10.
W.
Die Erinnerungen an den gestrigen Tag schwebten immer noch ganz präsent in meinen Kopf herum, weswegen ich dämlich vor mich hin grinsend durch die Flure der Chae lief.
Inspiriert hatte ich gestern Abend noch gefühlt zehntausend Skizzen von Hyungwon angefertigt. Es waren die besten, die ich bis jetzt zu Stande gebracht hatte, fand ich. Nicht nur die Kleidung gefiel mir besser, auch Hyungwon selber hatte ich mit Mühe versucht so realistisch wie möglich zu zeichnen. Sein strahlendes Lächeln wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Ich musste es festhalten.
Ich war gerade auf dem Weg zu Hyungwons Büro um meine Arbeit an diesem Morgen zu beginnen, als ich mich einem Raum mit offener Türe näherte, aus welchem aufgeregtes Getratsche zu vernehmen war. "Habt ihr den Artikel schon gelesen?", hörte ich jemanden neugierig fragen. "Zeig mal!", sagte ein anderer. "Sie waren danach also noch Essen?" Ein Raunen ging durch den Raum. Desinteressiert wollte ich schon vorbeigehen, bis ich hörte wie jemanden sagte; "Und morgen kommt auch noch das neue Cover raus." Mir stockte der Atem.
Redeten die da etwa gerade über mich? Über Gestern?
"Der kriegt echt alles in den Arsch geschoben.", behauptete jemand. "Der kriegt noch was ganz anderes in den Arsch geschoben.", lachte ein anderer, woraufhin spöttisches Gelächter folgte.
Fassungslos war ich stehen geblieben. Angewidert von ihren Worten und wütend auf mich selbst. Wütend, dass ich ihren Worten so viel Aufmerksamkeit schenkte und ich sie mich berühren lies.
Die Wahrheit war doch, dass ich das Gespött der ganzen Chae war.
Mit gesenktem Kopf und schnellen Schrittes lief ich an dem Raum vorbei, um dann geradewegs zum WC zu gehen. Hecktisch trat ich in eine Kabine, schloss sie hinter mir zu und kramte mein Handy heraus. Mit rasendem Herzen tippte ich Hyungwons Namen in Google ein, nicht wissend ob ich wirklich wissen wollte was über mich geschrieben wurde. Sofort sprang mir der erste Artikel ins Auge; 'Wer ist der mysteriöse Mann an Chae Hyungwons Seite?' Ich klickte auf ihn und überflog ihn schnell. Es waren Bilder von uns zu sehen, wie wir aus der Limousine stiegen und in das Gebäude liefen um uns die Modenshow anzugucken. Dann wie wir zusammen in der ersten Reihe saßen und schlussendlich wie wir zusammen in das Restaurant gingen. Nach einem Insider, haben sie die After Show Party früher als alle anderen verlassen, las ich. Frustriert schloss ich den Artikel wieder.
Ich bin Shin Hoseok, Modejournalismusstudent.
Ich merkte wie sich ein Klos in meinem Hals bildete. So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt.
Seit je her war ich ehrgeizig gewesen und hatte mir schon immer Ziele gesetzt, die ich bis jetzt auch alle erreichen konnte, mit meinem Fleiß, meiner harten Arbeit, meinem Eigenverdienst. Ich war zwar nicht der schlauste, doch deswegen strengte ich mich eben auch mehr an. Und in der Universität respektierten und schätzten mich dafür all meine Kommilitonen. Bei Fragen war ich der Erste und natürlich auch der Einzige den sie um Rat baten. Dort konnte ich mich über meine guten Leistungen definieren. Hier war es komplett anders. Niemand würdigt mich oder nimmt mich ernst. Hier kann ich mich nur darüber definieren Hyungwons 'Freund' zu sein. Eine Träne rollte meine Wange herunter.
Man, ich bin so eine Heulsuse.
Nachdem ich mir mein Gesicht gewaschen hatte, ging ich zu Hyungwon in sein Büro. Er sah mich etwas verwirrt an, hoffentlich weil ich heute das erste mal 'zu spät' erschienen bin und nicht weil er mir möglicherweise ansehen konnte, dass ich geweint hatte. "Alles in Ordnung?", fragte er. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, wie furchtbar ich mich fühle, mich an seiner Schulter ausgeheult. Aber es war doch dämlich, ich übertrieb maßlos. Ich sollte mich wie ein Erwachsener benehmen und drüber stehen.
