Kapitel 92 🎈
Unterdessen habe ich mich auch hingesetzt. Keine Ahnung wie lange wir hier schon sitzen. Zum Glück trage ich nie eine Uhr, sonst würde ich nur noch da drauf starren und beobachten wie langsam sich die Zeiger bewegen. Aber Laurel hat eine Uhr.
„Wie spät ist es?"
„Fünf Minuten später als du das letzte Mal gefragt hast."
„Sorry, aber ich kriege noch die Krise, wenn wir hier weiter nur dumm rumsitzen."
„Ich sage dir, wenn du wieder beginnst Rundenen zu laufen werfe ich dich eigenhändig über das Gelände. Vielleicht würdest du auf diesem Beet sogar weich landen.", meint sie mit ihrer typischen aggressiven Art. Ich weiß aber nicht ob sie genau runter geschaut hat. Unter uns befindet sich viele Quadratmeter mit diversen Pflanzen weswegen auch keine Menschenseele hier ist. Das Betreten verboten Schild sieht man sogar von hier oben wie es am Zaun aufleuchtet. Und von all den hunderten von Blumen sind unter uns die Rosen. Wunderschön, aber mit weich landen wird nichts. Außerdem sind das 3 Stockwerke die man fallen würde. Ich weiß gar nicht was das Schlimmste sein wird.
Ich gehe dieses Risiko lieber nicht ein: „Kannst du mir dann wenigstens etwas erzählen? Oder lass und zusammen einen Song singen. Irgendwas?"
Skeptisch guckt sie über ihre Sonnenbrille hinweg: „Dein Ernst? Hast du vorher nicht deutlich klar gemacht, dass du mich nicht mehr kennen willst. Wir sind keine Feinde, okay, aber warum tust du dann auf Freundin?"
Tu ich das wirklich? Oh: „Tut mir leid, ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wie man mit jemandem redet mit dem man... nichts ist."
„Hör auf dich ständig zu entschuldigen! Das geht einem wirklich auf den Keks.", motzt sie: „Und mit Menschen mit denen man nichts ist, redet man am besten gar nicht! Verstanden? Jetzt halt also endlich deine verfluchte Klappe!"
Das war klar verständlich. Jetzt getraue ich mich gar nichts mehr zu sagen. Schließlich möchte ich keine Rosen pflücken gehen.
Aber diese Ruhe zwischen uns killt mich!
Warum muss ich denn ausgerechnet mit Laurel ausgesperrt sein? Wäre doch nur Layla hier. Die hätte auch ganz sicher ihr Handy zur Hand und könnte Hilfe rufen und während wir auf diese Hilfe warten könnten wir die interessantesten Gespräche führen die es gibt. Und zu lachen hätte ich sicher auch was. Ich würde gar nicht merken, dass wir ausgesperrt sind.
Layla ist einfach unersetzlich.
Ich kann den Gedanken nicht mehr loslassen, dass ich in ein paar Stunden vielleicht hier sterben könnte, wenn ich meine Medikamente nicht bekomme. Ohne mich zu verabschieden. Ich werde tot aus dem Lager nach Hause kommen. Meine Mam hat von Anfang an schon gesagt, dass sei keine gute Idee mitzufahren. Aber ich spiele nun mal die Hauptrolle. Ich konnte doch nicht alles hinschmeißen, weil ich nicht auf diese Klassenfahrt konnte? Auch wenn ich es geschafft hatte mich durchzusetzen, ist jetzt der erste Moment wo ich daran denke, dass Mam vielleicht doch recht gehabt hat. Ich hätte doch nicht mitfahren sollen. Damit hätte ich so viel Drama ersparen können. Was nicht heißt, dass alles nur wegen mir passiert ist...
Jetzt beginne ich alles zu hinterfragen...
Hätte Layla die Haare von Laurel auch grün gefärbt, wenn ich nicht dabei gewesen wäre? Hätte ich mich mit Laurel ausgesperrt? Hätte ich das Thema Heirat mit Ben ausdiskutieren müssen? Hätte Layla versucht Selbstmord zu machen, weil sie unter Drogen war? Wäre sie tatsächlich gesprungen, wenn ich sie nicht aufgehalten hätte? Hätte Leon so viel getrunken das er nicht mehr laufen konnte? Hätte ich Silas jemals wiedergesehen?
