37.
H.
"Weinst du?"
Nur der Klang seiner überraschten Stimme alleine führte dazu, dass ich umso mehr Tränen vergoss. All meine Emotionen die ich für ihn empfand verspürte ich präsenter denn je und das, obwohl wir uns so lange nicht mehr gesehen hatten.
Man möge meinen, meine Liebe für ihn müsste mit den Jahren abgeschwächt sein, tatsächlich war dies nie der Fall. Ich hatte zwar versucht meine Gefühle für ihn zu verdrängen, mir sogar vorgaukelte eine ganze Zeit lang zufrieden zu sein. Insgeheim war mir trotzdem bewusst gewesen, dass ich nie über Wonho hinwegkommen würde. Deutlich wurde mir dies immer wieder aufs Neue, wenn er sich unbewusst in meine Gedanken schlich und ich alten Erinnerungen hinterhertrauerte. In solchen Momenten hätte ich dann jedes Mal los heulen können, weil die Wunde, die er hinterlassen hatte, nie verheilen wollte und es jedes Mal so schmerzte, als hätte er mich erst den Tag davor verlassen.
In diesem Augenblick, indem Wonho mir so besorgt über den Rücken strich, fühlte es sich an als wäre diese Wunde brutal aufgerissen worden. Blut strömte ungehindert aus meinem Herzen. Lange würde ich diesen Zustand nicht mehr aushalten können. Dringender denn je brauchte ich Heilung für mein gebrochenes Herz.
Wonho hielt mich, in meiner völlig aufgelösten Fassung, weiterhin in seinen starken Armen. Ich selbst hatte nicht mit einer solch heftigen Reaktion von mir gerechnet. Doch ich konnte auch nichts dagegen tun. Es war, als wäre ich wehrlos meinen Emotionen ausgeliefert und so konnte ich nicht verhindern wie sich immer mehr Tränen bildeten. Ich schniefte, rieb mir die schon geröteten Augen, bevor ich ein gemurmeltes; "Tut mir leid.", hervorbrachte. Wonho erwiderte meinen Blick schuldbewusst. "Nein, mir tut es leid..." Sanft strich er mir mit seinem Daumen die neuen Tränen weg, die weiterhin meine Wangen runterkullerten. Ich schenkte ihm ein schwaches Lächeln.
"Hyungwon, meine Sonne, ich will nicht, dass du traurig bist."
Auch wenn ich schwindelerregend viele Emotionen auf einmal verspürte, Traurigkeit war keine davon. Lediglich der tiefe Schmerz, der in meiner Brust brannte, trieb mir die Tränen in die Augen, obwohl ich ernsthaft versuchte diese zu unterdrücken, um nicht den Eindruck zu erwecken traurig zu sein. Im Gegenteil; ich genoss seine zarte Berührung, zu lange hatte ich sie missen müssen. Ich schmiegte mich an seine Hand und wünschte mir innigst das wohlige Kribbeln auf meiner Wange würde für immer verweilen .
"Bleib bei mir.", kam es mir wie von selbst über meine Lippen.
Seine Augen funkelten. "Ich lasse dich nicht alleine."
So sehr ich mich über diese Aussage auch freuen wollte, ich schaffte nicht den ironischen Klang in meinen Ohren zu überhören. Unbewusst zog ich daher meine Augenbrauen zusammen, woraufhin er seine schlechte Wortwahl bemerken zu schien. Unbeholfen kratzte er sich am Hinterkopf und korrigierte seine Aussage; "...Nicht nochmal."
Es waren die Worte die uns zurück zum Hier und Jetzt brachten. Gerade eben schwebten wir noch in traumhaften Höhen. Doch schneller als uns lieb war befanden wir uns wieder unten, am Boden der Tatsachen angekommen und dort sah es nicht gerade rosig aus. Fakt war, dass Wonho mich damals aus heiterem Himmel verlassen hatte und ich dadurch zurück in mein dunkles Loch gefallen bin. Uns beiden war dies mehr als bewusst, sowie wir auch wussten, dass wir diese Tatsache nicht einfach so unter den Teppich kehren konnten. Plötzlich wurden wir beide ernst.
"Du hast einiges zu erklären..."
"Ich weiß und das werde ich auch."
Ein leises Klopfen an der Tür ließ unser Gespräch verstummen. Die freundliche Frau mit Headset von vorhin spähte zu uns in den Raum und sah Wonho entschuldigend an. "Herr Chae müsste jetzt gestylt werden..."
Wonho nickte ihr zu. Dann umschloss er behutsam meine Hände mit seinen und drückte sie sanft. "Wir reden nach der Show."
