6. Party Time
Camerons Hand auf meinem Rücken sorgt dafür, dass ein wenig Unsicherheit aus meinem Körper weicht. Sie hinterlässt ein leichtes Kribbeln, während ich Joy, Alex und ihm durch einen Hausflur folge und die Reize nur so auf mich einprasseln. Es riecht verdächtig nach Alkohol und die Luft ist ein wenig stickig. Die Musik dröhnt in meinen Ohren und der Bass sorgt dafür, dass mein Körper leicht vibriert. Zusätzlich sehe ich unglaublich viele Menschen; entweder mit roten Bechern in der Hand oder in einer Ecke versteckt, damit sie sich gegenseitig abschlecken können. Kurz nachdem seine Hand wieder von meinem Körper verschwindet und wir in einem etwas größerem Raum des Verbindungshauses ankommen, lässt er sich auf ein Sofa fallen.
Ich schüttele kurz meinen Kopf um wieder klare Gedanken zu bekommen und dieser Geste nicht zu viel Bedeutung zuteil kommen zu lassen. Seit ein paar Tagen gab es keinerlei Schlagabtausch mehr zwischen mir und Cameron, sodass ich langsam glaube, dass wir beide tatsächlich so etwas wie Freunde werden können. Auch, wenn der Vorfall von heute Morgen, gemeinsam mit dem Bild des nackten Cameron, immer wieder in meinem Kopf hervorkriecht.
Schnell setze ich mich neben ihn und Joy, da ich nicht unbedingt noch mit anderen Menschen reden möchte. Diese Situation überfordert mich ohnehin schon und ich möchte den Kontakt auf Joy, Cameron und Alex beschränken.
»Ich muss sagen, dass ich den Tag heute wirklich genossen habe, Jo«, meint sie grinsend und stupst mich an. Ich drehe mich zu ihr und nicke lächelnd.
Nachdem ich mich gegen Mittag mit Joy in der Stadt getroffen habe, sind wir zuerst etwas essen gegangen und haben dann ein bisschen in den Geschäften nach neuen Klamotten geschaut. Dabei habe ich unter anderem auch das rote Kleid gekauft, das ich gerade trage, weil ich mich, Joys Komplimenten sei Dank, wirklich schön darin gefühlt habe. Danach sind wir zu mir in die Wohnung und ich habe noch ein wenig für die Uni gelernt, bevor Joy mich dann endgültig überredet hat, diese Party zu besuchen.
»Ich fand den Tag auch sehr schön«, meine ich und lächle sie an. »Ich bin froh, dass ich wenigstens eine Bekannte habe, mit der ich solche Dinge tun kann.«
»Bekannte? Wir sind Freunde, Jo«, meint sie lächelnd und schüttelt grinsend den Kopf. »Ich muss dir diese Schüchternheit wirklich austreiben. Ich mag dich wirklich sehr und verbringe gerne Zeit mit dir, okay? Du kannst mich jederzeit anschreiben oder anrufen – wann immer dir danach ist.«
Ich lächle sie an und nicke schließlich ergeben. Es ist wirklich toll, dass sie so offen ist und mich nicht seltsam findet, wie viele andere Zuhause es getan haben. Sie legt ihren Kopf auf meine Schulter und grinst. Im nächsten Moment höre ich jedoch, wie sie genervt stöhnt.
Ihrem Blick folgend erkenne ich sofort wieso. Jenna kommt in einem blauen Minikleid auf uns zu, lässt sich direkt auf Camerons Schoß nieder und küsst ihn, ohne ein Wort zu sagen. Sofort erwidert er den Kuss innig und es erklingen nicht unbedingt angenehme Geräusche direkt neben mir, weshalb ich meinen Kopf drehe und ein wenig näher zu Joy rutsche.
Sie sieht mich entschuldigend an, doch ich zucke nur mit den Schultern. Das ist wirklich nicht ihre Schuld, dass ich wieder in meine typische Verlegenheit rutsche. Jenna und Cameron sind der Grund dafür.
