12. Auf zum Rummel!
Ob Mama sich wohl wundert, dass die Zwillinge am Abend auf dem Weg zum Rummelplatz nicht wie üblich ihre Scherze miteinander treiben, sondern nur muffelig nebeneinander herlaufen?
Bei der Erinnerung an ihre grandiosen Misserfolge und vor allem an ihre vollkommen überzogenen Reaktionen darauf, muss ich wieder schadenfroh vor mich hinglucksen. Wie sich herausgestellt hat, sind die Knöpfe auf den Controllern nämlich tatsächlich klein genug, um auf mich zu hören.
Und es scheint desaströse Auswirkungen auf das Spielgeschehen zu haben, einfach wahllos darauf rumzudrücken. Ihren Highscore können die beiden jedenfalls knicken.
"Muuum, es ist wirklich nicht nötig, dass du uns begleitest", versucht Clark erneut sein Glück. "Wir sind alt genug, um auch allein auf die Kerwe zu gehen!"
So oder so ähnlich klingen seine Überredungsversuche schon, seit Mama verkündet hat, die Jungs abends begleiten zu wollen. Langsam aber sicher hat sich ein quengelnder Unterton eingeschlichen.
"Na klar seid ihr alt genug", entgegnet Mama lachend, "aber ich will auch auf das Fest! Kann ja nicht ständig nur daheim rumsitzen. Und eurer Schwester tut es auch gut, mal ein bisschen was anderes zu sehen als zuhause die weiße Wand!"
~Auf alle Fälle~, kann ich ihr nur zustimmen, ~ich freu mich riesig. Es soll ja eine Menge Buden geben und ein Kinderkarussell und sogar ein Riesenrad!~
"Freut ihr euch schon auf die Parade morgen?", fragt meine Mutter an meine Brüder gewandt. "Es sollen ja verschiedenste tolle Wagen mitfahren, und einige lokale Berühmtheiten haben wohl auch zugesagt."
Meine Brüder murmeln nur unverständlich vor sich hin, können Mama aber nicht mehr so richtig in die Augen schauen. Lokale Berühmtheiten also, soso. Die drei scheinen sich in ihren Kostümen ja sehr sicher zu fühlen, wenn sie sich so dermaßen in der Öffentlichkeit zeigen.
"Ja, aber ...", kommt nun von Bruce, der aber gleich wieder von Mama unterbrochen wird. "Keine Sorge, ich werde euch nicht die ganze Zeit auf der Pelle hocken. Ihr könnt dann dort gerne allein um die Hütten ziehen."
~Wenn ihr dann euren Kram auch selbst bezahlt~, muss ich meine Brüder ein bisschen aufziehen, natürlich wie immer unverstanden. ~Ich bleib lieber bei Mama, da bin ich rundum versorgt.~
Als hätten sie mich gehört, bleiben meine Brüder doch noch eine ganze Weile bei uns, als wir im Geschehen angekommen sind. Wahrscheinlich eher in der Nähe von Mamas Geldbeutel, aber das ist bestimmt nur die kleine Zynikerin in mir.
Jedenfalls futtern die drei sich durch eine Unmenge Bratwürste, kiloweise Pommes, unzählige Schoko-Früchte, mehrere Stangen Zuckerwatte und einen riesigen Eimer Popcorn. Dass die drei immer noch in ihre Kostüme passen, wundert mich wirklich.
Wobei von der Zuckerwatte und dem Popcorn noch so viel übrig bleibt, dass Mama beschließt, die Reste für den nächsten Tag mit nach Hause zu nehmen. Natürlich werden die Überbleibsel bei mir im Buggy deponiert, und das, obwohl ich unfairerweise nichts davon probieren darf.
Immerhin bekomme ich, quasi als Entschädigung, ein riesiges Plüscheinhorn geschenkt, so richtig mit rosa Fell, buntem Schweif und glitzerndem Horn auf der Stirn.
"Da, Kleine", sagt Clark mit unverkennbarem Stolz in der Stimme, während er mir das wunderbar kitschige Stofftier entgegenstreckt, "das hab ich für dich beim Dartspielen gewonnen!"
Ich hege ja den leisen Verdacht, dass er ein paar der kleinen Luftballons eigentlich nicht mit dem Dartpfeil, sondern mit kurzen Laserblitzen zum Platzen gebracht hat, aber angesichts meines neuen Stofftiers will ich es mal nicht so genau nehmen. Zumal einige der Luftballons offensichtlich so labbelig aufgeblasen werden, dass sie ohne Schummeln kaum zu treffen sind.
Aus den Augenwinkeln sehe ich noch, wie die Zwillinge einander einen Blick zuwerfen, sich gegenseitig in die Rippen schnippen und dann zu verschiedenen anderen Buden mit Spielen losziehen.
~Was machst du da?~, frage ich Peter von meinem Buggy aus, der vor einer der Buden zum Stehen gekommen ist.
"Aah, da muss man dann also die Ente mit dem Stern auf dem Bauch finden?", schlussfolgert meine Mutter hinter meinem Rücken. Wir stehen vor einem riesigen, wassergefüllten Bottich, in dem dutzende Plastikentchen schwimmen. "Das scheint mir ein ziemliches Glücksspiel zu sein."
Peter überlegt kurz, betrachtet die Enten mit leicht zusammengekniffenen Augen und in Falten gelegter Stirn, bis sich sein Gesicht plötzlich aufhellt und er zielsicher nach einer Ente ziemlich in der Mitte des Beckens angelt.
"Der Hauptgewinn, der junge Herr, herzlichen Glückwunsch", gratuliert der Budenbesitzer Peter nur wenig später mit leicht verkniffenem Gesicht, während er ihm einen aus meiner Warte überlebensgroßen Gorilla aus dunkelblauem Plüsch in die Hand drückt.
Ob da wohl sein Röntgenblick im Spiel war? Egal, da Peter den Gorilla sofort an mich weiterreicht, will ich mich mal nicht beklagen.
Bruce hat sich derweil an eine Bude begeben, an der man mit Wasserspritzpistolen Bälle eine Wand bis zu einer markierten Linie hochtreiben muss. Keine Überraschung, räumt auch er den Hauptgewinn ab.
Natürlich ohne jede Hilfe seiner Kräfte. Nicht.
Mit einem riesenhaften Walfisch mehr wird mein Buggy nun doch deutlich eng, unter dem Berg aus Stofftieren kann man mich wahrscheinlich nur noch erahnen. Dennoch finde ich den Abend bisher rundum erfolgreich.
"Mäuschen, schau mal, wäre das nicht was für dich?", höre ich Mama von hinter mir rufen. Leider kann ich nur schwer erkennen, auf was sie mit ihrem ausgestreckten Arm zeigt. Anscheinend aber etwas Tolles.
(858 Wörter)
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro