1: Arrival
Es war der Anfang vom Ende.
Der erste Schultag nach den Sommerferien war bis jetzt immer einer schlimmsten im Jahr gewesen, aber diesmal war alles anders. Elf Jahre Schule lagen hinter uns und dieses würde unser letztes sein. Endlich würde ich meine winzige Heimatstadt in New Hampshire hinter mir lassen können, um das in meinem Leben zu machen, was ich wollte und vor allem wo ich es wollte.
Es war ein heißer Tag und die Sonne schien unermüdlich von einem strahlend blauen Himmel. Gemeinsam mit meiner besten Freundin Laura fuhr ich in ihrem kleinen Toyota auf den Schulparkplatz, wo sich schon eine ganze Reihe von Schülern angesammelt hatte.
"Nur noch ein Jahr", sagte Laura sehnsüchtig, als sie den Motor abstellte und wir beide ausstiegen. "Oh Heather, ich kann es immer noch nicht fassen."
"Ethan hat gemeint das letzte Jahr wäre das schlimmste", meinte ich und bereute es augenblicklich seinen Namen in den Mund genommen zu haben.
Ethan war mein Ex, der nach Boston gezogen war, um zu studieren und mich deswegen eiskalt abserviert hatte. Zwar waren seit dem fast zwei Monate vergangen, aber es fiel mir immer noch schwer von ihm zu sprechen, aber manchmal rutschte es einfach so aus mir raus nach alter Gewohnheit.
Laura, die mich besser kannte als jeder sonst, bemerkte meine Bedrückung sofort und sagte deswegen: "Auf die Worte dieses Arsches brauchst du nicht zu geben."
Ich lächelte sie dankbar an, schwieg aber weiter zu dem Thema, als wir ins Schulgebäude und zum Sekretariat gingen, um uns unsere Stundenpläne abzuholen.
Auf dem Weg kam uns Daniel entgegen, ein guter Freund, der total in Laura verknallt war, die seine Gefühle aber in keinster Weise erwiderte.
"Hey Leute", begrüßte er uns. "Wie waren eure Ferien?"
"Ganz nett", sagte ich obwohl das nicht der Wahrheit entsprach, denn in den fast achtzehn Jahren die ich jetzt lebte, war ich noch kein Mal in Urlaub gewesen. Meine Mutter hielt es nicht für sicher und wollte, dass ich hier blieb, wo nie etwas geschah. Sie betonte dann immer, dass mein Vater so viel dafür geopfert hätte, dass ich hier sicher leben könnte. Dafür dass ihm angeblich so viel an mir lag, schaute er erstaunlich selten mal vorbei. Es kam nicht selten vor dass ich mich fragte warum er mich überhaupt gezeugt hatte, wenn ich doch nur mit Problemen für ihn verbunden war und meine Existenz so geheim wie möglich gehalten werden sollte. Da hätte er mich lieber auf eine Südseeinsel stecken sollen.
Laura erzählte Daniel von ihrem Urlaub in Florida und er hörte ihr aufmerksam zu bis das Klingeln sie unterbrach.
"Ach, übrigens", erwähnte Daniel noch schnell, bevor er zu seinem Kurs ging. "Wir haben einen Neuen in der Stufe. Vielleicht wär der was für dich, Heather."
Daniel eilte daraufhin zu Spanisch, während Laura und ich beide Französisch gewählt hatten und es mittlerweile auch bereuten.
"Dann komm, vielleicht sitzt der Neue ja in unserem Kurs", meinte meine beste Freundin.
"Als ob irgendwer freiwillig Französisch wählt nach einem Schulwechsel", sagte ich nur und wir gingen den langen mit sich beeilenden Schülern gefüllten Korridor entlang zu unserem Raum.
Ich sollte Unrecht behalten, denn der Neue war in unserem Französischkurs. Er hatte sich einen Platz in einer der mittleren Reihen ausgesucht. Er sah auf als wir den Raum betraten und eine Sekunde lang begegneten sich unsere Blicke. Seine Augen waren von einem dunklen Schokoladenbraun und obwohl es eigentlich eine warme Farbe war, wirkten sie so hart als wären sie Eisblau. Wirklich merkwürdig.
