Kapitel 11.1
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»Auf dem Militärgelände gilt das
Verbot der Waffennutzung.
Ausnahmen werden erteilt, wenn
die Sicherheit durch eine oder
mehrere bewaffnete Personen
bedroht oder bereits aufgehoben
wurde. Bei Bedrohung durch un-
bewaffnete Personen ist nur im
äußersten Notfall Waffengewalt
einzusetzen. In jedem Falle
werden nachfolgend die Vorfälle
durch das Gericht von Circle geprüft
und bei nachweisbarem Fehlverhal-
ten mit dem Dienstausschluss und
einer Haftstrafe (in schwerwiegen-
den Fällen auch mit Verbannung
in den äußersten Ring) geahndet.
Zu Übungszwecken sind aus-
schließlich Laserwaffen zu
nutzen, um Verletzungen
auszuschließen. Den Rekruten ist
der Besitz von Handfeuer- und
anderen Schusswaffen nicht
gestattet, sondern erst nach
Abschluss der Ausbildung und
Vereidigung erlaubt. Der Verstoß
gegen die Vorschrift zieht den
Ausschluss aus dem Programm
und die Zahlung einer Geldbuße
nach sich.«
– aus den militärischen Richtlinien
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Das Wasser brannte immer noch unangenehm auf meiner Haut und ich fragte mich einmal mehr, was man in diesen Eimer geschüttet hatte. Normales Putzmittel konnte es jedenfalls nicht sein, denn damit hätte man nicht das Gefühl, dass sich langsam, aber sicher die eigene Haut von den Knochen löste. Ich wusste, dass ich maßlos übertrieb, doch die Jammerei war besser, als mit meiner nicht ganz unerheblichen Teilhabe an der jetzigen Situation umgehen zu müssen.
Ich schob den Schmerz schnell beiseite, den ich als Ausrede gegenüber mir selbst genutzt hatte, um eine kurze Pause einlegen zu können und verfiel erneut in die Auf- und Ab-Bewegung, mit der ich bereits die letzte Stunde den Boden des Eingangsbereiches der Rampe schrubbte. Obwohl ich fast ununterbrochen gearbeitet hatte, sah der betonierte Boden nicht einen Deut besser aus als vorher und mir war schnell klar geworden, dass die Anweisung »Sie putzen den Boden, bis man von ihm essen kann.« bedeutete, dass ich so lange hierblieb, wie ich Zeit benötigte, um mir über mein Handeln bewusstzuwerden. Da der Lieutenant mittlerweile um meinen sturen Schädel wissen musste, hieß das, dass ich erst erlöst war, wenn er es für richtig hielt.
Neben mir ertönte ein patziges Platschen, das mich aus meinem Selbstmitleid riss. Als ich den Kopf in die Richtung des Geräusches drehte, erkannte ich Nik, der seinen Schwamm mit einer beachtlichen Kraft in den Eimer geschleudert hatte. Nun ergoss sich ein Schwall Wasser über den Boden, floss in die kleinen Fugen, ehe es in einer ruhigen Pfütze verharrte. Mit gerunzelter Stirn verfolgte ich seine ruckartigen Bewegungen, deren Antrieb ganz klar von Ärger herrührten.
»Das machst du aber schön selbst weg«, erinnerte ich ihn, als er sich stapfend und schnaubend erhob und keine Anstalten machte, die Sauerei zu beseitigen. Sein Blick flog zu mir. Er hatte die letzte Stunde über nicht einen Grad an Kälte verloren. Seine blauen Augen durchbohrten mich wie zwei spitze Eiszapfen.
»Weißt du was?«, hob er an und schmiss den Lappen, den er in der anderen Hand hielt, gleich hinterher, sodass eine nun etwas kleinere Welle des Schmutzwassers über den Rand des Behälters schoss und die Pfütze nur noch vermehrte. »Ich finde du solltest allein weitermachen. Schließlich bist du schuld daran, dass wir unsere Freizeit hiermit verbringen müssen!« Mit einem Finger deutete er anklagend auf den nassen Boden.
