12
Jimin Pov
Es geht mir echt mächtig auf den Keks, dass Yoongi sich nicht helfen lassen will, aber das ist wohl seine Entscheidung und eigentlich geht es mich sowieso nichts an. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als ergeben zu nicken und das Zimmer des Älteren wieder zu verlassen.
Im Wohnzimmer hat Jungook sich an Tae gekuschelt, welcher ihm aus einem Buch vorliest. Klingt nach einem Gedichtband. Tae tippt dem Jüngeren mit dem Zeigefinger verspielt unter sein Kinn, was diesen kichern lässt. Kurz denke ich darüber nach mich zu ihnen zu setzen, komme mir bei ihrer Zweisamkeit dann aber fehl am Platz vor.
Mit den Gedanken wieder bei Yoongis Drohbrief und dem Ereignis von heute Abend, gehe ich in die Küche, wo ich direkt einen maunzenden Tony vorfinde. Das kleine, graue Fellknäuel setzt sich erwartungsvoll vor seinen Napf und blickt mich mit grossen, strahlend blauen Augen an. Ich streiche dem Kater lächelnd über sein weiches Fell, um mich dann dem Kühlschrank zu zuwenden und etwas Milch in Tonys Napf zu giessen.
Glücklich vor mich hin summend setze ich mich neben Tony auf den Küchenboden. Das graue Fellknäuel ist mit seiner Milch beschäftigt und beachtet mich nicht weiter. Aus Yoongis Zimmer hört man leise die melodischen Töne seines Klaviers. Auch der Rest des Abends verläuft unspektakulär und ich beschliesse früh ins Bett zu gehen.
Irgendwann, mitten in der Nacht, ertönt in regelmässigen Abständen ein Klacken von meinem Fenster. Müde öffne ich die Augen und mache die Nachtischlampe an. Das grelle Licht blendet mich und ich verziehe das Gesicht. Wieder dieses Klacken. Genervt schäle ich mich aus meiner Bettdecke und will den Vogel verscheuchen, der mit seinem Schnabel mein Fenster bearbeitet. Barfuss tapse ich über den kalten Boden zum Fenster und schiebe die weissen Vorhänge zur Seite.
Zu meiner Verwunderung sitzt kein Vogel auf meinem Fensterbrett und da ist auch sonst nichts. Klack. Ein Kieselstein prallt an das Fensterglas. Erschrocken mache ich einen Schritt rückwärts. Wer das wohl sein könnte?
Ich mache wieder einen Schritt auf das Fenster zu und will es gerade öffnen, um zu schauen, wer wohl da unten sein könnte, da klingelt mein Handy. Fluchend stolpere ich zu meinem Schreibtisch und nehme ab, in der Hoffnung, dass die anderen nicht geweckt wurden.
Am anderen Ende der Verbindung hört man ein Knistern und Rauschen. «Hallo?», flüstere ich leise, da ich nicht die anderen wecken will, wenn sie nicht eh schon wach geworden sind. Keine Reaktion. Nur wieder dieses gleichmässige Atmen. «Bitte, wer auch immer sie sind, hören sie auf damit!» Eine Hand voll Kieselsteine prasselt auf mein Fenster nieder.
Mit klopfendem Herzen lege ich auf und ziehe den Vorhang wieder zu. So langsam verliere ich die Nerven. Frustriert fahre ich mir durch die rosa gefärbten Haare und denke darüber nach, was ich nun machen soll. Ich traue mich nicht das Fenster zu öffnen, geschweige denn runter zu gehen und nach zu sehen. Erneut prasseln Steine an mein Fenster. Leise fluchend schleiche ich aus meinem Zimmer. Meine Füsse tragen mich vor Yoongis Tür. Nach einigem Zögern klopfe ich vorsichtig. Natürlich bekomme ich keine Antwort, da der Ältere bestimmt schläft wie ein Toter. Ich öffne die Tür einen Spalt und schlüpfe hindurch.
Im Dunkeln kann ich Yoongis Umrisse in seinem Bett erkennen und tapse an jede Menge Kram, welcher auf dem Boden herum liegt, vorbei. Fahles Licht fällt aus einem Spalt zwischen den Vorhängen auf sein Gesicht. Er sieht so friedlich aus, sein Mund ist leicht geöffnet und von den Sorgen, welche jeder Tag aufs Neue mit sich bringt, ist zumindest für den Moment nichts zu sehen. Langsam hebe ich eine Hand, um ihm eine wirre Haarsträhne aus der Stirn zu streichen. Meine kühlen Fingerspitzen schieben das dunkle Haar beiseite.
Ich entschliesse mich dagegen Yoongi zu wecken. Er kann ja doch nichts dagegen tun und würde sich bloss noch mehr Sorgen machen. Die Schatten unter seinen Augen würden dunkler und die Sorgenfalten tiefer. Ich schlucke schwer und tapse so geräuschlos wie möglich wieder aus Yoongis Zimmer, zurück in meins.
Ich schliesse leise meine Zimmertür hinter mir und schlüpfe unter die warme Decke. Die Steine haben aufgehört gegen mein Fenster zu prasseln und ich bin kurz davor wieder einzuschlafen, da höre ich es wieder. Das Prasseln von Kieselsteinen an meinem Fenster. Ich ziehe mir die blaue Bettdecke über den Kopf und bleibe bewegungslos liegen, hoffe, dass es wieder aufhört. Wieder und wieder prasseln Steine auf Glas, bis ich es aufgebe und wieder das Zimmer verlasse, dieses Mal mit einem Kissen und einer Decke.
Kurz spiele ich mit dem Gedanken im Wohnzimmer auf dem Sofa zu übernachten, leider ist das Sofa total unbequem. Dazu kommt, dass wir den Raum nicht heizen, um Heizkosten zu sparen, was Tagsüber kein Problem ist, aber zum Schlafen ist es eindeutig zu kalt. Ausserdem wüsste ich nicht, wie ich Tae und Kookie meine Übernachtung auf dem Sofa erklären sollte.
Unsicher gehe ich zurück in mein Zimmer, bloss um gleich darauf wieder verschreckt hinaus zu stürmen. Die Sache mit den Steinen ist mir langsam echt zu viel. Ich seufze frustriert und schleiche wieder in Yoongis Zimmer. Dort bleibe ich noch einen Moment stehen und wäge ab, ob ich nicht doch lieber in mein eigenes gehen soll. Schliesslich gebe ich mich geschlagen und lege mich mit meinem Kissen und meiner Decke neben Yoongis Bett auf den Boden. Das wird eine lange Nacht werden, aber hier ist es wenigstens schön warm und niemand wirft mit Steinen um sich.
«Guten Morgen, Jimin.» Leise murrend drehe ich mich auf die andere Seite und werde mir meiner schmerzenden Knochen bewusst. Blinzelnd öffne ich die Augen und reibe mir den Schlaf aus den Augen. Über mir, auf seinem Bett, sitzt Yoongi und schaut verschlafen auf mich runter. «Na, Schlafmütze, auch schon wach? Will ich wissen, warum du in meinem Zimmer auf dem Boden übernachtet hast?»
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