Einer plötzlichen Eingebung folgend nahm ich Laura am Handgelenk und zog sie in die entgegengesetzte Ecke des Raumes, fort von dem Neuen, der objektiv betrachtet gar nicht schlecht aussah. Um ehrlich zu sein war er sogar ziemlich scharf. Groß, muskulöse Arme die unter dem Tshirt hervorguckten, markant männliche Gesichtszüge und schwarze Haare, die auch Schneewittchens hätten sein können, denn sie hatten dir Farbe von Ebenholz.
Und doch kam mir etwas an ihm komisch vor. Mein Bauchgefühl sagte mir das und ich wollte unbedingt herausfinden woran das lag.
Laura nahm mir zum Glück nicht übel dass ich uns von ihm weg bugsiert hatte, denn jetzt konnte sie ihn unauffällig aus der Entfernung beobachte.
Der Raum füllte sich und als es zum zweiten Mal klingelte betrat unsere Lehrerin Madame Smith den Raum. Sie war weit davon entfernt Französin zu sein und doch liebte sie die Sprache so sehr, dass sie Die jegliches anderssprachige Vokabular aus ihrem Klassenzimmer verbannt hatte.
Sie begrüßte uns aus den Ferien zurück und da begann ich auch schon abzuschalten, denn ich verstand sowieso nur noch die Hälfte von dem was sie sagte.
Ich heuchelte meiner Lehrerin also Aufmerksamkeit während meine Gedanken sich ganz andere Wege suchten und schließlich bei dem Neuankömmling landeten.
Er konnte noch nicht lange in der Stadt sein, das hätte ich mitbekommen. Neue Bürger waren immer Inhalt des örtlichen Tratsches und da mein Radius sich in den letzten paar Wochen auf 50 Meilen beschränkt hatte, hatte ich auch alles wichtige mitbekommen und er hatte nicht dazugehört.
Ich kam immer noch nicht dahinter, was mit ihm denn nicht stimmte, denn er schien irdisch zu sein. Wäre es anders, dann würde ich es merken, dessen war ich mir sicher, obwohl mein Gespür dafür untrainiert und eingerostet war.
Da ich mir nicht sicher sein konnte was mit ihm los war, mied ich es auch ihn anzusehen und als ich dann einen Blick riskierte, stellte ich erschrocken fest, dass er genau in meine Richting starrte. Wir beide guckten schnell weg. Peinliche Situation.
Ich stupste Laura an. "Der Neue hat die ganze Zeit hierher gestarrt", flüsterte ich ihr zu.
"Naja", wisperte Laura und lächelte anzüglich. "Vielleicht will er ja was von dir... oder von mir."
Ich schüttelte leise vor mich hinlachend den Kopf. Deswegen liebte ich Laura so sehr. Sie gewann jeder Situation etwas lustiges ab und blieb ernst, wenn es darauf ankam.
Madame Smith waren wir aber anscheinend zu laut gewesen, denn sie ermahnte uns und ließ uns den Rest der Stunde nicht mehr aus den Augen.
Genug Zeit um weiter über den Neuen nachzudenken dessen Namen ich immer noch nicht kannte. Ich war gerade dabei Lauras Worte noch einmal Revue passieren zu lassen, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Wahrscheinlich wollte er wirklich etwas von mir, aber nicht so wie sie dachte.
Die Erklärung war eigentlich so simpel und es ärgerte mich, dass ich es nicht sofort bemerkt hatte.
Er war irdisch. Sein Körper war es zumindest, aber das was in diesem Körper wohnte war es nicht. Er war gebannt in einen nahezu menschlichen Körper als Bestrafung für die Ewigkeit. Ich war mir sicher einen gefallenen Engel vor mir zu haben.
Oh heilige Scheiße.
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