Ich lachte halbherzig auf. »Ja, klar ...«
Nik blieb stumm und durchbohrte mich mit seinen Eiszapfenaugen.
Die finstere Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er mir böse war. Sofort bohrte sich dumpfe Wut in meine Brust. Mein Lächeln erstarb und während ich mich erhob, feuerte ich den Schwamm ebenfalls in den Eimer, wodurch sich kurz darauf der Dreck über den Boden ergoss. Ich bedauerte nur am Rande, dass ich die ganze Arbeit noch einmal machen musste und schon zum zweiten Mal an diesem Tag übernahmen meine Gefühle die Kontrolle über meinen Körper.
»Ich bin schuld daran, dass du hier bist?« Meine Stimme überschlug sich aufgeregt, während das Ende meines Zeigefingers aufgeregt zwischen ihm und mir hin und her sprang.
Nik verschränkte die Arme vor der Brust und nickte knapp mit verbissener Miene, was sofort ein freudloses Schnauben aus meiner Kehle kitzelte.
»Du willst damit sagen, dass mein Verhalten dich hierhergebracht hat?«, hakte ich nach und schlich auf ihn zu, bis ich schließlich vor ihm stand.
»Ja!«, schleuderte er mir genervt entgegen.
»Du trägst also keine Schuld?«, fragte ich erneut. »Da ist nicht mal ein Hauch von Eigenverantwortlichkeit?« Mein Finger bohrte sich in seine harte Brust und ich kniff die Augen zusammen.
Nik tat es mir nach. »Sag mal, hat jemand deine Synapsen voneinander getrennt oder warum bist du heute so schwer von Begriff?« Das Blau seiner Iris blitzte ärgerlich auf, doch ich erkannte noch etwas anderes in seinem Blick. Etwas, dass ich nicht genau bestimmen konnte.
War ja auch nicht so wichtig. Er machte mich wütend, da konnten mir seine Augen herzlich egal sein.
Einen Moment verharrte ich in dieser Position. Mein Finger auf seiner Brust, der seine Beschuldigung wie ein Schwamm aufzusaugen schien und in meinen eigenen Ärger umwandelte, der mit jeder Sekunde zu einem selbstgesteuerten Ungetüm heranwuchs.
»Geht's noch?«, presste ich schließlich aus zusammengebissenen Zähnen hervor. »Erklär mir doch bitte, warum ich allein die Verantwortung für diesen ...«, ich blickte mich im Raum nach einem geeigneten Wort um, »... diesen Schwachsinn trage, wenn du derjenige warst, der Arden noch eine reingehauen hat, als er wieder auf den Beinen stand, hm?« Ich stemmte erwartungsvoll die Fäuste in die Seiten.
Genau das hatte Nik nämlich getan. Kaum hatte Lieutenant Nash verkündet, dass ich zur Strafe den Boden putzen sollte, hatte sich der Idiot Hale Arden von seinen Schmerzen erholt – viel zu schnell nach meinem Geschmack – und sich wieder aufgerappelt. Kaum eine Sekunde später, fand Niks Faust Ardens Gesicht und hinterließ einen hübschen Abdruck auf der hellen Haut, weshalb er mir nun Gesellschaft leisten durfte.
»Hättest du dich mal ein bisschen zusammengerissen, dann wäre das doch überhaupt nicht nötig gewesen!«, schoss Nik sofort zurück und seine Stimme hallte unnatürlich laut von den Wänden der verlassenen Halle wider.
»Wenn ich mich zusammengerissen hätte? Wie würdest du denn deinen kleinen Ausbruch beschreiben? Wolltest du ihn streicheln und hast dabei nur zu sehr ausgeholt?«, fauchte ich und hätte sich die Wut auf den Jungen vor mir nicht wie Säure durch meine Adern gefressen, hätte ich über die Vorstellung vermutlich gelacht. Doch ich starrte ihn nur finster an. Mein Puls schraubte sich in die Höhe und das altbekannte Rauschen erfüllte wieder meine Ohren.
Nik schien das deutlich zu spüren, doch anstatt einen Rückzieher zu machen, sprühten die blauen Augen eisige Funken und der Zug um seinen Mund ähnelte nun nicht mehr dem verschmitzten Grinsen, welches sonst seine Lippen umspielte, sondern war von Bitternis geprägt.
»Ich musste das tun!«, rief er empört, als wäre sein Verhalten so offensichtlich gewesen. »Wie sollen wir bitte heimlich trainieren, wenn du hier auf den Knien herumrutscht und den Boden wischst? Ich kann nichts dafür, dass du deinen Jähzorn nicht unter Kontrolle hast!«
Ich zuckte zurück, als wären seine Worte heiße Flammen, die er mir wie ein Drache entgegenspuckte.
»Er hat meine Familie – meinen Vater! – beleidigt und seinen Tod ins Lächerliche gezogen!«, schrie ich aufgebracht zurück. Meine Stimme verdoppelte, verdreifachte sich an den kahlen Wänden und schlug die Worte als Echo zurück, die jedoch von Niks sofortiger Antwort verschluckt wurden.
»Na und? Mein Vater ist auch tot, siehst du mich deswegen um mich schlagen wie ein kleines Mädchen?«
Die Gleichgültigkeit, die in seiner Stimme so überdeutlich mitschwang, brachte das Fass zum Überlaufen. Meine Beine setzten sich von allein in Bewegung, rannten auf ihn zu und noch bevor er reagieren konnte, grub sich meine Schulter in seinen Bauch. Das Adrenalin war sofort wieder zur Stelle und ermöglichte es mir gemeinsam mit dem Überraschungseffekt, ihn so weit zurückzudrängen, dass er nach einigen Metern mit dem Rücken gegen die Platte des Empfangstresens stieß.
Über mir entfuhr ihm ein leises, schmerzerfülltes Keuchen, woraufhin mich sofort eine gewisse Genugtuung durchflutete, die jedoch nicht lange anhielt. Ich bekam die volle Kraft seines Knies zu spüren, das geradewegs nach oben flog und sich in meinen ungeschützten Bauch grub. Ich keuchte auf, denn der Schmerz durchzog meinen ganzen Körper und gezwungenermaßen lockerte sich mein Griff um seine Seiten. Nik nutzte den Moment der Schwäche sofort aus und schubste mich von sich. Noch während ich zurückstolperte, überbrückte er den entstandenen Abstand mit großen Schritten wieder, packte meine Hand und drehte sie mir auf den Rücken. Allerdings bekam er das andere Handgelenk nicht zu fassen, was mir Zeit verschaffte, mich um 180 Grad zu drehen und meinen Ellenbogen nach oben zu ziehen, der mit einem dumpfen Geräusch auf seine Wange traf und ihn zurücktaumeln ließ. Ich setzte mit einem Schlag gegen die andere Seite seines Gesichts nach, doch er fing meine Faust geistesgegenwärtig in der Luft ab. Ein gewaltiger Stoß seines Fußes schleuderte mich nach hinten und ich landete unsanft auf dem Rücken.
Am liebsten hätte ich mich kurz ausgeruht und mich von dem stechenden Schmerz erholt, doch kaum einen Wimpernschlag später tauchte Niks muskulöser Oberkörper über mir auf. Er kniete halb auf mir und drückte mich mit all seinem Gewicht in den Boden. Ich schaffte es, meinen Arm freizuringen und verpasste ihm einen fiesen Kinnhaken, wodurch er seinen Griff lockerte. Blitzschnell rollte ich mich zur Seite weg, riss dabei noch den nahstehenden Eimer um, sprang auf und schnellte hinter ihn.
