Kapitel 1
Das menschliche Gehirn war faszinierend. Es war unglaublich, wie viele verschiedene Eindrücke es in einem einzigen Moment aufnehmen konnte. Die beiden Nachbarskinder, die anscheinend wieder über etwas stritten, das Rauschen des Meeres im Hintergrund, die warme Sonne auf der Haut und Harry.
Harry, Harry und nochmals Harry.
Seine Hände wanderten sanft unter der dunkeln Mahagoni-Tischplatte über meinen nackten Oberschenkel, wodurch sich die kleinen Härchen auf meinen Armen aufstellten. Ich konnte bloß seiner Stimme lauschen. Der angenehmen Stimme, mit der ich aufgewachsen war und die ich so zu lieben gelernt hatte. Er unterhielt sich mit meinem Dad, doch ich konnte nur der Hand mit meinem Blick folgen, die meine sowieso schon durch die Hitze warme Haut, zum Brennen scheinen brachte.
Ich hörte gar nicht zu, viel zu sehr war ich in meinen Gedanken verloren. Bereits mein Kindermädchen hatte meinen Eltern immer wieder erzählt, welch verträumtes Mädchen ich doch war. Daran hatte sich noch immer nichts geändert. Zwar war ich nicht mehr so zurückhaltend wie früher, trotzdem erwischte ich mich selbst immer wieder dabei, wie ich meinen eigenen Gedanken nachhing, in Momenten wie diesen.
Ich zuckte zusammen und hob mit einer ruckartigen Bewegung meinen Blick von Harrys Hand, als sich seine Finger plötzlich tief in meine Haut bohrten. Er musterte mich bloß von der Seite, dennoch konnte ich erkennen, wie er leicht zu meinem Dad nickte.
Dieser räusperte sich, bevor er nochmal zu der Frage ansetzte, die er mir vorher gestellt haben musste: „Taylor, was hältst du davon, diesen Deal mit den Hendricks einzugehen?" Dad versuchte in den letzten beiden Jahren, mich immer wieder in das Geschäftsleben seiner Firma miteinzubeziehen. Ich sollte bereits früh lernen, wie man ein großes Unternehmen führte. Ihm war egal, wie ich meine Zukunft gestaltete, Hauptsache erfolgreich. Genau aus diesem Grund würde ich auch ab dem nächsten Schuljahr auf der Harvard-Universität
Ich schluckte leicht und schob Harrys Hand unauffällig von meinem Oberschenkel. Dad sollte merken, dass ich mich wieder voll und ganz auf das Wesentliche konzentrierte und dabei standen mir seine Berührungen nur im Weg.
„Ich... Ich würde den Deal annehmen", begann ich unsicher, nur um Dads Reaktion zu beobachten. Sein Blick wurde interessierter, was für mich nur eine Aufforderung zum Weitersprechen darstellte.
„Ihr Unternehmen zu unterstützen, wird kein schlechtes Licht auf uns werfen, eher im Gegenteil. Außerdem sind ihre Immobilien überall in Amerika vertreten. Wenn wir diese erwerben, können wir mehr Büros bauen und somit Anderson Insurance nicht nur in den Süd- und Oststaaten anbieten."
Anderson Insurance war die Versicherungsfirma meines Vaters. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmern hatte er sie nicht von seinem Großvater vererbt und übernommen. Er startete als kleines Start-Up-Unternehmer als er 21 war. Seine Eltern hatten ihn von Anfang an unterstützt, weshalb es auch sein Ziel war, mir das Gleiche zu ermöglichen. Ich bewunderte ihn dafür, wie viel er in den letzten fünfundzwanzig Jahren geschaffen hatte und scheute mich nicht davor zu behaupten, dass er ein Vorbild für mich war.
Dad schien nun mit meiner Antwort zufrieden auszusehen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Genau mein Gedanke. Ich bitte Meghan gleich Brick Hendricks anzurufen und den Deal anzunehmen. Ich bin stolz auf dich, Taylor." Nun schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen.
