4. Ein Abend mit Freunden
Ein paar Tage später sitze ich abends mit meinem Laptop, meinen Unterlagen für die Uni und einem Haufen Bücher auf dem Boden im Wohnzimmer und habe alles ausgebreitet. Mein Schreibtisch ist – habe ich heute festgestellt – zu klein für mein Chaos. Beim Lernen bin ich leider eine Chaotin und brauche diese Unordnung, um mich konzentrieren zu können. Klingt komisch, wenn man bedankt, dass der Rest meines Lebens auf Ordnung angewiesen ist.
Gerade als ich endlich meinen Text zu den verschiedenen Rechtsformen eines Unternehmens verstanden habe und mich an die Zusammenfassung dafür machen möchte, höre ich wie sich die Wohnungstür geöffnet wird und ein lautes Stimmengewirr in meine Wohnung dringt. Ich seufze leise und werde mich wohl oder übel in mein Zimmer verkriechen, damit ich nicht gestört werde.
Manchmal frage mich, ob Cameron nichts anderes in seinem Leben macht als Zeit mit seinen Freunden zu verbringen – auch wenn Joy wirklich nett ist und ich sie gerne mag.
Schnell erhebe ich mich, sammele all meine Sachen ein und verschwinde in meinem Zimmer, bevor mich jemand entdecken kann. Ich lege meine Sachen auf meinem Bett ab und stecke das Ladekabel meines MacBooks gerade in die Steckdose, als sich jemand hinter mir räuspert.
Ich fahre herum und entdecke Cameron, der in meiner Tür steht und ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen trägt.
»Was machst du?«, fragt er und überrascht mich damit ein kleines Bisschen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er sich dafür interessiert, was ich mache. »Ich habe gelernt und du?«, antworte ich und setze mich nun notgedrungen mit meinen Unterlagen auf mein Bett, ehe ich den Laptop aufklappe.
Er tritt weiter in den Raum ein und sieht sich kurz um. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass er sich in meinem Zimmer befindet. »Was studierst du?«, fragt er, statt mir eine Antwort zu geben. Nachdem er fertig ist mein Zimmer zu inspizieren, setzt er sich auf meine Bettkante und sieht mich an.
»BWL und du?«
»Ich? Also... Ich studiere Kunst«, sagt er und ich ziehe überrascht die Augenbrauen in die Höhe. »Kunst? Das hätte ich bei weitem nicht erwartet«, gebe ich zu. Er zuckt daraufhin nur mit den Schultern. »Letztens sah es ebenfalls nicht danach aus als wärst du künstlerisch begabt.«
Er lacht leicht und zuckt bloß mit den Schultern. »Das ist einfach doof gelaufen. Der Boden hat glücklicherweise nichts davon abbekommen«, sagt er und ich nicke zustimmend. »Willst du dich zu uns setzen?«, fragt er nach einem kurzen Augenblick und ich sehe ihn überrascht an. Er will, dass ich Zeit mit ihm und seinen Freunden verbringe? Vielleicht hat Joy wirklich mit ihm gesprochen?
»Ist deine Freundin Jenna wieder mit dabei?«, frage ich zögerlich. »Ja, sie ist immer dabei«, meint er und sieht mich fragend an. Sein Gesicht spricht Bände und ich weiß, dass er nicht verstehen kann, was mein Problem mit dieser Frau ist.
»Ich denke, dann passe ich lieber. In meinen eigenen vier Wänden habe ich keine Lust mit doofen Blicken gestraft zu werden«, erkläre ich. Er nickt und zuckt mit den Schultern. »Okay, dann nicht. Es ist deine Entscheidung«, meint er bloß und steht auf. Ich sehe ihm nach, wie er mein Zimmer verlässt und die Tür hinter sich zu zieht.
»Trotzdem danke«, rufe ich noch schnell, weiß allerdings nicht, ob er mich gehört hat.
Ich seufze und schüttele den Kopf, bevor ich mich wieder meinen Unterlagen widme. Ich klappe meinen Laptop auf und beschließe, ein paar Definitionen herauszusuchen und anschließend aufzuschreiben, damit es mir leichter fällt, diese zu lernen.
Als irgendwann der Geräuschpegel in der Wohnung lauter wird, gebe ich es auf. Bei dem Lärm kann niemand lernen und außerdem verzehrt sich mein Magen nach etwas Essbarem. Ich hefte meine Unterlagen weg und schalte den Laptop aus, bevor ich in die Küche gehe, um mich um mein Abendessen zu kümmern.