Noch bevor Nik sich zu seiner vollen Größe aufrichten konnte, schlang ich wie auch bei Arden vorhin meinen Arm um seinen Hals und zog die Schlinge aus Haut und Muskeln mit der anderen Hand enger.
»Gibst du wohl endlich auf!«, drängte ich atemlos. Ich war erschöpft und würde nicht mehr lange durchhalten. Doch genauso wenig wie ich, schien Nik derjenige sein zu wollen, der als erstes lockerließ.
»In deinen Träumen vielleicht!«, röchelte er, rammte mir seinen Ellenbogen in die Magengrube und nutzte den Moment der Überwältigung aus, um mich mit meinem Fliegengewicht über seine Schulter zu schleudern.
Der heftige Aufprall auf den Boden presste mir die Luft aus der Lunge, während sich das Wasser durch den Stoff meiner Kleidung drängte und mit kalten Fingern meinen Körper erklomm.
Nik positionierte sich erneut halb auf mir, seine Fäuste fixierten meine Arme. Meine umherzappelnden Beine ignorierte er dabei geflissentlich und wich mehrmals meinem Knie aus, mit dem ich versuchte, sein bestes Stück zu treffen.
Ein tiefes, raues Lachen verließ seine Kehle und machte mich nur noch rasender vor Wut. »Gibst du jetzt endlich auf?«, fragte er betont ruhig, doch seine sich schnell hebende und senkende Brust und das leicht gerötete Gesicht zeigten deutliche Spuren der Anstrengung.
Ich wehrte mich noch einige Minuten, warf mich gegen seinen Griff, doch mein Zappeln brachte außer der wasserdurchtränkten, schmutzigen Kleidung kein ansehbares Ergebnis der Befreiung hervor, weshalb ich mich für eine andere Taktik entschied.
Fürs erste gab ich mich geschlagen, starrte ihn an und wartete darauf, dass er seinen Griff lockerte, sodass ich zurückschlagen konnte. Doch seine Fäuste umklammerten nach wie vor meine Handgelenke, als seien sie aus Metall und sein Körper bewegte sich keinen Zentimeter von mir herunter. Das vertraute Grinsen kehrte auf seine Lippen zurück und vertrieb die angespannten Züge aus dem Gesicht. Das Blau seiner Augen wirkte nun nicht mehr eisig und angriffslustig, sondern blitzte nur schalkhaft auf.
»Ich weiß, was du vorhast ...«, flötete er.
»Ach ja? Und was wäre das?«, entgegnete ich möglichst würdevoll, doch ebenso wie ihm war auch mir anzuhören, dass mir der Kampf die Energie geraubt hatte.
»Du gibst auf, nur um mich dann hinterrücks anzugreifen.« Seine Mundwinkel zogen sich weiter nach oben. »Ich kann es in seinen Augen sehen ... die Angriffslust, die nie ganz verschwindet. Außerdem habe ich dich im Training beobachtet.«
Ich versuchte meine Enttäuschung über den fehlgeschlagenen Trug zu verbergen, doch anhand Niks schallendem Lachen erkannte ich, dass es mir nicht gelungen war. Ergeben atmete ich aus und gönnte meinen angespannten Muskeln eine Pause, indem ich lockerließ. Nik spürte die Veränderung meiner Haltung und ließ von mir ab.
Er rappelte sich auf und hielt mir dann eine Hand hin, um mir ebenfalls hochzuhelfen, doch ich ignorierte sie und drückte mich keuchend in den Stand. Mein verletzter Stolz ließ den letzten Funken Wut in mir erneut aufflammen und mich mit einem Schrei noch einmal nach vorn schnellen.