»Da kommt Alex mit unseren Getränken«, meint sie und deutet auf Alex, der mit den typischen roten Bechern auf uns zu kommt und jedem von uns einen reicht. Auch Cameron, der sich inzwischen von Jenna gelöst hat und sie auf die Sofalehne gedrängt hat.
»Danke«, sage ich an ihn gerichtet und nickt lächelnd, ehe er sich auf das Sofa neben Joy auf die Lehne setzt. »Und wo ist mein Drink?«, fragt Jenna ihn entsetzt. »Ich konnte nicht mehr tragen und außerdem wusste ich nicht, dass du schon hier bist«, meint er und zuckt mit den Schultern.
Ich senke den Blick auf den Becher in meiner Hand, weil mich diese Diskussion nichts angeht. Dass Jenna ihre Abneigung mir gegenüber nicht weiter kundtut, sorgt für ungemeine Erleichterung in mir. rieche kurz an dem Drink, ehe ich einen Schluck nippe. Im nächsten Moment wird mir der Becher aus der Hand gerissen wird und ich spüre, wie sämtliche Flüssigkeit auf meinem Schoß landet.
Ein großer Fleck breitet sich aus und ich reiße die Augen auf. Sofort landet mein Blick auf Jenna, dessen Lippen zu einem Grinsen verzogen sind. »Ist es wirklich zu viel verlangt, mich in Ruhe zu lassen?«, fahre ich sie an. »Das war mein Drink«, meint sie und grinst mich an, ehe sie mit den Schultern zuckt.
»Scheinbar nicht, denn Alex hat ihn mir gegeben. Aber weißt du was? Du bist es nicht wert, dass ich mich aufrege. Das hier war von Anfang an eine blöde Idee«, meine ich und mache auf dem Absatz kehrt, ehe ich den Raum verlassen will, um wenigstens das Kleid ein wenig zu retten. In mir brodelt es und ich kann nicht glauben, dass sie wirklich so verdammt egoistisch und eifersüchtig ist.
»Vielleicht suchst du dir lieber eigene Freunde, bevor du dich an meinen vergreifst«, höre ich sie keifen und augenblicklich macht mich Körper sich selbstständig. Ich zeige ihr, ehe ich es verhindern kann, meinen Mittelfinger und entferne mich von den Vieren. Ich noch höre wie Joy irgendetwas sagt, doch die laute Musik und die Stimmen betrunkener Jugendliche übertönen sie.
Ich quetsche mich durch die vielen Menschen und begebe mich auf die Suche nach einem Badezimmer. In der unteren Etage des Hauses werde ich nicht so schnell fündig. Entweder ist es besetzt oder ich stehe in irgendeinem anderen Raum, weshalb ich mich zur Treppe begebe. Allerdings komme ich nicht weit. Kaum habe ich die ersten Stufen erklommen, schließt sich eine Hand sanft um meine Hand.
»Hey, warte!«
Ich brauche mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Cameron ist. Stur laufe ich weiter die Treppe hoch und entziehe ihm meine Hand. Ich weiß, dass er mir folgt. Seine Schritte ertönen hinter mir.
»Cameron – geh einfach, bevor sie noch eifersüchtiger wird«, grummele ich. »Sie ist nicht meine Freundin und hat keinen Grund eifersüchtig zu sein. Ich kann selbst entscheiden, ob ich dir nachlaufe oder nicht«, meint er.
»Ich weiß. Du schläfst nur mit ihr«, meine ich und rolle mit den Augen. Als ich nach zwei oder drei Türen endlich ein Badezimmer finde, trete ich ein und will ich gerade die Tür vor seiner Nase schließen, als er diese aufhält und im nächsten Moment mit mir im Raum steht. Er schließt die Tür ab und lehnt sich dann dagegen, ehe er mich ansieht.
»Was soll das?«, frage ich zischend. Ich weiß nicht einmal, woher ich den Mut nehme und so mit ihm spreche, aber Jennas Verhalten geht mir gehörig gegen den Strich. »Ich will mich für ihr Verhalten entschuldigen. Immerhin hat sie dein Kleid ruiniert«, meint er und kommt auf mich zu, als ich nach einem Handtuch greife und es befeuchte.