Ich habe Cameron zwar noch nie etwas essen sehen, doch spätestens als ich in der Küche den Kühlschrank öffne und nicht mehr viel von dem übrig ist, was ich gekauft habe, weiß ich, dass er doch Nahrung zu sich nimmt – meine Lebensmittel. Ich habe nichts dagegen, wenn er hin und wieder etwas von meinen Sachen nutzt, aber erstens kann man aus reiner Höflichkeit fragen und zweitens den Kühlschrank auch wieder auffüllen. Ich lasse die Tür zufallen und mache mich auf den Weg ins Wohnzimmer.
Kaum habe ich den Türrahmen durchquert liegen mehrere Augenpaare auf mir.
Joy sitzt mit einem anderen Typ auf dem Sofa und hat ihre langen Beine über seine gelegt und lächelt mich an. Augenblicklich wird die Musik leiser und ich fühle mich wie eine Spaßbremse. Dabei möchte ich bloß mit Cameron sprechen. Dieser sitzt in seinem Sessel, den er beim Umzug mitgebracht hat und ich schlucke kurz als ich sehe, dass Jenna auf seinem Schoß sitzt. Sein Arm ist lässig um sie gelegt und er streichelt mit seinem Daumen immer wieder über ihre Oberschenkel, die mit einer kurzer Shorts bedeckt sind.
»Kann ich dich kurz sprechen?«, frage ich an ihn gerichtet.
Er sieht mich einen Moment lang fragend an und lässt Jenna, wenn auch etwas unsanft, auf dem Sofa nieder und läuft an mir vorbei aus der Tür in den Flur. Ich folge ihm und schließe die Tür hinter uns, sobald ich die Küche erreicht haben
»Was ist denn los?«, fragt er mich und lehnt sich gegen die Küchenzeile.
»Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn wir gemeinsam Lebensmittel einkaufen und uns die Kosten teilen, aber vielleicht fragst du das nächste Mal, wenn du meine Sachen aus dem Kühlschrank nimmst. Das ist das, was normale und vor allem höfliche Menschen tun. Man nennt es auch gute Manieren!«
Er sieht mich an und lacht leise, ehe er die Arme vor seiner Brust verschränkt. Seine braunen Augen funkeln mich an und ich schlucke leicht als ich realisiere, wie schön diese eigentlich sind. »Machst du jetzt wirklich so ein riesiges Drama daraus? Ich habe dir das Geld in die Kasse gesteckt. Ich wusste nicht, dass du deswegen so sauer sein würdest«, meint er und sieht mich belustigt an.
»Ich bin nicht sauer deswegen. Eher genervt. Es geht mir darum, dass ich jetzt nichts essen kann, bevor ich nicht einkaufen war. Frag das nächste Mal einfach und es ist alles gut«, meine ich und verschränke meine Arme vor meiner Brust. Sein Blick ruht eine Zeit lang auf mir, scannt meinen Körper komplett ab, nur um sich dann einmal kurz über die Unterlippe zu lecken. Ich spüre, wie ich leicht erröte und ziehe fragend eine Augenbraue in die Höhe.
Was zur Hölle war das denn gerade?
»Wenn du willst, kann ich mit dir einkaufen gehen. Ich kann dich fahren«, bietet er mir an. »Du willst mich fahren?«, frage ich überrascht. »Ja, scheinbar stört es dich wirklich, wenn ich ein paar Sachen von dir gegessen habe. Ich will es wieder gutmachen«, meint er.
»Wie schon gesagt – mich stört es bloß, dass du nichts sagst. Wir können das mit dem Einkauf auch anders regeln. Du meintest nur, dass du tagsüber nicht hier sein würdest, deswegen habe ich für mich eingekauft«, erkläre ich und er nickt.
»Ja, Pläne ändern sich eben«, meint er. »Soll ich nun mit dir fahren oder nicht?»
»Was ist mit deinen Freunden?«
»Meinetwegen kann ich dich auch mit Joy losschicken mit meinem Wagen?«, schlägt er vor und mir entfährt ein genervter Laut. »Ich dachte, du willst mit mir fahren?«
»Will ich doch auch, aber du machst alles immer so kompliziert, verdammt. Ich sage ihnen, dass wir gleich wiederkommen«, meint er schulterzuckend. Auf seinen Lippen erkenne ich ein belustigtes Grinsen. »Du willst sie hier alleine lassen?«, frage ich mit großen Augen.
