"Hey, wollen wir vielleicht wieder rauf in meine Wohnung gehen? Ich will dir was zeigen", schlug ich vor, nachdem T und ich noch eine Weile geredet hatten in der Badewanne. Mittlerweile war das Wasser schon kalt und die Haut an meinen Füßen ganz aufgedunsen und wellig. 

"Klar", stimmte er lächelnd zu, "Was willst du mir zeigen?"

"Geheimnis"

Mysteriös grinsend stand ich also auf, Tae betrachtete mich neugierig. Ja, jetzt wusste ich endlich, wie ich ihm etwas Persönliches von mir zurückgeben konnte. Schlampig trocknete ich mich ab und schlüpfte wieder in meine Klamotten, er tat es mir gleich. Ich zog den Stöpsel der Wanne raus und dann verließen wir auch schon das Badezimmer. 

Lini schnarchte noch immer, Patrick schlief ebenfalls verheddert am Boden. Arian hatte sich einfach Patricks Bett gesnatcht und träumte dort vor sich hin. Finn war anscheinend gegangen, Hannah wohl auch. T und ich stiegen über die verdrehten Körper und schlichen uns aus der Wohnung. Im Vorbeigehen snackte ich mir noch eine Karotte aus dem frisch reparierten Kühlschrank. Der 2am Snack durfte nicht fehlen.

"War nice mit deinen Freunden", meinte Tae, als wir gerade den Gang hinter uns gelassen hatten und durch meine Wohnungstür schritten. 

"Ja. Haben sie dir eh keine peinlichen stories von mir erzählt?", fragte ich scherzend nach, da ich eigentlich kein Problem damit hatte, wenn er von meinen Fails wusste. 

"Nein haha, leider nicht. Aber ich werde sie beim nächsten Mal darauf ansprechen"

"Gut, gut", lachte ich und kickte die Schuhe von meinen Füße, "Was ich dir zeigen möchte, ist im Bad"

"Alright"

T folgte mir ins Badezimmer und positiv aufgeregt holte ich von der obersten Etage des Schranks meine schwarze, dick verkettete kj Box. Das war die Seite meiner Persönlichkeit, die ich ihm heute Nacht zeigen wollte. Noch nie hatte ich jemandem davon erzählt, geschweige denn hergezeigt. Aber ich fühlte mich wohl beim Gedanken, Tae darin einzuweihen. Und ich wollte auch, dass er diese softe Art von mir kennenlernte. Fühlte sich irgendwo auch nur fair an, wenn ich dachte, dass er so offen mir gegenüber war. 

"Eine Dose?", sprach er interessiert, als ich ihm die Box in die Hand gedrückt hatte, um den Schlüssel zu holen. Er schaute mir nach und es störte mich nicht, dass er mitbekam, wo ich den Schlüssel versteckte. Aber natürlich war ich nicht so naiv und schrieb das Versteck hier einfach herein, nein, nein, diese Info war nur für Tae bestimmt. 

"Eine Box", korrigierte ich und kam mit dem Schlüssel in der Hand zurück zu ihm ins Bad, "Ich nenn sie kj Box, kj kleingeschrieben"

"Rückwarts für JK?"

"Genau"

Ich nahm T die Box wieder ab und schloss das fette Schloss auf. Es machte einmal Klack und offen war das Teil. Behutsam nahm ich Schloss und Ketten ab, legte alles in den Schrank und hielt vorm Öffnen der Box kurz inne. Ich zog das jetzt wirklich durch. Ich zeigte Tae das, was bis jetzt eine verborgene Leidenschaft gewesen war. Ich weihte ihn ein in meine Bebi Seite. Aight, let's go!

Mit einer flotten Bewegung klappte ich den schwarz lackierten Deckel auf und zum Vorschein kam der bekannte Inhalt. Funkelnde Gelstifte, süße rosa Sticker und zarter Blush, niedlich verzierte Haarspangen, Döschen mit Glitzer und herzförmige pinke Stempel. Ich atmete tief durch und richtete meinen Blick auf Tae, checkte seine Reaktion. Die großen Augen hingen aufmerksam auf dem rosa Glitzerzeug, mehr konnte ich nicht wirklich aus ihm lesen.

"Sind das...Sticker? Und Make Up?", fragte er und schaute noch genauer hin.

"Ja"

"Kann ich's angreifen?"

"Sicher"

T ließ also seine langen Finger durch die süßen Items gleiten, stöberte ein bisschen in der Box herum und musterte die Sticker von Hello Kitty, My Melody, Kuromi und Co. Er wirkte interessiert. Entspannt lockerten sich meine Schultern. 

"Cute", kommentierte er, "Was machst du damit?"

"Ich verzier mein Gesicht"

"Wirklich? Moi, wie süß", uwute T und nahm einen Stempel mit kleinen Häschen in die Hand, "Kann ich das bei dir machen?"

"Äh, jetzt?"

"Ja, bin inspiriert", flötete er grinsend. 

