Kapitel 9
Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte C2207 die Stromstöße auszublenden, die Dr. Higgins' Elefantenschocker gnadenlos durch seinen Körper jagte. Der Palomino hatte ihn an der Mähne gepackt und drückte ihn auf den harten Boden, der kalt in seine eingeknickten Beine schnitt.
„Womit ... habe ich das verdient?", presste das Experiment zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Mühevoll gelang es ihm, Lester von sich zu stoßen und ihm in die gefühllosen Augen zu blicken. Höhnisch lachend richtete er den Elefantenschocker wieder auf seine Brust. „Das fragst du noch?"
Erneut nahmen die immer stärker werdenden Stromschläge C2207 für einige Sekunden die Sinne, bis die Müdigkeit und Erschöpfung ihn schließlich gänzlich übermannten und seine Beine unter ihm nachgaben. Stöhnend ging der grau gemusterte Hengst unter dem zufriedenen Grinsen des Palominos zu Boden, der ihn unwirsch in einen vergitterten Transporter stieß.
Als C2207 erwachte, fand er sich noch immer in einer verschlossenen Box wieder, die auf einem brummenden Wagen festgespannt zu sein schien. Kurz musste er blinzeln, um seine Sinne wieder zu schärfen. Schwankend bewegte sich das Auto über einen unebenen Weg. C2207 kniff die Augen zusammen, doch vollkommene Dunkelheit umgab ihn. Da vernahm er mit einem mal ein Rauschen, das sich unter das Brummen des Motors mischte. Erst konnte er nicht bestimmen, worum es sich dabei handelte, doch da warf die Computerstimme ihm ein Wort zu. Wasser.
C2207 stockte der Atem. Sie mussten sich über einem Fluss befinden. Ohne zu zögern warf er sie wieder und wieder klirrend gegen den Käfig. Er bewegte sich. Das Material war jedoch zu stabil, um es zu durchbrechen. Allerdings nicht die Spanngurte, mit der der Kasten auf eine Ladefläche gezerrt zu sein schien. Grünes Licht flammte auf, als die Nachtsicht des Hengstes sich aktivierte. Sie musste durch den Elefantenschocker kurzzeitig außer Gefecht gesetzt worden sein. umso klarer sah er nun die engen Gitterstäbe und den darüber gespannten Gurt vor sich. Von neuem Mut erfüllt warf er seinen Körper heftiger gegen die Gitter. Er musste es schaffen, bevor sie die Brücke verließen. Noch immer toste rauschendes Wasser unter ihnen. Seine einzige Chance.
Ein letztes Mal nahm C2207 Anlauf und polterte hart gegen das Metall. Ein reißendes Geräusch, dann flog der Käfig mitsamt dem Experiment von der Ladefläche. Schmerzhaft wurde der Hengst gegen die Gitter geworfen, als plötzlich einkaltes Wasser über ihm zusammenschlug. Panisch ruderte er mit den Hufen, versuchte gegen die Strömung anzukommen. Der noch immer um ihn verschlossene Käfig behinderte ihn und mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er sterben würde, wenn er sich nicht daraus befreien konnte. Noch hatte er genug Sauerstoff im Blut, doch in weniger als zwei Minuten würde die Versorgung nicht mehr ausreichen und sein Gehirn würde Schaden nehmen ... bis er schließlich dahingerafft wurde. Mit aufgerissenen Augen versuchte C2207 etwas im gurgelnden Wasser zu erkennen. Hilflos versuchte er an die Oberfläche zu gelangen, doch er hatte die Orientierung verloren. Da prallte der Käfig gegen etwas Hartes. Steinige Klippen ragten aus dem düsteren Fluss auf. Die Wucht reichte aus, um den Käfig zu beschädigen. Zwar schmerzte bereits jeder Knochen in C2207s Körper, doch er musste es versuchen. Rudernd steuerte er die nächste Klippe an, die er durch die Strömung hindurch erkennen konnte. Sein Körper spannte sich an, als er sich auf den Aufprall vorbereitete, dann wurde alles Schwarz.
~ ~ ~
Leise summend stoppte Lester Higgins seinen Transporter im Innenhof der Hancester Science Laboratories. Er zog die Handbremse und stieg mit einem Gefühl des Triumphes aus. Doch sobald seine Hufe den gepflasterten Boden berührten, spürte er, dass etwas nicht stimmte. Seine Ohren schnellten nach vorne, da sah er es. Für einen Moment setzte sein Herzschlag aus, ehe er von blanker Wut gepackt wurde, als er die leere Ladefläche erblickte.
„Dieses verdammte Vieh!", schrie er auf. Wütend stampfte er in den Eingang der Laboratories hinein. Blind vor Zorn bog er in den nächstbesten Raum ab und startete einen der Computer, die dort an der Wand aufgereiht waren. Einer seiner besten Mitarbeiten Connor Kilburne sah ihn kurz verwirrt an, stellte aber keine dummen Fragen, als sein Chef ihn scharf anblickte. Eilig wandte sich der Braune mit der V-förmigen Blesse wieder seiner Arbeit zu und schlürfte seinen Tee.
Konzentriert loggte sich Lester in das Ortungsprogramm seiner Experimente ein und wählte die Nummer C2207 aus. Kein Signal. Wütend ließ er seinen Huf auf die Tastatur krachen. Der Sender musste entweder beschädigt oder durch irgendetwas gestört worden sein. War der Elefantenschocker daran schuld. Er hätte sich selbst ohrfeigen können. Wie konnte er nur so dumm sein, sein Experiment mit Strom außer Gefecht zu setzen, wo die Schaltkreise, die C2207 eingebaut worden waren, doch auf Elektrizität basierten. Er hätte eine der Betäubungsspritzen als seine Waffe wählen sollen. Aber nun war es wieder einmal zu spät. Zum zweiten mal war C2207 ihm entkommen. Lester Higgins hoffte nur, dass er bei seinem Fluchtversuch gestorben war oder sich zumindest so schwer verwundet hatte, dass er ohne fremde Hilfe nicht weiter kam.
Gleich morgen würde der Palomino Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um diesen Hengst zu finden, bevor er die Mission in Angriff nahm, für die er geschaffen war.
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