»Joy und Alex kenne ich seitdem ich klein bin. Sie sind meine besten Freunde und damit vertraue ich ihnen«, entgegnet er. »Und wie lange kennst du Jenna?«
»Seitdem ich nach Austin gezogen bin«, meint er und sieht mich genervt an, bis sich sein Gesicht aufhellt. »Bist du etwa eifersüchtig?« Ich lache auf. Wieso sollte ich eifersüchtig sein? Noch dazu auf Jenna. Nur, weil ich der Meinung bin, dass Cameron wirklich gutaussieht, heißt es nicht, dass ich eifersüchtig bin. »Eifersüchtig? Auf wen?«
»Na, auf Jenna. Das habe ich beim letzten Mal schon gedacht als ihr euch mitten in einem Zickenkrieg befunden habt«, meint er grinsend und macht einen Schritt auf mich zu, sodass ich gezwungen bin, den Kopf in den Nacken zu legen.
»Ganz ehrlich? Ich habe überhaupt keinen Grund eifersüchtig zu sein, Cameron. Wieso auch? Du bist so launisch wie eine Frau, wenn sie entweder schwanger ist oder ihre Tage hat«, meine ich und sehe ihn herausfordernd an.
Verwirrt blickt er mich an. »Und was hat das mit Jenna zu tun?«
»Das wüsste ich auch gerne von dir. Du hast das Thema angefangen. Ich will einfach nicht, dass deine Freunde allein in unserer Wohnung sitzen«, meine ich bloß und zucke mit den Schultern. Er seufzt genervt auf und reibt sich einmal durchs Gesicht.
»Okay, anderer Vorschlag. Ich gehe morgen früh einkaufen, wenn du in der Uni bist und wir bestellen jetzt mit den anderen etwas zu essen«, schlägt er vor. Überrascht sehe ich ihn an und kann nichts erwidern, weil er mir nicht die Chance dazu gibt. »Worauf hast du Lust?«
»Asiatisch?«, frage ich zögernd nach und kann meine Überraschung über seinen Vorschlag nicht verstecken.
»Gut. Ich hole mein iPad und dann bestellen wir online«, meint er und setzt sich in der nächsten Sekunde auch schon in Bewegung. Ich will ihm folgen, da erscheint er auch schon wieder auf dem Flur heraus und sieht mich fragend an, als ich ihm den Vortritt lassen will. Fragend sieht er mich an.
»Ich habe auch dich gewartet. Geh du vor«, meine ich und zucke mit den Schultern. Er nickt nur kurz, zieht die Tür seines Zimmers zu und läuft in Richtung Wohnzimmer.
»Hey, ihr. Alles geklärt?«, fragt Joy und ich nicke lächelnd, als ich mich neben sie auf dem Sofa niederlasse und sehe, wie Jenna sofort auf Camerons Schoß hüpft. Sie will ihm gerade einen Kuss auf die Lippen drücken, als er für Abstand zwischen sie den beiden sorgt und widmet sich seinem iPad.
Enttäuscht sieht Jenna einen Augenblick nach unten, lässt sich danach aber nichts mehr anmerken. Scheinbar hat Joy Recht gehabt und sie ist wirklich in ihn verliebt. Cameron reicht mir das Tablet und sofort beginne ich die Internetseite zu durchforsten.
»Oh, lecker. Da haben wir ewig nicht mehr bestellt«, höre ich Joy grinsend sagen, als sie sich zu mir herüber lehnt und lächle. »Ich liebe es einfach«, meine ich nur und grinse, bevor ich aufblicke und den Typen mustere, den ich noch immer nicht kenne.
Auch er sieht ebenfalls sehr gut aus. Ich finde, dass er Camerons Aussehen nicht überbieten kann, aber vermutlich habe ich auch einfach keine Ahnung. Andere finden Cameron sicherlich nicht so attraktiv wie ihn.
»Ich bin Josephine«, stelle ich mich vor und halte ihm die Hand hin. »Ich weiß. Ich bin Alexander, aber du kannst mich einfach Alex nennen«, meint er und schüttelt grinsend meine Hand.
Ich lächle leicht und nicke, bevor ich mich wieder dem Tablet widme und eine Portion Ente Süß-Sauer und zwei Frühlingsrollen zu Camerons Bestellung hinzufüge. Danach reiche ich das Tablet an Joy weiter, die eifrig zu tippen beginnt.
