18. Kapitel
»Mia komm! Wir sind sonst zu spät bei Magie und heute beginnen wir mit den Elementen. Lernen kannst du auch später noch«, sagte Ana und zog mich von meinem Platz in der Bibliothek hoch.
»Aber bald sind Abschlussprüfungen und ich hinke so sehr hinter her«, sagte ich und schnappte mir meine Bücher.
»Die Prüfungen sind erst in drei Monaten und du wirst noch mehr hinterher hängen, wenn du gar nicht mehr zum Unterricht gehst. Los jetzt, sonst müssen wir rennen.«
»Genau, nur noch drei Monate Zeit und ich habe noch so viel zu tun«, meinte ich, während ich auf dem Weg zur Tür die Bücher zurück stellte.
Ana verdrehte nur die Augen und zog mich hinter sich her, die Gänge entlang zum Magieturm.
»Siehst du, er ist noch nicht da. Wir hätten gar nicht so sprinten müssen«, meinte ich, während ich mich an die Wand lehnte.
»Du solltest dir nicht so viel Stress machen Mia. Die Prüfungen hier entscheiden nicht über Leben und Tod. Selbst, wenn du sie nicht bestehst, was ich bezweifle, kannst du noch eine Nachprüfung machen und wenn du die auch nicht bestehst, sehen sie, ob man dir Nachhilfe geben kann, oder ob es eine andere Schule gibt, die dich ins nächste Jahr lassen würde. Wenn alles nicht geht, wiederholst du das Jahr, darfst aber bei manchen Stunden, die für das zweite Jahr sind dabei sein, um trotzdem auch etwas neues zu lernen und eine bessere Grundlage für das zweite Jahr hast und du schon einiges kennst, was dann durchgenommen wird«, sagte Nicu.
»Na toll, dann sehe ich, wie ihr alle tolle neue Dinge lernt und ich darf das ganze hier noch einmal durchlaufen, weil ich zu dumm war es beim ersten Mal zu verstehen.«
»Du bist nicht dumm. Du bist nur etwas abgeschottet aufgewachsen und weißt deshalb ein paar Dinge nicht, die wir von klein auf gelernt haben«, sagte Luan.
Bevor wir weiter darüber diskutieren konnten, wie ich in den Prüfungen abschneiden werde, kam Professor Chand und ließ uns in das Klassenzimmer. Wir setzten uns auf unsere üblichen Sitzkissen und Professor Chand setzte sich uns gegenüber.
»Die Kontrolle der Magie werden wir weiterhin noch durchnehmen. Diese Art der Magie verlangt stetiges üben. Jetzt aber werden wir uns der Elementarmagie widmen. Diese Art der Magie benötigt besonders viel Zeit und Übung. Mehr noch, als die Kontrolle der Magie. Elementarmagie ist nicht für jeden etwas. Eigentlich nur für recht wenige. Es gibt, wie sie alle sicherlich wissen, vier Elemente. Feuer, Wasser, Erde und Luft. Dieses Jahr werden wir uns mit dem Wasser beschäftigen. Um ein Element bändigen zu können, müsst ihr es sehr gut kennen. Ihr müsst euch wissen über es aneignen, aber besonders wichtig, ihr müsst selbst viel mit Wasser machen. Es beobachten, sehen, wie es reagiert. Ihr müsst es fühlen und mit all euren Sinnen aufnehmen. Ihr müsst das Wasser lernen zu verstehen. Seinen Charakter entdecken. Lernen, wie das Wasser denkt. Sonst wird das eher ein Kampf gegen das Wasser, anstatt mit dem Wasser. Wir werden jetzt gleich runter zum Strand gehen. Dort wird jeder sich intensiv mit dem Meereswasser beschäftigen. Ihr könnt eure Erkenntnisse aufschreiben, teilen oder für euch behalten. Wenn ihr außerhalb des Unterrichtes mal Zeit habt, geht doch mal an den Strand, legt euch ins Wasser und macht einfach mal nichts.« Wenn Professor Chand über Magie redete, wurde er häufig ausschweifend oder redete davon, als wäre es ein Wesen mit Gefühlen. Vielleicht war es das auch, ich hatte keine Ahnung, aber ich mochte es, wenn er so von der Magie sprach.
Wie er es uns gesagt hatte, packten wir unsere Sachen und gingen hinunter an den Strand. Es war lange her, seitdem ich das letzte Mal hier schwimmen war. Viel zu lange her. Generell war ich lange nicht mehr am Strand gewesen. Die anderen hatten auch so viel zu tun, dass es schon seit Ewigkeiten kein Treffen mehr zum Volleyballspielen gab. Der Wellengang war heute recht ruhig.