»Ist ja auch wirklich nett, aber du bist nicht derjenige, der sich entschuldigen muss. Außerdem wird sie sich bestimmt nicht selbst für ihr lächerliches Verhalten entschuldigen und wird somit auch nicht wollen, dass du es tust«, meine ich und tupfe vorsichtig mit einem Handtuch den Fleck ab.
»Ja, ich vögele sie und sie ist ganz offensichtlich immer noch nicht angetan von der Tatsache, dass ich in deiner Wohnung lebe. Aber Ficken und Sex sind in meinen Augen zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Sie hat kein Recht dir gegenüber so abgeneigt zu sein und je eher sie das versteht, desto besser«, meint er. Verwirrt sehe ich ihn an.
»Wie bitte? Als ich das letzte Mal über...naja, das eben nachgedacht habe, hatten beide Worte dieselbe Bedeutung«, lache ich und schüttele den Kopf. Wieso komme ich eigentlich immer wieder mit Cameron in solche Situationen?
»Ich habe keine Gefühle für sie. Es ist unbedeutend und es geht darum, einfach nur den Druck abzulassen«, erklärt er mir. Ich schaue ihn bloß an, weil ich nicht weiß, was ich darauf antworten soll und spüre schon wieder, wie meine Wangen warm werden. »Sagst du gar nichts dazu?«
»Ich weiß nicht, was du von mir hören möchtest, Cameron. Ich rede eher selten mit Menschen darüber, wen sie... du weißt schon«, meine ich und werde zum Ende hin immer leiser und wende mich ab.
»Wen sie was?«, fragt er grinsend und kommt auf mich zu und zwingt mich dazu ihn anzusehen. Seine Hände schlingen sich um meine Taille und ich schlucke, als er mich an seinen Körper drängt. Wieder macht sich dieses verräterische Kribbeln in mir bemerkbar. Mit großen Augen blicke ich ihn an, ehe ich überall hinsehe, nur nicht weiter in seine wunderschönen Augen, die mich belustigt anfunkeln.
»Cameron... was soll das jetzt?«, frage ich mit heiserer Stimme, weil seine Hand sich auf Wanderschaft begibt. Er streicht mit seinen Fingerspitzen meinen Rücken entlang und ich schlucke, als ich wahrnehme, wie gut sich das anfühlt. »Ich will nur, dass du ein bisschen lockerer wirst. Sex ist ein normales Thema. Ich verstehe nicht, wieso dir dieses Thema so unangenehm ist«, meint er und sieht mich forschend an.
»Ich rede eben nicht gern darüber und schon gar nicht mit meinem Mitbewohner. Auch, wenn du mir immer wieder sagst, dass du mit Jenna... nur deinem Druck entkommen möchtest, kann ich damit nicht umgehen. Es interessiert mich wirklich nicht, okay? Außerdem finde ich, dass es ganz schön unfair gegenüber Jenna ist, wenn du das vor mir breittrittst, auch wenn ich gerade fürchterlich sauer auf sie bin«, entgegne ich und lege meine Hände an seine Arme, um mich aus seinem Griff zu befreien.
Ohne ihm die Chance zu lassen, dass er mich erneut aufhält, lasse ich das Handtuch fallen und lasse ihn im Bad zurück. Mein Entschluss zu gehen, obwohl wir keine zwanzig Minuten hier sind, steht fest. Ich bin einfach nicht für so etwas gemacht. Auf der Treppe begegne ich Joy, die mich erleichtert ansieht. Ein aufmunterndes Lächeln legt sich auf ihre Lippen.
»Wo warst du? Wir haben dich gesucht.«
»Entschuldige. Ich war im Bad«, meine ich bloß. »Und wo ist Cameron?«
»Er war auch da«, beantworte ich ihre Frage schulterzuckend. »Was? Habt ihr...?«, fragt sie mit großen Augen und ich schüttele sofort wild den Kopf. »Natürlich nicht. Ich habe versucht mein Kleid zu trocknen und er hat mir noch einmal sein Verhältnis zu Jenna erklärt und wollte sich für ihr Verhalten entschuldigen«, antworte ich schnell. »Hör mal, ich glaube ich gehe jetzt lieber«, meine ich noch und sehe sie entschuldigend an.
