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Über dem Mistelzweig


In der Nacht hat es stark geschneit, sodass Jake mit hundertprozentiger Sicherheit weiße Weihnachten vorhersagt. Die letzten Tage war der Schnee wieder geschmolzen und keine weiteren Flocken vom Himmel gefolgt. Dadurch, und durch den Graffiti-Zwischenfall, ist die Weihnachtsstimmung im Lost & Found ein wenig abhandengekommen.

Deshalb ist der Besuch des Weihnachtsmarkts eine willkommene Abwechslung für alle. Da ist er sich sicher.

Grinsend öffnet er die Tür vom Lost & Found und lässt Caitlin hinter sich eintreten. Heute sind sie gemeinsam von der Schule hergefahren, um keine Zeit zu verlieren. Die Kinder sollten sich bereit machen, sodass sie gleich weiter können, aber niemand ist in Sicht.

Überrascht hält Jake im Flur inne, als es unter seinen Füßen knackst.

„Pass auf, wo du hintrittst, überall sind Mistelzweige verteilt", murmelt er mit einem Blick auf dem Boden.

„Was?" Caitlin bleibt stehen, wartet auf eine weitere Erklärung, aber Jake hebt nur eine Augenbraue. Als er merkt, dass Caitlin seinen wortlosen Tipp nicht versteht, formt er stimmlos den Namen: „Henry". Und sie öffnet den Mund als würde sie einen Aha-Moment erleben und nickt. Da ist der selbsternannte Amor mal wieder im Spiel.

Bereits seit der Schneeballschlacht hat sie das Gefühl, dass Henry beinahe täglich versucht, die beiden näher zu bringen. Aber mit all dem Malost Drama dazwischen, hat Caitlin einfach nicht den Kopf dafür gehabt.

„Müssen die nicht normalerweise aufgehängt werden?", fragt sie, während sie einige der Zweige aufhebt und begutachtet. Nur wenige von ihnen tragen Früchte.

„Sag ich doch", hören Jake und Caitlin gleichzeitig eine Stimme von oben flüstern und Caitlin hält sich grinsend die Hand vorm Mund, um nicht laut zu lachen.

Auch Jake muss sich ein Grinsen verkneifen, rollt demonstrativ mit den Augen und sammelt die umliegenden Mistelzweige ein. Als er sich wieder aufrichtet, hat Caitlin dieses Funkeln in den Augen, das ihm suggeriert, dass sie etwas ausheckt, worauf er sich nur zu gern einlässt.

„Wollten wir nicht gleich los zum Weihnachtsmarkt?" Gespielt irritiert schaut Caitlin durch den leeren Flur. Keins der Kinder ist angezogen oder auch nur in Sichtweite. Jake zuckt mit den Achseln.

„Sie sind anscheinend krank", springt Jake in das Schauspiel mit ein und spricht ein wenig lauter als gewöhnlich.

„Alle sieben?", ruft sie überrascht zurück und grinst dann, wartend auf eine Reaktion der Kinder, die oben leise am Treppenabsatz lauschen. Ein unüberhörbares Poltern, gefolgt von einem „Shh" ist zu hören. Dann ist alles wieder still.

„Wollen wir vielleicht zu zweit gehen?", fragt Caitlin da auch schon grinsend, um Henry seinen Wunsch zu erfüllen. Gleichzeitig spürt sie das leichte Kribbeln in ihrem Bauch, das ihr suggeriert, dass sie diese Frage nicht nur Henry zu Liebe gestellt hat.

„Gern", antwortet Jake und ruft nach oben: „Letzte Chance, wir gehen sonst!"

Aus dem ersten Stock sind viele kleinen Tippelschritte zu hören, die Caitlin mit einem Schmunzeln wahrnimmt. Dann sieht Jake wieder zu ihr und sie zuckt mit den Schultern.

Sie entscheiden sich, zu Fuß zum Weihnachtsmarkt zu laufen. Der Schnee fällt langsam in dicken Flocken und Caitlin versucht, sie mit der Zunge einzufangen.

Wie ein kleines Kind freut sie sich darüber, wenn sie es geschafft hat, und präsentiert Jake stolz den schmilzenden Stern auf der Zunge.

„Du bist doch verrückt", kichert er, als er ihre funkelnden Augen erkennt und wie viel Spaß ihr diese Banalität bringt.

„Nicht verrückter als du. Du hast dich auf Mason gestürzt", lacht Caitlin bei dem Gedanken an gestern Abend.

