augen, folgte ihm aber, da er ja auch irgendwo Recht hatte und Geschichte war echt nicht mein Fach. Unter dem Baum schaffte ich es sogar mich einigermaßen auf Nicus Erzählungen zu konzentrieren und hatte am Ende sogar das Gefühl, mir etwas gemerkt zu haben.
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