»Also ich denke, ich lege mich ins Wasser«, sagte Ana.
»Ist es nicht etwas kalt dafür? Ich gehe vielleicht etwas ins Wasser rein, aber mehr nicht. Ihr?«
»Ich werde mal gucken, wie es mit Papier und so reagiert«, meinte Nicu.
»Na was schon, es wird aufweichen«, sagte Luan und Nicu verdrehte nur die Augen.
Wir gingen in unterschiedliche Richtungen. Ich ging zu ein paar Felsen, auf denen man entlang laufen konnte, um weiter auf das Meer hinaus zu kommen. Meine Tasche ließ ich am Strand zurück. Auf dem Felsen, der am weitesten vom Strand entfernt war, setzte ich mich hin. Ich zog meine Schuhe aus, ließ meine Füße ins Wasser baumeln und blickte hinaus in das scheinbar endlose Blau.
Welchen Charakter hatte Wasser? Nun ja, es war ziemlich ruhig. Zumindest manchmal, wie jetzt zum Beispiel. Es konnte aber auch sehr aufbrausend werden, wütend und gefährlich, was aber meistens eher äußeren Umständen geschuldet war, wie dem Wind. Von den meisten wurde das Wasser als Selbstverständlich wahrgenommen, aber es gab auch viele, die den Wert des Wassers zu schätzen wussten, weil sie nicht so viel davon hatten.
Mit einer Hand fuhr ich durch das Wasser. Es war sehr weich. Sprang man aber von zu weit oben, war es hart wie Beton. Ich hatte mal gehört, dass die Yupic einhundert Wörter hatten, um das Wasser zu beschreiben. Sie hätten sicherlich kein Problem mit der Bändigung dieses Elements.
Wie fand ich das Wasser? Ich mochte es. Vor allem, wenn es hohe Wellen gab. Surfen wollte ich eigentlich auch schon immer mal ausprobieren. Surfer hätten es bestimmt auch leicht mit der Wasserbändigung. Wenn es gerade keine Wellen gab liebte ich es zu tauchen. Früher hatte ich immer gerne die Geschichten von Meerjungfrauen gehört. Damals wollte ich das Apnoetauchen lernen. Zwei Minuten war bisher mein Rekord. Unter Wasser, umgeben von Wasser, war es immer so ruhig. Es war entspannend. Als würde man in den Armen des Wasser schlafen. Unter Wasser wurde es schlagartig ruhig und man tauchte in eine vollkommen neue Welt ein. Wobei einen die Schiffe, Boote, Bojen und der ganze Müll leider schnell wieder in die Wirklichkeit zurückholten. Das Wasser wurde benutzt und verbogen, wie es den Menschen gerade passte. Eigentlich konnte es einem leidtun. Es wurde immer von äußeren Einflüssen gelenkt. Vom Mensch oder vom Wind. Es wurde benutzt, wie es einem gefiel, als Müllkippe oder Handelsweg. Aber wenn man es mal in einer ruhigen Minute antraf, ohne irgendwelche äußeren Einflüsse, dann sah man seine wahre Gestalt. Es war ruhig, sanft und bot allen Lebewesen ein Leben, vielen sogar eine Heimat. Es zeigte einem eine neue Welt und schenkte einem einen Moment Ruhe oder einfach Freude. Gedankt wurde ihm selten. Geholfen, noch seltener. Missbraucht wurde es aber sehr oft. Ich begann Mitleid für das Wasser zu bekommen.
»Gut, das war es für heute. Die Stunde ist um. Wir werden uns in den nächsten Stunden noch weiter mit dem Kennenlernen des Wassers beschäftigen. Nächstes Mal treffen wir uns gleich hier«, rief Professor Chand über den Strand. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass schon so viel Zeit vergangen war. Langsam stand ich auf und lief über die Felsen zurück zum Strand. Vielleicht war ja Elementarmagie etwas für mich. Ich warf noch einen letzten Blick auf das Meer und lief dann zu meinen Freunden.
»Ich denke nicht, dass das etwas für mich ist«, meinte Luan, »Ich habe echt keine Ahnung, was er von uns will. Das Wasser kennenlernen. Wasser löscht Feuer, oder wird von Feuer verdampft. Wenn es kalt wird, kann es zu Eis werden und im Sommer schwimmt man darin.«
»Sehr tiefsinnig«, kommentierte Ana, »Also ich finde das ganze ziemlich interessant. Ich habe bisher noch nie wirklich so über das Wasser nachgedacht.«
»Geht mir auch so«, sagte ich.