„Ja, aber du hast ihm einen Fausthieb verpasst", erinnert Jake sie tadelnd.

„Nachdem er mir einen gegeben hat. Wir sind quitt." Caitlin zuckt mit den Schultern, was Jake zum Lachen bringt.

„Mein Vater sagt übrigens, dass die Polizei seine Fingerabdrücke mit denen aus dem Einbruch übereinstimmen."

„Zu den schlausten hat er noch nie wirklich gehört."

„Weißt du, warum er dort eingebrochen ist?", fragt Jake schmunzelnd, während er die herabfallenden Schneeflocken bewundert.

„Nö, aber ist das wichtig?" Sie bleibt stehen, sieht ihn mit ihren dunklen großen Augen an und bevor Jake darüber nachdenken kann, legt er seine Hand an ihre Wange, streicht sanft über ihr Grübchen. Caitlin sieht ihn mit leicht geöffneten Mund an, nimmt dann seine Hand in ihre und zieht ihn einige Schritte mit, ehe sie sie wieder loslässt.

„Warum bist du eigentlich so ein Weihnachtsmensch?", fragt sie, um das Thema zu wechseln, und Jake geht darauf ein.

„Wer mag denn nicht Weihnachten?", stellt er die Gegenfrage, doch Caitlin sieht ihn mit hochgezogener Augenbraue an, während sie mit beiden Zeigefingern auf sich selbst deutet.

„Ja, gut, aber du hast sicherlich auch 'nen guten Grund dafür", versucht Jake ihre Abneigung zu rechtfertigen. Sie halten an einer roten Ampel und Caitlin nickt langsam.

„Ist mein Geburtstag."

„Du hast an Weihnachten Geburtstag?", Jake strahlt sie an, als hätte er den Beweis dafür, dass der Weihnachtsmann wirklich existiert.

„Ich feiere meinen Geburtstag nicht", antwortet sie mit dem Gedanken daran, wie sie und ihr Vater jedes Weihnachten an einen Ort gehen, der alles andere als zum Feiern gedacht ist.

Die Ampel schlägt auf Grün und mit schnellen Schritten geht Caitlin voran.

„Das ist doch unglaublich cool! Weihnachten ist der beste Feiertag des Jahres und du darfst gleich zwei Mal an einem Tag feiern, obwohl", er hält inne und für einen Moment hofft Caitlin, dass Jake sieht, wie es ihr mit diesem Gedanken geht. Dass er erkennt, dass Weihnachten nur für ihn der schönste Tag im Jahr ist.

„Es ist wahrscheinlich auch einsam. Niemand hat an deinem Geburtstag Zeit und bestimmt bekommst du von einigen nur einmal Geschenke, statt zweimal." Er kratzt sich am Kinn, als würde er wirklich ernsthaft darüber nachdenken und die Pros und Kontras miteinander abwägen.

„Ja, genau", stimmt Caitlin zu und räuspert sich. Sie ist nicht bereit, ihm jetzt ihre ganze Lebensgeschichte zu unterbreiten. Früher oder später wird sie ihm einiges sagen müssen, aber heute ist nicht der Zeitpunkt dafür. Heute reicht es, wenn Jake denkt, er hätte recht. Dass sie Weihnachten nur aus dem Grund hasst, weil sie einmal im Jahr Geschenke erhält.

Obwohl ihre Gründe weitaus über etwas so Banales wie Geschenke hinausgehen. Denn Geschenke bekommt sie schon seit Jahren keine mehr.

„Da ist er!", Jake läuft vor sie, dreht sich um und streckt die Arme gen Himmel. Hinter ihm befinden sich viele kleine Holzhütten, die mit Lichterketten dekoriert sind. Es riecht unglaublich süß und eine Menge Leute tummeln sich zwischen den Hütten, trinken aus Porzellanbechern oder essen aus Papiertüten Kleinigkeiten.

Caitlin kichert, als sie versucht, die roten Nasen der Menschen zu zählen. Ein Rudolph nach dem anderen kommt ihr entgegen, als Jake sie direkt in die Menge zieht.

Begeistert hält er an einem kleinen Häuschen und bestellt sich gebrannte Mandeln sowie Esskastanien und bietet sie Caitlin an. Voller Erwartung sieht er sie an, während sie auf der gebrannten Mandel kaut und hofft, dass dieses harte Ding endlich den Kampf gegen ihre Zähne verliert.