Ich fühlte mich merkwürdig als ich Wonho wieder so schnell verlassen sollte, um der Stylistin zu folgen. Nur kurz hatte ich ihn gesehen und das nach so langer Zeit. Viel lieber wäre ich bei ihm geblieben, hätte weiter seine warmen Hände gehalten und mich mehr in seinen wunderschön funkelnden Augen verloren. Und doch fühlten sich meine Schritte auf einmal wesentlich leichter an, als wäre ein Teil der Last von meinen Schultern genommen worden.
Um einiges ruhiger ging ich erneut durch den Backstagebereich und sah mir diesmal alles genauer an. Es war wirklich riesig und ein wenig chaotisch, da so viele Leute versuchten ihren Aufgaben nachzukommen. Die große Halle war gefüllt mit unzähligen Models, sowie Stylisten und überall wo man hinblickte sah man unglaublich schöne Designs in den verschiedensten Stoffen und Farben. Je mehr ich mich umsah, desto bewusster wurde mir, dass Wonho jedes einzelne Teil selbst designt hatte und er jeden einzelnen hier Anwesenden bezahlen konnte.
Glücklich musste ich an unsere unzähligen Gespräche zurück denken, in welchen er mir lebhaft die Vorstellung seines Traumberufes Modedesigner ausgemalt hatte. Vier Jahre später stand ich mitten in dieser real gewordenen Vorstellung. Unglaublich. Wonho hatte sich ein Imperium aufgebaut, genau so wie er es sich immer erträumt hatte. Stolz wäre zu untertrieben, um auszudrücken was ich in diesem Moment für ihn empfand.
Ich drehte mich um meine eigene Achse, nochmal wollte ich mir einen Überblick verschaffen. Wieder sprangen mir neue Details ins Auge. Ich kam gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Immer wieder drehte ich mich. Erneut und erneut. Alles glitzerte und funkelte um mich herum.
Ich wurde geschminkt und frisiert, dann bekam ich mein erstes Outfit zugeteilt. Es handelte sich dabei um einen schlichten, schwarzen Anzug, der mir wie angegossen saß. Darunter trug ich ein schwarz-schimmerndes Seidenoberteil mit einem ziemlich tiefen Ausschnitt. Um meinen Hals trug ich einen breiten Choker in der selben Farbe.
Haargenau das gleiche Outfit hatte ich damals in Wonhos Skizzen, an meiner gezeichneten Gestalt, gesehen. Nun trug ich es wahrhaftig, aus fein verarbeitetem Stoff, an meinem Körper. Ein Teil von seinem wahrgewordenen Traum sein zu dürfen war ein unbeschreiblich gutes Gefühl.
Kurz probten wir Models, wie wir zu laufen hatten und wenig später sollte die Modenshow auch schon beginnen.
Mir wurde die Ehre zuteil die Show zu eröffnen. Stolz trug ich mein Outfit, da ich genau wusste, diesen Anzug hatte Wonho nur für mich designet. Mit dem zusätzlichen Wissen, dass jede Figur in Wonhos Skizzen mich darstellte, eröffnete ich selbstsicher die Show.
Im Publikum entdeckte ich unter den unzähligen Zuschauern Wonho, in einer der hinteren Reihen. Ich konnte seinen durchdringlichen Blick förmlich auf mir brennen spüren. Für alle anderen war er unscheinbar. Nur einer von vielen in der Menge. Niemand würde den Verdacht schöpfen, dass er der anonyme Designer von Shine war, dass er die Person war, die sie bejubelten. Für mich hingegen hob er sich mit seinen funkelnden Augen von allen anderen ab. Wir hatten intensiven, fast magischen Augenkontakt, während ich über den Laufsteg stolzierte. Ich wusste was er mir sagen wollte.
Das alles habe ich mit so viel Liebe und Leidenschaft nur für mich und dich gemacht.
Und er wusste was ich ihm sagen wollte.
Ich bin unfassbar stolz auf dich.
Die Show verlief super. Das Publikum war begeistert, die Stimmung fantastisch.
Nachdem sich die Show mit Erfolg dem Ende zugeneigt hatte, lud mich Wonho zu sich, in sein schickes Apartment in einem gehobenen Teil Seouls, ein.
Es war kein Vergleich zu dem kleinen Apartment, welches er zu seiner Praktikumszeit hatte. Offensichtlich, zu diesem Zeitpunkt war er ja auch noch kein erfolgreicher Modedesigner wie jetzt. Wieder wurde mir bewusst wie viel Zeit vergangen war und wie viel sich verändert hatte.