Mir war schon vorher bewusst, dass ich mir diese sinnlose Energieverschwendung auch hätte sparen können, denn Nik durchschaute meine Absichten sofort, griff nach meinem Arm, wirbelte mich herum und im nächsten Wimpernschlag fand ich mich zwischen seinem muskulösen Unterarm und der nicht weniger eindrucksvollen Brust wieder.
»Na toll, jetzt ist mein T-Shirt dreckig«, stöhnte Nik betont genervt neben meinem Ohr, lachte dann aber leise, sodass mein ganzer Körper von einer heftigen Gänsehaut überzogen wurde.
Ich hoffte inständig, dass Nik sie nicht bemerkte und warf mich deshalb erneut zornig gegen die harte Wand aus Muskeln und Haut. Ich schaffte es, mich aus seinem Griff zu entwinden, doch nur, weil er es zuließ.
»Lässt du es jetzt endlich bleiben?«, fragte er belustigt und wich mit erhobenen Händen und einem lachenden »Woah!« zurück, weil ich erneut auf ihn losstürmen wollte.
Widerwillig bremste ich mich. Nicht, weil ich meine Niederlage einsah, – ginge es nach meinem Stolz, hätte ich so lange gekämpft, bis er um Gnade gefleht hätte – sondern weil mein Körper kein Krümel an Energiereserven mehr zur Verfügung hatte. Noch nie hatten wir so sehr in unseren heimlichen Trainingseinheiten nach der Nachtruhe gekämpft wie heute.
Eine Schmerzwelle, ausgelöst durch die zahlreichen Treffer, überkam mich und ließ mich laut keuchen. Mein Bauch fühlte sich an, als säße anstelle meines Magens ein Stein, meine Brust kam mir seltsam eingedrückt vor und zudem konnte ich durch das schmerzhafte Pochen an Kinn, Hals und Handgelenken deutlich meinen eigenen Herzschlag wahrnehmen. Der Rest meines Körpers zog sich unangenehm vor Erschöpfung zusammen. Am liebsten hätte ich mich einfach auf den nassen Boden gelegt und die Augen geschlossen, doch wenigstens diesen Sieg wollte ich ihm nicht gönnen.
Stattdessen sah ich mit grimmiger Miene an mir herab. Ich war klitschnass. Das kalte Wasser auf meiner erhitzten Haut ließ mich augenblicklich frieren. Ein heftiges Schütteln packte meinen Körper, bevor ich es unterdrücken konnte. Natürlich blieb diese Reaktion nicht unbemerkt und im nächsten Moment hielt mir Nik seine Jacke unter die Nase.
Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust, doch konnte ich das Zittern nicht verhindern, welches meine Glieder erneut packte. Nik quittierte mein kindisches Verhalten mit einem Augenrollen und warf mir die Jacke zu, die ich auffing, kurz bevor sie auf dem schlammigen Boden landete. Ich zog sie schnell über und zwang mich dann dazu, meine Schultern zu straffen und das Kinn würdevoll in die Höhe zu recken.
»Okay, hast du ein Problem mit mir?« Zickig wischte ich mir einige Strähnen aus dem Gesicht, die sich während des Kampfes aus meinem Zopf gelöst hatten und nun in meinem schweißnassen Gesicht kleben blieben. Mit einem giftigen Blick durchbohrte ich Nik.
Dieser schüttelte den Kopf. »Nicht direkt ...«
Bei dieser bescheuerten Andeutung wäre ich am liebsten gleich wieder auf ihn losgegangen, doch ich zügelte mich so gut es ging und machte meinem Ärger mit einem verzweifelten Stöhnen und Haare raufen Luft.
»Dann erklär mir doch bitte, was dieser blöde Kommentar über meinen Vater sollte. Kann ja sein, dass der Tod deines Dads dir am Allerwertesten vorbeigeht, aber mein Vater war mir ziemlich wichtig, klar?«, rief ich aufgebracht und fing an, vor ihm auf- und abzugehen, weil ich das überschüssige Adrenalin, welches noch immer meinen Kreislauf besetzte, abbauen musste.