„Süß", hustet sie dann, nimmt sich aber direkt noch zwei aus der Tüte. Jake besorgt alkoholfreien Punsch, während Caitlin sich einen Crepe mit Nutella zubereiten lässt. Ein wenig schlendern sie zwischen den Buden her, bestaunen die Holzschnitzereien und selbst gezogene Kerzen, die angeboten werden. In einem Häuschen wird Christbaumschmuck verkauft und Caitlin bleibt mit glasigen Augen an einem Kristallengel hängen.

„Möchtest du den kaufen?", fragt die alte Dame und deutet auf den funkelnden Engel, den Caitlin bewundernd zwischen den Fingern dreht. Sie schüttelt den Kopf, obwohl sie nichts lieber täte, als ihn mitzunehmen. Jake bemerkt, wie Caitlin dem Engel noch lange hinterher starrt, weswegen er fragt: „Warum hast du ihn nicht mitgenommen?"

Zur Antwort zuckt sie mit den Schultern und sagt: „Ich hätte nichts, wo ich ihn aufhängen könnte." Überrascht bleibt Jake stehen, mustert Caitlin einen Augenblick.

„Was denn?", fragt sie lächelnd, aber ihre Augenlider sind schwer vor Trauer.

„Du solltest ihn mitnehmen. Komm."

„Jake", erwidert Caitlin, lässt sich aber doch von ihm zurück zum Verkaufsstand begleiten.

„Sie hat es sich anders überlegt", sagt Jake freundlich zur alten Dame, die langsam nickt und den Kristallengel in Papier einwickelt.

„Ich hab' doch gesagt, wir haben keinen Weihnachtsbaum."

„Aber einen Rhododendron", erwidert Jake, ohne sie anzusehen. Mit einer schnellen Handbewegung und einem dankbaren Lächeln bezahlt er und überreicht Caitlin das kleine Päckchen.

„Das hättest du nicht tun müssen."

„Doch, irgendwie schon." Er zwinkert und zeigt auf einen der festlich dekorierten Tische, an die sie sich setzen und die weihnachtliche Musik genießen, die sie umgibt.

„Es riecht so verdammt gut hier", schwärmt Caitlin und nimmt einen tiefen Atemzug, um alle Gerüche aufzunehmen.

„Orange und Zimt", antwortet Jake und zeigt auf einen Weihnachtsbaum hinter Caitlin, der mit getrockneten Orangenschalen und Zimtstäbchen behängt ist. Es stehen viele Weihnachtsbäume in gleichmäßigen Abständen um die Sitzecke herum, alle unterschiedlich geschmückt. Aber der Orangenbaum hat es ihr besonders angetan. Dieser intensive Geruch gemischt mit dem Zimt überwältigt sie.

„So riecht Weihnachten", schwärmt sie und genießt den Trubel um sie herum. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen sich hier beisammen gefunden haben und gemeinsam feiern, singen und lachen. Ein kleiner Stich in ihrer Brust fragt sie, ob sie die letzten Jahre womöglich etwas verpasst hat.

„Darf ich dich was fragen?" Caitlin sieht unsicher zu Jake, der sich gerade zufrieden eine Esskastanie in den Mund wirft. Dann schaut er sie abwartend an.

„Wie...wie bist du...dort gelandet?"

„Bei den Riveras?" Caitlin nickt stumm.

„Das ist schon eine Weile her", Jake legt den Kopf in den Nacken, betrachtet schweigend den dunkler werdenden Himmel, während er die warme Luft herauspustet und sich kleine Wölkchen von ihren Gesichtern erheben.

„Ich war noch ein Kind, fünf Jahre", beginnt er, bevor er wieder eine Pause macht. „Ich bin aufgewacht, weil der Feuermelder in der Küche angegangen ist. Meine Mutter hat Pancakes gemacht", seine Mundwinkel verziehen sich zu einem mitleidigenden Lächeln, „oder hatte es jedenfalls vorgehabt. Ich habe einen verbrannten Pancake in der Pfanne gefunden."

Er sieht zu ihr hinüber, doch sie wartet mit großen Augen, bis er bereit ist, weiterzusprechen, bis er bereit ist, die grausamen Dinge von damals, die er gesehen hat, in Worte zu fassen.

„Sie lag auf dem Küchenboden", er schluckt, wendet den Blick ab und schließt die Augen und kurz möchte Caitlin ihn daran erinnern, dass er nicht gezwungen ist, es ihr zu erzählen. Dass sie keinen Anspruch auf seine Geschichte hat. Doch bevor sie etwas sagen kann, spricht Jake weiter: „Das Gesicht geschwollen und voller Blut."

