Kapitel 15
Granny
Emilia
Ich ging zur Haustür und öffnete sie.
„Hallo, Emilia! Schön dich wieder zu sehen! Mensch, in den zwei Jahren hast du dich aber stark verändert. Du bist so wunderschön geworden.", schwärmte sie.
Vor mir stand meine Großmutter. Vor zweieinhalb Jahren hatte sie im Lotto gewonnen und war dann zwei Jahre um die Welt geflogen. Und ich hatte sie so sehr vermisst. Granny (wie ich sie nannte) war eine der einzigen Personen, denen ich vertraute und zu denen ich eine engere Beziehung hatte. Granny hatte mich bei meinem Abnehmen mit Tipps und Tricks unterstützt und mit mir irgendwelche Übungen gemacht.
Oft, wenn ich es nicht mehr Zuhause aushielt, packte ich meine Tasche und flüchtete zu Granny. Und genau deswegen hatte sie immer ein Zimmer für mich frei und war jederzeit auf einen ‚Überfall' meinerseits vorbereitet. Zuhause hatte Granny genügend Essen um sich, mich und mindestens noch eine Fußballmannschaft zu ernähren.
„Komm doch rein, Granny.", ich bat sie einzutreten, „Wie war die Weltreise? Hast du viel erlebt?"
„Ach, Kindchen! Ich sage dir, es war wundervoll!", schwärmte sie, „Am Besten waren L.A. und Miami. Und natürlich nicht vergessen: New York und Florida. Die schönsten Städte der Welt! Das nächste Mal nehme ich dich mit. Du kannst es dir ja erlauben, nicht in die Schule z gehen."
„Oh, ja, bitte. Dann bin ich mal die Idioten aus meiner Schule los."
„Aber reden wir mal von dir.", Granny wechselte das Thema, „Was hast du gemacht, während ich weg war? Noch immer so fleißig wie sonst?"
„Ach, es ist nichts Interessantes passiert. Das Übliche halt.", antwortete ich, „Kurz bevor du gefahren bist, hab ich die siebte Klasse übersprungen und bin jetzt in der 11. Klasse, weil ich die zehnte übersprungen habe."
„Ach, meine Süße. Du bist so ein schlaues Kind.", sagte Granny stolz.
„Pass auf, Granny, gleich rutschst du auf deiner Schleimspur aus.", lachte ich.
Sie schaute mich beleidigt an: „Soll ich etwa sagen, dass du zu schlau bist und unbedingt mal schlechte Noten schreiben sollst?", ich schüttelte den Kopf, „Na siehst du. Ich wollte dich fragen, ob du wieder bei mir wohnen willst. Ich habe das Gefühl, dass sich mein Sohn und seine Frau kaum um dich kümmern."
„Ja, bitte. Mom und Dad sind die halbe Zeit weg und wenn schon, dann sehe ich sie gar nicht.", sagte ich, „Hast du eigentlich noch die Wohnung in Horrem?"
„Nein, nein, Liebchen. Ich hab mir eine schöne in Köln geholt."
„Aber das ist ja dann doof.", Granny schaute mich fragend an, „Ich meine, ich muss dann viel früher aufstehen und mit der Bahn fahren oder die Schule wechseln. Ich hab letztens einen guten Freund kennen gelernt und möchte jetzt nicht noch für die letzten zwei Jahre die Schule wechseln."
„Das kann ich verstehen. Ich fahre dich zur Schule. Ich lasse dich doch nicht morgens mit der Bahn fahren! Außerdem ist meine Arbeit direkt auf dem Weg.", meinte sie.
„Du brauchst doch gar nicht mehr zu arbeiten. Du hast doch genug."
„Das spielt doch keine Rolle. Was soll ich denn den ganzen Tag lang machen? Nur vor dem Fernsehr zu sitzen und spazieren gehen? Das ist doch nichts für mich. Ich bin noch top fit."
Langsam knickte ich ein. Mit Granny konnte man nicht diskutieren. Sie war noch sturer als ich und mich betitelte man schon oft als Sturkopf.
Triumphierend sah Granny mich an: „Na, dann pack deine Tasche und dann fährst du mit mir. Dir wird die Wohnung garantiert gefallen."
Granny kam mit mir die Treppe hoch und half mir beim Packen. Sie stopfte meine Schulsachen in eine Tasche und meinen Kleinkram in eine andere, während ich meinen Kleiderschrank komplett ausräumte. Zusätzlich tat Granny meine Badezimmer Utensilien in eine kleinere Tasche.
