Kapitel 94 🎈
Déjà-vu.
Ich liege in einem hell beleuchteten Krankenzimmer, eingebettet in ein weißes Lindtuch und daneben steht meine Mutter: „Ich habe ja gesagt, du sollst nicht fahren, aber du wolltest ja nicht auf mich hören."
„Tut mir leid, Mommy.", sind meine ersten Worte, als ich mich wieder gefangen habe.
Sie tut mir leid. Und jetzt beginnt sie auch noch zu weinen: „Ich habe doch einfach nur Angst, dich zu verlieren. Jede Nacht und auch Tagsüber habe ich von der Horrorvorstellung geträumt, dass dir irgendetwas passiert ist. Das hatte ich schon bevor du weggefahren bist, doch es wurde immer schlimmer bis es zur Realität wurde. Aber dagegen kann ich ja nichts tun. Du hörst ja nicht auf mich."
Schuldgefühle. Gewissensbisse. Bin ich tatsächlich so eine schlechte Tochter? Ich hasse mich ja selbst. Ich könnte mich selbst ohrfeigen, doch was tut meine Mutter: „Aber ich liebe dich, genauso wie du bist. Du tust, was du liebst und dafür können dich nur viele beneiden. Ich will dich ja auch nicht einsperren. Ich liebe dich so sehr, dass ich unbedingt möchte das du wieder auf die Beine kommst und zurück in dieses schreckliche Motel gehst, die Bühne bei der Aufführung rockst und dein Leben lebst! Lass mich nur bitte Teil davon sein."
„Aber natürlich!", ich greife nach ihren weichen Händen: „Du wirst immer ein großer Teil meines Lebens sein, du darfst niemals was anderes denken. Ich liebe dich mehr als alle anderen auf dieser Welt. Du bist schließlich die Frau, die mich schon mein ganzes Leben begleitet."
Sie wischt sich die Tränen aus ihrem Gesicht: „Aber mach so etwas nie wieder! Versprich mir das!"
„Als ob ich mich freiwillig auf einen Balkon aussperren lasse.", ich ziehe sie nah an mich ran und umarme sie so fest ich kann. Sie kann von Glück sprechen, dass ich sie nicht so fest umarmen kann wie ich will, denn dann hätte sie schon längst keine Luft mehr.
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Am frühen Morgen, nachdem mich die Ärzte über Nacht zur Beobachtung hierbehalten haben, kehre ich zurück zum Motel. Die meisten meiner Mitschüler schlafen noch tief und fest und haben keine Ahnung das ich die letzte Nacht im Krankenhaus verbracht habe. Nur noch eine Frage der Zeit bis es sich rum spricht.
Als erstes gehe ich in mein Zimmer und begegne Laurel, die gerade aus dem Bad kommt. Die nassen Haare umwickelt mit einem Handtuch bleibt sie stehen: „Morgen?"
„Morgen. Wieso bist du schon wach? Es ist doch noch nicht Tagwache."
„Ich konnte nicht schlafen. Ich habe mich anscheinend schon an deine Anwesenheit gewohnt.", sie begibt sich zu ihrem Koffer und zieht ein geblümeltes Kleid heraus: „Wie findest du das?"
Habe ich das jetzt richtig verstanden? Sie ist richtig nett zu mir und fragt dann auch noch nach meiner Meinung was ich zu ihrem Kleid sage? Sie hat doch nicht meine Medikamente gestohlen?
„Taylor? Geht es dir auch sicher wieder gut? Du bist doch nicht aus dem Spital geflohen?"
Sorgt sie sich etwa um mich? Laurel? Um mich? Habe ich was verpasst? „Ähm... nein, ich wurde entlassen. Und bei dir auch alles in Ordnung?"
„Das musst du mich nicht fragen, ich habe keinen Krebs."
Aha. Da haben wir's. Sie behandelt mich anders, weil sie nun die Wahrheit kennt. Und genau deswegen verheimliche ich diese Tatsache! „Stopp!"
Verwundert sieht sie mich an: „Was ist denn los?"
„Hör bitte auf mich so zu behandeln als wäre ich jetzt ein komplett neuer Mensch! Genau deswegen erzähle ich niemandem von meiner Krankheit. Ich wäre dir auch dankbar, wenn du es für dich behalten könntest. Leukämie sollte doch nicht gleich mein ganzes Leben verändern?"
„Tut es aber. Leukämie ist kein Husten der einfach so wieder weg geht. Dein Leben hängt davon ab.", meint sie und hat auch ein bisschen recht. Dennoch will ich das nicht wahrhaben! „Hat dir das gestern denn nicht gezeigt, wie ernst das es ist? Du wärst beinahe abgekratzt, nur weil niemand wusste wie es um deine Gesundheit steht."
„Bisher habe ich immer alles überlebt."
„Aber auch nur ganz knapp.", stellt sie mich richtig.
Wieso sind manche Menschen so mühsam. Warum wollen immer alle, dass ich allen die Wahrheit sage? Ist das nicht meine Entscheidung, wem ich die Wahrheit erzähle?
„Okay, ich werde es niemandem verraten. Unter einer Bedingung.", ich höre zu was sie nun verlangt: „Spätestens, wenn das nächste Problem aufkommt, welches du nicht hättest, wenn du nicht krank wärst, erzählst du die Wahrheit! Sonst tu ich es."
„Das ist nicht fair."
„Was ist daran denn bitte nicht fair? Bin ich etwa die einzige die die Wahrheit kennt und der Meinung ist, dass es auch die anderen wissen sollten?"
Ich versuche mein Pokerface aufzubehalten. Meine Maske darf nicht bröckeln.
Sie hält mir ihre Hand hin: „Besser du schlägst ein oder ich erzähl es Nadia. Dann dauert es bestimmt nicht lange bis es jeder weiß."
Na toll. Wenn das die einzigen Optionen sind habe ich sowieso schon verloren. Ich habe von Anfang an gesagt, mit Laurel ein Zimmer zu teilen kommt nicht gut. Dennoch schlage ich ein. So bleibt mir wenigstens noch etwas Zeit meine Koffern zu packen und zu verreisen. Eine andere Wahl habe ich ja dank ihr nicht mehr.
Es wissen zwar immer je mehr Menschen Bescheid, dennoch will ich nicht, dass es Ben erfährt. Er darf es nie erfahren! Niemals! Die andern sind mir egal. Aber Ben wird es mir nicht leicht machen.
Die Tür in unser Zimmer wird aufgerissen und Miss Monroe kommt hinein: „Also ehrlich, wie schafft ihr es nur mit so wenig Schlaf auszukommen?", meint sie als sie und erblickt wie wir mitten im Zimmer diskutieren. Sie kommt sicher gerade aus Zimmern, bei denen alle noch wie ein Murmeltier am Schlafen sind.
„Guten Morgen, Miss Monroe.", begrüßen Laurel und ich sie gleichzeitig.
Sie schließt die Tür und stellt sich zu uns und beäugt mich genau: „Na, wie geht's? Meinst du, du kannst heute mitmachen? Ehrlich gesagt habe ich noch nicht einmal damit gerechnet, dass du so früh wieder zurück bist."
„Alles bestens. Man muss es ja auch nicht gleich so offensichtlich an die große Glocke hängen."
„Aber wieso hast du denn nichts gesagt?"
„Es war ja alles gut. Nur diese dämliche Balkontür hat mich daran gehindert meine Medikamente zu nehmen.", erkläre ich und beende so auch diese Diskussion. Denn sie geht jetzt auch wieder und lässt uns allein.
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