»Wollen wir nicht lieber einen Salat essen, Joy?«, fragt Jenna und sieht Joy hoffnungsvoll an. »Ich habe gerade eine doppelte Portion Bratnudeln bestellt«, meint sie lachend und zwinkert mir zu.
Jenna seufzt leise, ehe sie nach Alex das Tablet direkt an Cameron weitergibt, ohne sich etwas zu bestellen. Fragen blicke ich Cameron an, der nur mit den Schultern zuckt, ehe er sich der Bestellung auf dem Tablet widmet.
»Hier steht, dass das Essen in einer halben Stunde da ist«, erklärt er und legt das Tablet samt Hülle vorsichtig auf den Tisch, ehe sein Blick kurz auf mir ruht und sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht bildet.
***
Mit guter Laune räume ich die benutzten Gläser vom Tisch, während Cameron seine Freunde zur Tür begleitet. Ich laufe, mit den Gläsern in den Händen, in die Küche und lasse das Wasser im Becken einlaufen. Dabei höre ich, dass er den Raum betritt, doch drehe mich nicht um.
»Deine Freunde sind echt nett«, meine ich bloß und beginne damit das erste Glas abzuwaschen. »Ich weiß«, erwidert er grinsend und lehnt sich lässig neben mich an die Küchenzeile. Seinen Blick kann ich dabei ganz genau auf mir spüren.
»Danke, dass ich heute Abend dabei sein durfte«, sage ich und sehe kurz zu ihm hoch, um ihm ein Lächeln zu schenken, ehe ich mich wieder dem Abwasch widme. »Du bist nicht sehr gesellig, oder?«
»Naja, ich hatte zuhause in Denver nicht viele Freunde. Meine beste Freundin, die gleichzeitig meine Cousine ist, hat mir vollkommen gereicht«, erkläre ich ihm. »Ja, ich brauch auch nur meine wahren Freunde«, meint er zustimmend.
»Meinst du damit Joy und Alex oder Jenna eingeschlossen? Immerhin schlaft ihr miteinander, weshalb eine Freundschaft doch erschwert wird, oder nicht?« Eine Zeit lang sagt er nichts mehr. Er scheint nach einer passenden Antwort zu suchen.
»Nein, ich meine Joy und Alex. Jenna weiß, worauf sie sich einlässt. Woher weißt du eigentlich, dass ich sie ficke?«
Vor Schreck rutscht mir das Glas aus der Hand und landet mit einem dumpfen Geräusch im Wasser. Augenblicklich schießt mir das Blut in die Wange. »Joy hat es mir erzählt. Wenn ich es aber nicht gewusst hätte, dann spätestes heute Abend. So wir sie auf dir herumgehüpft ist, ist es ein Wunder, dass sie nicht mehr hier ist«, meine ich verlegen.
»Ich hatte heute schlichtweg keine Lust«, meint er schulterzuckend. »Ah, okay«, murmele ich und lache verlegen. »Ist dir das Thema unangenehm?«, fragt er mich und dreht mich an meiner Taille zu sich herum. Ich blicke von seinen Händen zu ihm nach oben und sehe ihn fragend an.
»Was?«, presse ich hervor, vollkommen abgelenkt von dem Brennen meiner Haut, das seine Berührung auslöst. Seine Daumen hat er nämlich frech unter mein Shirt geschoben und sorgen jetzt dafür, dass ich mich auf nichts anderes als seine Finger konzentrieren kann. »Ist dir das unangenehm, wenn ich ‚ficken' oder ‚vögeln' sage? Wenn ich darüber spreche?«
»Selbst wenn es so wäre, ist es dir egal und du wirst keine Rücksicht darauf nehmen«, erwidere ich heiser. Seine Lippen verziehen sich zu einem kleinen Grinsen. »Stimmt. Ich rede viel zu gerne über Sex«, meint er und lässt von mir ab. Erleichtert atme ich aus und blicke ihm nach. Er läuft zur Tür, dreht sich dort noch einmal um und grinst mich unverhohlen an.
»Du sieht übrigens richtig heiß aus, wenn du errötest.« Ich schlucke als er sich im nächsten Moment umdreht und mich verwirrt zurücklässt. Unter den Gefühlen der Verlegenheit kann ich noch ein neues Gefühl ausmachen. Eines, das ich vorher nicht kannte und nicht näher beschreiben kann.
Ich schüttele einmal den Kopf, als ich ihm auch Sekunden später hinterhersehe, und wende mich ab. Es wird dringend Zeit, dass ich ins Bett komme.
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