Schlachtfeld
Ich konnte meine Arme und Beine nicht bewegen, obwohl sie nicht mehr gefesselt waren. Mein Kopf lehnte erschöpft an seiner Brust. Mein leises Weinen war inzwischen völlig verstummt, nicht einmal dazu hatte ich die Kraft. Er strich mir sanft durch mein blutverkrustetes Haar. "Du solltest dich in Zukunft besser benehmen.", flüsterte er mir gehässig ins Ohr. Ich wollte schreien. Ich wollte rennen und mir die Pulsadern aufreißen, doch schon die leichte Bewegung meines Kopfes schmerzte höllisch.
Selbst wenn ich immer gehorsam sein würde... es war genau dies, was er wollte. Er fand immer einen Grund, mir Schmerzen zuzufügen. "Wirst du mich umbringen?" Meine Augen füllten sich mit brennenden Tränen. "Nicht heute." Er lächelte.
"Aber morgen oder nächste Woche oder in ein paar Monaten?", fragte ich mit zitternder Stimme. "Ich weiß es nicht."
Vorsichtig legte er meinen abgemagerten Körper auf sein Bett und zog einige Tücher aus dem Wandschrank, die er mit einer durchsichtigen Flüssigkeit tränkte. Als er es auf die frische Schnittwunde auf meiner Brust legte, welche nur eine von vielen war, schrie ich vor Schmerz auf, was er ignorierte.
"Ich komme gleich wieder.", sagte er, als er sich umdrehte und den Raum verließ. Mein Blick fiel auf die Tür, die er einen Spalt weit offen gelassen hatte. Seine Schritte polterten über mir, als er die Treppe ins zweite Stockwerk des Anwesens hoch stieg.
Mit einem letzten Hauch der Hoffnung, die mir verblieben war, richtete ich mich auf. Meine blutbefleckten Füße hielten mich kaum, doch ich schleppte mich in Richtung der Tür. Wenn ich es schaffen könnte, ins Erdgeschoss zu gelangen, bevor er wieder herunter kam, könnte ich vielleicht entkommen. Meine Füße hinterließen bei den ersten Schritten blutige Flecken auf den Holzdielen. Gerade als ich die erste Treppenstufe nach unten berührte, hörte ich eine Stimme hinter mir.
Cole ging langsam auf mich zu und griff im Vorbeigehen nach einem Schürhaken, der neben einigen anderen Utensilien an der Wand neben dem Kamin lehnte.
"Du Vollidiot."
Ich setzte mich im Bett auf. Schon wieder blitzten in meinen Träumen Erinnerungen auf, die ich vergessen wollte. Das Mondlicht flutete den Raum im ersten Stockwerk des kleinen Hauses. Mit der Hand fuhr ich die verblasste Narbe auf meiner Brust nach. Ganz verschwinden würde sie wohl nie, aber zumindest stach sie nicht mehr so heraus. Je mehr Zeit seit meiner Flucht verstrich, desto schlechter träumte ich. Auch konnte ich an manchen Tagen überhaupt nicht einschlafen. Ich war an meine Vergangenheit gekettet. Selbst wenn sich die Fessel um meinen Hals irgendwann lösen würde, meine Narben verblassten und meine Peiniger starben, war das, was sie hinterließen, ein Schlachtfeld. Ich wollte vergessen, dabei waren meine Erinnerungen das Einzige, was wirklich mir gehörte. Zephyr drehte sich im Schlaf auf die andere Seite. Normalerweise wachte sie mit mir auf, wenn ich einen Alptraum hatte, obwohl sie selbst selten träumte. Ich beschloss, mir diese Welt in mir zumindest heute nicht mehr anzutun, und stand auf, die Wolldecke um meine Schultern gewickelt. Bis jetzt hatte Sera ihre Versprechen gehalten, ich bekam Essen, so oft ich wollte, und das kleine Zimmer im Obergeschoss war beheizt und gemütlich. Beinahe hätte ich mir vorstellen können, mein Leben von nun an so zu verbringen, doch ich hatte mich schon lange von diesem Wunschdenken verabschiedet.
So leise wie möglich schlich ich ins Wohnzimmer herab. Ich war versucht, den Fernseher anzumachen, aber ich wollte Sera nicht wecken. Für gewöhnlich schlief ich immer länger als sie, weil ich abends nicht einschlafen konnte, und sie hatte immer Rücksicht darauf genommen.
Stattdessen griff ich im Halbdunkel nach den Seiten, die sie mir bis jetzt diktiert hatte, knipste die Stehlampe an und ließ mich auf das bequeme Sofa fallen. Ich hatte seit Ewigkeiten nicht mehr geschrieben, aber meine Handschrift hatte nicht darunter gelitten. Das lag vielleicht daran, dass sie schon immer leicht unordentlich war, aber so weit ich einschätzen konnte, war zumindest meine Rechtschreibung in Ordnung.
Seras Geschichte handelte von einer jungen Frau, die sich an einen reichen Mann heranmachen wollte, um, nachdem sie sich seiner entledigt hatte, sein Anwesen zu erben. Nichts besonders einfallsreiches, aber doch gut geschrieben.
"Du siehst ja vollkommen fertig aus.", stellte meine Gastgeberin fest, als sie wenig später ins Wohnzimmer schritt. Sie trug nur ein weißes Shirt, das ihr jedoch fast bis zu den Knien reichte. Das lange Haar hing ihr ungekämmt über die Schulter. Außerdem hatte sie sich am Abend wohl nicht abgeschminkt. Ich ließ den Blick wieder auf die Seiten in meinen Händen fallen und murmelte: "So fühle ich mich auch."
Sie setzte Wasser auf und ließ sich dann in den Sessel gegenüber fallen.
"Was ist es denn?"
Sera schaute mich aufmerksam mit ihren honigfarbenen, schimmernden Augen an. Mein letztes bisschen Misstrauen schmolz dahin und ich setzte mich auf. Und dann begann ich zu erzählen.
Ich erzählte von meiner Schwester, vom Menschenhandel in den Großstädten und von der dicken Frau im Pelzmantel, die mir auf die Finger getreten war, als ich betrunken mitten auf der Straße gelegen hatte. Von den Drogenabhängigen die unter den Brücken am Kanal lagen und darauf hofften, Stimmen im Nichts zu hören. Wenn sie mich kaum mehr wahrnahmen, hatte ich mich zu ihnen gesetzt, ihren Alkohol geleert und dafür gebetet, dass die Stimmen nicht zu ihnen sprechen würden.
Ich erzählte von der Verbindung zwischen Zephyr und mir, von Vic und Hino und dass ich sie immernoch vermisste. Als meine Erzählungen die Zeit auf dem Sklavenmarkt erreichten, stand Sera auf, füllte uns zwei Tassen Tee ein und setzte sich diesmal neben mich, um den Arm um mich zu legen. Ich umklammerte die Porzellantasse und beendete meine Geschichte schließlich mit dem Tag, an dem ich in dieses Dorf kam. "Mein Gott..." Sie war ernst geworden, stiller als vorher. "Es muss etwas passieren."
Heyo~
Ich bin gerade wirklich langsam beim Updaten, aber ich höre ab jetzt am besten auf, das immer zu erwähnen :D Aber ernsthaft, wer hat sich das Schulsystem ausgedacht? Wäre ich eine gute und fleißige Schülerin, hätte ich wahrscheinlich seit Monaten keine Sekunde auf Wattpad verbracht, aber zum Glück bin ich das nicht.
Ich wünsch' euch noch nen entspannten Abend!
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