„Ich bitte um den Nachtisch!", rief Dad einer unserer Köchinnen zu und hob dabei seinen Arm, während Harry mir seine Hand auf den Hinterkopf legte, über mein Haar strich und mich dann zu sich zog, damit er mir einen Kuss auf die Schläfe drücken konnte.
Als wir auf das Dessert warteten, wanderte mein Blick durch unseren Garten, der direkt am Meer anschloss. Wie konnte es sein, dass ich schon mein ganzes Leben lang hier wohnte, jedoch trotzdem schon seit Jahren keinen Fuß ins Wasser gewagt habe?
Ich seufzte leise und schaute hoch in den Himmel. Instinktiv hob ich meine Hand als Schutz an die Stirn, um nicht geblendet zu werden. Keine einzige Wolke befand sich über uns. Obwohl es gerade der Anfang des Sommers war, war es schon heiß, dass ich mir wünschte, dass die Sonne wenigstens für ein paar Sekunden bedeckt wurde. Das war hier in North Carolina keine Seltenheit. Entweder war es so heiß, dass man selbst in Bikini wie verrückt schwitzte oder es tauchten Stürme wie aus dem Nichts auf und stellten somit für viele Boote eine Gefahr dar.
Mein Blick wanderte weiter zu dem hohen, im amerikanischen Stil gebauten, Haus, in dem ich aufgewachsen war, zu meinen Zimmerfenstern, welche ich heute früh geöffnet, jedoch bis jetzt vergessen hatte zu schließen und weiter zu den Fenstern unseres Dachbodens, welcher sich über meinem Zimmer befand. Hier hatte ich früher immer mit Harry verstecken gespielt, als wir noch sieben waren. Bei der Erinnerung daran musste ich lächeln. Gerade als ich den Blick wieder abwenden wollte, fiel mir plötzlich jedoch die dunkle Silhouette auf, die direkt vor dem Fenster stand. Die Silhouette eines... Menschen. Ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen und sah zu meinem Dad.
„Ich dachte, Mom wäre heute bei Candice eingeladen?" Gerade in diesem Moment kehrte unsere Köchin mit drei kleinen Tellern zurück, auf dem sich ein Schokokuchen mit belegten Erdbeeren befand. Dad bedankte sich bei ihr, jedoch sah er mich dann gleich darauf überrascht an.
„Ist sie doch auch. Sie sind den ganzen Vormittag irgendwo in Asheville unterwegs. Ich dachte, das wusstest du." Er schaute wieder auf den Kuchen vor sich, bevor er sich einen großen Bissen in den Mund schob. Ich konnte selbst Harry ansehen, wie verwirrt er über meine Frage war. Schnell schoss mein Blick wieder nach oben, zu den Fenstern unseres Dachbodens. Doch da war niemand mehr. Zumindest war niemand mehr hier, von dem ich glaubte, hier zu sein. Aber... ich hatte mir das doch nicht eingebildet, oder? Ich schüttelte den Kopf, als ich bemerkte, wie Harry gerade etwas dazu sagen wollte.
„Oh, ich war mir nur unsicher, ob sie sich nun heute oder morgen mit ihr trifft." Schlechte Lüge. Sehr schlechte Lüge, Taylor. Und man musste auch blind und taub gleichzeitig sein, um diese nicht zu entlarven. Harry und Dad warfen sich nur vielsagende Blicke zu, doch anscheinend beschlossen beide, nicht mehr nachzufragen und diese Situation im Raum stehen zu lassen. Ich wusste nicht, ob ich darüber froh oder verunsichert sein sollte, da ich genau wusste, was sie sich nun dachten.
Noch einmal wanderte mein Blick hoch zu den Fenstern unseres Dachbodens. Mein Kopf musste mir wohl bloß ein paar Streiche gespielt haben. Niemand sonst befand sich in diesem Haus, außer Dad, Harry, unsere Köchin und ich. Wie oft war ich schon allein zu Hause und bildete mir ein, Schritte oder das Zufallen einer Tür zu hören. Schlussendlich war es bloß ein Luftzug aufgrund eines offenen Fensters oder Baloo, mein kleiner Yorkie. Ich war mir sicher, dass es eine plausible Erklärung dafür gab.