Caitlin atmet tief durch. Er braucht nicht weiterreden, sie weiß, was das zu bedeuten hat. Aber Jake merkt, dass er es sagen muss, dass er es sagen will. Weil er Caitlin mag, weil er ehrlich mit ihr sein will, damit sie versteht, warum er so geworden ist, wie er jetzt ist. Damit sie ihn versteht. Und vielleicht, ganz vielleicht, ist sie dann ja auch bereit, ihre Geschichte mit ihm zu teilen.

„Mein Vater war schon immer schnell zur Weißglut zur treiben. Ob nun mit falsch gedeckten Tischen, verbranntem Essen, Widerworten oder zu lauter Musik. Es gab nichts, was wir in seiner Gegenwart richtig machen konnten."

Caitlin presst die Lippen aufeinander, um dem Drang zu widerstehen, ihm zu sagen, dass sie es verstehen kann, denn das kann sie nicht. Sie weiß nicht, wie es ist, einen aggressiven Elternteil zu haben, wie es ist, verprügelt zu werden von dem eigenen Vater. Sie weiß nur, wie man sich um ihn kümmert.

„Oft hat er seine Aggressionen an meiner Mutter ausgelassen, manchmal an mir. Das hier", er schiebt seinen Ärmel ein Stück hoch, sodass Caitlin an seinem Unterarm die runden Narben sehen kann, „ist von den Malen, wo er der Meinung war, dass ich einen guten Aschenbecher hergeben würde."

„Wie", Caitlin räuspert sich, möchte keine Fragen stellen, die Jake unangenehm sein könnten, auch wenn ihre Neugier sie darum bittet. Er hebt fragend die Augenbrauen, wartet.

„Wie alt warst du?", flüstert sie, voller Angst vor der Antwort.

„Drei, vier vielleicht, als es angefangen hat. Meine Mutter ist immer dazwischen gegangen, wenn sie konnte. Ich weiß nicht, was sie getan hat, dass er sie so zugerichtet hat. Ich kann nur", er schluckt wieder und schließt die Augen, als könne er so die Erinnerungen verdrängen, „ich höre nur dieses Piepen vom Feuermelder jede Nacht, bevor ich einschlafe... und sehe ihren leeren Blick in meinen Träumen... als würde sie um Hilfe flehen, die ich ihr nicht geben kann."

Caitlins Herz wird schwer und auch Jake muss tief durchatmen, um nicht seinen Gefühlen zu verfallen. Erst möchte er zu Ende erzählen. Er will, dass sie weiß, womit er jeden Tag kämpft.

„Meinen Vater haben sie zwei Blocks weiter von der Straße gekratzt. Der hat sich vor das nächste Auto geworfen. Der Arsch wusste wohl, was ihm Mord bringen würde." Ungläubig schüttelt Jake den Kopf, doch Caitlin kann nichts erwidern.

Mord. Das ist ein heftiges Wort.

Und gleichzeitig kommt sie nicht umhin, daran zu denken, dass sie ihre eigene Mutter durch ihre bloße Existenz umgebracht hat.

„Ich war dann einige Zeit in Therapie und wurde vom Jugendamt in verschiedene Familien gesteckt, die alle nicht wirklich damit klar kamen, dass mein Vater ein Mörder ist. Hatten Angst, dass ich auch einer werde, als sei das vererbbar oder so."

Caitlin nickt, nicht, weil sie zustimmt, sondern einfach, weil sie das Gefühl der Abneigung und Vorverurteilung kennt. Vorsichtig greift sie über den Tisch und legt ihre Hand auf seine. Die Wärme, die sie ausstrahlt, geht durch seinen gesamten Körper. Dankbar lächelt Jake.

„Und dann, kurz nach meinem siebten Geburtstag kam ich ins Lost & Found. Elena und Joel sind unglaublich gewesen, von Sekunde eins. Haben mir jeden Freiraum gegeben, den ich benötigt habe, um wieder auf die Beine zu kommen. Waren immer unterstützend. Und schlussendlich haben sie entschieden, Teil des Kinderheims zu werden. Sie sagen manchmal, dass ich sie dazu gebracht hätte. dass sie dank mir erkannt hätten, wie vielen Kindern eine liebende Familie verwehrt wird – oder so ähnlich." Jake grinst, ein wenig traurig, ein wenig stolz.

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