»Können wir etwas schneller gehen. Ihr wisst, ich habe das Frühstück verpasst und ich sterbe bald vor Hunger«, sagte Nicu.
»Schon gut, aber wir hatten dir doch einen Apfel mitgebracht«, sagte ich.
»Ein Apfel ist jetzt auch nicht so viel«, sagte er.
»Immer noch mehr, als nichts«, sagte Ana, aber wir alle gingen trotzdem etwas schneller.
Obwohl alle Lehrer und Schüler schon im Speisesaal waren, als wir ankamen, sah es ziemlich leer aus. Es war offensichtlich, dass dieser Raum für mehr, als nur um die fünfundvierzig Magier gedacht war. Wir setzten uns an einen noch freien Vierertisch und begannen zu essen.
»Nicu«, zischte Ana und stieß gegen sein Schienbein, »Wir leben nicht in der Steinzeit, also iss auch nicht so.«
Er verdrehte nur die Augen, begann aber langsamer zu Essen.
»Mia«, sagte jemand und ich drehte mich um. Ilina stand hinter mir. Ihre rosa orangen Haare waren seit unserem letzten Treffen eindeutig länger geworden. Sie wirkte auch irgendwie größer und etwas kräftiger.
»Hi Ilina«, sagte ich.
»Ich wollte dir nur sagen, dass wir uns am Freitag mal wieder zum Volleyballspielen treffen. Da Prüfungen sind ist das natürlich eher freiwillig und ich erwarte nicht, dass alle kommen.«
»Das ist toll. Ich werde vermutlich da sein«, sagte ich.
»Gut, bis dann«, sagte sie und ging wieder weg, vermutlich, um die anderen zu suchen und ihnen das Gleiche zu sagen.
Ich freute mich schon richtig darauf mal wieder Volleyball zu spielen. Das war eine schöne Abwechslung zum sonstigen Sport, den wir hier machten.
»Ah genau«, meinte Nicu, »Toma meinte, dass unser Team mittlerweile gut genug ist, um bei kleineren Wettbewerben mitzumachen. Am ersten Wochenende in den Ferien soll unser erster Wettbewerb stattfinden und ihr seid natürlich herzlich dazu eingeladen mir zu zujubeln.«
»Wenn ich nichts vorhabe komme ich. Ich lasse mir doch nicht entgehen, wie du auf einem Besen einen Salto machst. Du kannst doch einen, meintest du. Du musst mir nur sagen, wann genau und wo«, sagte ich.
»Sorry, wir sind leider die ganzen Ferien über weg. Wir wollen alle großen magischen Städte besuchen«, meinte Ana, klang aber nicht wirklich begeistert.
»Also ich kann kommen. Das Camp, indem ich bin, beginnt erst am Montag«, sagte Luan.
»Ich wünschte, ich könnte auch in das Camp. Das wäre mir tausendmal lieber, als zwei Monate mit meiner Familie herum zu reisen«, sagte Ana missmutig.
»Super. Ich schicke euch dann die Eintrittskarten zu. Dort steht auch die Uhrzeit und der Ort drauf.« Nicu strahlte über das ganze Gesicht.
Bisher hatte ich noch nie bei ihrem Training zu gesehen und Nicu hatte ich auch noch nicht gefragt, aber ich hatte keine Ahnung, was sie da machten. Klar, sie flogen auf Besen, aber machten sie da Kunststücke, flogen sie um die Wette oder war das ein Ballspiel, wie Quidditch?
»Als nächstes haben wir Brauen. Es sind doch letztes Mal alle fertig geworden, oder? Wenn ja, heißt das, dass wir heute endlich mit einem neuen Trank beginnen können«, sagte Ana.
Im Klassenzimmer für Brauen setzten wir uns alle an unsere Plätze und warteten darauf, dass es endlich losging. Manche schienen wohl wirkliche Probleme mit dem Brauen zu haben, aber eigentlich müssten es jetzt tatsächlich alle geschafft haben einen Wärmetrank zu brauen. Ich war schon ziemlich lange fertig und in den letzten Stunden hatte ich begonnen mir ein paar neue Brauzutaten anzusehen und zu untersuchen.
»Alle sollten nun einen Wärmetrank gebraut haben. Als nächstes werden wir einen ebenso wichtigen Trank brauen. Einen Trank, der einen etwas abkühlt, zum Beispiel im Sommer, ist ebenso wichtig, wie einer der einen wärmt. Also rann an eure Kessel und los«, rief Professor Majk. Er hatte diese unverbesserliche Art an sich, sich für alles begeistern zu können und jedem Experiment mit großer Freude und Aufregung entgegen zu sehen. Da freute man sich gleich selbst darauf loszulegen. Das war auch mitunter der Grund, warum ich mich auf die Braustunden freute.