»Warte, ich hole Alex und dann bringen wir dich nach Hause. Wenn es okay für dich ist, können wir ja bei dir ein bisschen was trinken?«
»Ja, alles ist besser als mit Jenna den ganzen Abend zu streiten«, meine ich und ich lächle sie an.
»Ach, die wird nichts mehr sagen. Cameron hat ihr gesagt, dass sie sich dir gegenüber nicht so verhalten soll«, meint sie grinsend, als wir uns in Bewegung setzen. Erstaunt blicke ich sie an und kann mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Sie erwidert es nur, ehe sie sich umsieht, sobald wir unten angekommen sind.
»Warte hier. Ich komme sofort mit Alex und dann gehen wir«, meint sie grinsend und ich nicke zustimmend, ehe sie wieder im nächsten Raum verschwindet.
***
Zwei Stunden später sitzen wir bei mir in der Wohnung verteilt um den Couchtisch mit ein paar Drinks. Mein Kleid ist inzwischen wieder getrocknet und der Abend hat sich eindeutig zum Guten gewendet. Mit Joy und Alex verstehe ich mich wirklich gut und ich bin froh, dass sie mich so nehmen wie ich bin. Auch, wenn es deutliche Unterschiede zwischen uns gibt und die beiden das Leben deutlich entspannter ansehen, kommen wir gut zurecht und akzeptieren einander.
Die Gespräche verstummen allerdings, als wir die Wohnungstür hören. Kaum eine Sekunde später kommt Cameron, gefolgt von Jenna, herein und er lässt sich neben mich auf dem Sofa nieder. Jenna setzt sich auf seinen Sessel, nachdem sie sich einen Drink geschnappt hat und ignoriert mich glücklicherweise. Vielleicht hat Cameron ja wirklich dafür gesorgt, dass sie mich allein lässt.
»Haben wir erlaubt, dass du etwas davon trinken kannst?«, fragt Joy und sieht sie entnervt an. »Ich bin Camerons Gast«, meint sie und nippt noch einmal provokativ am Glas.
»Ich habe gesagt, dass ich nach Hause gehe, weil Alex meinte, dass die drei hier sind. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich genervt von deinem Verhalten bin. Du bist trotzdem mitgekommen, wohlwissend, dass du dich heute ein wenig unbeliebt gemacht hast.«
»Wieso? Weil ich ihr deutlich gezeigt habe, dass sie sich nicht mit mir anlegen sollte?«, meint sie und sieht ihn mit großen Augen an. Joys Blick fällt auf mich und sie lacht leise, was mir ein Grinsen entlockt.
»Ja, genau deswegen. Ich habe dir gesagt, ich bin heute nicht in Stimmung. Du kannst gerne hierbleiben, aber geh mir nicht mehr auf die Nerven! Das mit uns ist eine lockere Sache und wenn du nicht aufhören kannst, mehr da hinein zu interpretieren, dann beenden wir das.«
Mit großen Augen blickt sie ihn an, bevor sie einen Schluck trinkt. Offensichtlich um ihre Nerven zu beruhigen. Ich weiß nicht, wieso, aber plötzlich wirkt sie nicht mehr so, als würde sie in den nächsten Stunden noch etwas gegen mich sagen. Es macht ihr deutlich zu schaffen, dass Cameron ihr gegenüber so abweisend reagiert.
»Also – worüber habt ihr gesprochen?«, fragt er, als sie nichts mehr sagt und das Thema für ihn offensichtlich beendet ist. Ein wenig Mitleid habe ich für sie, auch wenn sie eigentlich die letzte Person ist, bei der ich so etwas empfinden sollte.
»Wir haben uns darüber unterhalten, auf welchen Typ Frau Alex steht«, meint Joy grinsend und ich kichere leise. Der Alkohol hat mich sichtlich entspannen lassen. »Und? Worauf stehst du?«, fragt Cameron belustigt und macht sich ebenfalls daran, sich einen Drink zu mixen.