Im Wohnzimmer machten wir es uns bequem auf seiner Ledercouch, oder besser formuliert; ich saß an dem einen Ende und er an dem anderen, fast so als würde das bevorstehende Gespräch zwischen uns stehen.
Ich stützte meinen Arm an der Lehne ab und versuchte so gut es ging meine Gedanken zu ordnen. Auf einmal war ich angespannt und nervös. Kein Wunder, dies sollte das Gespräch sein, die Konfrontation, die Antwort auf all meine Fragen die mich so lange geplagt hatten. Jetzt sollte ich herausfinden wie viel sich wirklich verändert hatte und was zwischen uns unverändert geblieben ist. Ich versuchte lockerer zu werden und mich einfach auf die Situation einzulassen.
Für eine Weile sahen wir uns gegenseitig stumm an, wobei ich wetten könnte, dass Wonhos Gedanken genauso laut sein mussten wie meine, bis ich schließlich das Wort ergriff; "Das hast du also die vier Jahre lang gemacht."
"Ja,", er lächelte; "drei Jahre lang Modedesign studiert. Dann ziemlich schnell einen Sponsor bekommen und jetzt bin ich hier."
Auch auf mein Gesicht schlich sich ein Lächeln. Seine Freude war meine Freude. So war es schon immer gewesen. Daran hatte sich nichts geändert.
"Die Modenshow war großartig. Wirklich, beeindruckend was du erreicht hast.", komplimentierte ich ihn stolz, wie es sich für seinen größten Fan, der ich immer noch war, gehörte.
"Danke, das von dir zu hören bedeutet mir sehr viel." Seine Wangen trugen einen roten Schimmer. "Und, dass du für mich gelaufen bist. Das war mir sehr wichtig."
"Ich danke dir, dass du mich ein Teil deiner Welt seien lässt."
Seine Mundwinkel fielen, sobald ich meine Äußerung ausgesprochen hatte, wie auch die ohnehin schon etwas angespannte Stimmung. Sein Blick war eindeutig. Er hatte verstanden, was ich ihm mit dieser Äußerung sagen wollte. So kann man auch indirekt mit der Tür ins Haus fallen...
Da der Anlass unseres Treffens jedoch offensichtlich für uns beide war, hatte Wohno sich auch schnell wieder gefangen. Er rückte näher zu mir und streckte seine Hand nach meiner aus. "Hyungwon... Ich wollte dich nie verlassen." Ich ließ zu wie er mit seinem Daumen kleine Kreise über meinen Handrücken strich, wobei er mich mit großen Augen schuldbewusst ansah. "Ich hatte damals keine andere Wahl.", setzte er an. Aufmerksam beobachtete er mich während er sprach, so als würde er am liebsten meine Gedanken lesen können. Bestärkend drückte ich seine Hand, damit er fortfuhr.
Ich musste seine Seite hören, ich wollte sie verstehen und ihm verzeihen.
Er schluckte. "Als ich mit dem Praktikum angefangen habe, hätte ich nie damit gerechnet, dass mal alles so kommen würde wie es eingetreten ist. Ich war nur ein ganz normaler Modejournalismusstudent, der sein Netzwerk durch die Chae vergrößern wollte und nebenbei ganz zufällig einen ziemlich großen Crush auf das Supermodel Chae Hyungwon hatte..." Kurz grinsten wir uns verstohlen zu, bevor er wieder ernst fortfuhr; "Niemals hätte ich damit gerechnet, dass wir uns näher kommen würden, geschweigedenn eine Beziehung eingehen würden. Dass es so gekommen ist, darüber bin ich unfassbar glücklich, glaub mir. Ich bereue es kein bisschen. Mein einziges Problem war nur, plötzlich Chae Hyungwons Freund zu sein."
Irritiert hob ich eine Augenbraue, nicht verstehend welche Richtung dieses Gespräch annahm.
"Weißt du noch? Von Anfang an hatte man mich in der Chae als deinen Lover abgestempelt. Der, dem der Erfolg nur so zugeflogen ist, angeblich nur wegen dir. Sei es das Covershooting, die unzähligen Modeljobs oder wie ich 'bevorzugt' behandelt wurde." Er schüttelte abwertend seinen Kopf darüber, weil ihm diese Schlussfolgerungen noch genauso absurd vorkamen wie auch damals schon. "Und nachdem wir das erste mal zusammen bei einer Modenshow gesichtet wurden, teilte die Öffentlichkeit die gleiche Meinung wie die Chae-"
"Ich glaube, ich komme nicht ganz mit.", unterbrach ich ihn verwirrt. "Gut, jeder wusste wir waren zusammen. Aber was war daran so schlimm für dich? Es hat doch gestimmt..."