"Haha na gut, dann jetzt"

Wir setzten uns auf den Fliesenboden und T stellte die kj Box neben sich. Ich stand nochmal kurz auf, um mein Gesicht zu waschen, ehe ich mich wieder im Schneidersitz gegenüber von ihm niederließ. Er hatte sich schon ein paar Items herausgesucht und analysierte mich mit wachen Augen. 

"Sag, wenn ich dir wehtue oder irgendwas", meinte er und setzte mit einem pinken Gelstift an meiner Wange an. 

"Yes"

Also zeichnete T auf meinem Gesicht. Er führte den Stift vorsichtig, drückte nur leicht auf und seine Hand streifte hin und wieder meine Haut. Ich fand die Berührung ganz angenehm, außerdem war es nice, ihn so fokussiert zu sehen. Ganz genau schaute er auf die Spitze des Stifts, brachte ihn unter seine Kontrolle und manchmal stoppte er, um mir ein kurzes Bussi auf die Lippen zu geben. Ich war seine Leinwand lol. 

"Kann ich alles verwenden?", erkundigte T sich, als er fertig mit dem Gelstift war und ihn zurück in die Box gelegt hatte. 

"Sure. Tob dich aus"

"Alright, Baby"

Baby? Gefiel mir uwu. 

Tae fuhr mit dem Dekorieren fort, klebte ein paar Sticker von Kuromi, einem japanischen Häschen mit schwarzen viereckigen Ohren, auf mich. Es war angenehm, wenn er den Aufkleber glatt strich. Außerdem tupfte er mir etwas Farbe auf, stempelte ein bisschen herum und zeichnete noch in paar Motive. Und ganz wichtig dabei, die flüchtigen Bussis zwischendurch. Selbst der aufgetragene Lipgloss konnte ihn davon nicht abhalten. 

"Fertig", meinte T schließlich nach einiger Zeit und rückte etwas nach hinten, um das Gesamtwerk zu betrachten.

"Nice, ich schau's mir mal an"

"Nein, warte", hielt er mich auf, "Hast du Ketten oder noch Ohrringe?"

"Ähm ja, da in der oberen Lade vom Schrank"

"Okay, lemme just"

T kramte in der Lade, fischte einiges heraus und entschied sich im Endeffekt für zwei fette Metallketten und Helix- und Kettenohrringe. Danach schaute er noch die anderen Fächer meines Badezimmerschranks durch, vielleicht suchte er noch nach kleinen Accessoires, vielleicht war er auch einfach neugierig, was ich so daheim hatte. Well, typische Badsachen eben, Shampoo, Zahnputzzeug, Tücher, Medikamente und Klopapier. Doch unter all diesen banalen Utensilien fand er etwas, was ihn anscheinend etwas wunderte. 

"Du hast Xanax?", fragte Tae überrascht und drehte die Tabletten in seiner Hand, "Und Zyprexa? Ist das nicht für psychische Krankheiten?"

"Aso ja, das hat Patrick hier gelagert, ich nehm das nicht. Manchmal, wenn  Prüfungen sind, wirft er sich was ein. Xanax versteh ich ja irgendwo, aber kein Plan, wie ihm Zyprexa da hilft. Verwendet man ja, glaub ich, bei Schizophrenie oder so"

"Well, jeder Körper reagiert anders darauf, I guess. Wieso lagert er's bei dir tho?"

"Dann ist die Hemmschwelle höher, was zu nehmen"

"Ah, macht Sinn", meinte er und legte die Tabletten sorgfältig zurück ins Fach. 

Tae widmete sich wieder seiner ursprünglichen Beschäftigung und wandte sich mit dem Schmuck, der vom vibe her so ziemlich das Gegenteil von niedlich war, an mich. Er legte mir die dicken Ketten um den Hals, die metalernen Ohrringe steckte er in meine Ohrlöcher, wobei er sehr behutsam vorging. Es war irgendwie spannend, dass Tae mich so verzierte. Normalerweise machte ich das selbst, gab mir Ohrringe rein und so, aber jetzt übernahm er das und es fühlte sich so vertraulich an. I like. 

"Ok, jetzt bin ich wirklich fertig", verkündete T und ließ seinen Blick nochmal über mein Gesicht gleiten. 

"Passt"

Ich rappelte mich auf und schaute in den Spiegel. Wow, das sah echt cool aus. Die süßen Sticker, pastellfarbene Kritzeleien und zarter Glitzer standen im Kontrast zu meinen langen, dunklen Haaren, den fetten Metallketten und polierten Ohrringen. Es gefiel mir und ich drehte meinen Kopf ein bisschen. 

"Siehst scharf aus", meinte mein Künstler, der sich neben mich gestellt hatte und mich mit einem Arm um meine Taille zu sich gezogen hatte. 

"Danke"

T küsste mich auf die Wange und legte seinen Kopf dann auf meine Schulter. Die Hand ruhte noch immer an meiner Taille, was ich by the way sehr mochte. Ich gab ihm ein Bussi auf den lockigen Scheitel und roch kurz an seinem Haaransatz, fragt mich nicht, warum ich das tat. Manchmal war da einfach dieses Bedürfnis. Sexy Kopfhaut, I guess.