Während wir so am Packen waren, kam kein einziges Mal einer meiner Eltern oder sogar beide rein. Vermutlich arbeitete meine Mutter wieder zu viel und hatte wieder eine Nacht in ihrer Kanzlei verbracht und mein Vater war sicher wieder auf einer seiner Geschäftsreisen in irgendwelchen Ländern, von denen niemand etwas gehört hatte. Für das Zusammenpacken meiner Habseligkeiten brauchten Granny und ich gut 3 Stunden.
Fertig gepackt stopften meine Großmutter und ich die Taschen in ihrem Jeep, den sie so heiß und innig liebte. Bevor wir nach Köln zur Wohnung fuhren, aßen wir dort Nudelschinken-Gratin und ich verabschiedete mich von den Angestellten. Anschließend fuhren wir los und kamen genau vor den Kranhäusern zum Stillstand.
„Was? Hier wohnen wir?", Granny nickte, „A-aber da wohnen doch nur Promis!"
„Nein, nicht ganz. In den Kranhäusern wohnen auch Leute, die einfach viel Geld haben."
„A-aber wie konntest du dir das noch leisten? Hast du nicht alles auf der Weltreise ausgegeben?"
„Natürlich nicht! Ich hab nicht mal die Hälfte weg."
„Wie viel hast du denn gewonnen?"
„Weiß nicht, aber sagen wir mal so: ich habe im Lotto genügend gewonnen."
Granny stieg aus dem Auto und vollbepackt betraten wir eins der Kranhäuser. Mit dem Aufzug fuhren wir ins oberste Stockwerk und Granny kramte ihren Schlüssel heraus. Als sie die Wohnung aufschloss, erstreckte sich ein heller Flur mit ein paar Kommoden und vielen Bildern von mir und Granny. Nach links kam man sofort ins offene Wohnzimmer und durch eine Theke war die Küche abgetrennt. Im Wohnzimmer war eine schwarze Ledercouch und einen riesigen Flachbildschirm. Natürlich auch der ein oder andere Schrank. Alles war in schwarz-weiß gehalten, was dem Raum etwas Modernes verlieh. Weiter den Flur entlang kam zuerst eine Art Vorratskammer, dann eine Abstellkammer, dann Grannys Zimmer. Hinter ihrem Schlafzimmer kam das Bad und dann mein Zimmer, dass eine Fensterfront in Richtung Dom hatte.
„Das ist so toll, Granny! Vielen, vielen Dank, dass ich bei dir wohnen kann."
Ich freute mich so wahnsinnig, denn ich hatte mir schon immer mal gewünscht, in den Kranhäusern zu wohnen und nun war es möglich. Zudem hauste ich hier mit dem Menschen, zu dem ich die beste Beziehung hatte und super mit klar kam.
Granny setzte sich auf die Couch und zappte durch die Kanäle. Bei einem Nachrichtensender stoppte sie und sah sich die Reporterin im Seuchenanzug an. Die Reporterin hielt das Mikro vor den Mund, doch selbst das half nicht. Man hörte mehr den Wind rauschen.
„Die Ebola-Epidemie breitet sich immer mehr aus! Es gibt immer mehr Infizierte!", rief die Reporterin, doch man hörte sie noch immer kaum.
Sie sprach noch über irgendwelche Ansteckmöglichkeiten und dass man sich von Afrika dringend fern halten soll, um selbst nicht an der tödlichen Krankheit zu erkranken. Nach dem Bericht schaltete Granny den Fernsehr aus und wir spielten Gesellschaftsspiele und irgendwann spät in der Nacht gingen wir schlafen.
*einige Wochen später* (Mittwoch)
Der Bus hielt an und ich stieg aus. In der Wohnung hatte ich mich prima eingelebt, doch heute Morgen hatte Granny meinen Traum vom weiteren wohnen dort wie eine Seifenblase zerplatzen lassen. Sie hatte gesagt, dass das hier nur vorrübergehend wäre und wir bald nach Blatzheim umziehen, wo nächsten Monat ihr Haus fertig gebaut ist. Wir würden dann da hin ziehen und ich könnte nie wieder den Kölner Dom sehen, wenn ich aufstehe.
In der Schule begrüßte ich Felix kurz mit einer Umarmung, doch reden konnte ich nicht, weil dieser verdammte Bus wieder zu spät war. Granny hatte mich heute nämlich nicht mitnehmen können, weil sie einen Arzttermin hat.
*Schulschluss*
Nach meinem zweiten Block hatte ich schon Schulschluss und konnte nach Hause fahren. Später würde ich mich mit Felix treffen, doch dieser hatte bis einschließlich der 7. Stunde Unterricht. Solange ich also alleine war, überlegte ich mir das Aussehen meines neuen Zimmers. Granny hatte mir auch gezeigt, welche Form es hat und wie groß es ist.