"Darum ging es mir nicht. Nur darum, dass ich mehr sein wollte als nur dein Freund, Hyungwon. Ich wollte mich durch mehr definieren. Wie gesagt, ursprünglich wollte ich Modejournalist werden. Und plötzlich war ich ein angesagtes Model, durch deine Hilfe-"
"Und dann wolltest du Modedesigner werden, was du auch geschafft hast.", unterbrach ich ihn erneut, immer noch nicht wissend, was er mir eigentlich sagen wollte. "Aber wieso musstest du mich dafür verlassen? Das hättest du auch mit mir zusammen schaffen können. Als Paar geht man doch gemeinsam durch dick und dünn, oder nicht?" Meine Stimme klang vorwurfsvoll. Immer hin verletzte mich das Geschehene immer noch und darüber reden machte es auch nicht gerade leichter. Wonhos Blick verriet, dass ich nicht der einzige verletzte von uns beiden war. Wahrscheinlich tat es ihm weh, zu sehen wie ich nicht verstehen konnte, was er mir mitteilen wollte.
Er knabberte fast schon nervös an seiner Unterlippe, so als würde es für ihn eine große Überwindung darstellen, das nächste auszusprechen; "Mir ist durch einige Vorfälle bewusst geworden, dass ich mit dir an meiner Seite immer nur darauf reduziert werden würde, dein Freund zu sein. Dabei sollte Modedesign doch mein Neuanfang werden. Endlich wollte ich nur für mich stehen und zeigen was ich drauf habe. Ich konnte gar nicht abwarten das Modeln und die damit zusammengehörigen Vorurteile mir gegenüber hinter mir zu lassen." Kurz hielt er inne und lächelte mich traurig an. "Doch als ich feststellen musste, dass über mein Modeunternehmen das gleiche gesagt werden würde wie über meine Modelkarriere, konnte und wollte ich damit nicht leben."
"Aber deine Mode ist verdammt gut. Sieh nur wie erfolgreich du bist. Ist doch egal was irgendwelche Idioten sagen.", gab ich stur von mir.
Wonho ließ sich von meiner Engstirnigkeit nicht beirren und blieb weiterhin ruhig, als er mir antwortete: "Nein, ist es nicht. Für mich nicht. Das ist der springende Punkt. Ich musste mir erst selbst beweisen, dass ich gut genug bin, weil mir die Meinung aller anderen so zu Kopf gestiegen ist, dass ich an meinen eigenen Fähigkeiten angefangen habe zu zweifeln. Modedesign, dieser Traum war mir so wichtig geworden. Ich wollte es unbedingt schaffen, aber eben ganz alleine. Nicht so wie meine Modelkarriere. Ich wollte keinen gepushten Start. Ich wollte von unten anfangen und mich durch meinen eigenen Verdienst bis zur Spitze bringen. Ich selbst, verstehst du? Unabhängig von dir." Tief sah er mir in die Augen, immer noch in der Hoffnung irgendwie meine Gedanken lesen zu können. Seine dagegen waren mir nun endlich erschließbar. Hinter jedem Wort steckten so viele Emotionen, dass ich mich plötzlich kaum traute zu Atmen, aus Angst seinen Redefluss irgendwie zu unterbrechen. Aufmerksam hörte ich ihm zu, wie er mir weiterhin seine Gefühlswelt offenbarte: "Als du meintest du würdest schon dafür sorgen, dass mich die Schulen annehmen würden, da fühlte ich mich vor den Kopf gestoßen. Deswegen habe ich mich dann bei anderen Schulen beworben. Ich musste wissen, ob ich wirklich das Zeug dazu habe. Ich wollte mein Gesicht nicht vollkommen verlieren. Die ganze Chae und die Öffentlichkeit haben meine wahre Identität sowieso nicht sehen können. Meine Freunde und du, ihr konntet mich nur trösten. Es war lieb gemeint, aber wenn wir mal ehrlich sind, haben diese tröstenden Worte nichts für mich verändert. Jeden Tag fühlte ich mich mir selbst mehr fremd. Nur wenn ich mit Shownu zusammen war, konnte ich meine deprimierenden Gedanken ausblenden, weil er nichts davon wusste. Er war der Ausgleich den ich brauchte, um mit diesem verrückten Leben klar zu kommen. Es ging so lange gut, bis er den Rest über mich herausfand und ich einfach keinen anderen Ausweg mehr gesehen habe..."