Wie beim letzten Mal, blätterte ich zuerst einmal in meinem Heft mit den ganzen Zutaten, um zu sehen, welche sich eignen würden und schrieb diese hinaus. Als nächstes sah ich mir an, wie diese miteinander reagierte und der Teil, der mir aus irgendeinem Grund Spaß machte, begann. Ich musste Wege finden, alle Zutaten in passenden Mengenverhältnissen aufzuschreiben, dass alles klappte und noch weitere Zutaten, die andere neutralisieren sollten finden. Es war ein bisschen wie das lösen einer Gleichung im Matheunterricht. Das hatte mir auch immer Spaß gemacht. Wenn man irgendwann gesehen hatte, wie alles klarer wurde und es am Ende gelöst auf dem Papier stand.
Für diese Schritte brauchte ich leider die ganze Doppelstunde, die wir hatten.
In der nächsten Braustunde am Donnerstag begann ich dann mit dem Brauen. Zuerst zermahlte ich die Drachenschuppen, dann die getrockneten roten Blätter einer Feenfalle. Dann kam beides in den Kessel, der schon mit aufgekochtem Wasser gefüllt war. Konzentriert arbeitete ich weiter und konnte am Ende der ersten Stunde einen Trank präsentieren, der einen in eine Eisstatue verwandelte.
»Ich denke, sie haben es etwas zu gut gemeint, nehmen sie ein paar dieser Zutaten weg«, sagte Professor Majk und deutete auf meine Zutatenliste. Ich änderte den Titel der Rezeptur zu Eisstatur um, schrieb meine Erfahrung drunter und trug es in mein Rezeptbuch ein. Dann begann ich ein neues Rezept zu schreiben. Das dauerte leider fast bis zum Ende der Doppelstunde. Nächste Stunde würde ich es gleich ausprobieren. Wenigstens ist meine Puppe nicht wie Nicus in die Luft geflogen.
Am Freitagnachmittag ging ich hinunter zum Strand. Ein bisschen Volleyball spielen würde mich bestimmt etwas entspannen. Ilina und Fabiu waren schon da. Zusammen warteten wir noch etwas, aber es kam nur noch Coco.
»Vier ist doch eine ganz gute Zahl. Dann können wir sogar auf dem Feld zwei gegen zwei spielen. Coco und Fabiu gegen Mia und mich, danach wechseln wir durch«, sagte Ilina.
Während wir auf unsere Positionen gingen, ließ Ilina zwei kleine Volleybälle herbeifliegen. Einen warf sie Coco rüber, den anderen gab sie mir. Meine Aufschläge waren ziemlich gut, also begann ich meistens mit dem Aufschlagen. Sie aktivierte noch schnell das Spielfeld, so dass wir die Punkte nicht mitzählen mussten. Es konnte sonst ziemlich unübersichtlich werden mit zwei Bällen. Der Countdown begann und zeitgleich beförderten Coco und ich unsere Bälle mit einem gezielten Schlag auf die andere Seite. Zu zweit war es ziemlich anstrengend und ich merkte schnell, dass ich ziemlich aus der Übung war, aber den anderen schien es nicht anders zu gehen. Ständig flogen die Bälle weit über ihr Ziel hinaus und wurden nur durch den Zauber, der die Bälle mit dem Spielfeld verband zurückgehalten. Lachend machten wir nach ein einhalb Stunden eine Pause. Eben hatte Ich Fabiu ausversehen den Ball total gegen das Gesicht geschlagen. Im Gegenzug hatte mich der nächste Ball im Bauch getroffen und auf den Boden befördert. Es war eher zu einer Ballschlacht geworden, als zu einem richtigen Volleyball Spiel.
»Wisst ihr, worauf ich jetzt so richtig Lust habe«, fragte Coco in die Runde.
»Ein Eis«, schlug ich vor.
»Ja, das wäre auch toll, aber ich meinte eigentlich das Meer. Wollen wir wenigstens kurz schwimmen gehen«, fragte sie.
»Ich bin dabei«, sagte Fabiu.
»Gut, aber ich muss in einer dreiviertel Stunde in der Arena sein«, sagte Ilina.
So schnell wir konnten, zogen wir unsere Badesachen an, die jeder jetzt immer mit sich herum trug, in der Hoffnung irgendwann die Möglichkeit zu haben einen kurzen Abstecher ins kühle Wasser machen zu können.
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