»Die Bemerkung über deinen Vater tut mir leid, okay? Aber ich musste dir etwas beweisen.«
Verwirrt bremste ich ab und sah ihn an. »Und das wäre?«, hakte ich nach, als er nicht von allein mit der Sprache rausrückte.
»Dass du aufbrausend bist und dich viel zu leicht provozieren lässt!«
»Was?«, zischte ich und spürte, wie neue Wut in mir emporstieg.
»Du hast deine Gefühle nicht unter Kontrolle!«, sagte er ernst.
Eingeschnappt wandte ich mich von ihm ab und eilte zu dem umgekippten Eimer und der riesigen Wasserlache. Ich fing an, mit dem Schwamm die ausgelaufene Flüssigkeit aufzusaugen, nur um mich aus diesem Gespräch winden zu können, doch Nik ließ nicht locker, hockte sich neben mich, riss mir den Schwamm aus den Händen und zwang mich ihn anzusehen.
»Es ist die Wahrheit und das weißt du auch! Hör mal, wenn du da draußen bist, dann ist dort kein Platz für solch ein Verhalten. Wenn du bei jeder Provokation schon den Abzug der Waffe drückst, schießt du nur blind um dich und tötest die Leute deiner Einheit. Ohne Verbündete wird das Überleben viel schwieriger, oder nicht?« Nik warf den Schwamm achtlos beiseite und zog mich an den Schultern hoch.
Seine Worte klangen plausibel, doch noch immer tobte der Ärger in meiner Brust und das Rauschen meiner Ohren hielt jedes Wort der Versöhnung davon ab, zu meinem Bewusstsein vorzudringen und meinen inneren Frieden wieder aufzustellen. Ich verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust und musterte ihn. Seine Miene blieb ernst und zeugte von keinerlei Belustigung oder Absicht, mich in irgendeiner Weise auf den Arm zu nehmen. Auf einmal kam er mir vor wie ein Erwachsener, gegenüber dem ich wie ein kleines, eingeschnapptes Mädchen wirkte. Im Grunde war es ja auch so.
»Und das hättest du mir nicht mit einem normalen Gespräch verklickern können?«, fragte ich.
»Hättest du mir dann zugehört?«, fragte Nik zurück.
Wir kannten beide die Antwort, weshalb ich die Frage einfach so im Raum stehen ließ.
»Du lässt dich von mir verhauen, nur weil du mir zeigen wolltest, dass ich aufbrausend bin?«, fragte ich verwirrt.
Sofort schlich sich ein Grinsen auf das Gesicht des Jungen. Er wusste, dass es mir schwerfiel, meinen Fehler einzusehen, weshalb er nicht weiter darauf herumritt.
»Ich bitte dich, das nennt du Verhauen? Die wenigen Treffer, die du landen konntest, kribbeln kaum noch!«, sagte er und schnaubte belustigt.
»Ach ja?« Ich legte den Kopf schief. »Dann tut dir dein Kinn also nicht weh?«
Blitzschnell streckte ich die Hand nach der geröteten Stelle aus, an der meine Faust aufgekommen war, und drückte leicht zu. Sofort zuckte er unter meiner Berührung zurück und schlug meine Hand weg. Belustigt sah ich ihm dabei zu, wie er versuchte, sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen und kniff schnell meine Lippen aufeinander, um nicht laut loszulachen.
»Okay «, gab er grinsend zu, »du hast mich ganz schon erwischt, Whitefield!«
Sein Gesicht verzog sich zu einer gequälten Grimasse, dennoch hörte ich deutlich die Belustigung aus seiner Stimme.
»Danke«, erwiderte ich mit einem Schulterzucken, »aber du warst auch nicht so schlecht ...«
Seinen empörten Ausruf ignorierte ich und machte mich daran, das Wasser aufzuwischen.
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