Bis zu diesem Zeitpunkt des Gespräches hatte ich ihn ständig unterbrochen oder das letzte Wort haben wollen, doch nun waren mir die Worte im Hals stecken geblieben. Sprachlos saß ich da und dachte zurück an unsere gemeinsame Zeit, mit dem Unterschied diesmal alles in einem anderen Blickwinkel zu sehen. Ich erinnerte mich wie Wonho mir freudig die Schulen aufgezählt hatte, bei denen er sich gerne anmelden würde, bis ich ihn bereits damals unterbrach. "Deinem Traum wird nichts im Wege stehen. Dafür werde ich schon sorgen.", hatte ich ihm gesagt. Noch am gleichen Tag telefonierte ich mit den Leitern verschiedener Schulen. Teilweise wollten sie von Wonho gar keine Mappe mehr sehen, weil sie ihn auch einfach so für mich zugelassen hätten. Ich hatte mich so sehr darüber gefreut eine Hilfe zu sein, dass ich gar nicht daran gedacht hatte, wie Wonho sich dabei wohl fühlen müsste. Auch die Begegnung mit Jooheon kam mir wieder in den Sinn. "Tu dir und Wonho einen Gefallen und lass ihn in Ruhe. So ist es am besten. Glaub mir, du denkst zwar du wärst hilfsbereit, aber du bist genau das Gegenteil davon.", hatte er mir wütend an den Kopf geworfen.
Damals hatte ich ihn nicht verstanden. Ich war so frustriert darüber, seine Worte nicht verstehen zu können und jetzt, wo sie endlich Sinn für mich ergaben, fühlte ich mich grauenvoll.
"Wonho, ich..." In meinem Kopf konnte ich keine Sätze formulieren die ansatzweise meine Gefühle ausdrücken konnten. Die ganze Zeit über war ich in dem Glauben gewesen, dass ich das Opfer war und Wonho der egoistische, der der mich verlassen hatte und doch war ich der egoistische gewesen... Ich fühlte mich schuldig und war beschämt. Wie hatte ich ihm das nur antun können? Wie hatte ich nicht merken können, dass er so sehr leiden musste?
"Es tut mir so leid.", sagte ich voller Reue und versteckte mein Gesicht hinter meine Hand. Wonho zog mich an meiner anderen Hand, die er die ganze Zeit über nicht losgelassen hatte, sanft zu sich, sodass ich nun an seiner Brust lehnte. Während er mir immer wieder beruhigend über meinen Rücken fuhr, lauschte ich seinem schnellen Herzschlag. Mein Bauch kribbelte angenehm. "Wir haben beide Fehler gemacht...", flüsterte er mir aufbauend zu.
Lange hatte ich anders darüber gedacht. Jetzt erst erkannte ich, dass Jooheon Recht hatte. Niemand ist perfekt. Wir machen alle Fehler.
Es geht darum, ob man aus ihnen lernt...
"Deswegen bleibst du als Designer anonym.", stellte ich fest und sah zu ihm hoch, froh darüber ihn und seine damaligen Beweggründe endlich zu verstehen.
"Ja. Ich wollte, dass meine Klamotten im Vordergrund stehen, anstatt ich, der Designer. Shine ist, ohne irgendwelche unfairen Vorteile und auf ganz ehrliche Weise, erfolgreich geworden."
...und ob man verzeihen kann.
Meine Tränen waren getrocknet. Mir war nicht mehr zum Weinen zu mute. Ich konnte nur noch breit lächeln, so wie auch mein Gegenüber. Gegenseitig strahlten wir uns an.
"Ich habe meinen Traum fast erreicht. Er ist zum greifen nah.", flüsterte er, als wäre es ein Geheimnis, welches nur wir zwei kannten.
"Fast?", flüsterte ich zurück.
Wir waren uns so nah gekommen, dass er meine Stirn mit seiner berührte.
"Ja,", hauchte er. "es fehlt noch jemand ganz besonderes in meinem Leben, damit ich glücklich sein kann."
Erst als ich seinen Atem gegen meine Lippen spürte, realisierte ich wie nah wir uns waren, jetzt wo alles, was zwischen uns zu stehen schien, beseitigt worden war.
Ich bemerkte meine eigene aufgeregte Atmung, meinen verschnellerten Herzschlag, die Schmetterlinge im Bauch, als er endlich die Frage aussprach, auf die ich so lange gewartet hatte; "Hyungwon, willst du mit mir nochmal von Null anfangen?"
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