Ich antwortete ihm nicht, stellte dagegen eine Gegenfrage; "Googlest du dich manchmal?" "Nein, sonst säße ich hier nicht." Er starrte mich durchdringlich an, als könnte er all meine Gedanken lesen. Plötzlich wurde ich panisch. "Wenn ich ehrlich bin, mir gehts nicht gut.", hörte ich mich selber sagen. Hyungwons kritischer Blick wechselte sofort zu einem besorgten. "Dann geh nach Hause, ruh dich aus." Ich nickte; "Danke."
Ich wusste es war gelogen. Ich war nicht krank. Die Wahrheiten war; ich fühlte mich gedemütigt, ich war beschämt.
Erstmal würde ich ein bisschen Abstand von den anderen, der Chae brauchen. Also zog ich mich zu hause zurück und widmete mich weiter meinen Zeichnungen. Doch es beruhigte mich kein bisschen. Es machte mich nur noch wütender. Sein Gesicht erinnerte mich an sie. Sie lachen dich alle aus. Du bist eine Witzfigur.
Verzweifelt schmiss ich die Blätter von meinem Schreibtisch und brach in Tränen aus.
Ich soll nicht auf die anderen hören, hätte Jooheon gesagt. Ich weiß. Aber so einfach war das für mich nicht. Mir war es wichtig was andere von mir hielten und mir war es noch wichtiger für meine Leistungen Anerkennung zu bekommen. Ich meine, ich war doch gut bei dem Covershooting...oder? Und die Outfits die ich erstellt hatte, die waren doch auch gut...oder?
Ich ging beide Ereignisse noch einmal genau in meinem Kopf durch. Da fiel mir auf, dass mir bei dem Covershooting nur Hyungwon und Kihyun Komplimente gemacht hatten und bei den Outfits nur Hyungwon. Kihyun ist mein Freund, er hätte mir bestimmt nicht gesagt, dass ich schlecht war. Und Hyungwon? Seine Meinung sollte mir eigentlich am wichtigsten von allen sein. Aber was zählt sie wenn sie von niemandem anerkannt wird? Wenn jeder denkt, ich hätte das nur erreicht weil ich was mit ihm habe?
Niemand würde mich je ernst nehmen.
Es war der 1. Februar. Unsanft wurde ich von meinem Handyklingelton geweckt. Noch total verschlafen nahm ich mir mein Handy und ging ran; "Hallo?" "Wonho!", schrie Jooheon, wodurch ich nun hell wach war. "Was ist?", fragte ich genervt.
Seit wann rief er mich morgens an?
"Ich war schon im Kiosk und hab die Chae gesehen!", erzählte er aufgeregt. "Das sieht echt gut aus!"
Ach stimmt ja. Seit heute war ich auf dem Cover der Chae.
"Jetzt weiß ich was Hyungwon meinte. Du wirst definitiv der neue Son Hyunwoo!"
Ich musste bei seinen Worten lächeln. Es tat echt gut mal wieder was nettes über einen zu hören.
Mit neuer Energie verlies ich mein Apartment und ging in den nächst besten Kiosk den ich fand. Und da lächelte ich mich selbst auch schon an. Stolz auf mich selber schnappte ich mir erstmal 7 Chaes, jeweils eine für mich, meine Freunde und meine Eltern.
In diesem Augenblick zählte es für mich nicht, wie ich auf dieses Cover gekommen bin. Es zählte nur, dass ich auf dem Cover bin.
An der Kasse starrte die Kassiererin erstaunt zwischen den Chaes und mir hin und her. Ja, das war ich.
Als ich den Kiosk breit grinsend wieder verlies, klingelte schon wieder mein Handy. Es war Minhyuk. "Ja?" "Wonho, kommst du heute wieder zur Arbeit?"
Da wurde ich wieder von der Realität eingeholt.
"Ich ähm...also-" "Du klingst ja gar nicht krank. Hyungwon meinte gestern ging es dir so schlecht." Ich täuschte ein Husten vor. "Doch...mir geht's echt schlecht.", kränkelte ich. Kurz blieb Minhyuk still. "Willst du mich grad verarschen?", sagte er dann. "Ähm...nein?" Ich hörte wie er seufzte. "Du würdest uns echt allen hier einen Gefallen tun, wenn du wieder kommst. Seit du gestern gegangen bist, ist Hyungwon unerträglich. Er schreit alles und jeden grundlos an." Ich schnaubte. "Als ob das was mit mir zutun hat. Außerdem können mich die anderen mal gern haben." "Und ich?", kam es vorwurfsvoll von Minhyuk. "Biiitte."