Als es Zeit wurde, machte ich mich auf den Weg zum Rheinufer, doch nicht bei mir, sondern auf der Höhe vom Dom.
„Hey, Kleine.", begrüßte mich Felix.
„Ich bin nicht klein. Außerdem kann ich mich sehr wohl verteidigen.", schmollte ich.
„Ach, das weiß ich doch.", meinte Felix, „Und was hast du schönes gemacht, während ich mich im Unterricht gelangweilt habe?"
„Ich hab mir überlegt, wie ich mein neues Zimmer mache."
„Wie, neues Zimmer?", verwirrt zog Felix die Stirn zusammen.
„Granny hat mir heute Morgen gesagt, dass wir nach Blatzheim umziehen werden.", ich senkte den Kopf, „Ich find's hier wundervoll und ich verstehe nicht, wieso wir nicht in den Kranhäusern wohnen können."
„Aber eigentlich ist es doch besser. Ich meine, als bei deinen Eltern zu wohnen. Die kümmern sich doch sowieso nicht um dich. Du wärst da ja im Prinzip alleine. Jetzt hast du wenigstens deine Oma."
Ich nickte und Felix und ich machten es uns am Rheinufer bequem und redeten und lachten noch bis es dunkel wurde.
*Einige Wochen später* (24. Dezember, Montag)
Heute war Weihnachten und ich war ganz und gar nicht in festlicher Stimmung, Granny aber so sehr, dass es mindestens für uns beide reichte. Seit fast 2 Monaten leben wir jetzt hier und ich hatte mich noch nicht wirklich eingelebt. Ich hatte mein Zimmer so eingerichtet, wie ich es haben wollte, dennoch fühlte ich mich wie ein Dauergast. Granny versuchte zwar alles, um es mir heimischer zu machen, doch nach kurzer Zeit war auch sie mit ihrem Latein am Ende. Felix war oft hier und wir machten irgendwelche Dinge. An den Wochenenden machten Felix und ich fast immer eine LAN-Party und waren am Montag dann so müde, dass wir gerade so noch pünktlich kamen, doch im Unterricht öfters mal einschliefen.
Ich war gerade erst wach geworden und schaute mit zusammengekniffenen Augen auf mein Handy. 10 Uhr. Und Felix hatte mir geschrieben. Ich antwortete ihm kurz und schlenderte im Halbschlaf und Handy in der Hand nach unten in die Küche, wo Granny schon wieder am Backen war.
Das tat sie schon die ganze letzte Woche. Sie war nur Plätzchen am Backen und langsam hatten wir so viele Kekse um ganz Blatzheim damit zu füttern. Doch Granny waren diese Berge noch nicht genug und sie backte fröhlich weiter.
„Ach, Granny. Wie viele Kekse willst du noch backen?", murmelte ich.
Die Küche war hellerleuchtet und ich musste meine Augen fast zu machen, um überhaupt was zu sehen. Die komplette Küche sah aus wie ein Schlachtfeld. Überall waren Backutensilien und wo keine waren, stapelten sich die Kekse.
Granny hatte mich noch gar nicht mitbekommen, sie war zu sehr konzentriert das Backrezept zu lesen. Außerdem lief die Küchenmaschine laut im Hintergrund. Ich machte das Gerät aus und wiederholte meine Frage.
„Ich werde noch so viele backen, wie wir brauchen.", war die Antwort meiner Oma.
„Aber Granny, wir können uns von den Keksen wochenlang ernähren."
„Aber ich brauche noch welche für unsere Nachbarn."
„Mit der Menge an Keksen kannst du schon ganz Blatzheim mit füttern."
„Das spielt doch keine Rolle. Was soll ich denn sonst tun? Meine Arbeit möchte mich kündigen, weil ich denen zu alt bin. Ich bin doch erst 69."
„Das weiß ich doch, Granny. Du kannst dich ja ehrenamtlich irgendwo bewerben. Oder bei so kleinen Halbtagsjobs."
Granny antwortete nur mit einem ‚Ja' und machte weiter den Teig für irgendwelche Vanille Kipferl.
Ich schnappte mir ein paar Sachen aus der Küche und floh ins Wohnzimmer. Dort schaltete ich den Fernsehr an und begann zu frühstücken. Ich biss genüsslich in mein Nutella Brötchen und schaute irgendeine Kinderserie auf Super RTL. Ich glaube, es war Kim Possible, aber ich wusste es nicht genau.
Mittendrin klingelte es an der Tür. Wer kann das denn sein? Ich hatte mich mit Felix erst in ein paar Stunden verabredet.
Da Grannys Küchenmaschine noch immer lief, musste ich zur Tür. Als ich sie öffnete, stand vor mir eine Person, die mir vertraut war, doch sie hatte ich nicht erwartet.
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