So viele Fragen die nie beantwortet werden können, weil es anders gekommen ist. Weil ich dabei war. Ob das nun gut oder schlecht ist kann man auch nicht einschätzen. Aber das Gefühl das ich alles kompliziert mache und gefährde lässt mich nicht los. Vielleicht wäre ohne mich wirklich alles besser.
Dennoch kann ich nicht loslassen! Jedenfalls noch nicht. Es gibt noch so viele Dinge die ich klären muss. Aber jetzt hier, auf diesem Balkon, gibt es nur noch etwas:
„Help me...", nuschle ich und im Augenwinkel beobachte ich, wie Laurel unter ihrer Sonnenbrille hervor guckst.
„It's like the walls are craving in."
Laurel hält mich nun für komplett bescheuert.
„Sometimes I feel like giving up"
Kurze Pause.
„But I just can't...", ich habe keine Kraft mehr in meiner Stimme.
„It isn't in my blood."
Laurel zieht die Sonnenbrille ab und versteht so langsam was ich mache.
„Laying on the bathroom floor, feeling nothing
I'm overwhelmed and insecure, give me something. I could take to ease my mind slowly."
Ich strecke meine Beine von mir, die ich bisher fest umklammert angezogen hatte.
„Keep telling me that it gets better."
Ich atme tief ein.
„Does it ever?"
Ich lasse meinen Blick sinken. Die letzte Kraft die ich noch hatte ging verloren... an Shawn Mendes.
Es kehr wieder Ruhe ein, bis Laurel weiter singt: „Help me, it's like the walls are caving in
Sometimes I feel like giving up
No medicine is strong enough
Someone help me
I'm crawling in my skin
Sometimes I feel like giving up
But I just can't..."
Ihre Stimme ist viel klarer und Kraftvoller, dennoch fühle ich mich ermutigt weiter zu singen. Mit ihr:
„It isn't in my blood!
I'm looking through my phone again, feeling anxious
Afraid to be alone again, I hate this
Help me, it's like the walls are caving in
Sometimes I feel like giving up
No medicine is strong enough
Someone help me
I'm crawling in my skin
Sometimes I feel like giving up
But I just can't
It isn't in my blood
It isn't in my blood
I need somebody now
I need somebody now
Someone to help me out
I need somebody now
Help me, it's like the walls are caving in
Sometimes I feel like giving up
But I just can't
It isn't in my blood"
Wir atmen aus und starren uns beide an. Unsere Stimmen harmonisieren erstaunlich gut miteinander. Und es hat mir tatsächlich Kraft geschenkt.
„Geht es dir jetzt besser?", fragt sie nicht ganz 100% mitfühlend. Aber ihr Unterton ignoriere ich: „Ja, danke. Du singst wirklich gut."
„Ich weiß, das brauchst du nicht extra zu erwähnen.", meint sie während sie ihre Haare hinter die Schultern wirft.
Sie ist hübsch, talentiert und mit einem riesen großen Selbstwertgefühl gesegnet, manchmal sogar fast schon zu groß, würde sie aber ab und zu mal was Nettes tun und nicht so egoistisch sein, wäre sie ein großartiger Mensch. Das ist doch nicht schwer. Ich verstehe sie nicht. Behandelt sie Nadia besser, wenn sie nur zu zweit sind? Sonst verstehe ich Nadia auch nicht. „Hast du jemals etwas Gutes in deinem Leben für jemand anderen gemacht?"
Schockiert starrt sie mich an, als hätte ich die absurdeste und privateste Frage gestellt die es gibt: „Dazu brauchst du keine Antwort."
„Ach was, jeder hat doch schon mal was Nettes getan."
„Ich bin aber nicht nett!", faucht sie.
Ich verstehe das nicht. Wieso wünscht man anderen mit Absicht was Böses?
„Du willst also die Wahrheit wissen wieso ich so bin wie ich bin?"
Neugierig starre ich sie an.
„Der Grund bist du, Taylor!"
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