Ich konnte es nicht glauben. Wieso war ich gerade allen ernstes auf dem Weg in die Chae? Dämlicher Minhyuk. Bei dem hatte ich definitiv noch was gut.
In der Chae war alles so wie immer. Alle gafften mich an, während ich durch die Flure ging. Hatten die kein eigenes Leben? Ich war so wütend in dem Augenblick, dass ich zu dem nächsten ging, der mich dumm anguckte und fragte ob ich ihm helfen könnte. "Äh, nein alles gut.", stammelte er. Mit voller Absicht stieß ich ihm gegen seine Schulter, als ich mich wieder von ihm abwendete um weiter zu gehen. Sagen tat er jedoch nichts. Vielleicht sollte ich heute wieder ins Fitnessstudio um meine Aggressionen abzubauen.
Je näher ich Hyungwons Büro kam, desto deutlicher konnte ich seine aufgebrachte Stimme vernehmen. "Ich habe Ihnen gesagt, ich brauche das bis morgen. Wieso arbeiten Sie nicht einfach schneller, anstatt Ihre Zeit hier mit mir zu vergeuden?"
Der war ja gar nicht gut drauf...
Kurz zögerte ich bevor ich an die Tür klopfte. "Wenn es unwichtig ist, bleiben Sie draußen. Ich hab zutun.", kam es von Hyungwon durch die Türe. Unsicher öffnete ich die Türe einen Spalt breit und spähte in den Raum. "Ich bins nur. Ich wollte nur sagen, dass ich wieder da bin." Schon wollte ich die Türe wieder schließen und warten bis Hyungwon mit seiner Standpauke fertig war, doch er rief mich überrascht zurück. "Wonho, was für eine Freude! Komm rein." Verwirrt betrat ich das Büro. Hyungwon lächelte mich fröhlich an. Die Wut in mir von vorhin hatte sich dadurch sofort in Luft aufgelöst. Kurz brach Hyungwon unseren Augenkontakt ab um sich Frau Park erneut zu widmen. "Frau Park Sie bekommen noch den einen Tag, wie Sie gewünscht haben und nun gehen Sie wieder an die Arbeit." Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. "Wonho, geht es dir wieder besser?", fragte er mich besorgt, sobald Frau Park uns alleine gelassen hatte. Ich nickte.
"Setz dich.", forderte er mich auf. "Ich habe gute Neuigkeiten." Ich tat was er sagte und wartete erwartend ab, was er zu berichten hatte. Er schob mir die neue Chae zu und tippte auf sie. "Du kommst ziemlich gut an.", er lächelte. "Mein Telefon hat heute morgen pausenlos geklingelt. Jeder will dich haben. Ich habs dir ja gesagt."
Verblüfft starrte ich ihn an. Einerseits weil ich nicht mit so einem positiven Feedback gerechnet hatte, andererseits weil Hyungwon zu vorgestern wie ausgetauscht war.
Lag es an der Chae, dass er selbstsicher wirkte und vollständige Sätze bilden konnte?
Er faltete seine Hände und sah mich abwartend an. "Freust du dich nicht?", fragte er nachdem ich kaum Reaktion gezeigt hatte. "Äh doch, klar.", sagte ich schnell. "Du hast ziemlich viele Anfragen bekommen. Du kannst frei wählen zu welcher Modelagentur du willst. Jede wird dich mit offenen Armen empfangen." Mehr als ein "Ok.", bekam ich momentan nicht zu Stande. "Ich weiß, das ist alles ein bisschen viel gerade. Lass es erstmal sacken." Nun schob er mir einen Zettel rüber, auf dem allen Anschein nach alle Modelagenturen aufgelistet waren, die Interesse an mir hätten. Überrascht bemerkte ich die Länge der Liste.
Das waren ja echt viele...
"Und, was sagst du?" Ich sah wieder zu Hyungwon auf. "Ich glaube ich muss da erstmal ne Nacht drüber schlafen."
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Armer, verwirrter Wonho ._.
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