»Worauf stehst du denn?«, entgegnet er. »Wir haben drei unterschiedliche Typen im Raum. Welche würdest du zuerst nehmen, wenn du keinen von ihnen kennen würdest?«
»Natürlich mich. Immerhin geht er regelmäßig mit mir ins Bett«, sagt Jenna, doch Cameron reagiert nicht darauf. »Nein, ich weiß nicht«, meint er nur schulterzuckend. »Versteht mich nicht falsch. Ihr seid alle drei hübsch, aber Joy ist definitiv nicht mein Typ. Ich stehe mehr auf dunklere Haare«, gesteht er und Jenna grinst triumphierend.
»Gott sei Dank. Der Gedanke, dass du mich anbaggern würdest, ist wirklich verstörend«, erwidert Joy lachend. »Also ist ja wohl klar, dass er auf mich zugehen würde«, wirft Jenna ein. »Und was ist mit Jo? Sie ist ebenfalls sehr hübsch«, entgegnet Alex und ich spüre augenblicklich, wie ich rot anlaufe.
Gott, mach dich locker, Jo. Es ist bloß ein Kompliment eines Freundes. Das ist nichts, wofür man sich schämen muss.
»Ich bezweifle, dass Cameron auf sie ansprechen würde. Sie ist unerfahren und nicht einmal annähernd so attraktiv wie ich.«
»Weißt du was? Wenn du nichts Nettes über mich sagen kannst, halt doch bitte einfach direkt deinen Mund«, zische ich, ehe ich meinen Becher wieder an meinen Mund setze und den letzten Schluck nehme. »Ich würde sie ansprechen. Ich finde, dass sie sehr hübsch ist und ihre Augen haben etwas an sich, was ich extrem anziehend finde«, gesteht Cameron. Mein Kopf fährt zu ihm herum, als ich seine Worte verarbeite. Er wirft mir einen kurzen Blick zu, ehe er wieder an seinem Glas nippt.
»Ist das dein Ernst? Wieso sagst du so etwas? Sie ist auf sexueller Ebene auf dem Stand einer Fünfjährigen, Cameron. Ich bitte dich! Willst du, dass sie dir das Gesicht abschleckt, wenn du sie küsst?«
Ihre Worte versetzen mir einen leichten Stich und ich hasse es, darauf reduziert zu werden, dass ich keinerlei Erfahrungen habe. Aber woher ist sich eigentlich so sicher, dass dem so ist? Klebt ein Post-it auf meiner Stirn, der jedem verkündet, dass ich Jungfrau bin und noch nie von einem Jungen geküsst wurde?
»Jenna, du bist widerlich«, faucht Joy nur und will noch mehr sagen, doch ich sehe sie flehend an und schüttele den Kopf.
Ich wende meinen Blick wieder ab, als ich spüre, wie sich Cameron zu mir dreht. Fragend blicke ich ihn an, als er seine Hand an meine Wange legt und meinen Kopf weiter zu sich dreht. Einen Augenblick sieht er mir tief in die Augen und ich kann mich nicht dazu überreden, meinen Blick von ihm zu lösen. Dieser Blick und sein sanfter Griff an meiner Wange sorgen dafür, dass ein Flattern in meinem Bauch entsteht.
Cameron kommt näher und ich schließe meine Augen, als ich seinen heißen Atem auf meinen Lippen spüre. Nur stoßweise atmet er und ich bin mir sicher, dass es mir genauso geht. Das kräftige Pochen meines Herzens ist so laut, dass ich glaube, dass es jeder in diesem Raum hören kann. Doch mit einem Mal schaltet sich mein Verstand aus und ich bin mir ziemlich sicher, dass es damit zu tun hat, dass Cameron auch noch den letzten Abstand unserer Lippen überbrückt, ehe er mich unglaublich sanft küsst.
Was zur Hölle?
Einen Augenblick verharrt er in dieser Position und gibt mir Zeit sich an dieses Gefühl zu gewöhnen. Ein Kribbeln durchzuckt meinen ganzen Körper und als er beginnt seine Lippen sanft, aber bestimmend an meinen zu reiben, löse ich mich von ihm.