Als Dad seinen Kuchen fertig gegessen hatte, wischte er sich mit einer Serviette den Mund ab, bevor er diese auf den Teller warf und aufstand. „Ich werde Meghan nun anrufen und sie bitten mit mir und Brick ein Meeting zu vereinbaren." Er nickte uns beiden zu, ehe er sich umdrehte und auf die Tür unserer Terrasse zusteuerte, hinter der er auch schnell verschwand.
Ich konnte spüren, wie Harry mich mit einem undefinierbaren Blick musterte, während er sich, sowie mein Vater vorhin, zurücklehnte und die Arme verschränkte. Mir war bereits früh aufgefallen, wie viele Verhaltensmuster er von meinem Dad übernommen hatte, seitdem wir offiziell zusammengekommen waren. Er stellte sich sogar schon gleich auf dem Telefon vor. Sie hatten schon eine gute Beziehung zueinander, als wir noch kleine Kinder waren, doch seitdem wir ein Paar waren, hatte sich diese noch einmal ums Fünffache verbessert. Manchmal habe ich das Gefühl als kannten sie einander besser als Harry und ich.
„Wir hatten erst heute Vormittag darüber gesprochen, dass deine Mutter mit ihrer Freundin unterwegs ist. Warum stellst du dich nun also dumm und verhältst dich so, als würdest du nichts davon wissen?" Ich wusste, dass diese Frage kommen würde. Und trotzdem war ich vollkommen unvorbereitet und wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, weshalb ich seine Geste nachmachte und meine Achseln zuckte.
„Ich stelle mich nicht dumm. Ich habe nur total darauf vergessen." Meine Stimme war viel höher als beabsichtigt, weshalb es nicht die gewünschte Wirkung erzielte, eher das Gegenteil.
„Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du dich nicht dumm stellst, sondern wirklich so dumm bist. Wo warst du denn mit deinen Gedanken, dass du es so schnell wieder vergessen konntest?" Typisch Harry, er fragte so lange nach, bis mir nichts anderes blieb, als ihm die Wahrheit zu erzählen. Wenn ich mir nun nichts einfallen ließ, dass ihn aus der Bahn warf, würde er herausfinden, was ich gesehen hatte.
Doch warum wollte ich unbedingt verhindern, dass er davon wusste? Wahrscheinlich, weil er, als ich das letzte Mal vermutete, dass sich ein Einbrecher in unserem Haus befand, mich auslachte und mich nicht ernstnahm. Und obwohl ich mit ihm darüber gesprochen hatte, bezweifelte ich nicht, dass es dieses Mal wieder so sein würde
Leise seufzte ich und sah kurz in die Richtung, in die mein Dad gegangen war, um zu checken, ob wir noch immer alleine waren, bevor sich mein verunsicherter Gesichtsausdruck in ein Grinsen verwandelte. Ich stand auf, ehe ich mich wieder rücklinks auf seinem Schoß fallen ließ. Meine Hand wanderte sanft über seinen Oberkörper, wobei ich durch den Stoff seines Poloshirts seine definierten Muskeln spürte. Seine umklammerten bloß meine Hüfte und zogen mich somit näher an sich ran.
Mein Mund näherte sich langsam seinem, als ich raunte: „Ich habe nur darüber nachgedacht, wie sehr ich mich darauf freue, dass wir nach deinem Urlaub mit deinen Eltern die Nacht endlich wieder gemeinsam verbringen können. Ich habe dich schon so vermisst." Ich drückte meine Lippen fest an seine und krallte meine Finger in sein Shirt. Und schon waren die ganzen Fragen, die er mir noch stellen wollte, vergessen. Ich musste ihn einfach an Sex erinnern und schon hatte ich ihn gewonnen. Typisch Männer. Er seufzte leise in den Kuss, ehe seine Hände zu meinem Po wanderten. Egal, wie sehr ich es genießen sollte, kehrten meine Gedanken trotzdem immer wieder zu der Silhouette zurück, die ich zu sehen gehabt meinte.
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