Natur
Unter dem Sternenzelt zeichneten sich die dunklen Umrisse der Wälder ab. Ich war vollkommen orientierungslos. Wir waren ungefähr einen halben Tag mit dem Händler gefahren, bevor er mich entdeckt hatte. Ich musste zweifelsfrei viele Meilen von der Stadt entfernt sein, in der ich am letzten Morgen aufgebrochen war. Es kam mir vor, als wären Wochen seitdem vergangen, dabei waren es noch nicht einmal 24 Stunden.
Es brachte mir nichts, weiter auf dieser Straße herum zu stehen, ich musste nach vorn schauen.
Ich musste überleben. Am besten eine Arbeit finden, aber es war so riskant, mich in die Nähe einer Stadt zu begeben.
Ich verließ den gepflasterten Weg und entschied mich, einfach in Richtung des Waldes zu laufen. Man konnte meine Wächterin nicht lange von mir trennen, sie würde mich wieder finden. Und zusammen könnten wir vielleicht sogar jagen. Mein Haarband musste immernoch einige Meilen von hier auf der Straße liegen, also wickelte ich mir einfach meinen Schal um den Kopf.
Ich schaute nach unten und erkannte schwach, dass das Feld, das ich gerade zertrampelte, ein Weizenfeld war. Hoffentlich richtete ich nicht einen allzu großen Schaden an.
Obwohl ich bis jetzt, abgesehen von Lorraine, nur Schlechtes von den Menschen entgegengebracht bekam, hatte ich kein Interesse daran, ihnen etwas heimzuzahlen. Die einzigen, die ich tot sehen wollte, waren Cole und die anderen vom Sklavenmarkt. Aber mein Hass sollte mich nicht leiten, ich wollte einfach nur leben und Vic und Zephyr finden. Einfach glücklich sein.
Die Sonne war schon fast aufgegangen, als ich den schützenden Wald erreichte. Der Wind war ein wenig kälter geworden und mein Haar war nass von dem Sommerregen, der die staubigen Wege in Schlamm verwandelte. Selbst zwischen den dichten Zweigen wehten Regentropfen hindurch, weshalb ich beschloss, nach einer Baumwurzel Ausschau zu halten, unter der ich vielleicht bis zum Mittag schlafen konnte. Ich gelangte auf eine Schneise, die anscheinend einmal ein Weg gewesen war. Unkraut wucherte über die Erde, aber kein Baum stand hier. Fasziniert blickte ich mich im Dämmerlicht um, während ich weiter ging. Der Weg endete abrupt an einem Abhang.
Ungefähr drei Meter unter mir lag ein alter Wagen. Ich ließ mich langsam auf der Erde hinunter rutschen, bis ich davor zum Stehen kam. Die Natur war dabei, sich ihr Eigentum zurück zu holen. Durch das eingeschlagene Fenster wucherten dicke, grüne Wurzeln, die durch ein Loch in der Decke wieder austraten. Der Lack war an einigen Stellen abgeblättert und offenbarte rostrote Flecken. Die Polster auf der Rückbank waren löchrig und hatten sich an einigen Stellen komplett aufgelöst.
Ich umrundete die moosbedeckten Überreste des Fahrzeugs einmal, bevor ich mich durch die fehlende Tür auf der Rückseite hineinschob. Ich zog meine Bluse aus, legte sie mit dem Schal zum Trocknen über die Lehne der Rückbank und machte es mir darauf bequem.
Durch das aufgerissene Dach konnte ich die ersten Sonnenstrahlen sehen, in denen der lautlose Regen glitzerte. Ich lächelte, zog die Beine an und schloss dann die Augen.
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