Ich traue mich nicht, die anderen anzusehen. Es herrscht eine ungewöhnliche Stille im Raum und nur Jennas empörtes Schnauben ist zu hören, ehe sie davon stapft und die Tür hinter sich zuknallt. Cameron blickt mir intensiv in die Augen und ich erwidere den Blick. Im nächsten Moment überkommt mich ein merkwürdiges Gefühl, das mir zeigt, dass ich noch einmal spüren will, wie es sich anfühlt.
Als könne Cameron Gedanken lesen, legt er eine Hand auf meinen Oberschenkel, bevor er ein weiteres Mal unsere Lippen vereint. Dieses Mal kann ich nicht anders, als den Kuss vorsichtig zu erwidern. Ich habe Angst, dass ich etwas falsch mache und doch steht mein gesamter Körper steht unter Strom. Seine Hand wandert von meinem Oberschenkel an meine Taille, während er seine andere Hand an meinen Hals legt und dort sanft mit seinem Daumen an der dünnen Haut entlang streichelt. Unschlüssig lege ich meine Hände auf seine Schultern und greife in den Stoff seines schwarzen Shirts. Ich spüre, wie seine Zunge über meine Unterlippe streift und erschrocken öffne ich den Mund, nur damit unsere Zungen im nächsten Moment aufeinandertreffen. Ein leises Seufzen entfährt mir, als sich das Gefühl in meinem Herzen festsetzt. Es ist wundervoll geküsst zu werden – noch dazu von Cameron, der mir ein unbeschreibliches Gefühl verschafft.
Allerdings trifft mich im nächsten Moment die Erkenntnis, dass wir nicht allein sind. Obwohl ich liebend gern noch weiter in den Genuss dieses Kusses gekommen wäre, löse ich mich. Sofort löse ich mich von ihm und springe auf. Joys und Alex überraschten Gesichter ignoriere ich, ehe ich wortlos und vollkommen überrumpelt das Wohnzimmer verlasse.
Ich verschwinde in meinem Zimmer und lasse ich auf meinem Bett fallen. Einen Augenblick brauche ich für mich allein, bevor ich da wieder herausgehe. Cameron hat mich geküsst, um Jenna zu zeigen, dass sie nicht die einzige für ihn ist. Ich weiß nicht, ob er seine Worte ernst gemeint hat, aber dieser Kuss hat sich verdammt danach angefühlt. Noch immer könnte ich schwören, dass seine Lippen auf meinen liegen.
Hat er mich nur geküsst, um Jenna eine Lektion zu erteilen oder weil er es wollte? In meinem Kopf entstehen viele Fragen und ich weiß nicht einmal, ob Cameron diesen Kuss genauso sehr genossen hat, wie ich es getan habe. Der Kuss war wunderschön und genauso, wie ich ihn mir immer vorgestellt habe und meinen ersten Kuss haben wollte. Nur mit dem Unterschied, dass Cameron mich nicht geküsst hat, weil er Gefühle mich hat. Für mich ist es unvorstellbar, jemanden zu küssen, für den ich keine Gefühle empfinde. Und nun ist es doch passiert. Ich habe keine Gefühle für Cameron. Dafür kennen wir uns nicht lange genug, aber das heute gezeigt, dass ich mich von ihm angezogen fühle.
Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus den Gedanken. »Wer ist da?«
»Joy. Darf ich reinkommen?«, höre ich sie leise fragen, ehe ich zustimmen. Sie tritt ein und schließt diese hinter sich, ehe sie sich neben mich setzt. »Alles in Ordnung?«, fragt sie und lächelt mich leicht an. Ich nicke.
»War nur ein Kuss«, meine ich und versuche so cool zu klingeln, wie möglich. Allerdings bin ich mir sicher, dass ich nicht sonderlich gut darin bin das Gefühlschaos, das in mir tobt, zu verstecken. Sie sieht mich mit hochgezogener Braue an und sofort weiß ich, dass sie mich durchschaut hat.
