Kapitel 10
Systemstart erfolgreich abgeschlossen.
Langsam und vorsichtig wagte C2207 es, seine verklebten Augen zu öffnen. Das erste, was er sah, war ein großes Glas, das mit knallorangener Flüssigkeit gefüllt war. Erschrocken zuckte er zusammen, als der Gedanke in seinen Kopf rauschte, dass es sich dabei um ein Serum Higgins' handelte, mit dem er ihn vergiften wollte, doch ein entfernt vertrauter, süßlicher Duft stieg daraus auf. Verwirrt richtete C2207 sich auf uns sah sich um. Seine Knochen schmerzten und er lag auf einem rauen Tuch auf einer ... Couch. Wärme umhüllte ihn und ein einladendes Wohnzimmer mit flackerndem Karmin tat sich vor ihm auf.
Behutsam nippte der Hengst an dem Glas, dessen Inhalt die Stimme in seinem Kopf als „Orangensaft" definierte. Es schmeckte süß und säuerlich zugleich und schenkte ihm neue Energie. Kurz ließ er sich von den züngelnden Flammen im Karmin fesseln, dann stand er auf und lief los. Wo immer er war, er sollte nicht hier sein. Er gehörte nach draußen, wo es einen Auftrag zu erledigen gab. Dieser Gedanke war so plötzlich in seinen Hirnwindungen aufgetaucht, dass er gar nicht realisierte, dass es sich dabei um ein eingespieltes Computerprogramm handelte, dass noch auf der Festplatte in seinem Kopf zurückgeblieben sein musste. Mit einem Mal tauchte ein klares Bild vor seinem inneren Auge auf, das sein System als sein nächstes Opfer definierte. In seiner Zelle wurden C2207 oft Aufgaben gestellt, gewisse Pferde oder Androiden-Einheiten zu vernichten, doch dieses Gesicht war ihm neu. Eine dunkle Rappstute mit weichen aber dennoch autoritären Gesichtszügen. Caroll Baxter, leuchtete ein klarer Name darunter auf.
Augenblicklich begann C2207s Herz wie wild zu pochen. Dr. Higgins musste es gelungen sein, neue Daten auf sein System zu überspielen. Ein kalter Schauer lief seinen Rücken hinab. Das hieß, dass der Wissenschaftler noch immer in Kontakt zu ihm stand. Womöglich wusste er sogar, wo er sich gerade aufhielt. Sofort und in Windeseile berechnete C2207 sämtliche Sicherheitslücken, baute eine neue Firewall auf und blockierte jegliche Signale, die von den Hancester Science Laboratories zu ihm durchgedrungen waren. Zurück blieben ein paar Daten bereits verstorbener Pferde, die vor langer Zeit als seine Zielobjekte festgelegt worden waren und eine einzige Rappstute.
Während das Experiment in rastlosen Kreisen durch das fremde Wohnzimmer zog, gab er den Namen Caroll Baxter in seinen Suchmodus ein. Hier hatte er endlich wieder internet, das er zu seinem Vorteil nutzen konnte. Tausende Ergebnisse taten sich vor ihm auf und definierten die Stute als die neu ernannte Präsidentin der Vereinigten Staaten. C2207 schluckte. Wieso hatte Lester Higgins ihm einprogrammiert, dass er ausgerechnet sie töten sollte. Doch ehe er weitere Nachforschungen in den Weiten des Internets betreiben konnte, riss ihn ein heller Ruf aus den Gedanken.
„Gott sein Dank, er ist aufgewacht!", rief eine beinahe quietschende Stutenstimme durch den Raum. C2207 riss den Kopf herum und erkannte eine fuchsfarbene Stute mit leicht gelocktem Fell und einer wallenden, perfekt gestylten Mähne.
„Debora Mc Laren, schön Sie kennenzulernen", grüßte er sie heißer. Blitzschnell hatte der Supercomputer in seinem Kopf das Gesicht des Pferdes mit Unmengen an Personaldaten abgeglichen und dieser Name war dabei herausgekommen. Aufs Neue war der grau gemusterte Hengst überrascht, wie unwillkürlich und präzise sein System arbeitete.
„Woher ..." Verwirrt trat die mittelgroße Fuchsstute näher und beschnupperte das Experiment. Instinktiv wich er zurück und klappte seine Ohren nach hinten. „Danke", brachte er mühevoll hervor. Immerhin hatte dieses Pferd ihn offenbar aus dem Fluss gezogen, der ihn beinahe verschlungen hatte.
„Ich bin wirklich froh, dass es Ihnen so gut geht", brabbelte die Stute munter weiter. Sie schien schon wieder vergessen zu haben, wie ungewöhnlich es war, dass C2207 einfach aus dem Nichts ihren Namen zu kennen schien. Stattdessen erläuterte sie: „Als JJ Sie am Ufer gefunden hat, dachte er zuerst, Sie seien tot. Aber meine Schwester Jess hat darauf bestanden, genauer nachzusehen und Sie hierher zu bringen."
„Danke", wiederholte C2207 und wackelte mit den Ohren. Er war sich nicht sicher, was das alles zu bedeuten hatte und warum sich Debora so verhielt, wie sie sich verhielt.
„Ins Krankenhaus konnten wir Sie leider nicht bringen, da am Fluss weder Empfang war, noch wir ein passendes Transportmittel zur verfügung hatten. Aber zum Glück ist Jess' Wohnung nicht weit gewesen und JJ hat dich den ganzen Weg getragen" Mit einem seltsamen Blitzen in den Augen nickte Debora ihrem Gegenüber zu.
„Okay", erwiderte C2207 trocken, ehe er sich rastlos in Bewegung setzte. „Ich muss jetzt los, habe noch etwas wichtiges zu erledigen", erklärte er knapp, ehe er schnurstracks das Haus verließ und die Straße entlang trabte. Wie ferngesteuert hatte sich das Bild der Präsidentin Caroll Baxter in seinem Gehirn eingebrannt. Ohne es wirklich zu wollen, startete er die Route zu ihrem Wohnsitz.
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