Kapitel 90 🎈
Die Situation spannt sich an.
Wir sehen alle hin und her und warten auf den nächsten Zug. Am liebsten wäre mir natürlich, wenn er nicht von Silas kommt. Und da ich auch gerade keinen Plan habe, was ich sagen soll, hoffe ich auf Ben. Wobei, was könnte er schon groß sagen?
Also Taylor, denk nach! So dumm bist du doch nicht und jetzt würden sie dir zuhören. Sonst habe ich doch auch immer irgendeinen Senf den ich dazugeben muss: „Ähm... ich... ich..."
Außer sinnloses Stottern kriege ich nichts aus mir hinaus. Bravo. Jetzt wird Silas ihm alles erzählen. Wieso konnte ich es ihm denn nie erzählen. So hat er es nicht verdient. Niemand hätte es verdient, die Wahrheit über dritte zu erfahren. Ich würde es auch nicht wollen.
Aber ich bringe es weder übers Herz, noch über die Lippen. Wieso ist das nur so verdammt schwer für mich?
„Also...", Silas möchte gerade beginnen, als ihn Ben unterbricht: „Halt. Du musst mir gar nichts erzählen."
Hä? Wie bitte was? Was tut er da?
Er dreht sich zu mir: „Erinnerst du dich an die Abstellkammer? Ich nehme an, es geht um dieses Thema." Sein Blick dringt in mich: „Wir haben das doch dort geklärt und vereinbart, dass du mir die Wahrheit sagst, wenn du bereit dazu bist. Nicht, wenn dich ein alter Bekannter dazu drängt. Und erst recht nicht möchte ich, dass er mir sowas sagt. Ich vertraue dir und stressen brauchst du dich nicht. Es ist alles gut zwischen uns."
Wow.
Kann ein Mensch wirklich so gut sein? Das ist ja schon verdächtig.
„Jetzt guck nicht so blöd.", lacht er: „Ich sehe doch, wie sehr du damit zu kämpfen hast und wenn ich dir nur so helfen kann, opfere ich gern mein Unwissen."
Ich wiederhole mich: Wow.
Wahrscheinlich denkt Silas genau dasselbe, denn sein Maul steht sperrangelweit offen, bis er endlich wieder Worte findet: „Verdammt, Taylor, heirate diesen Kerl, sonst tu ich es!"
Was ist den heute los? Mit keiner Aussage die bereits gesagt wurde konnte ich rechnen. Auch Ben, der beschämend lächelt und sich am Hinterkopf kratzt, kann nichts mehr dazu sagen. Dabei sind wir ja nicht mehr zusammen! „Dir ist klar, dass wir kein Paar sind?"
Geschockt sieht er mich an.
Moment. Hat er etwa gedacht, wir beide sind noch zusammen?
„Wie? Ihr seid kein Paar? Wieso verhaltet ihr euch dann so als wärt ihr verheiratet?"
„Hier ist niemand verheiratet und in nächster Zeit wird auch niemand heiraten!", stelle ich fest. Ich wollte zwar mal heiraten, aber doch nicht schon mit 18! Aber wenn man so überlegt, wie lange ich noch lebe, sollte ich mich beeilen. Aber welcher Mann will den noch vor den Zwanzigern Witwer werden?
„Wir sind nur Freunde.", bestätigt Ben meine Aussage, aber mit weniger Überzeugungskraft als ich. Vielleicht sollte ich aufpassen, was ich sage, bevor ich irgendwelche Gefühle verletze.
„Aber Romeo möchte mehr oder was? Tayli, hör auf mit seinen Gefühlen zu spielen und gib ihm eine Chance!", hatte Silas früher auch schon so eine große Klappe?
„Halt dein Maul! Das ist viel komplizierter als du denken magst.", platzt es leicht aggressiv aus mir heraus. Dieser Ton was nicht beabsichtigt.
Warum stehen wir drei eigentlich hier? Unsere Diskussionen bringen rein gar nichts und ich empfinde jetzt nicht zum ersten Mal Schamgefühl.
„Leicht reizbar heute? Oder ist das in den letzten paar Jahren die ich verpasst habe zur Persönlichkeit geworden?"
Genervt verdrehe ich meine Augen, stöhne laut aus und drehe mich auf dem Absatz um.
Ich hasse Menschen!
Auch wenn ich hinten keine Augen habe, weiß ich genau, dass Silas Ben verwirrt ansieht und sich womöglich fragt, ob er was Falsches gesagt hätte.
Die Antwort wäre übrigens ja.
Und Ben zuckt sicherlich nur mit den Schultern, weil er ein männliches Wesen ist und meint, er versteht Frauen nicht. Doch in Wirklichkeit sind alle Männern nur zu faul oder Geistlich beschränkt, um sich richtig Mühe geben zu können so weit darüber nachzudenken bis man zum Resultat kommt.
Dieses Problem habe ich zum Beispiel nicht. Wie man erkennen mag.
Wütend sprinte ich die Treppen hoch zu meinem Zimmer, knalle die Tür hinter mir zu und werfe mein Handy auf das Bett. Doch dieses prallt ab und fliegt erneut durch die Lüfte, bleibt aber kurz vor der Bettkante wieder liegen.
Doch das mein Handy fast auf den Boden geflogen wäre, ignoriere ich. Ich fahre mir wild durch die Haare. Ich bin so aufgebracht. Ich brauche frische Luft.
Schnurstracks öffne ich die Balkontüre und trete vor bis ans Gelände.
Tief durchatmen, Taylor. Es ist alles halb so schlimm. Es ist alles gut.
Was ist eigentlich in mich gefahren? Ich bin total aufgebracht. Ich könnte schreien!
Ich laufe auf dem kleinen Balkon hin und her. Der Balkon ist meinen Schätzungen nach ca. 1m mal 2m groß. Evtl. ein bisschen mehr aber sicher nicht viel. Das heißt, er ist extrem klein. Dennoch laufe ich hier einen kleinen Marathon ab bis es mir schwindlig wird und ich mich wieder am Gelände abstütze.
Ich verstehe nicht was ich hier überhaupt noch mache.
Ich versteh auch nicht, wieso ich Ben nicht die Wahrheit sagen kann.
Oder warum er sich nicht die Mühe gibt die Wahrheit herauszufinden.
Warum kann er es nicht einfach spüren?
Mir werden immer die Worte fehlen. Da bringt auch die Zeit nichts.
Ich atme tief ein und lausche den Geräuschen der Natur.
Dann beginne ich zu singen.
Keinen Song den ich kenne. Ich singe ganz alleine meine Gedanken:
„Ich treibe durch die Straßen, wie ein kleines Floss im Meer. Ich hör nur weißes Rauschen, ich hör nur diesen Lärm. Worte sind wie weg. Brechen über mir zusammen. Ist irgendwer da draußen, der mich verstehen kann? Der mich verstehen kann.
Hör mir zu, wenn ich schweige. Schau genauer hin! Hör mir zu, wenn ich dir zeige, wer ich wirklich bin. Hör mir zu, wenn ich schweige! Ich habe so viel zu erzählen. Und das reden fällt oft leichter, wenn mir die Worte fehlen.
Denn wie oft ist das, was man nicht ausspricht das, worum es geht? Und so oft ist das was zwischen den Zeilen steht das, was wirklich zählt?
Hör mir zu, wenn ich schweige. Schau genauer hin! Hör mir zu, wenn ich dir zeige, wer ich wirklich bin. Hör mir zu, wenn ich schweige! Ich habe so viel zu erzählen. Denn das reden fällt oft leichter, wenn mir die Worte fehlen.
Wenn mir die Worte fehlen..."
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