»War es dein erster Kuss?«
»War das so offensichtlich?«, frage ich leise und sie schüttelt mit dem Kopf. »Hat Cameron sich drüber lustig gemacht?«
»Nein. Cameron ist gerade verdächtig still. Ich glaube, du hast ihn umgehauen«, meint sie und lächelt mich an. »Hat der Kuss dir gefallen?«
»Ja. Aber ich finde es nicht okay, dass er es einfach aus heiterem Himmel getan hat und möglicherweise auch noch um Jenna etwas zu beweisen, erwidere ich. Sie nickt verständnisvoll.
»Ja, das hätte nicht sein müssen, nur um Jenna zu zeigen, dass er wirklich keinerlei Interesse an ihr hat – außer was den Sex betrifft natürlich«, meint sie und ich nicke. »Morgen früh wird die Welt schon wieder anders aussehen. Kommst du wieder mit raus?«, fragt sie und erhebt sich. Ich nicke, fahre mir kurz durch meine braunen Haare, bevor ich ihr aus meinem Zimmer folge und wir uns wieder zu Alex und Cameron gesellen.
Ich bemühe mich Camerons Blicken auszuweichen. Alex lächelt mich an, weshalb ich mich zwischen ihn und Joy setze. Er reicht mir einen Drink, von dem ich sofort einen großen Schluck trinke und dann spüre, wie er mir brennend den Hals hinunterläuft. Doch viel intensiver sind die Blicke, die Cameron mir zu wirft und auf meiner Haut brennen.
***
Ich bin gerade dabei die benutzten Gläser auf die Anrichte zu stellen, weil ich nur noch ins Bett möchte, als ich Schritte im Flur höre, nachdem die Tür zufällt. Camerons Schritte. »Josephine?« Kurzerhand entscheide ich mich nun doch dafür, den Abwasch jetzt zu machen, nur damit ich ihn nicht ansehen muss und etwas mit meinen zittrigen Händen tun kann. »Ja?«
»Bist du okay?«, fragt er mich. »Wieso sollte ich nicht okay sein?«
»Weil ich dich geküsst habe und glaube, dass du sauer auf mich bist«, meint er leise. »Weißt du, ich habe den Kuss vielleicht erwidert, aber das heißt nicht, dass du das Recht dazu hattest mich zu küssen, um Jenna etwas beweisen zu können«, meine ich. Er nimmt sich ein Handtuch und beginnt die gewaschenen Gläser abzutrocknen, nachdem ich das erste Glas auf die Anrichte abstelle.
»Es tut mir leid«, sagt er sanft und ich schlucke leicht. »Ich dachte, wir könnten vielleicht Freunde sein, aber durch diese Aktion hast du alles verkompliziert«, erwidere ich. »Wieso?«
»Weil ich keine Menschen grundlos küsse«, erkläre ich ihm. »Ich schon«, meint er. »Ich gratuliere. Du hast den kleinen, aber gravierenden Unterschied zwischen uns erkannt«, sage ich in einem sarkastischen Ton. »Du verurteilst mich, weil mir körperliche Nähe nichts ausmacht?«
»Nein. Ich verurteile dich, weil mir körperliche Nähe schwerfällt, du dir dessen bewusst bist und mich trotzdem geküsst hast«, erwidere ich und sehe ihn enttäuscht an. Einen Augenblick sieht er mich an und hält in seiner Bewegung inne, bevor er stumm das Glas weiter abtrocknet. Ohne ihm die Chance zu geben, etwas zu erwidern, lasse ich alles stehen und liegen, um in mein Zimmer zu flüchten. Natürlich hat mir der Kuss gefallen, doch sein Grund dafür ist nicht der, den ich mir erhofft hatte.
Diese Situation führt mir sehr deutlich vor Augen, warum ich bisher vor solchen Dingen zurückgeschreckt bin. Küsse und Sex verursachen Gefühle. Gefühle machen mich schwach und verwundbar und sorgen dafür, dass ich verletzt werde.
Spätestens jetzt weiß ich, dass verletzt werden das Letzte ist, was ich möchte.
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